Mein
liebster Schatz !
31.10.43
Auf Deinen Brief vom 19., der gestern noch einging, bin ich noch gar nicht eingegangen. Deine Sorge wegen des Briefes der Stadt an mich war völlig unberechtigt, denn der Originalbrief ging mir ja von Dir mit dem großen Schwung zu. Zu gleicher Zeit erhielt ich auch das Schreiben von meinem „früheren hohen Chef“. Dieser Ausdruck hat Dich wohl irritiert. Ich meinte damit nicht die Stadtverwaltung oder den Bürgermeister. Die Durchschläge hast Du ja inzwischen auch erhalten und ich denke, daß Dir auch damit alles klar geworden ist. Meiner Ansicht hatte ich Dir ja schon mitgeteilt, denn das ist doch wieder der gleiche Schlendrian, mit dem das andere vorher schon bearbeitet worden ist. Ich werde ja abwarten.
Das erste Päckchen, das ich von hier direkt abgesandt habe, ist nun auch eingetroffen. Das freut mich wieder sehr, denn das Fleisch und der Fisch sind doch Dinge, die wieder einmal ein Abendbrot abgeben werden. Für die anderen Sachen hast Du ja auch Verwendung, das hast Du mir schon vorher einmal mitgeteilt.
Ja, weil Du die ganze Sache vom Fuchsen noch einmal aufgreifst, so muß ich schon noch darauf eingehen, obwohl ich ja gern darum herumgekommen wäre. Jetzt wollte er nur kneifen, wirst du denken. Das ist ja auch ohne weiteres denkbar, wenn ich die Strafen alle bedenke, die mir schon dieses Fuchsen eingebracht haben. Ich dachte, ich spreche nicht mehr davon, dann schläft das ganz von selbst ein. Wie es scheint, muß ich doch zu tief hineingegriffen haben, denn das Gewitter, das sich da seit der letzten Zeit zusammengebraut hat, das möchte ich doch nicht über meinem Haupt niedergehen lassen. Fürs erste will ich Dir einmal wieder Frieden anbieten. Ich kann aber heue noch nicht sagen, wie lange ich das durchführen kann. Denn es könnte sehr leicht passieren, daß ich in meine alte Leidenschaft verfalle und ich müsste dann mein Wort brechen. Das wäre ja nicht auszudenken, was ich dann alles dafür hinnehmen müsste. Wollen wir einmal das Fuchsbeil begraben (bei den Indianern heißt es ja so romantisch Kriegsbeil). Ich sehe jedenfalls aus Deinen Äußerungen, daß Du mich so verstanden hast, wie ich es gemeint habe und das ist schließlich recht. Nur ärgern sollst Du Dich nicht darüber und das ist anscheinend nicht geschehen. Wenn ich aber in dieser Art weitermachen darf, dann kannst Du mir das ja sagen, dann werde ich mir keinen Zwang antun, oder ich will es dann jedenfalls versuchen, mit Maß zu treiben. Auch wenn ich davon geschrieben habe, daß Du unscheinbar oder nicht ganz so unscheinbar vor den anderen mit Deinen Englischkenntnissen dastehst, so gehört das selbstverständlich auch mit in die Art, die Du vorher an mir so „gerügt“ hast. Aber wenn ich dich schon so herausgefordert habe, dann will ich mich selbst vor dem Tribunal nicht scheuen. Ich habe vor, unserer Helga in nächster Zeit etwas in Englisch zu schreiben. Es hat mir keine Ruhe gelassen, als Du vor kurzem schriebst, was für Sprachen ich schon kenne oder so ähnlich. Mir sind nun so verschiedene Dinge durch den Kopf gegangen. Es ist aber alles sehr verschüttet, was ich vor Jahren gelernt habe. Unterlagen habe ich auch keine hier. Aber für Helga ist es ja so, daß sie daraus vielleicht manches lernen kann, denn was sie nicht weiß, muß sie doch im Lexikon nachsehen. Was ich dann falsch geschrieben habe, kann sie ja selbst verbessern. Ich bin der Ansicht, daß ihr das nichts schaden kann. Du musst Ihr ja noch nichts davon sagen, lasse nur meinen Brief erst einmal ankommen. Heute und morgen werde ich noch nicht dazukommen, aber dann gleich. Daß Du beim Lernen gern mittun möchtest, das glaube ich gern, aber ich verstehe auch, daß Dich Deine eigentliche Arbeit zu sehr in Anspruch nimmt. _ Auf Deinen Brief vom 25., den ich heute erhielt, gehe ich morgen mit ein. Ich danke Dir vorerst herzlich dafür. Dein Vater schrieb von dem Luftangriff. Das klingt ja sehr beängstigend. Ich kann mir vorstellen, daß das nun gar so toll gewesen sein soll. In Leipzig ist noch nicht viel los gewesen, deshalb wird das dort doppelt und stark empfunden, wie in den Gebieten, wo schon soviel zerstört ist. Ich wünsche ihnen wirklich ihre Ruhe, aber wie oft haben wir es hier draußen schon rappeln hören und wir haben davon nichts weiter erwähnt, weil es hier schließlich dazu gehört. Allzu viel Aufhebens muß man davon nicht machen. Man muß eben froh sein, wenn für einem persönlich alles noch so vorbeigegangen ist.
