Montag, 30. Mai 2016

Brief 133 vom 30./31.5.1941


Meine liebe Frau!                                                                                     30.5.41   

Wie die vergangenen Tage, so auch heute habe ich von Dir keine Post erhalten. Dagegen ging ein Brief von Nannie ein, den ich Dir demnächst mit zusenden werde. Sie schreibt unter anderem, daß sie nach Pfingsten auf etwa vier Wochen nach Konstanz kommen will. Sie würde sich freuen, wenn sie die Kinder einmal wiedersieht und will Dich auch mit aufsuchen. Bei dieser Gelegenheit, schreibt sie, will sie auch die „Anredeangelegenheit“ klären. Gesundheitlich geht es ihr so, daß sie wenigstens jetzt wieder reisen kann, was im Winter nicht der Fall war.  Wie Du aus dem anliegenden Durchschlag siehst, habe ich heute auch an Deine Eltern geschrieben. Ich glaube, daß sie sich nun etwa ein Bild über die ganze Angelegenheit meines Berufs machen können. Übrigens schreibt mir Nannie auch, daß ich ja nicht unbedingt in Konstanz bleiben müßte um weiter zu kommen.  Heute war ich bei Zahnarzt. Der hat mir eine weitere Vorlage reingemacht. Er denkt immer, daß ich Schmerzen haben müßte, wenn er den ganzen Zahn hinauffährt, aber ich spüre nichts und habe bis jetzt auch keine Schwierigkeiten. Nächste Woche soll ich wieder hinkommen.
Gestern habe ich mir einen neuen Schlafanzug gekauft. Für den habe ich 10,-RM bezahlt. Er ist aber, wie mir scheint, in der Qualität besser wie die anderen. Auch die Farbe ist ganz nett. Ich wollte eigentlich zwei Stück kaufen, aber weil diese Sachen bewirtschaftet sind, kann man nicht mehr so kaufen wie man will. Bei Gelegenheit werde ich zusehen, daß ich noch einen bekomme. Mein Bestand an Socken hat sich inzwischen sehr gelichtet, so daß ich mit davon verschiedene wieder beschaffen muß.  Mein Besuch in Lille für die Feiertage steht nun fest. Ich habe heute um Urlaub gefragt und ihn auch erhalten. Am Dienstag früh werde ich wieder hier sein. Am Montag werde ich ins Theater gehen. Karten werden besorgt. Soviel ich weiß, wird „Waffenschmied“ gegeben. Ist dies doch auch wieder einmal eine willkommene  Abwechslung. Ich werde dir darüber dann schreiben.  Ich grüße und küsse Euch alle Ihr Lieben recht herzlich. Ich bitte Dich, an Vater ebenfalls herzliche Grüße auszurichten. Du selbst nimm nochmals viele Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst

Meine liebe Annie !                                                                               31.5.41

