Donnerstag, 13. Juli 2017

Brief 291 vom 11./12.7.1942


Meine liebe Annie !                                                                11.7.42     
 
Heute ist wieder Wochenende und bis zum Montag muß alles marschbereit sein. Es ist zwar noch nicht gesagt, ob wir dann abrücken werden, doch lang wird es hier nicht mehr dauern. Es wird heiße Tage geben, die aber auch im wahrsten Sinn des Wortes. Auf der Landstraße, oder wie wir auch weiterziehen werden. Auf der Landstraße werden wir viel Staub schlucken müssen. Es geht uns zwar nicht allein so, denn wie viele Einheiten liegen auf der Landstraße und müssen es auch mitmachen. Wir nutzen jetzt noch die Badegelegenheit aus, denn man weiß ja nicht, wo man hinkommt. Vor allem die heißen Tage fordern direkt dazu auf. Wir sind die letzten Tage früh ½ 6 Uhr schon aufgestanden und waren kurze Zeit später im Wasser. Gestern Mittag waren wir nochmals zusätzlich baden und heute gehen wir nochmals am Abend. Das schöne Bodenseewasser ist es ja nicht, aber man wird ja anspruchslos und ist schon zufrieden, wenn es richtig naß ist. Wann wird es sein, daß ich einmal wieder im schönen See baden kann. Man merkt aber, daß man das Bad nicht mehr gewöhnt ist. Ich habe einen Muskelkater, das ist schon fast nicht mehr schön. Schnaufen muß ich wie eine alte Lokomotive, wenn ich aus dem Wasser komme. Eine Besserung tritt aber schon ein, denn es geht schon wieder bedeutend besser, wie am Anfang. Man merkt da erst wieder, wie einseitig man tätig ist.  Gestern erhielt ich von Alice eine Geburtstagskarte Ich muß ihr nun auch wieder einmal schreiben, denn sonst denkt sie, ich hätte etwas gegen sie. Sie ist ja so empfindlich.  Viel kann ich ja nicht schreiben und dann belanglose Sachen, das kann ich aber nicht ändern. Inzwischen habe ich jetzt gleich an Alice geschrieben, den Durchschlag habe ich beigefügt.  Gerade habe ich Deine beiden Briefe vom 28. und 29. / 30.6. erhalten.  Für beide danke ich Dir sehr. Du schreibst, daß Ihr erst baden gehen wolltet, dann seid Ihr aber zur Mainau spazieren gegangen.  Man wundert sich, daß trotzdem so viele Leute unterwegs sind. Daß die Leute Geld haben, das ist mir erklärlich, aber daß noch so viele Menschen in der Heimat sind, die alles so übervölkern, das will man fast nicht glauben. Aber wenn man weiß, was wir hier allein für Leute nach Deutschland getan haben, dann wird einem das schon verständlich. Wir haben hier in unserem Abschnitt Süd 35 000 Arbeitskräfte nach Deutschland verfrachtet. Das ist aber noch nicht alles, denn die Werbeaktion geht noch weiter. Aus den übrigen ukrainischen Ländern kommen auch noch so viele Menschen. Dann kann man sich schon vorstellen, daß sich das bemerkbar macht.  Ich habe mich gefreut, daß Ihr auf der Mainau gewesen seid, denn da ist es ja immer so schön. Ich erinnere mich noch gut, wo wir zusammen das erste Mal auf der Insel waren. Da sind wir noch mit der Gondel hinübergefahren. Es war ein schöner sonniger Tag. Das eine Bild, was wir im Fotoalbum haben , stammt noch con diesem Tage. Es kann aber sein, daß wir früher nochmals zu Fuß hinübergegangen sind. Ja und manchmal sind wir dorthin spazieren gegangen, mit oder ohne Besuch. Daß Du bei der Abfahrt 1. Klasse genommen hast, das ist recht. Es wundert mich zwar, daß Du sowas aus Dir selbst machst. Ich bin sichtlich erstaunt. Nimm es bitte nicht als Kritik auf  sondern als Anerkennung, denn es freut mich, daß Du soviel Selbständigkeit hast und dann danach handelst. Über die Beeren, die Du Vater gegeben hast, wird er sich sicherlich gefreut haben, denn wir ich schon schrieb, wird er seine Erdbeeren schwer vermissen. Daß er nun den Garten nicht mehr hat, ist ja gut, denn das kann er doch nicht mehr schaffen.  Für Dich wäre das doch nicht möglich, auch dies noch zu schaffen. Wenn Du reichlich hast, dann kannst Du ihm ja auch etwas abgeben. Daß die Kinder jetzt mit dem lauten Radio besser einschlafen wie mit dem alten Apparat, ist ja auch interessant. Ja, solche Gewohnheiten haben sie nun . Früher hatten sie ihre „Musik“, mit der sie einschlafen sollten aber nicht konnten. Nun geht es aber mit Radio.  Daß Ihr immer Beeren habt, das verdankt Ihr doch nicht mir. Das ist doch der Erfolg Deiner Arbeit. Du hast ja die Mühe damit. Ich bin jedenfalls froh, daß Ihr jetzt etwas habt, wie ich gestern ebenfalls schon schrieb, denn wie Du mir mitteiltest, ist es schwierig, immer genügend zu bekommen. Zum Einkochen würde es jedenfalls nicht reichen.  Es ist recht, wenn Du Dir etwas Geld zurückgelegt hast für die Tage, wenn Du Besuch da hast. Vielleicht könnt Ihr nach dem Hohentwiel fahren, denn meines Wissens waren die Kinder noch nicht oben. Auch unseren lieben Haldenhof könnt Ihr aufsuchen. Wenn Ihr aber mehr unternehmen wollt, dann fahrt einmal nach Bregenz oder Lindau. Das überlasse ich vollkommen Deinem Ermessen.  Vorhin habe ich erfahren, daß ich bei unserer Abreise beim LKW als Beifahrer sitze. Die anderen Männer werden dann hinten drauf verfrachtet.  Dann habe ich ja nicht den schlechtesten Platz, wenn es so geht. Vielleicht kann ich diesen Brief auch wieder einem Kameraden mitgeben, der in die Heimat fährt. Das habe ich gestern schon machen können. Dann erreicht Dich dieser Brief wieder eher.  Wenn es wieder weitergeht, dann hört es auf mit der Verpflegung von jetzt. Dann müssen wir von Konserven leben. Das bedeutet eine Umstellung gegen bisher. Aber das gibt sich alles wieder, vielleicht sind wir in einigen Wochen an Ort und Stelle. Mit der Post wird es auch so gehen. Denn da bekommen wir nicht sobald welche. Herzliche Grüße sende ich Auch allen. Ich hoffe immer, daß Ihr gesund bleibt, daß wir uns später gesund wiedersehen können.  Herzliche und viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Mein liebstes und bestes Mädel !                                                  12.7. 42   
 
