Donnerstag, 13. Juli 2017

Brief 288 vom 6./7.7.1942


Mein liebes Mädel !                                                     6.7.42             

Von der Dienstreise zurück, möchte ich Dir erst kurz eine herzlichen Gruß übermitteln. Ich komme heute noch nicht richtig zum Schreiben, weil ich allerhand Arbeit vorliegen haben. Ich werde aber alles nachholen. Ich habe verschiedene nette Erlebnisse gehabt. Für die verschiedenen Briefe, die ich noch zu beantworten habe, danke ich Dir vielmals. Über den einen, den Du im Anschluß an den Brief an Deinen Vater geschrieben hast, habe ich herzerfrischend gefunden. Ich muß Dir mein Kompliment machen. Du hast begründete Aussicht beim „Schwarzen Corps“ als Schriftleiter angestellt zu werden. Ich habe aber daraus gelesen, daß Du Deinen alten Humor, den Du gerade etwas nach Überwindung solcher Beklemmungen hattest, noch nicht verloren hast. Ich freue mich darüber.  Ich finde aber, daß wir uns in der Betrachtungsweise über diese Dinge alle einig sind. Von der Karte, die Siegfried mit in dem gleichen Sinn gesandt hat wie Die, hatte ich Dir schon geschrieben. Ich fand, daß es verständig von ihm ist, daß er die Dinge etwas anders zu betrachten versucht, doch das er jetzt, wie es mir scheint, doch klein beigegeben hat. Denn uns gegenüber hat er doch in dem einen Brief eine gewisse Schärfe durchblicken lassen, wenn wir die Beziehungen aufrecht erhalten würden. Lassen wir aber diesen Dingen weiter ihren Lauf gehen.  Heute Abend feiere ich mit meinen Kameraden Geburtstag, da habe ich noch einiges zu tun. Ich bitte Dich, darum heute mit diesem kurzen Gruß zufrieden zu sein. Ich werde das Versäumte umgehend nachholen. Nimm viele herzliche Grüße und ebenso viele Küsse entgegen von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.