Heute Nachmittag, am Samstag vor Pfingsten, sitze ich nun in meiner Bude und will Dir noch einen Gruß senden, denn ich werde, wie ich Dir schon mitteilte, über die Feiertage mit meinen beiden früheren Kumpanen zusammentreffen. Ich überlege mir gerade noch, ob ich erst zu Thomas mit dem Zug hinüberfahre oder ob ich erst morgen mit unsrem Postauto bzw. mit dem Zug direkt fahre. Doch erst will ich Dir noch schreiben, damit die Kette meiner Briefe nicht abreißt. Ich hoffe, daß Du besser versorgt wirst wie ich. Zwar ich kann noch nicht sagen, ob heute wieder einmal etwas eintrifft.
Vorhin habe ich auf zwei Clubsesseln meinen üblichen Mittagsschlaf gehalten. Vorher lese ich aber immer noch entweder in der Zeitung oder in einem Buch. Ich habe ja mein Radioapparat, so daß ich zu allem noch Radio hören kann, was ich jetzt auch tu. Wie ich dir schon berichtete, ist ein weiterer Verwaltungsbeamter bei uns eingetroffen.
Mit seinem Eintreffen hat sich nun die Frage erhoben, evtl. ein Haus zu nehmen, wo wir zusammen wohnen und, da wir jetzt andere Verpflegung bekommen, dann auch gemeinsam essen. Ich fühle mich gegenwärtig aber noch so ganz wohl, denn mit dem Zusammenwohnen ergeben sich so manche andere Begleiterscheinungen, die ich bei den anderen Kameraden hier auch sehe. Da kommen welche ziemlich spät nach hause und daheim geht es dann weiter, womöglich fangen die dann noch an mit Nachtwandeln. Hier habe ich bis jetzt meine Ruhe und ich bin für mich allein und kann einmal ein Buch lesen. Ich befürchte, daß durch das Zusammenleben dies auf gewisse Schwierigkeiten stößt. Ich nehme zwar an, daß ein Verhältnis, wie wir es in Lille hatten, nicht zusammenkommt. Ich entziehe mich hier den Kameraden in keiner Weise, denn ich will möglichst mit allen in einem erträglichen Verhältnis stehen, und soweit ich dies von mir aus beurteilen kann, ist dies auch der Fall.  Wie geht es Dir und den Kindern. Ihr seid doch hoffentlich alle gesund. Was werdet ihr wohl über die Feiertage machen. Ich glaube, daß Ihr ein wenig aus der Wohnung geht. Vielleicht hast du meine Päckchen schon alle bekommen. Ändern könnte ich es ja nicht, wenn sie nicht rechtzeitig eingetroffen sind. Ich würde mich aber freuen, wenn sie rechtzeitig angekommen wären.
Du mußt selbst sehen, ob Du bzw. Ihr beide, diese Schuhe bei jedem Wetter anziehen könnt.  So, jetzt habe ich erst noch ein Päckchen mit Schokolade fertiggemacht, das ich nach den Feiertagen absenden will. Die kleine Tafel ist Milchschokolade. Ich habe dann meinen ganzen Vorrat ab gesandt, damit Du weißt, daß ich weiter keine da habe. Ich fragte dieser Tage in dem Geschäft nach, mußte aber hören, daß gegenwärtig keine mehr zu bekommen sei. Ich glaube aber, daß Du jetzt für die nächste Zeit auskommen wirst.  Wie schmecken denn die Pralinen? In den nächsten Tagen bekomme ich einige Fotos, die ich Dir dann zusenden werde. Sie sind auf der Vimy-Höhe gemacht worden, von wo Du in einem der letzten Briefe auch einige erhalten hast.  Ich werde an Euch in diesen Tagen denken. Was ich eigentlich sonst auch tue, aber an diesen Feiertagen besonders. Ich sende Dir viele herzliche Grüße und Küsse und bitte Dich, unseren beiden Stromern einige davon abzugeben.
Im Geiste und in Gedanken bin ich bei Euch Dein Ernst.

Deine beiden Briefe vom 23. und 24. habe ich heute erhalten, ebenso den Brief von unserer Helga mit Deinem Zusatz vom 21., über den ich mich sehr gefreut habe. Ich werde alle nach den Feiertagen dann beantworten. Nochmals viele Grüße und Küsse sendet Dir Dein Ernst

Samstag, 28. Mai 2016

Brief 132 vom 28./29.5.1941


Mein liebes Mädel!                                                                                           28.5.41   