Zum intensiven Arbeiten haben die meisten Kameraden keine große Lust mehr. Morgen sollen die Sachen, die hier bleiben, an unsere Nachfolger übergeben werden. Vielleicht haben wir dann noch ein paar Tage Ruhe, es kann aber auch sein, daß es bald weitergeht.  Alles ist gespannt, wo wir hinkommen. Ich muß auch langsam anfangen, meine Sachen zu packen, denn auf die letzte Minute erst anfangen, das hat keinen Zweck. Ich muß sehen, wie ich meine Sachen alle unterbringe. Diesmal habe ich ja noch das Gewehr und den Stahlhelm dabei und anderen verschiedenen Kram wie Zeltausrüstung. Es ist nur gut, daß man das Zeug nicht schleppen braucht, denn wenn man das nicht mehr gewohnt ist, dann kann man leicht damit fertiggemacht werden.  Heute früh und gestern Abend war ich wieder baden. Let zte Woche sagte mein Stubenkamerad, es ist schade, daß wir das schöne Wetter nicht ausnutzen. Hier wird es doch so zeitig hell und dann stimmt das mit unserer Uhrzeit nicht mehr überein. Man kann deshalb ganz gut zeitiger aufstehen, denn hier sind wir gegen bei uns zuhause fast zwei Stunden voraus. Er sagte dann weiter, daß er nur jemand brauche, der ihn aus dem Bett herauswirft. Ich habe ihm zugesichert, daß ich das machen werde. Das Aufstehen macht mir keinen Kummer, denn das ist mir noch nie sehr schwer gefallen. Die ersten Tage ist es mit ihm auch ganz gut gegangen. Heute wollte er schon nicht mehr mitmachen. Da habe ich ihm aber mit Gesang nachgeholfen. Als wir dann wieder zurückkamen, war er froh, daß er mitgegangen war, denn das ist immer eine angenehme Erfrischung. Wenn ich heute Nachmittag frei habe, werde ich mich wieder etwas in die Sonne und ins Wasser legen. Ich habe es bis jetzt sehr entbehrt. Mit dem Schwimmen geht es schon bedeutend besser. Gestern wollten wir dem Flußbett nach etwa eine Strecke von 500 m schwimmen. Es war aber alles so verwachsen, daß wir wieder zurück mußten.  Heute habe ich verschiedene andere Sachen noch geschrieben. Auf diese Weise kommst Du etwas kurz. Unserem Jungen hebst Du den Brief solange auf bis sein Geburtstag ist. Dann kannst Du ihn ja mit auf den Tisch legen. Für Kurt habe ich auch geschrieben. Leite doch bitte diesen Brief weiter. An den „Sturm“ mußte ich auch wieder einmal schreiben. Durchschlag liegt ebenfalls bei. Viel habe ich dann nicht mehr zu erledigen.  Herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

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