Mein
liebes gutes Mädel !
10.7.42
Gestern
war es mir nicht mehr möglich, Dir zu schreiben. Doch heute kann und darf ich
es nicht aufschieben, denn ich will Dir erstens einmal Deine Briefe
beantworten. Dann muß ich Dir die Andeutung, die ich im letzten Brief
aussprach, bestätigen, daß es weitergeht. Wahrscheinlich Anfang der kommenden
Woche, doch der Abmarschtag steht noch nicht genau fest. Ziel ist zwar noch
unbekannt, aber es wird angenommen, daß wir in die Gegend kommen, die in einem
der letzten Wehrmachtsberichte erwähnt wurde. Wenn wir in diese Industriestadt
kommen, kann es möglich sein, daß dort alles ziemlich tot ist durch die
Zerstörungen. Doch wir warten ab. Wie es dann mit der Post wird, kann ich noch
nicht sagen. Wahrscheinlich werden auch
in Richtung Heimat dann Verzögerungen eintreten. Daß wir einige Wochen warten
müssen, das ist mir jetzt schon klar. Das Warten habe ich schon inzwischen
gelernt, seit ich von daheim weg bin. Sobald ich wieder mehr erfahre, lasse ich
es Dich wissen. Die Zeitung „Das Reich“
habe ich ja bei Deinem Vater nicht bestellt, und Du kannst sie mir deshalb
weiter zusenden. Wenn sie auch etwas später eintrifft, so macht das nichts,
denn die Artikel sind immer noch zeitgemäß. Daß Du mit den Kindern wieder baden
gewesen bist, hat mich gefreut. Wenn es sich nur irgendwie einrichten läßt,
nutzt nur die schöne Badezeit aus. Wie
bald kommt wieder der Winter und dann ist es aus. Ich gehe seit gestern mit
meinem Zimmerkameraden früh baden. Von unserer Unterkunft haben wir etwa 5
Minuten zu laufen. Wir machen immer noch einen kurzen Lauf dazwischen, dann
lange es in der Zeit. Dann kann man
ganz schnell baden. Das Wasser ist doch schön. Es ist zwar etwas schwarz, nicht
so klar wie bei uns, aber man kann drin schwimmen. Das ist schon viel wert.
Dann ist man, bei der gegenwärtigen Hitze, am Vormittag wenigstens frisch.
Heute wollen wir auch über die Mittagszeit gehen. Wenn Du Vater von Deinen Erdbeeren gebracht hast, dann wird er
sich sicher gefreut haben. Ich glaube auch, daß er sie vermissen wird. Früher
hat es sich doch erst nicht viel daraus gemacht. Wenn Ihr nach Helgas
Geburtstag etwas mehr Brot bekommen würdet, dann ginge es ein bißchen leichter
für Dich. Ich kann mir denken, daß es manchmal streng durchgeht. Ich wünschte
nur, daß die wenigen Brote, die ich schicken konnte, richtig ankamen, so daß Du
sie noch verwenden konntest. Der
Rickert ist also auch schon wieder
daheim im Urlaub gewesen. Diese Herrschaften sind doch bei diesen S
achen immer vorne dran. Der Brief von ihm hat Dir also auch so ausnehmend gut
gefallen, den er geschrieben hat. Die Menschen können aber nicht aus ihrer
Haut. Die Erfolge in Afrika sind schon
gewaltig. Hoffen wir, daß dies zum Endsieg wieder ein schönes Stück beigetragen
hat. Ich freue mich auch für Euch, daß
sich im Garten alles so schön herausmacht. Gurken und Tomaten kann man immer
gut verwenden. Auch für die anderen Erzeugnissen wirst Du immer gute Verwendung
haben, denn man braucht doch jetzt diese Sachen mehr denn je. Wir waren früher
darum froh, weil wir aus Gründen der Sparsamkeit darauf sehen mußten, daß wir
uns etwas anbauten.
Darum
freut es mich, daß auch jetzt wieder, wo die Notwendigkeit zum Anbau besteht,
wir diesen Garten so günstig beim Haus haben, denn so kannst Du doch immer
gleich danach sehen und sparst Dir viel Zeit und der Nutzen ist dadurch
entsprechend größer. Mit der Schokolade
hat es sich leider nicht so einrichten lassen, daß ich sie selbst gegessen
habe. Bist mir hoffentlich nicht böse und ich bitte Dich darum, nicht gleich zu
schimpfen. Für Jörgs Geburtstag war die eine bestimmt und damit die eine nicht
so zerbrochen ankommt, habe ich die andere mit dran gelegt. Heute schicke ich
ein Päckchen mit einigen Stumpen, die Du für Vaters Geburtstag aufheben kannst.
