Mein
liebes Mädel ! 19.7.42
Gestern
zu schreiben war mir nicht möglich,
denn wir sind den ganzen Tag gefahren. Als wir bei Einbruch der Dämmerung ins
Quartier kamen, da war ich wie die anderen Kameraden auch alle, sehr müde. Heute
früh sind wir wieder zeitig aufgebrochen, hatten aber verschiedentlich
Maschinenschaden mit unseren alten Wagen, so daß wir heute mit unserer Karawane
nur etwas über 50 km weitergerückt sind. Wir sind an einem Ort, in dem fast
europäischen Verhältnisse sind. Es nennt sich Hotel, in dem wir zu 2 Kameraden
in einem Zimmer untergebracht sind. Es gibt sogar fließendes Wasser. Wir sind
ganz überrascht. Der Weg war landschaftlich ganz schön. Das Land ist hügelig,
so daß man teilweise einen schönen Blick über die Gegend hatte. Viele Wälder
mußten wir durchfahren. Der Weg war
wohl nicht immer einfache, denn die ausgefahrenen Straßen und der viele Sand,
andermal der ausgefahrene Lehmboden, das ist kein leichtes Fahren. Unsere
Kolonne hat 5 LKW und 5 PKW sowie 6 Krafträder. Bis dann alles beieinander ist,
das geht nicht immer so leicht, weil teilweise die Wagen alt sind und das
Material verbraucht. Ich habe einen russischen LKW, der einigermaßen in Ordnung
ist. Der Fahrer ist ein Ukrainer, der mit den schlechten Wegen verhältnismäßig
vertraut ist, doch sogar dem ist es manchmal zuviel. Das Leben unterwegs ist
entschieden schöner wie jeden Tag zur gewohnten Zeit an den Schreibtisch zu
gehen. Es ist so ein richtiges Landsknechtleben. Wenn man den Krieg auf diese
Weise herumbringen könnte, ginge es so einigermaßen. Es kann aber auch sein,
daß einem das mit der Zeit langweilig würde.
Wir sehen wenigstens wieder einmal etwas, wenn es auch manchmal abseits
der Landstraßen weitergeht. Der Weg von Mirgorod ging jetzt über Albadin nach
Sumi. Morgen fahren wir weiter und übermorgen werden wir in Kursk sein. Mich zum Schreiben eines ordentlichen
Briefes zu sammeln, ist mir heute nicht möglich. Denn diese Fahrerei macht müde und man schreibt nur ohne Gedanken
und Überlegung gerade das, was einem so in die Hand kommt. Sei Du vielmals gegrüßt und geküßt von
Deinem immer an Dich denkenden Ernst.
Mein
liebes Mädel ! 22.7.42
Nun
ist es geschehen. Wir sind gestern Abend gelandet. Der Ort, wo wir sind, spricht
sich so ähnlich, nur mit K statt mit G. Stell Dir vor, Du wärst mitten in die
Wüste gestellt und solltest Dich einrichten. Wir sind dorthin gekommen, wo wir
nicht gern sein wollten. Wir sind in die
Plage geraten, wo die Heuschrecken gehaust haben. Ich hatte mir das so
ungefähr vorgestellt, doch jetzt, wo ich vor der Tatsache stehe, bin ich doch
erschüttert. Wir liegen auf der Strecke Kursk - Woronesch. Das Nest selbst wird
sich wohl nicht auf einer unserer Karten, die wir zuhause haben, verzeichnet sein.
Es ist einfach nicht zu beschreiben, wie es hier aussieht. Ich will es aber
doch versuchen. Ich hatte doch schon gedacht, als ich nach Mirgorod kam, es ist
eine schlechte Gegend, aber das gütige Schicksal läßt mich erst langsam an die
trüben Verhältnisse gewöhnen. Die Straßen von Kursk nach hier sind ja so, daß
sie jeder Beschreibung spotten. Was wir auf diesen hundert Kilometern
durchgeschüttelt worden sind, das ist schon nicht mehr schön. Als wir hier
eintrafen, fanden wir hier vor einen Ort, der bei den Operationen von deutschen
Fliegern bombardiert worden ist. Die Gebäude , die uns zur Verfügung stehen,
sind alle stark beschädigt. Fensterscheiben sind in keinem Haus vorhanden. Teilweise sind die Rahmen weggerissen.
Verputz ist so gut wie nicht mehr vorhanden. Türen gibt es nur noch teilweise.
In ein Haus ist eine Bombe gefallen, daß es nur noch aus zwei Hälften besteht.
Einige Tote hat es auch dabei gegeben, die sind aber nicht beerdigt worden,
sondern die hat man liegen gelassen. Außer den Knochen und den Kleidern ist
nicht mehr viel vorhanden. Es ist ekelhaft, aber unter hiesigen Verhältnissen
nicht einmal verwunderlich. Aber trotz allem, den Humor haben wir dabei noch
nicht verloren. Mädel, nimm er mir bitte nicht übel, aber ich bringe heute trotz
allem keinen richtigen Brief zusammen. Ich will, daß Du wenigstens erst einmal
weißt, daß wir angekommen sind und damit Du nicht allzu lange ohne Nachricht
bist. Am Morgen, bevor wir wegfuhren,
hatte ich noch einen Brief von Dir erhalten und zwar den vom 6.7.42 sowie den
von Helga, über den ich mich ebenfalls gefreut hatte wie über Deinen.
Wahrscheinlich werde ich in den nächsten Tagen nochmals Post erhalten, wenn
noch der Rest unserer Einheit nachgezogen wird. denn die bringen noch einmal
welche mit, dann wird es wieder eine Weile dauern, bis das umgeleitet ist. Mein
liebes Mädel, sei recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von Deinem immer
an Dich denkenden Ernst.
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