Vom heutigen Tage weiß ich eigentlich nicht viel zu berichten.  Post habe ich keine von Dir bekommen. Ich könnte also schon aufhören.  Mir fällt gerade ein, daß ich dieser Tage bei einem französischen Zahnarzt war, um nun endlich meine Zähne in Ordnung bringen zu lassen. Er versucht nun erst einmal, den Zahn fest abzuschließen, um zu sehen, wie er sich dazu verhält. Am Freitag soll ich wieder hinkommen. Wie er mir erklärte, glaubt er nicht, daß der Zahn gezogen werden muß. Ich werde Dir dann wieder Bescheid geben. Ich weiß nicht, ob ich Dir schon wegen der Hosen- und Stiefelangelegenheit geschrieben habe. Du fragtest mich, warum ich mir diese zulegen will. Wenn ich mit meiner jetzigen Rüstung herumlaufe, so gefällt sie mir nicht immer, vor allem weiß man nicht, wann eigentlich Sonntag ist. Wenn ich noch Stiefel bekomme, so ist das ja kein Schaden, denn die kann ich später auch immer noch tragen, wenn der Krieg einmal vorbei ist. Es ist nur, damit man auch einmal etwas besser angezogen ist, außerdem finde ich, sieht es militärischer aus. Ob ich zwar alles noch bekomme, muß ich erst einmal sehen.  Heute ist bei uns ein Oberinspektor eingetroffen, der sich vorübergehend hier aufhalten soll, um sich einzuarbeiten. Er ist ein Schlesier. Man merkt, daß der Mann direkt aus der Heimat kommt und an die Verhältnisse hier noch nicht gewöhnt ist. Das Büro sagt ihm nicht zu, es sei ihm zu klein, die Stadt sei unsauber usw. Wenn ich Dir früher derartige Schilderungen geben habe, so war dies ja nur, um Dir ein Bild von dem zu machen. Aber bei diesem Mann merkt man, daß er mit den Verhältnissen noch nicht vertraut ist. Es ist eigenartig, wie einem das dann gleich auffällt. Dieser Mann ist, wie ich Dir schon mitteilte, nur vorübergehend hier. Wie ich zwar gehört habe, sollen wir noch einen Inspektor hierher bekommen, der gewissermaßen die Verwaltungsabteilung führen soll. Wie sich das entwickelt, wird sich dann ja herausstellen. 
Ich hoffe, daß Ihr alle gesund und munter seid. Die Kinder werden Dir hoffentlich folgen, damit Du Dich nicht immer aufregen und ärgern mußt. Ermahne sie nur und sage ihnen, was ich geschrieben habe. Ich weiß wohl, daß, wenn man so jung ist, es schwer fällt, immer brav zu sein. Sie sollen sich aber trotzdem zusammennehmen. Ich sende Euch allen recht herzliche Grüße und Küsse, Dir sendet wieder besonders herzliche Dein Ernst


Mein liebes Mädel!                                                                                             29.5.41

Unsere Post wird wegen wichtigen Transporten scheinbar zurückgestellt, denn ich habe auch heute keinen Brief erhalten; die anderen Kameraden zwar auch nicht. Die wenigen, die Post bekommen, fallen im Verhältnis nicht ins Gewicht.  In dieser Woche war ich nun wieder drei Mal im Kino. Am Montag wurde „Ohm Krüger“ gespielt, am Dienstag „Donauschiffer“ und heute „Verdacht auf Ursula“. Es waren alles ganz nette Filme, den vom Montag hatten wir ja noch zusammen gesehen, als ich daheim war. Dadurch, daß im französischen Kino auch deutsche Filme laufen, kann man immer einmal mehr hineingehen. Wenn auch einmal ein Film kommt, den man schon gesehen hat und der an sich gut war, so kann man sich diesen ohne weiteres noch einmal ansehen.  Ich füge Dir einen Durchschlag bei, der zu einem Schreiben an den Oberbürgermeister gehört.
Wie Du daraus ersiehst, kann von unserem Kommandanten zwar nicht viel geschrieben werden, aber immerhin geht aus dem Schreiben hervor, was ich hier bin und daß die von mir gemachten Angaben stimmen. Mein Gesuch bekommt dadurch einen amtlichen Charakter.
Ich verspreche mir von allem zwar keinen großen Erfolg von meinem Vorgehen, weil mir das Verhalten der Stadt von früher her nur zu bekannt ist. Ich halte es aber für notwendig, etwas zu tun, damit der Stadt nicht alles so kampflos in den Schoß fällt.  
Das wechselhafte Wetter hält immer noch an. Es ist zwar im Durchschnitt wärmer wie im Anfang, wo ich hierher kam, doch man weiß nicht, wie man sich verhalten soll. Man muß immer zusehen, daß man nicht zu warm oder zu wenig angezogen ist.  Ab nächster Woche bekommen wir wieder andere Verpflegung. Bisher bekamen  wir für den Tag 2,RM für unsere Verpflegung. Die Unteroffiziere und Mannschaften hatte dann eine gemeinsame Küche. Am Ende von 10 Tagen wurde dann abgerechnet. Durchschnittlich kostete das Essen etwa 1,RM, so daß mit für die 10 Tage rund 8 bis 9 RM übrig blieben. Die Auszahlung des Verpflegungsgeldes fällt nun ab nächsten Monat weg und wir erhalten Truppen bzw. Magazinverpflegung. Wie die dann ausfällt, müssen wir erst wieder sehen. Auf jeden Fall kann man sich evtl. etwas Dazu kaufen, wenn es nicht langen sollte.  Wenn ich Urlaub bekomme, werde ich, wie ich Dir schon mitteilte, nach Lille fahren. Mit Thomas habe ich schon telefoniert und auch mit Graser. Es ist also wahrscheinlich, daß wir uns dort treffen über Pfingsten.  Für heute hatte ich nicht weiter zu berichten. Ich grüße und küsse Euch, Ihr meine Lieben und hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Dir sendet nochmals viele Grüße und Küsse
Dein Ernst