Ich grüße Dich und die Kinder vielmals und bin mit vielen herzlichen Küssen Dein Ernst.
Mein liebstes Mädel ! 1.11.43
Vor lauter Beantworten Deiner Briefe habe ich übersehen, daß ich gestern einen Besuch bei den Ruinen gemacht habe, die nicht noch nicht von der Nähe gesehen habe. Es war zum Teil sehr interessant, aber man sollte doch jemanden haben, der einem das erklärt. Ein Führer kann man sich nicht nehmen, das kann man mit seinen wenigen Drachmen nicht bezahlen. Man kann an den Grundmauern noch den ganzen Bau dieses Stadtteils erkennen. Viele Skulpturen sind zerstört und nur noch in kleinen Bruchstücken vorhanden.
Das muss schon ein schöner Anblick gewesen sein, wo das noch alles in Schuss war. In einem Amphitheater war ich, das sich unterhalb der Akropolis befindet. Dort waren noch sehr schöne Bildhauerarbeiten zu sehen. Interessant waren die in der ersten Reihe, viele die aus Marmor gehauen dastanden. An jedem war noch der Name dessen eingemeißelt, dem er früher gehörte. Alles ist vergangen, nur noch diese Kennzeichnung ist von diesen Menschen übrig geblieben. 2 ½ Tausend Jahre alte Münzen, die auf dem Ausgrabungsfeld gefunden wurden, hat man mir angeboten. Es ist schon etwas sonderbares darum, wenn man bedenkt, daß diese Zahlungsmittel nun heute keine Bedeutung mehr haben, während sie früher doch immerhin einen Wert besaßen. Direkt unter dem Felsen der Akropolis befindet sich interessanterweise eine Kapelle. Es ist wohl so, daß man sie in einen kleinen Tempel hineingebaut hat, denn die verschiedenen Säulen, die dort noch stehen oder Bruchstücke lassen darauf schließen. Der Weg dorthin ist von wilden Kakteen überwuchert, deren Früchte jetzt gerade reifen und massenweise am Boden herumliegen. Das war meine Unterhaltung in meinem gestrigen dienstfreien Vormittag. Mir hat es immerhin Spaß gemacht. Schöner wäre es gewesen, wenn ich Dich dabei gehabt hätte. Man hätte doch darüber sprechen können, aber das ist nun leider nicht möglich. Heute lege ich Dir die Luftpostmarken mit bei, die wir für November und Dezember empfangen haben. Die für den laufenden vergangenen Monat habe ich auch noch erhalten, so daß es eine ganze Wucht ausmacht. Ich bitte Dich, aber nicht zu denken. daß Du mir nun die entsprechende Anzahl Päckchen gleich herschicken mußt. Ich brauche immer noch dringend Packmaterial. Die anderen beiden Päckchen, die Du damals mit diesen Sachen an mich abgesandt hattest, sind noch nicht eingetroffen. Bindfaden würde ich schon ziemlich dringend benötigen, wenn ich damit eines Tages nicht auf dem Trockenen sitzen soll. Ich habe hier wohl noch etwas, aber das will ich mir gern als stille Reserve aufheben. Morgen geht wahrscheinlich wieder ein Transport nach Deutschland, dem ich einige Kleinigkeiten mitgeben könnte. Du mußt nun nicht denken, ich will Dich wieder ankohlen. Diesmal ist es nur das Brot, das ich bei dieser günstigen Gelegenheit aus der Hand bekommen würde. Aber wenn ich es auf diese Weise an Dich absenden kann, dann brauche ich die uns sonst offenstehende Möglichkeit der üblichen Päckchen nicht in Anspruch nehmen.
Gerade habe ich einige Zeitungen bekommen. Ich werde deshalb einen Teil des Brotes zurückstellen und bei anderer passender Gelegenheit mitschicken. Das Päckchen bekommt die Nummer 8.
Schicke mir doch bitte bald einmal einige Pfropfen für Flaschen. Das Zeug ist hier richtig teuer. Für einen Stopfen muss ich 50 Pfennig bezahlen und für eine leere Flasche 1,50RM. Wenn man das Zeug aber braucht, dann bezahlt man es eben. Wenn es nicht um die Marken zu tun wäre, , dann könntest Du mir auch einige Flaschen zusenden. Aber ich will versuchen, mir so zu helfen. Ich hoffe nur, daß die anderen beiden Päckchen mit dem Packmaterial bald eintreffen, denn so langsam sitze ich auf dem Trockenen.
Gestern Abend hatte ich noch Gelegenheit, im Offiziersheim ein gutes Abendbrot zu bekommen. Das hat mir wieder einmal recht gut geschmeckt. Man muß seine Ansprüche gegenüber dem Osten hier schon ziemlich zurückschrauben, denn dort sind wir ja wirklich außerordentlich gut verpflegt worden. Aber man schlägt sich so durch, denn es gibt immer wieder eine Gelegenheit, wo man etwas bekommt. Einmal gehe ich ins Soldatenheim und ein anderes Mal ins Offizierheim. Wenn es auch nicht immer nach Geschmack ist, so füllt es doch den Magen wieder. Wenn es gar nichts gibt, dann muß man eben einen Cognac oder ein Bier trinken.
Nimm viele Grüße und recht herzliche Küsse entgegen und denke wie immer an Deinen Ernst.
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