Meine liebe Annie !                                                       7.7.42      
     
Wie ich Dir in meinem letzten Brief, den ich gleich mit Luftpost gesandt hatte, schrieb, mußte ich ganz plötzlich auf Dienstreise gehen, weil durch unvorhergesehene Organisationsänderungen von uns neue Gebiete übernommen werden mußten. Wir waren nun drei Tage unterwegs und wie ich Dir gestern schon mitteilte, habe ich wieder verschiedenes gesehen und erlebt. Wir fuhren am Freitag früh hier weg zu einer etwa 100 km entfernt liegenden Kommandantur, die uns bisher unterstand. Deren Arbeitsgebiet ist jetzt aufgeteilt worden. Diesmal haben wir die Reise im Kraftwagen machen können, denn die Straße erlaubte es so einigermaßen. Wir konnten sogar teilweise 70 km fahren, was für die hiesigen Verhältnisse viel bedeutet. Wir haben dann am Abend bei einem Mann, bei uns würde das einem Landrat entsprechen, übernachtet. Die Verhältnisse sind ja bedeutend einfacher wie bei uns.  Wir wurden dort freundlich aufgenommen. Der Mann sprach ganz gut deutsch, so daß man sich ganz gut unterhalten konnte. Am anderen Tag war dann Versammlung sämtlicher Bürgermeister dieses Kreises, die dann Anweisungen bekamen, was sie zu tun haben und was von ihnen verlangt wird. Die Bewirtung war diesmal besser wie bei meiner ersten Reise, die ich mit dem Obersten gemacht hatte. Hier bekamen wir zum Abendbrot Fisch vorgesetzt, dann hinterher eine Pfanne mit Spiegeleiern. Für jeden so 6 Stück, das war dann genügend. Dazu wurde dann noch kräftig Wodka getrunken. Am anderen Morgen wurden wir dann gleich wieder mit Fischen bewirtet.  Das war dann des Guten zuviel, aber wir haben dann schließlich doch gegessen. Man muß bei diesen Menschen so Rücksicht nehmen, so daß man eben das Zeug verdrückt hat. Eier gehörten auch dazu.  Das war wieder soviel, daß man keine rechte Lust zum Arbeiten hatte. Es ist aber auch das vorüber gegangen. Du wirst denken, das war mehr oder weniger eine Fressfahrt, da ist es nicht notwendig, daß ich erst noch von Arbeiten rede. Im großen betrachtet war es aber auch fast so. Der  „Landrat“ bat uns noch, bis zum Abend zu bleiben, denn er hatte für uns extra eine Theaterveranstaltung angesetzt. Doch wir mußten noch zu einer anderen Versammlung fahren, die zum nächsten Tag einberufen war. Wir sind dann am Samstagmittag weitergefahren und kamen dann am Abend in unserem neuen Bestimmungsort an. Dort wurden wir bereits erwartet. Es war verhältnismäßig spät, denn für uns war eine Theatervorstellung angesetzt, Wir mußten uns dann schnell in unsrem Quartier einrichten und dann schon wieder zum Essen gehen. Hier erwartete uns wirklich eine Überraschung. Da waren Platten aufgefahren, fast an die Verhältnisse in Frankreich erinnernd. Alles war sehr schön garniert, so daß es sehr appetitlich anzusehen war. Es war alles für uns besonders gut hergerichtet, und ich kann nur immer wieder sagen, daß wir sehr aufmerksam betreut wurden. Die Vorstellung besuchten wir dann gleich, denn sie mußten wegen unserer verspäteten Ankunft auch später anfangen. Es war nun nicht so einfach, bei dieser Vorstellung mitzukommen, denn es wurde ukrainische gesprochen. Schließlich hat uns unser Dolmetscher immer etwas geholfen, dann ging es so einigermaßen. Entsprechend dem Volkscharakter sind auch die Theaterstücke, die wir als etwas eigenartig empfanden. Langweilig wirkte, daß so viele und lange Pausen gemacht wurden. Aber die Leute gaben sich wirklich sehr viel Mühe. Doch ehe ich wieder von Sonntag und vom Essen erzähle, will ich doch noch kurz schildern, wie die Versammlung verlaufen ist.  Ich weiß nicht, ob Du bei und daheim die Parteiveranstaltungen kennst. So ungefähr war das dort. Wir fuhren mit unserem Auto vor. Wir ließen erst den „Landrat“ hineingehen. Dann kam mein Chef und ich. Dazu gehörte noch der Dolmetscher. Als wir in den Saal eintraten, so konnte man folgendes Bild sehen. An der Stirnseite es Saales war ein ganz großes Führerbild. Darüber geschmackvoll eine Hakenkreuzfahne gelegt. Der Saal war in der Mitte geteilt, so daß zu beiden Seiten Bänke standen. Der Landrat   hat dann seine Bürgermeister und die sonst zur Versammlung Geladenen aufstehen lassen. bei unserem Auftritt fing eine Blaskapelle an zu spielen und die Leute grüßten uns mit erhobener Hand. Mein Oberrat und ich , wir erwiesen militärische Ehrenbezeugung, so daß schon von Anfang an das ganze eine feierliche Form erhielt. Nach einer kurzen Einführung fing dann mein Chef an zu sprechen. Als er einen Höhepunkt seiner Rede erreicht hatte, die immer wieder vom Dolmetscher übersetzt wurde, standen mit einem Male sämtliche Anwesenden auf und fingen an zu klatschen. Die Kapelle, die sich hinten im Saal befand, fing dann an zu spielen, daß es erst den Anschein hatte, als betrachteten die Geladenen die Versammlung für geschlossen. Wir waren jedenfalls so verblüfft, da wir meinten, wir müßten aufhören. Aber schließlich hat sich unser Chef dann wieder gefaßt und hat dann weitergesprochen. Dieses Schauspiel hat sich dann noch einige Male wiederholt. Doch beim nächsten Mall wußte man, was los war. Ich kann Dir jedenfalls sagen, daß uns beim ersten Mal ganz komisch zumute war. Bei Schluß der Versammlung erhob sich dann wieder alles und es spielte sich genau das gleiche ab, wie bei unserem „Einzug“. Nach einer längeren Besprechung in kleinerem Kreis ging es dann wieder zum Essen.  Ich kann aber schon nur noch sagen, das war eine Fresserei. Für uns war extra ein Spanferkel gemacht worden. Eine Sache, die ich bisher noch nicht kannte. Aber was sonst noch alles aufgefahren war, das hat uns für Euch daheim direkt geniert. Erst gab es Salat, der gemischt war mit Gurken und auch die Platten waren wieder sehr schön garniert. Dann gab es eine Suppe, die sehr gut und kräftig wart. Dann gebratenes Huhn und gebratener Fisch.  Dann das Spanferkel und eine Art Pastete. Alles war sehr gut zubereitet. Die Herren, die an der Besprechung mit teilgenommen hatten, waren auch beim Essen mit dabei. In der Mitte saß mein Chef und ihm zur Rechten der  Landrat  und ich zur Linken. Es fehlte zu allem nur noch der gute Wein und etwas Bier. Wir bekamen dafür Wodka, der es schließlich auch tat. Tischsitten sind hier auch etwas anders. Hier kann man den Arm aufstützen und den Kopf damit halten, wenn man die Suppe ißt, da findet niemand etwas dabei.  Dann muß man scheinbar feste schlürfen. Denn als wir die Suppe nach unseren Gewohnheit aßen und bei uns nichts zu hören war, fragte der   Landrat  „ne karascho“ ?. Wir fragten dann, warum es nicht gut sein sollte, da meinte er, das sei eine wirklich gute Suppe.  Dabei gab er einen tiefen Seufzer von sich, daß man merkte, daß es ihm leichter geworden sei. Offenbar gehört Schmatzen und Schnaufen zur Zufriedenheit dazu und man kann es wahrscheinlich nur auf diese Art und Weise kundtun. Nach diesem schönen Essen gab es dann noch Erdbeeren. Wir haben während dieser Tage wie die Fürsten gelebt, doch nun liegt das auch wieder hinter uns.  Die Post geht nun gleich wieder ab. Ich muß daher jetzt wieder meinen Brief abschließen. Den Schluß kann ich erst morgen mitschicken.  Sei Du vielmals herzlich gegrüßt und recht herzlich geküßt von Deinem Ernst.

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