Brief 131 vom 26./27.5.1941


Meine liebe Annie!                                                                                      26.5.41   

Am gestrigen Sonntag war ich in Lille. Mit unserem Postwagen bin ich am Vormittag hinübergefahren. Wie ich dann aber feststellen mußte, hatte Graser Dienst. Gegen ½ 4 Uhr war er dann frei. Bis zu seiner Ankunft hatte ich mich in unser altes Lokal gesetzt.  Dort wurde ich entgegen meinem Eindruck beim letzten Besuch freundlich aufgenommen. Die Leute waren gerade beim Mittagessen und luden mich gleich mit dazu ein. Nachdem ich noch nichts gegessen hatte, nahm ich dankend an. Wir haben uns dann noch unterhalten. Später kam dann Graser und wir sind dann noch beieinander gesessen. Mit dem Abendzug hatte ich heimfahren wollen.
Es kamen dann aber von Graser noch Arbeitskameraden, so daß sehr schlecht wegzukommen war. Ich habe mich dann endlich doch losgerissen, mußte aber am Bahnhof feststellen, daß der Zug gerade hinausgefahren war. Ich bin dann wieder mit zurück und entschloß mich, mit dem Frühzug wieder hierher zu fahren. Wir sind dann noch ganz gut beieinander gesessen und Graser und ich sind dann in seine Wohnung gegangen, wo ich dann auch Unterkunft gefunden hatte. Mit dem Frühzug  bin ich dann  ½ 6 Uhr zurückgefahren, so daß ich rechtzeitig zum Antreten und Dienst da war.
Deinen lieben Brief vom 20. habe ich erhalten, ebenso das Päckchen, das noch ausstand. Ich danke Dir vielmals dafür. Gefreut hat mich Deine Mitteilung, daß Du das Päckchen mit den Pralinen erhalten hast und daß sie Dir, wie ich annehme, zusagen. Wenn dann die Kinder auch zufrieden sind mit der Schokolade, ist es ja auch in Ordnung. Wie ich Dir zwar schon schrieb, war sie teuer, doch schließlich hat man ja den Kindern eine Freude bereitet.
Für das mit gesandte Paßbild danke ich Dir. Ich finde, es entspricht nicht ganz der Natur. Es wirkt verhältnismäßig etwas steif. Da sieht man, daß die Berufsfotografen nicht viel mehr fertig bringen wie wir, denn wir haben doch Bilder da, die sehr gut getroffen sind und von denen man sagen kann, daß sie mehr dem entsprechen, wie das gesandte Bild. Ich freue mich aber trotzdem über das Bild. Auch Jörgs Fotografie ist ja auch ganz gut gemacht, doch auch nicht ganz richtig getroffen.
Heute sende ich Dir den Durchschlag meiner Antwort an den Oberbürgermeister mit. Ich habe das Schreiben unserem Assessor vorgelegt, und er sagte, daß es in Ordnung sei. Wahrscheinlich wird er von hier aus etwas dazu schreiben. Er will aber erst nochmals mit dem Kommandanten vorher sprechen. Die Antwort geht jedenfalls in den nächsten Tagen heraus.  Nun sende ich Dir recht herzliche Pfingstgrüße. Ich denke doch, daß Ihr, wenn das Wetter einigermaßen schön ist, ein wenig ins Freie geht. Letztes Jahr war an Pfingsten unser Ausflug nach Überlingen, Sipplingen auf den Haldenhof. Das war doch ein schöner Tag. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr wenigstens ein Stück mit dem Schiff fahren. Verlebt die kurzen Feiertage gesund, denn ich werde ich Gedanken bei Euch sein. Es ist möglich, daß ich über Pfingsten entweder bei Thomas oder bei Graser bin. Das ist noch nicht ganz klar, doch das zeigt sich erst in diesen Tagen. Wenn ich sehe, was die beiden anderen treiben.  Nehmt recht viele Grüße und Küsse entgegen und sei Du recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst

