Sonntag, 2. Juli 2017

Brief 287 vom 1./2.7.1942


Meine liebe Frau, mein gutes Mädel !                                           1.7.42    

Zugunsten des Nachschubs ist unsere Post wieder zurückgehalten worden. Da müssen wir wieder warten, bis die Strecken frei sind.  An diese Einschränkung gewöhnt man sich genau so, wie an die vielen anderen Sachen auch. Man wundert sich nicht einmal mehr, sondern man nimmt das als gegeben hin.  Ich hoffe, daß ich diesen Brief einem Kameraden mitgeben kann. Dann wird er Dich wieder eher erreichen wie sonst. Doch ich will gleich eine mir wichtig erscheinende Sache vorweg nehmen. Ich habe gestern mit meinem Chef die ganze Angelegenheit wegen meines Lehrgangs von letzten Jahr durchgesprochen und auch wegen einer Beförderung.  Nachdem, was ich ihm sagen konnte, hat er mir geraten, ein Gesuch an die Stadtverwaltung zu richten, das er gern befürwortend weiterleiten würde. Damit ich aber die Sache richtig anpacken kann, möchte ich sämtliche Unterlagen, soweit Du dies nicht schon an mich abgeschickt hast, hier haben. Ob die ganze Sache Erfolg hat, weiß ich noch nicht, doch wenn man nichts unternimmt, kann man auch nichts erreichen. Schicke mir darum so bald wie möglich die notwendigen Unterlagen. Ich hatte zwar ziemlich geschrieben im letzten Jahr, aber es ist doch allerhand Zeit vergangen, so daß man nicht mehr alles so genau weiß, was man geschrieben hat.  Wenn die Stadt ablehnen sollte, will mein Chef hier versuchen etwas zu unternehmen. Ich muß eben abwarten, was sich da erreichen läßt. Ich könnte mich heute noch ärgern, wie man mir im letzten Jahre die Möglichkeit zur Weiterbildung genommen hat, denn jetzt könnte ich die zweite Prüfung schon hinter mir haben.  Daß ich den Willen gehabt habe, kann ich ja jederzeit beweisen.  Diese Unterlagen schicke mir bitte auch alle zu. Weiterhin brauche ich noch den Schriftwechsel, den ich mit der Oberfeldkommandantur hatte wegen der Zusendung meiner Bestellungsurkunde als Militärverwaltungsbeamter. Ich mußte im letzten Jahr der Oberfeldkommandantur diese Urkunde zusenden, damit diese mit einem Vermerk versehen wird. Diese Urkunde habe ich bis heute noch nicht zurückerhalten. Dies will ich einmal anmahnen. Fraglich ist zwar, ob die sich noch vorfindet. Die Schreiben wegen meiner letztjährigen Beförderung brauche ich also alle. Aber das wirst Du selbst herausfinden, da brauche ich Dir keine weitere Anweisungen zu geben.  Heute schicke ich das Geld für unseren Jungen ab. Was Du damit machen sollst, habe ich Dir ja schon mitgeteilt.  Du brauchst nicht etwa zu denken, daß ich mir da hier groß etwas abspare, wenn ich das Geld Dir zusende, denn ich kann es entbehren. Ich hoffe, daß ich ihm damit eine Freude machen kann. Wenn es Zeit ist, werde ich ihm noch einen Brief zu seinem Geburtstag schreiben.  Mir selbst geht es soweit gut. Beschwerden habe ich keine. Wenn man ab und zu einmal einen Koller kriegt, so gehört das mit zu den Lebenserfordernissen, wie man etwa von Zeit zu Zeit seine Wäsche wechselt oder die Haare schneiden läßt. Mit dem Wäschewechseln muß man hier etwas vorsichtiger sein, denn mit der zugeteilten Seife muß man sparsam sein. Man muß, sofern man das Glück hat, Bettzeug zur Verfügung gestellt zu haben, dieses auch noch von Zeit zu Zeit mit waschen lassen. In Frankreich hat man sich darum nicht kümmern brauchen. Das Bettzeug wurde alle 10 bis 14 Tage gewechselt, da brauchte man sich nicht darum zu kümmern.  Für die Wäsche braucht man auch keine Seife herzugeben. Die Wäsche legte man in einen besonderen Kasten und von  dort wurde sie von Zeit zu Zeit geholt und kam dann gewaschen wieder zurück.  Diese mir jetzt fast sagenhaft erscheinenden Zustände bestehen hier nicht. Wenn man etwas haben will, muß man sich um alles selbst kümmern, es geht zwar auch, doch das andere war entschieden bequemer.  Dich grüße ich herzlich und verbinde damit recht viele Küsse an Dich und die Kinder Ein Ernst.  Sofern Du mir Papiere mitsenden mußt, die wichtig sind und man Angst haben müßte, daß sie verloren gehen, kannst Du Dir vielleicht selbst stenografieren und dies aufheben, bis es wieder an Dich zurückkommt. Das Mitnehmen durch einen Kameraden hat sich nicht ermöglichen lassen. Ich schicke darum diesen Brief mit der gewöhnlichen Post wieder weg. Aber deswegen doch nochmals herzliche Grüße und viele Küsse von mir.

