Mein
liebes Mädel ! 13.7.42
Herzlich
danke ich Dir wieder für Deine beiden Briefe vom 1. und 2., die ich gestern
Abend erhielt. Wie ich lesen konnte, hast Du auch laufend Post. Die
Unterschiede in der Beförderungsdauer sind so verschieden. Manche Briefe
brauchen so lange und andere gehen ziemlich schnell. Wenn Dir die Geschichte
mit dem Radio wieder gefallen hat, dann freut es mich. Es geht mir manchmal so,
da drängt es mich geradezu, sowas zu schreiben. Wenn ich es dann geschrieben
habe, dann bin ich nicht mehr damit zufrieden, weil ich dann vieles für
änderungsbedürftig finde. Es fehlt mir dann immer wieder die Zeit, diese
Änderung vorzunehmen. Es bleibt mir dann nichts anderes übrig, als das
Schreiben so wegzuschicken. Wenn es Dir
dann trotzdem zusagte, dann bin ich beruhigt. Ich wundere mich nur, wie Du
diese Sachen so gut behalten hast. Daß
ich viel an Dich und die Kinder denke, kann ich Dir nur immer wieder damit
beweisen, daß ich regelmäßig an Dich schreibe. Daß dies keine Gewohnheit ist,
wird Dir auch wohl daran klar sein, daß ich nicht immer dasselbe schreibe,
sondern mich bemühe, Dir immer etwas von dem zu übersenden, was etwas
Persönliches von mir ist. Denn abgegriffene Sprüche und Phrasen, das war schon
von je her nicht mein Fall. Daher mag auch unser gutes Verhältnis zueinander
herkommen. Daß mir aber auch die Verbindung zu den Kindern am Herz liegt, und
daß sie mir nicht entfremden durch mein eigenes Verschulden, indem ich ihnen
nie etwas Persönliches schreiben würde, das ist uns Beiden ebenso klar wie eine
Notwendigkeit. Nichtssagende Dinge
einander zu schreiben, das ist zwecklos und entspricht nicht unserer
charakterlichen Veranlagung. Das liegt uns nicht, und wenn es notwendig sein
sollte, daß wir noch länger nur im brieflichen Verkehr bleiben, dann glaube
ich, daß sich da nicht viel ändern wird.
Ja öffentliche Hinrichtunen und besonders solche durch den Strang gibt
es bei uns in Deutschland nicht mehr. Ich habe mir dies auch deshalb angesehen.
Das macht aber den Leuten, die da zusahen, nicht viel aus, wie ich Dir schon
beim ersten Mal geschrieben hatte. Auch derjenige, der sich die Schlinge um den
Hals legen muß, geht hier meist mit einer geradezu stoischen Ruhe vor sich. Das
macht den Menschen nichts aus, denn davor haben sie keine Angst. Angst haben
sie nur vor Schläge. Damit kann man noch etwas erreichen. Das sind andere
Menschen wie wir, das liegt in dem Volke drin. In diesem Fall war noch zu
berücksichtigen, daß dieser Mann ein halber Asiate war. Gestern hatte ich ja an Kurt geschrieben.
Heute erfahre ich nun, daß er zur Landhilfe eingesetzt ist und daß er meine
Adresse wieder verlegt hat. Hoffentlich hat er es in Bezug auf die Verpflegung
gut getroffen. In der Landarbeit kennt er sich ja etwas aus, da wird es ihm
nicht ganz so schwer fallen. An alice
hatte ich ja in diesen Tagen geschrieben. Da hätte Dein Vater wissen müssen,
daß ihr Vater in Leipzig war. Der wäre imstande gewesen und hätte dort den
großen Krach vollführt. Ich finde das ein etwas komisches Verhältnis. Wenn es
vielleicht von Alices Standpunkt aus richtig ist, so hat sich dieser Mann doch
die ganzen Jahre vorher sehr wenig um Deine Mutter gekümmert und nicht danach
gefragt, wie sie durchkommt und was ihr Kinder macht. Wenn er dann jetzt kommt und
Sprüche klopft, wie hart es Mama in ihrer Jugend gehabt hat, dann kann er damit
nicht mehr viel gutmachen. Der Zeitpunkt, wenn Erna ankommt, steht nunmehr
fest. Sie hält sich dann nicht so lange auf, wie es erst vorgesehen war. Mit
den Beeren hast Du sicher eine gute Hilfe. Ich muß mich nur wundern, wie viel
die wenigen Sträucher hergeben. Mit den 15 Pfund Johannisbeeren ist es wohl
dann alles gewesen. Aber mit den Stachelbeeren muß es ja wieder ganz toll sein.
Ich bin froh, daß ich diese seinerzeit gekauft hatte. Ich weiß noch, wie der
Zahn immer sagte, das sind ja alte Bäume, die tragen ja nichts mehr. Jedes Jahr
danken sie es uns wieder mit einem reichen Erntesegen. Im nächsten Jahr wird es
wohl auch die doppelte Menge Johannisbeeren geben. Ich weiß, wie wir früher,
als wir nach Konstanz kamen, uns immer Beeren auf dem Markt gekauft hatten,
damit wir Marmelade kochen konnten. Jetzt haben wir auch eigene. Wenn Du von Vater noch einmal ein Pfund
Zucker bekommen hast, dann hast Du ja wieder etwas damit einkochen können. Wenn
Du etwas Mehl noch von ihm bekommen hast, dann ist es Dir leichter, zu Jörgs
Geburtstag etwas zu backen. Man kann sich immer wieder dadurch etwas
helfen. Herzliche Grüße und viele Küsse
sende ich Dir und den Kindern. Bitte gleichzeitig an Vater herzliche Grüße
auszurichten. Dein Ernst.