Mein liebes Mädel!                                                                                        27.5.41

Ich Danke Dir vielmals für Deinen lieben Brief vom 22.5.41, den ich heute erhielt. Eigentlich hatte ich die Absicht, ihn Dir auf anderem Weg zu bestätigen. Als ich heute aus dem Kino nach der Kommandantur  kam, wollte ich Dir telefonieren, das war so gegen ½ 10 Uhr, aber die Verbindung haben wir nicht ganz durch bekommen. Die Kameraden von der Telefonzentrale  bzw. vom hiesigen Fernsprechamt sind bis Friedrichshafen gekommen und dann ging es nicht mehr weiter. Ich hoffe, daß wir aber demnächst die Verbindung mit Nummer 309 in Konstanz zusammenstellen können. Ich denke, daß Webers Dich dann schon an den Apparat holen. Nachdem ich diese Feiertage nicht mit Euch verbringen kann, wollte ich doch wenigstens kurz mit Dir sprechen. Aber auch in diesem Falle sage ich mir, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. 
Jetzt zu Deinem Brief. Heute lege ich Dir nun aber die Abschrift meiner Antwort an die Stadt bei. Etwas müssen die mir jetzt doch wieder schreiben. Wenn dann nochmals ein nichtssagender Bescheid kommt, dann habe ich mir noch etwas aufgespart. Dann werde ich ihnen schreiben, daß ich wohl die Erklärung unterzeichne, mir aber trotzdem unter Umständen vorbehalte, mich um eine andere Stellung umzusehen. Ich gebe mich diesmal nicht gleich zufrieden. Es hat zwar nicht des Anstoßes Deines Vaters bedurft, aber er hat in seinem Schreiben recht. Ich kann mich nicht auf die Dauer so hinausziehen lassen. Ich denke mir zwar, daß die Stadt sich wieder ablehnend verhält, doch man kann mir dann nicht sagen, daß ich nichts unternommen hätte. Wegen des Zeugnisses werde ich mich wohl zufrieden geben müssen.  Wegen des Gehaltszettels kannst Du wegen mir dann noch warten, bis die nächste Zahlung erfolgt. Was die Schokolade anbelangt, so haben wir beide uns vorbeiverstanden. Es stimmt wohl, daß ich einmal nur Milchschokolade gekauft habe, doch die anderen Male habe ich die andere gekauft, weil mir die Milchschokolade zu teuer war. Ich habe hier noch zwei kleine Tafeln und die zwei großen, die Du dort hast, die kostet 5,-RM.  Ich schrieb darum auch, daß Ihr sie vorsichtig verwenden sollt. Die in der weißen Packung soll wohl Gesundheitsschokolade sein, doch wie ich auf der Rückseite gelesen habe, handelt es sich um eine alte Verpackung, die mit dem gleichen Inhalt nicht identisch ist. Ich habe sie probiert, man kann sie aber auch essen. 
Zum Brief Siegfrieds  habe ich nicht viel hinzuzufügen. Das Bild lasse ich wieder mit zugehen, ebenso den Brief. Ich freue mich auch, wenn die Geschichte mit der Erna wieder eingerenkt ist. 
Die Gartenerfolge spornen ja ohne weiteres an, wenn man gleich in solchen Massen erntet wie Du. Wegen den Erdbeeren kann man ja einmal zusehen, ob man so von anderen Gärtnern ein paar Setzlinge bekommt.  Ich grüße und küsse Euch alle Ihr meine Lieben und Dich ganz besonders Dein Ernst

Dienstag, 24. Mai 2016

Brief 130 vom 23./24.5.1941


Meine liebe Frau!                                                                                          23.5.41     