Meine liebe Annie !                                                                2.7.42    

Post ist heute wieder eingetroffen. Die Briefe vom 19. und 20.6.  und der Luftpostbrief vom 24. Außer diesen bekam ich noch eine Postkarte von Siegfried aus Berlin und zwei negative Antwortschreiben in der Ahnensache.  Als mir die am wichtigsten erscheinende Sache will ich erst die Angelegenheit wegen meines Beförderungsgesuchs herausgreifen. Du warst so lieb und hast die Sachen gleich mit der Luftpost zugesandt, wahrscheinlich auch in dem Glaube, daß ich es bald haben wollte. Nun hast Du Dich aber bei der Abschrift des Anstellungsschreibens vergriffen. Das, was Du mir gesandt hast, ist ja aus dem Jahre 36 und bezieht sich auf meine früheres Angestelltenverhältnis.  Das, was ich benötige, muß sich aber auf das Beamtenverhältnis beziehen und im letzten Jahr gefertigt. Um dies kurz zu machen. Ich brauche alle Schreiben aus dem letzten Jahr, die mit meinem Antrag vom 26.4.41 beginnen, es tut mir leid, daß ich Dir wieder soviel Arbeit machen muß, aber ich kann mir ja nicht helfen ohne Deine liebe Unterstützung. Ich will darum zusehen, daß ich das wieder einmal in Ordnung bringen kann. Die Schreiben wegen des Inspektorlehrgangs brauche ich auch alle dazu, weil ich diese zur Begründung meines Antrags hinzuziehen will. Denn ich habe ja nicht aus eigener Schuld an dem Lehrgang nicht teilnehmen können, sondern mein Kriegseinsatz war vordringlicher und aus diesem Grund mußte ich wegbleiben. Sende mir also bitte so schnell als möglich diese Sachen zu, damit ich diese Angelegenheit bald in Angriff nehmen kann. Ich habe Dir das alles schon einmal im gestrigen Brief geschrieben, aber man weiß ja nicht, ob einer dieser Briefe wieder irgendwo länger liegen bleibt. Darum habe ich das alles nochmals erwähnt.  Daß Du die beiden Päckchen Nr. 4 und 5 erhalsten hast, hat mir wieder Freude gemacht, denn solange die Sachen unterwegs sind, ist man doch noch nicht restlos zufrieden. Dieser Zustand tritt erst dann ein, wenn man die Bestätigung hat, daß diese Sachen ihren Empfänger erreicht haben. Wenn du die Milchschokolade an die Kinder verteilt hast, dann ist mir das schon recht. Ich habe hier noch 2 Tafeln Schokolade, davon ist auch eine Milchschokolade. Ich wollte sie erst noch aufheben, bis ich noch etwas dazu bekomme. Aber ich habe mir gedacht, ich schicke sie jetzt doch mit ab, da kannst Du unserem Lauser zum Geburtstag eine mit hinlegen. Ich nehme an, daß er sie nicht verschmähen wird. Daß die Butter seinerzeit ordentlich angekommen ist, hat mich auch beruhigt. Sowas interessiert, weil man sich Gedanken macht, ob es auch zweckentsprechend verarbeitet werden konnte.  Wegen der Geldsendung nach Frankreich brauchst Du Dir keine Gedanken machen. Der Henkes hat mir gesagt, daß es ihm nicht eilt, und er wird mir schon Bescheid geben, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet. Ich vergesse es nicht, und ich kann Dir sagen, daß dieser Mann im Augenblick nicht darauf angewiesen ist.  Das soll nicht heißen, daß ich das Geld schuldig bleiben will.  Wenn meine frühere Einheit noch dort ist, denken ich, daß das Geld auch unter der alten Feldpostnummer ankommt. Andernfalls geht es wieder zurück, wenn es sich nicht machen läßt.  Durch plötzliche Organisationsänderung muß ich morgen mit unserem Oberst eine Dienstreise antreten, die wahrscheinlich bis Montag, den 6.7,. dauern wird. Durch dieses unvorhergesehene Ereignis muß ich die Feierlichkeiten, die ich für meinen Geburtstag vorgesehen hatte, verschieben. Ich habe ja sonst nie viel Aufhebens davon gemacht. Aber ich mußte hier damit rechnen, daß man hier mehr Theater machen würde, darum hatte ich vorgebaut und mir etwas Stoff besorgt. Das wird nicht schlecht werden, darum kann man es gut verschieben. Vor zwei Jahren war ich ja auch auf Reise nach Frankreich. Damals fasste ich alles symbolisch für die Zukunft auf, und ich kann sagen, wenn ich zurückblicke, daß diese Tage in Frankreich nicht die schlechtesten Tage des Kriegs bisher für mich waren. Hoffe ich, daß auch diese Fahrt in ein neues Lebensjahr wiederum ein glückhaftes Versprechen sei, für das, was ich innerhalb dieses Landes noch zu erleben habe. Hoffentlich kann ich auch dieses Zwischenspiel glückhaft abschließen, damit ich auch bei Beendigung dieser Odysseefahrten wieder gesund eintreffe. Das ist mein einziger Wunsch zu diesem Jahrestag.  Nachdem ich nun diesen Jahrestag nicht zum richtigen Zeitpunkt begehen darf, werde ich mir die Sachen, die zum Geburtstag bestimmt waren teilen. Den Brief werde ich nun heute lesen und die Päckchen werde ich nach meiner Rückkunft aufmachen. So habe ich zweimal etwas davon. Besorge mir bitte all diese Sachen, um die ich Dich gebeten habe. Bleibe Dur recht gesund mit den Kindern. Ob ich auf der Fahrt zum Schreiben komme, kann ich nicht genau sagen. Du weißt jedenfalls Bescheid wegen allem, wenn Du einige Tage warten muß wegen meiner Dienstreise. Den Kindern sende ich ebenfalls viele herzliche Grüße und Euch allen recht viele Küsse . Dein Ernst

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