Donnerstag, 13. Juli 2017

Brief 290 vom 10.7.1942


Mein liebes gutes Mädel !                                                     10.7.42       

Gestern war es mir nicht mehr möglich, Dir zu schreiben. Doch heute kann und darf ich es nicht aufschieben, denn ich will Dir erstens einmal Deine Briefe beantworten. Dann muß ich Dir die Andeutung, die ich im letzten Brief aussprach, bestätigen, daß es weitergeht. Wahrscheinlich Anfang der kommenden Woche, doch der Abmarschtag steht noch nicht genau fest. Ziel ist zwar noch unbekannt, aber es wird angenommen, daß wir in die Gegend kommen, die in einem der letzten Wehrmachtsberichte erwähnt wurde. Wenn wir in diese Industriestadt kommen, kann es möglich sein, daß dort alles ziemlich tot ist durch die Zerstörungen. Doch wir warten ab. Wie es dann mit der Post wird, kann ich noch nicht sagen.  Wahrscheinlich werden auch in Richtung Heimat dann Verzögerungen eintreten. Daß wir einige Wochen warten müssen, das ist mir jetzt schon klar. Das Warten habe ich schon inzwischen gelernt, seit ich von daheim weg bin. Sobald ich wieder mehr erfahre, lasse ich es Dich wissen.  Die Zeitung „Das Reich“ habe ich ja bei Deinem Vater nicht bestellt, und Du kannst sie mir deshalb weiter zusenden. Wenn sie auch etwas später eintrifft, so macht das nichts, denn die Artikel sind immer noch zeitgemäß. Daß Du mit den Kindern wieder baden gewesen bist, hat mich gefreut. Wenn es sich nur irgendwie einrichten läßt, nutzt nur die schöne Badezeit aus.  Wie bald kommt wieder der Winter und dann ist es aus. Ich gehe seit gestern mit meinem Zimmerkameraden früh baden. Von unserer Unterkunft haben wir etwa 5 Minuten zu laufen. Wir machen immer noch einen kurzen Lauf dazwischen, dann lange es in der Zeit.  Dann kann man ganz schnell baden. Das Wasser ist doch schön. Es ist zwar etwas schwarz, nicht so klar wie bei uns, aber man kann drin schwimmen. Das ist schon viel wert. Dann ist man, bei der gegenwärtigen Hitze, am Vormittag wenigstens frisch. Heute wollen wir auch über die Mittagszeit gehen.  Wenn Du Vater von Deinen Erdbeeren gebracht hast, dann wird er sich sicher gefreut haben. Ich glaube auch, daß er sie vermissen wird. Früher hat es sich doch erst nicht viel daraus gemacht. Wenn Ihr nach Helgas Geburtstag etwas mehr Brot bekommen würdet, dann ginge es ein bißchen leichter für Dich. Ich kann mir denken, daß es manchmal streng durchgeht. Ich wünschte nur, daß die wenigen Brote, die ich schicken konnte, richtig ankamen, so daß Du sie noch verwenden konntest.  Der Rickert ist also auch schon wieder  daheim im Urlaub gewesen. Diese Herrschaften sind doch bei diesen S achen immer vorne dran. Der Brief von ihm hat Dir also auch so ausnehmend gut gefallen, den er geschrieben hat. Die Menschen können aber nicht aus ihrer Haut.  Die Erfolge in Afrika sind schon gewaltig. Hoffen wir, daß dies zum Endsieg wieder ein schönes Stück beigetragen hat.  Ich freue mich auch für Euch, daß sich im Garten alles so schön herausmacht. Gurken und Tomaten kann man immer gut verwenden. Auch für die anderen Erzeugnissen wirst Du immer gute Verwendung haben, denn man braucht doch jetzt diese Sachen mehr denn je. Wir waren früher darum froh, weil wir aus Gründen der Sparsamkeit darauf sehen mußten, daß wir uns etwas anbauten.
Darum freut es mich, daß auch jetzt wieder, wo die Notwendigkeit zum Anbau besteht, wir diesen Garten so günstig beim Haus haben, denn so kannst Du doch immer gleich danach sehen und sparst Dir viel Zeit und der Nutzen ist dadurch entsprechend größer.  Mit der Schokolade hat es sich leider nicht so einrichten lassen, daß ich sie selbst gegessen habe. Bist mir hoffentlich nicht böse und ich bitte Dich darum, nicht gleich zu schimpfen. Für Jörgs Geburtstag war die eine bestimmt und damit die eine nicht so zerbrochen ankommt, habe ich die andere mit dran gelegt. Heute schicke ich ein Päckchen mit einigen Stumpen, die Du für Vaters Geburtstag aufheben kannst. Es sind nicht viele, aber ich kann Dir bei dieser Gelegenheit wieder einen Karton zugehen lassen. Wenn Du einmal nicht so zum Schreiben kommst, dann nehme ich Dir das nicht übel, denn ich will, daß Du Dich nicht überarbeitest und Dir dann auch etwas Ruhe gönnst. Ich freue mich zwar über jeden Brief, den ich von Dir bekomme.  Aber wenn Du durch andere Arbeit behindert bist, dann geht es eben einmal nicht.  Das Päckchen Ur. 4 hat Dich also auch erreicht.  