Heute habe ich 3 Päckchen an Dich ab gesandt. Es handelt sich um Nummer 7, 8 und 10. Nummer 9 sende ich morgen gleich ab, denn dafür fehlt mir das Verpackungsmaterial. In dem einen Päckchen habe ich zwei Bücher für Dich abgeschickt, damit Du, wenn Pfingsten je schlechtes Wetter sein sollte, etwas zu lesen hast. Ist dagegen schönes Wetter, kannst Du mit den neuen Schuhen ausgehen.  In das Päckchen, was noch aussteht, kommen die Schuhe für Helga.  Ich hoffe und wünsche, daß alles gut ankommt, alles paßt und Euch auch gefällt. Heute habe ich an Hellstern geschrieben, den Durchschlag füge ich Dir bei. Ehe ich an den Oberbürgermeister schreibe, will ich, daß er diesen Brief hat. Was meinst Du dazu, ist das richtig so? 
Das Wetter ist gegenwärtig etwas regnerisch. Letzten Samstag hatte ich mich vom Schießen gedrückt, beim morgigen Schießen wird das aber kaum gehen. Das macht aber nichts, gehen kann man ja einmal mit, was dabei herauskommt, wird sich schon zeigen.  Bei der heutigen Post war für mich nichts dabei. Doch man muß auch einmal warten können. Vorhin war ich mit meinen Kameraden im Stadtpark. Es war schön. Der Goldregen, der Flieder und der Schneeball blühten. Die Kastanien hatten ihre Kerzen aufgesteckt. Es ist eben etwas Schönes um den Frühling.
Wenn man um diese Jahreszeit nicht rauskommt, dann wird es überhaupt nichts. Als ich dann noch mein Päckchen, das noch nicht fertig geworden war, gepackt hatte, bin ich nach hause gegangen und habe noch gelesen. Es ist dann immer ganz angenehm, wenn man etwas zu lesen da hat. Mit meinem Radioapparat hatte sich die Angelegenheit etwas verzögert. Ich sollte ihn letzte Woche bestimmt bekommen. Meine Wirtsleute haben extra eine Leitung für mich legen lassen, doch ich denke, daß es morgen nun wirklich soweit ist. Das wäre dann immer noch eine Ergänzung der gegenwärtigen Abendunterhaltung.  Nächste Woche bekommt Helga auch wieder Ferien. Wenn dann das Wetter entsprechend ist, kann sie ja dann unten mit rumtollen. Ich glaube, sie wird nichts Dagegen haben.  Herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir und den Kindern  Dein Ernst

Mein liebes Mädel!                                                                                          24.5.41

Gestern habe ich, wie ich Dir ja schrieb, keine Post bekommen.  Heute auch nicht, aber es geht fast allen Kameraden so, wahrscheinlich liegt wieder etwas in der Luft. Warten können wir ja alle, und wenn man nicht allein davon betroffen ist, geht es schon noch.  Heute war nun Schießen. Ich dachte, zum zweiten Mal kann man sich nicht drücken und wollte mitgehen. Als ich beim Antreten dastehe, fragt mich der Spieß, ob ich auch mit wolle, denn es sei für mich keine Pflicht. Ich war erst etwas überrascht, sagte aber, daß ich das Schießen gern wieder einmal probieren möchte.  Er sah mich wohl mit einem gewissen milden Lächeln an, doch ich nahm das nicht weiter tragisch. Die Übung war drei Schuß auf dem Anschußtisch aufgelegt. Meine zwei Vorgesetzten von der Verwaltungsabteilung schießen gleich am Anfang. Der eine Schoß bei 36 zu erreichenden Ringen 32 und der andere 31 Ringe. Die forderten mich dann auch gleich zum Schießen auf. Ich dachte, wenn das man gut geht. Der erste Schuß ist eine 11, der zweite Schuß war rausgeballert und ist eine 7, das ärgerte mich schon. Beim letzten Schuß dachte ich, daß ich mich etwas zusammennehmen muß und hatte dann auch eine 12. Es waren dann immerhin noch 30 Ringe insgesamt.
Wie ich dann hinterher erfuhr, waren alle der Ansicht, daß ich nicht schießen könnte und ich habe dann auch an den anerkennenden Blicken und Worten gemerkt, daß ich dadurch wieder bei den Kameraden gewonnen hatte. Es ist eben so, den meisten tut der Stern, den ich habe, weh. Bei einer Kommandantur wie hier, wo schon lange dienende Soldaten dabei sind, kommt das noch viel mehr zur Geltung wie vorher beim Stadtkommissar. Ich kann das einesteils auch verstehen, doch gefreut habe ich mich im Stillen doch, daß ich mir nichts zeigen lassen brauchte, obwohl ich doch ein Jahr lang kein Gewehr nicht mehr in der Hand gehabt hatte. 
Heute ist mit der Mittagspost das Päckchen mit den Schuhen für Helga abgegangen. Ich weiß ja nicht, ob Du Deine Schuhe bei jedem Wetter anziehen kannst, das mußt Du selbst einmal ausprobieren. gespannt bin ich, ob sie Dir gefallen und ob sie alle passen.
Mit meinem Radioapparat ist es nun wirklich Tatsache geworden. Es ist ein schöner Apparat, der auch ohne Antenne geht. Er ist noch ganz neu. Jetzt kann man doch wenigstens wieder hören.
Vielleicht fahre ich morgen einmal nach Lille. Unser Postauto fährt am Sonntag schon um 11 Uhr. Wenn ich dann mit dem Zug heimfahre, habe ich etwas Zeit um mich dort aufzuhalten. Ich muß zusehen, ob ich Graser  treffe, weil ich mich nicht angemeldet habe.
Ich sende Dir sowie den Kindern recht herzliche Grüße und viele Küsse. Ich hoffe, daß ihr alle zusammen gesund seid. Mit vieler Liebe denkt immer an Euch Dein Ernst 