Mein
lieber Schatz ! 14.7.42
Deinen
lieben Brief vom 30.6. erhielt ich gestern, für den ich Dir recht danke. Als
ich diesen Brief las, da habe ich lachen müssen. Früher hattest Du einmal geschrieben, daß Du für Jörg
Holzkläpperle gekauft hattest. Da dachte ich erst, das sind solche, wie man sie
zu Fastnacht hat. In diesem letzten Brief las ich nun , daß das ein
Fußbekleidungsstück ist, denn Du schreibst von Oberteilen und wieder anziehen.
Da wurde mir das erst richtig klar, was eigentlich Holzkläpperle sind. So geht
es nun, man wird alt und kommt mit der Zeit nicht mehr mit. Alles Modische wird
einem schon fremd. Da merkt man wieder, daß man sich in den Gebräuchen nicht
mehr auskennt, die in der Heimat herrschen. Ich will versuchen, mich wieder zu
bessern. Interessiert hat mich das
fleißige Arbeiten der Kinder beim Beerenpflücken. Das kann ich mir vorstellen,
daß sie tüchtig reingehauen haben, als Du zu ihnen gesagt hast, sie sollen sich
nur einmal satt essen. Aber der Jörg, der Lauser, er hat sich wieder zu helfen
gewußt. Das wird ein Vergnügen für sie gewesen sein. Ich glaube, daß sie sich
nicht lange gedrückt haben. Es ist ja schön, wenn man sowas hat und nicht so
Obacht geben muß, daß jede Beere auch verwendet wird. Es gibt ja auch nichts
Schöneres, wie so frisch vom Strauch herunteressen. Das hätten wir früher auch
manchmal gern gemacht. Wir mußten aber
zusehen, daß wir irgendwo etwas klauen konnten. Dies vor allem während der Kriegszeit und dann die späteren
folgenden Jahre. Wir dachten uns jedenfalls nichts dabei. Daheim gab es nicht
viel Sachen und Hunger hat man auch immer gehabt. Das haben Unsere wenigstens nicht nötig, wenn man selbst etwas
zur Verfügung hat. Das kommt ja auch nicht oft vor, daß sie eine solche
Gelegenheit haben. Wenn ich aber so zusammenrechne, hast Du doch so alles in
allem bis jetzt einen Zentner Beerenobst gehabt. Das hätte wieder eine ganz
schöne Stange Geld gekostet. An den
Stachelbeeren hast Du in diesem Jahr keinen Mehltau gehabt? Daß das kleine
Bäumchen bald zwei Pfund getragen hat, das kann ich mir fast nicht vorstellen.
Es macht aber auch viel aus, wenn man die Sträucher immer wieder zustutzt. Bei dem Felchenessen wäre ich auch gern
dabei gewesen. Das ist doch etwas Gutes. Am Sonntag hatten wir zwar auch
Fische. Die waren so klein, daß der Abfall viel größer war, wie das, was man
essen konnte. Einen Pudding mit viel Erdbeeren gab es auch. Das wird wohl auch
für längere Zeit das letzte Mal gewesen sein, daß wir sowas bekommen haben. Wir
sagen uns aber immer wieder den inhaltsvollen Satz: „Nach dieser Zeit kommt
eine andere.“ Irgendetwas werden wir schon wieder finden. Solange man mit dem
gleichen Haufen zusammen ist, läßt es sich wieder aushalten. Es ist nur immer
wieder, bis man sich bei einem neuen Verein eingelebt hat. Hier ist das aber jetzt nicht notwendig.
Jetzt fahren wir erst nach Kunsak und von dort geht es weiter. Bis Dich dieser
Brief erreicht, werden wir wohl auch dort sein. Gegenwärtig macht erst einmal
die Verpackung aller Sachen, die sich im Laufe der Zeit zusammengefunden haben,
uns Sorge. Schließlich bis alles soweit
ist, werden wir doch alles aufladen können. Ich habe noch verschiedene kleine
Sachen zusammengepackt. Gestern abend habe ich noch einmal ein Brot
zusammengepackt und zwei kleine Päckchen fertiggemacht. Nummer 20 bis 22. Ob Du
das Brot noch verwenden kannst, bis es
dort ist, erscheint mir zwar als fraglich, aber wenn es sich doch verwenden
ließe, dann wäre es mir ärgerlich, wenn ich dann nichts weitergeschickt hätte.
Das bißchen Porto kann man deshalb ruhig dranhängen. Heute haben wir die Übernahme gemacht. Unsre Nachfolger haben
alle unsere Sachen übernommen.
Gegenwärtig regnet es, sodaß wir Bedenken haben, ob morgen das
Vorkommando wegfährt. Dann würde sich die ganze Angelegenheit verzögern. Wir
hoffen nur, daß unser Kommandant wegfährt. Wir können dann schon warten, bis
wieder besseres Wetter eintritt. Für
heute herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.
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