Wenn alles gut angekommen ist, dann bin ich erst befriedigt. Denn vorher freut man ich wohl, daß man wieder hat etwas fertig machen können, doch es ist eben noch nicht am Bestimmungsort. Einige weitere Urkunden habe ich wieder erhalten. Wir hatten doch daheim einen immerwährenden Kalender, vielleicht kann man anhand dieses Kalenders feststellen, um welche Tage es sich handelt. die darin aufgeführt sind, denn es sind keine genauen Daten verzeichnet.  Daß die Kinder aus böser Absicht nicht schreiben, das ist mir verständlich, doch ich würde mich freuen, wenn ich wieder einmal einen Brief von ihnen erhielte. An Jörg muß ich noch jetzt gleich zum Geburtstag schreiben, damit dieser Brief noch rechtzeitig ankommt, denn man weiß nicht, wie es dann geht, wenn wir unterwegs sind. Du kannst ihm ja diesen Brief aufheben und ihm auf den Geburtstagtisch legen. Vater hat Dir nun auch noch verschiedene Sachen gebracht, die Du verwenden sollst. Hoffentlich sind keine Motten drin gewesen, denn da muß man bei ihm so Obacht geben.  Wenn Du diese Sachen aber alle verwenden kannst, dann ist es ja gut.  Daß wir mit der Sache wegen Deines Vaters nicht so gleich fertig sein werden, da hast du wohlleider recht. Auch Deine Ansicht über den schönen Satz, den Dein Vater geschrieben hat, wegen den Sachen, die man normalerweise mit in die Ehe bringt, stimmt. Ich könnte ja heute nochmals meine Ansprüche in dieser Richtung geltend machen. Da würde er vielleicht bis an die Decke springen, wenn er das lesen würde. Denn auch da hätte er sicher wieder Ausreden auf Lager gehabt. Aber es ist gut, daß Du seinem schwachen Gedächtnis etwas nachgeholfen hast. Daß ich mich über den einen Brief con Dir besonders gefreut habe, das hatte ich Dir schon geschrieben. Man merkt direkt daraus, daß Dir das eine Erleichterung gewesen ist. Wie sich Siegfried zu seinem großzügigen Angebot verhält, ist ja vollkommen seine Sache. Da brauchen wir uns nicht dazwischenzumischen. Die verschiedenen Sachen, die uns berühren, haben wir ihm deutlich  klar gesagt. Daß er dies noch nicht begreifen wird, liegt wohl im wesentlichen daran, daß ihm seine Angebetete immer wieder auf ein anderes Gleis bringt.  Doch das kann uns wenig kümmern. Nachdem Du ihm Deinen Brief gesandt hast, ist nun noch meiner angekommen, das wird ihm womöglich auch noch auf die Nieren gegangen sein. Ich wünschte mir, daß der Eiercognac aus Wodka richtig ankam. Denn ich lese da eine Neuigkeit, daß Du früher schon welchen daheim getrunken hast.  Wenn er richtig ankommt hoffe ich, daß er Dir auch schmeckt. Du wirst mir ja demnächst darüber schreiben.  Wie Dur Dich an das Güllen des Gartens gemacht hast, hat mich gewundert. Denn das ist doch allerhand Arbeit gewesen. Ich verstehe, daß der Garten im vergangenen Herbst nicht zu viel Dünger bekommen hat. Wenn es sich einrichten läßt, wäre es vielleicht gut, daß Du in diesem Jahr wieder etwas aufstapelst, denn das ist immer noch besser wie diese Düngerzeug.  Aber wenn Du es so gemacht hast, ist es immer noch besser, wie nichts. Du rauchst Dich auch nicht entschuldigen, daß Du im vergangenen Jahr keinen Mist hast holen können, denn ich weiß ja, wie Du herunter warst.  Daß Jörg öfter Nasenbluten hat, das ist ein Erbfehler von mir, der aus der Linie meiner Mutter übertragen ist. Denn soviel ich weiß, hat Paula auch darunter zu leiden gehabt. Mir geht es ja auch manchmal so, daß ganz unvermittelt die Nase anfängt zu bluten. Hoffentlich nimmt das nicht größere Ausmaße an, denn man müßte sonst zum Arzt gehen.  Nach Deiner Schilderung scheint die Beerenernte, mit Ausnahme der Brombeeren, ganz gut zu sein. Die Johannisbeeren werden jetzt auch schon ganz gut ausgeben. Ja wenn diese Sachen nicht so auf den Markt gebracht werden, dann ist einem das doppelt wichtig. Der kleine Strauch, den ich im vergangenen Jahr gesetzt hatte, hat wohl auch einige Beeren. Was sind das für welche, die er trägt?  Die Chromlederschuhe sind nun auf Jörg übergegangen. Ich denke auch, daß sie dann die längste Zeit gehalten haben, denn das ist für ihn doch keine große Leistung.  Ich weiß aber, daß mir das als Kind genau so ging. Das läßt sich nun nicht ändern. Deine Änderung in der Wohnung, war ja eigentlich schon lange fällig. Ich wundere mich, daß Du so lange ausgehalten hast.  Dir und den Kindern sende ich recht herzliche Grüße und viele Küsse. Dein Ernst.
An meinen Vater und an Siegfried habe ich heute geschrieben.
Die Durchschläge habe ich beigefügt.

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