Sonntag, 2. Juli 2017

Brief 286 vom 30.6.1942


Mein liebes Mädel !                                                                30.6.42     
 
Auch dieser Monat ist wieder vorbeigegangen und wir haben vergeblich auf den Weitergang der Operationen hier in unserem Gebiet gewartet. Daß diese Nervenanspannung für das ganze deutsche Volk keine Kleinigkeit ist, kann ich mir vorstellen, denn die Zeitspanne bis zum Einbruch der ungünstigen Witterung wird immer kürzer. Ja, da nützt alles Gerede nichts, man muß eben immer und immer wieder abwarten, was unsere Führung vorhat. Manchmal glaubt man ja nicht mehr richtig mitzukommen. Da begegnen einem deutsche Soldaten mit fremdländischem Aussehen. Spricht man sie an, dann kann es einem passieren, daß sie sagen „ne ponnenmaio“. Man weiß dann wenigstens, welcher Völkerschaft sie angehören. Ich weiß nicht, ob Du schon gemerkt hast, aber ich will einmal wieder von den Russen bezw. spezielle von den Ukrainern, Tataren und Kaukasiern schreiben. Als ich hierher kam, mußte ich gleich feststellen, daß ein Posten von der sogenannten ukrainischen Hilfswachmannschaft vor dem Holzhaus der Kommandantur stand. Erst war ich etwas verwundert, aber schließlich gewöhnt man sich auch an diesen Anblick. Hier ist eine Miliz aufgestellt worden, aus der einheimischen Bevölkerung gestellt wird. Die ist mit Gewehren bewaffnet und auch sonst etwas ausgerüstet. Bei der Bekämpfung der Partisanen haben die schon manche Hilfe geleistet und auch schon manches Opfer bringen müssen. Im großen und ganzen haben die sich ganz gut bewährt. Das geht aber noch, denn man kann diese Leute soweit immer noch von uns unterscheiden. Anders ist es, wie ich eben eingangs geschrieben habe, wenn man auf seine Frage diese Antwort erhält, denn das heißt, das der Betreffende nichts verstanden hat. Es handelt sich um die verschiedenen Legionen, die hinter der Front zusammengestellt werden. Wir hatten hier eine Legion, die aus Kaukasiern bestand. Die waren zum Teil erst in den letzten Kämpfen bei Charkow gefangen genommen worden. Sie haben Ausbilder vorgesetzt bekommen, die auch ihrem Volk angehören, die waren im letzten Winter in Deutschland bei Lehrgängen. Die existieren mit ihren Landsleuten und man muß sich wundern, wie diese Kerle mitmachen. Ich sehe die armseligen Haufen hier noch vorbeiwandern. Viele konnten nicht mehr mitlaufen und mußten von ihren Kameraden gestützt werden. Schon nach wenigen Tagen liefen sie schon ganz ordentlich und als noch weitere Tage vergangen waren, fingen sie sogar schon an zu singen. Diese Männer, sie unterscheiden sich noch nicht sehr von den anderen Kriegsgefangenen, werden, nachdem sie in deutsche Uniformen gesteckt worden sind, gegen die Bolschewisten eingesetzt werden. Wie mir Kameraden  erzählt haben, haben sie derartige Verbände schon auf der Krim sehr gut bewährt. Ja man kann nur staunen, was alles getan wird. Die Leute sind hier in Lagern untergebracht und brauchen auch keine Bewachung weiter. Wenn bei denen auf Sauberkeit und Ordnung gesehen wird, sind die vielleicht ganz brauchbar. Aber wenn man denkt, man hat wieder etwas dazugelernt, dann muß man immer wieder feststellen, daß man noch lange nicht alles weiß. Schon seit einiger Zeit sehe ich hier Männer herumlaufen in französischer Uniform. Ich hatte mir schon immer gedacht, ob das nicht vielleicht Franzosen sind. Gestern habe ich sie angesprochen. Tatsächlich handelt es sich da um französische Kriegsgefangene, die hier in Gefangenenlagern tätig sind und auch bei diesen Ausbildungslagern, wie ich sie eben beschrieben habe. Auch diese helfen wieder mit. Sie laufen hier frei rum, zwar sehr bedrückt, daß sie nicht nach hause können, aber sonst sehen sie sehr gut aus. Spaß hat mir ja gemacht, daß ich mich mit ihnen unterhalten konnte, und daß ich meine paar Brocken wieder etwas aufgewärmt habe.  Heute hatte ich außer von verschiedenen Völkerschaften, die mit für uns tätig sind, nichts weiter zu berichten. Post habe ich keine erhalten, ich hoffe, daß beim nächsten Mal wieder welche für mich dabei ist. Man gewöhnt sich so sehr daran, daß man meint, es fehlt an dem betreffenden Tag etwas, wenn man keine Post erhalten hat. Das gleiche ist aber, wenn ich an einem Tag einmal nicht geschrieben habe.  Dir und den Kindern sende ich recht viele herzliche Grüße und ich hoffe, daß Ihr alle recht gesund seid. Dir sendet aber wieder recht viele küsse Dein Ernst.  Ich habe heute nochmals ein Päckchen mit Brot fertig machen können. Ich habe es gleich mit auf den Weg gebracht. Hoffentlich kann man es noch verwerten , wenn es ankommt. Es trägt die Nummer 11.

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