Sonntag, 2. Juli 2017

Brief 283 vom 24./25.6.1942


Mein liebes Mädel !                                                         24.6.42 

Gestern bin ich nicht fertig geworden, den Brief an Dich sowie den an Deinen Vater zu beenden. Heute möchte ich das aber tun und auch den an Siegfried schreiben. Dann ist es mir wohler, wenn ich alle diese Dingen von mir aus geregelt habe. Ich wollte Dir aber nicht nur eine halbe Sache mitteilen, darum ist auch der gestrige Brief nicht mitgekommen. Wenn ich also auch die Erledigung der ganzen Sache Deinem Vater gegenüber für Dich übernommen habe, dann fasse das bitte nicht als Bevormundung auf. Ich hatte mir das schon immer überlegt, ob wir es nicht so machen könnten, weil ich vermeiden will, daß Du mir wieder krank wirst, habe aber diesen Gedanken immer wieder zurückgestellt. Wo Du nun selbst diesen Wunsch äußertest, werde ich ihn gern erfüllen. Alles, was ich sonst in dieser Angelegenheit zu sagen habe, habe ich in meinen Briefen zum Ausdruck gebracht.  Jetzt aber will ich von den anderen Dingen reden. Für die Bade- und Sporthose sowie für die Schulterstücke und die Nadeln und den Zwirn danke ich Dir vielmals. Auch die Feuersteine habe ich erhalten. Für alles danke ich Dir wieder recht herzlich. Von Deinen Briefen habe ich gestern erhalten : 29., 30.5. 7, 8. 9. 10. 11. und 12.6. Ist das nicht allerhand. Es kann ja sein, daß es nun wieder einige Tage aussetzt. Aber damit muß man rechnen. Schön der Reihe nach will ich sie jetzt beantworten. Daß Du Klage darüber führst, daß Du mit Vater nichts weiter als alltägliche Dinge besprechen kannst, das weiß ich und kann das nur zu gut verstehen, denn das war ja früher schon immer mit ihm der Fall. Daß man diesen alten Mann nicht mehr ändern kann, damit haben wir uns schon früher abgefunden. Daß Du das mit ihm manchmal allein ausbaden mußt, tut mir sehr leid, vor allem , weil ich Dir dabei nicht helfen kann. Bis ich Dir immer auf diese Dinge antworten kann, ist immer soviel Zeit vergangen, so daß Du nicht mehr wissen wirst, darum Du einmal geschrieben hast. Aber es ist ja so, daß sich inzwischen wieder etwas neues ereignet hat. Ich weiß auch, daß er auf seine Art wieder gute Seiten hat. Aber er war ja immer bis jetzt noch der Anhänglichste von allen, und das wollen wir ihm nicht vergessen.  Mir kannst Du glauben, daß ich weiß, daß Du Deine Sache in Ordnung hast und daß ich mit Dir immer wieder zufrieden war. Daß ich zwar auch nicht immer derjenige bin, der, solange ich daheim war, immer gleich das Lob auf der Zunge hatte, das weißt Du ja. Du kanntest aber auch meinen Standpunkt, wenn ich sagte, solange ich nichts zu reklamieren habe, dann ist bei Dir alles in Ordnung.  Also etwas habe ich auch ererbt, wenn auch nicht gar so krass.  Daß Helga viel Freude am Turnen hat, ist ja sehr schön, denn die Ausbildung des Körpers kann nie schaden. Darum ist es auch richtig, wenn sich Jörg dazu entschlossen hat, mitzumachen.  Dein Hinweis, daß es Dir nicht möglich ist, Zärtliches und Liebes in Briefen zu schreiben, ist ganz und gar verständlich, denn ich mache es auch nicht. Du und ich, wir sind uns unserer gegenseitigen Wertschätzung und Liebe deshalb doch bewußt. DAß wir nicht die Absicht hatten, diese ganz persönlichen Dinge zu schreiben, das haben wir uns gleich ausgemacht gehabt, als ich einrücken mußte. Daß es Dir oft schwer fällt, Gefühle, die nun einmal vorhanden sind, zu unterdrücken, das ist mir durchaus verständlich, geht es mir doch ebenso. Wir müssen aber aushalten, wenn es auch noch so schwer fällt.  Daß mit dem französischen Cognac ist schon gut, wenn man ab und zu etwas hier bekommt. Da ich aber daheim noch eine Reserve habe, ist mir für besondere Fälle eine Beruhigung. Damit will ich zwar nicht sagen, daß mir das eine Lebensnotwendigkeit sei. Aber mein Zimmergenosse und ich haben zusammen eine Flasche französischen Sekt bekommen. Seinen Anteil habe ich ihm abgekauft. Nun habe ich doch etwas zum Geburtstag, denn da muß ich verschiedene Kameraden einladen, weil einem hier bei der Einheit öffentlich gratuliert wird, so daß man ihn nicht verheimlichen kann. Etwas Eiercognac werden wir auch noch machen und sonst müssen die Eingeladenen Wodka trinken. So übermäßig wird es sicher nicht werden, aber etwas muß ich ja tun.  Für heute sende ich Dir und den Kindern recht viele Grüße und ebenso viele Küsse.  Dein Ernst.


Meine liebe Annie !                                                25.6.42  
      
Erst heute bin ich damit fertiggeworden, den Brief an Siegfried abzuschließen. Ich muß hier immer erst zusehen, wie ich eine Maschine bekomme. Ich hoffe, daß ich alles zu Deiner Zufriedenheit erledigt habe. Durchschlag zum Aufheben habe ich Dir beigelegt. Wir wollen uns einmal den ganzen Schriftverkehr in diese Angelegenheit aufheben, bis die Dinge abgeschlossen sind.  Ein großer Brief wird es wohl heute nicht werden, denn die ganze andere Schreiberei hat doch ziemlich Zeit weggenommen. Ich glaube aber, daß Du auch mit einem kürzeren Gruß vorlieb nehmen wirst.  Morgen kann ich mich dann wieder mehr den anderen Dingen widmen.
Daß Jörg nun seine Patronen gegen ein Seitengewehr aus dem Weltkrieg verkitscht hat, das sieht ihm wieder ähnlich. Da muß man schon aufpassen, daß er nicht alles mögliche verkuppelt.  Solche Beutestücke hätte ich ihm schon öfter besorgen können, das hat aber doch alles keinen Wert, wenn man das ganze Zeug daheim herumliegen hat. Aber der Phantasie eines Jungen in dem Alter sind ja keine Grenzen gesetzt. Wie er einmal die 5 Pfennig für eine Omnibusfahrt ausgegeben hat, das ist ja nicht so schlecht, denn er hat sich dies ja durch seine Handfertigkeit selbst verschafft. Von der Erhöhung Deiner Spareinlage habe ich Kenntnis genommen. Da hst Du schon eine ganz hübsche Summe beieinander.  Daß Ihr wieder einmal an das Wasserwerk zum Baden gegangen seid, das habe ich für sehr vernünftig gehalten. Ob die Kinder mit der Zeit noch das Schwimmer lernen. Ich möchte es ihnen wünschen.  Herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

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