Es sind nicht viele, aber ich kann Dir bei dieser Gelegenheit wieder einen
Karton zugehen lassen. Wenn Du einmal nicht so zum Schreiben kommst, dann nehme
ich Dir das nicht übel, denn ich will, daß Du Dich nicht überarbeitest und Dir
dann auch etwas Ruhe gönnst. Ich freue mich zwar über jeden Brief, den ich von
Dir bekomme. Aber wenn Du durch andere
Arbeit behindert bist, dann geht es eben einmal nicht. Das Päckchen Ur. 4 hat Dich also auch
erreicht. Wenn alles gut angekommen
ist, dann bin ich erst befriedigt. Denn vorher freut man ich wohl, daß man
wieder hat etwas fertig machen können, doch es ist eben noch nicht am
Bestimmungsort. Einige weitere Urkunden habe ich wieder erhalten. Wir hatten
doch daheim einen immerwährenden Kalender, vielleicht kann man anhand dieses
Kalenders feststellen, um welche Tage es sich handelt. die darin aufgeführt
sind, denn es sind keine genauen Daten verzeichnet. Daß die Kinder aus böser Absicht nicht schreiben, das ist mir
verständlich, doch ich würde mich freuen, wenn ich wieder einmal einen Brief
von ihnen erhielte. An Jörg muß ich noch jetzt gleich zum Geburtstag schreiben,
damit dieser Brief noch rechtzeitig ankommt, denn man weiß nicht, wie es dann
geht, wenn wir unterwegs sind. Du kannst ihm ja diesen Brief aufheben und ihm
auf den Geburtstagtisch legen. Vater hat Dir nun auch noch verschiedene Sachen
gebracht, die Du verwenden sollst. Hoffentlich sind keine Motten drin gewesen,
denn da muß man bei ihm so Obacht geben.
Wenn Du diese Sachen aber alle verwenden kannst, dann ist es ja
gut. Daß wir mit der Sache wegen Deines
Vaters nicht so gleich fertig sein werden, da hast du wohlleider recht. Auch
Deine Ansicht über den schönen Satz, den Dein Vater geschrieben hat, wegen den
Sachen, die man normalerweise mit in die Ehe bringt, stimmt. Ich könnte ja
heute nochmals meine Ansprüche in dieser Richtung geltend machen. Da würde er
vielleicht bis an die Decke springen, wenn er das lesen würde. Denn auch da
hätte er sicher wieder Ausreden auf Lager gehabt. Aber es ist gut, daß Du
seinem schwachen Gedächtnis etwas nachgeholfen hast. Daß ich mich über den
einen Brief con Dir besonders gefreut habe, das hatte ich Dir schon
geschrieben. Man merkt direkt daraus, daß Dir das eine Erleichterung gewesen
ist. Wie sich Siegfried zu seinem großzügigen Angebot verhält, ist ja
vollkommen seine Sache. Da brauchen wir uns nicht dazwischenzumischen. Die
verschiedenen Sachen, die uns berühren, haben wir ihm deutlich klar gesagt. Daß er dies noch nicht
begreifen wird, liegt wohl im wesentlichen daran, daß ihm seine Angebetete
immer wieder auf ein anderes Gleis bringt.
Doch das kann uns wenig kümmern. Nachdem Du ihm Deinen Brief gesandt
hast, ist nun noch meiner angekommen, das wird ihm womöglich auch noch auf die
Nieren gegangen sein. Ich wünschte mir, daß der Eiercognac aus Wodka richtig
ankam. Denn ich lese da eine Neuigkeit, daß Du früher schon welchen daheim
getrunken hast. Wenn er richtig ankommt
hoffe ich, daß er Dir auch schmeckt. Du wirst mir ja demnächst darüber
schreiben. Wie Dur Dich an das Güllen
des Gartens gemacht hast, hat mich gewundert. Denn das ist doch allerhand
Arbeit gewesen. Ich verstehe, daß der Garten im vergangenen Herbst nicht zu
viel Dünger bekommen hat. Wenn es sich einrichten läßt, wäre es vielleicht gut,
daß Du in diesem Jahr wieder etwas aufstapelst, denn das ist immer noch besser
wie diese Düngerzeug. Aber wenn Du es
so gemacht hast, ist es immer noch besser, wie nichts. Du rauchst Dich auch
nicht entschuldigen, daß Du im vergangenen Jahr keinen Mist hast holen können,
denn ich weiß ja, wie Du herunter warst.
Daß Jörg öfter Nasenbluten hat, das ist ein Erbfehler von mir, der aus
der Linie meiner Mutter übertragen ist. Denn soviel ich weiß, hat Paula auch
darunter zu leiden gehabt. Mir geht es ja auch manchmal so, daß ganz
unvermittelt die Nase anfängt zu bluten. Hoffentlich nimmt das nicht größere
Ausmaße an, denn man müßte sonst zum Arzt gehen. Nach Deiner Schilderung scheint die Beerenernte, mit Ausnahme der
Brombeeren, ganz gut zu sein. Die Johannisbeeren werden jetzt auch schon ganz
gut ausgeben. Ja wenn diese Sachen nicht so auf den Markt gebracht werden, dann
ist einem das doppelt wichtig. Der kleine Strauch, den ich im vergangenen Jahr
gesetzt hatte, hat wohl auch einige Beeren. Was sind das für welche, die er
trägt? Die Chromlederschuhe sind nun
auf Jörg übergegangen. Ich denke auch, daß sie dann die längste Zeit gehalten
haben, denn das ist für ihn doch keine große Leistung. Ich weiß aber, daß mir das als Kind genau so
ging. Das läßt sich nun nicht ändern. Deine Änderung in der Wohnung, war ja
eigentlich schon lange fällig. Ich wundere mich, daß Du so lange ausgehalten
hast. Dir und den Kindern sende ich
recht herzliche Grüße und viele Küsse. Dein Ernst.
An
meinen Vater und an Siegfried habe ich heute geschrieben.
Die
Durchschläge habe ich beigefügt.
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