Brief 129 vom 22.5.1941


Meine liebe Annie!                                                                                         22.5.41   

Heute habe ich Deine beiden Päckchen vom 15.und 19.5. mit den darin enthaltenen Briefen erhalten. Für alles Danke ich Dir vielmals recht herzlich. Die Tabletten reichen für das nächste habe Jahr. Das ist ja fast gehamstert, was Du da gemacht hast.  Das Päckchen ist im Verhältnis zum anderen lang gegangen. Ich hatte mir schon immer gedacht, der Brief vom 15., wo der wohl stecken mag. Nun ist er auch angekommen.  Die Lücke ist gefüllt und ich weiß über das, was zwischendrin gefehlt hat, Bescheid.  Daß sich der Schulranzen nicht mehr ganz in Ordnung bringen läßt ist schade. Man macht ihn eben so, wie es geht und wenn er inzwischen kaputt gehen sollte, muß dann doch noch ein neuer beschafft werden.
Briefmarken gibt es auch hier schon wieder neue. Das läuft zwar ziemlich ins Geld, wenn der Satz 2,50 RM kostet. Wenn man den Sand im Schlachthaus holen muß, ist bestimmt der nächste Weg. In Karlsruhe hat man den Sand gleich mit dem Lastwagen vor das Haus gebracht. Man kann das von unserer armen Stadt auch nicht verlangen.
Zu Deinem Brief vom 19. habe ich mich über Deine Freude im Garten und über Deine Erfolge, die Du damit hast, ebenfalls gefreut. Über die gesendeten Sachen vom Muttertag habe ich mich wirklich gefreut und ich will nicht einmal schreiben „Ihr sollt mir doch nichts schicken“. Wie habe ich das wieder angebracht?  An den Oberbürgermeister habe ich heute im Konzept ein Schreiben aufgesetzt. Ich werde es nochmals  durchdenken und dann ins reine schreiben. Durchschlag sende ich dir zu.  Von den Eltern habe ich heute auch einen Brief erhalten, wie ich gelesen habe, ist ja Dir das gleiche auch zugegangen. Das ist ja sehr tragisch mit Leppers  der Pfarrer, der sie getraut hatte, was da Deine Mutter schreibt. Deinen Eltern kannst Du ja bei Gelegenheit schreiben, wo ich stecke, füge aber hinzu, daß sie in Briefen an mich davon nichts erwähnen brauchen. Zu dem Schreiben Deines Vaters werde ich demnächst antworten.  Heute war ich wieder im Kino. Obwohl ich diesen Film schon gesehen hatte, fand ich ihn wieder ganz unterhaltend. Gestern ist unser Theater ausgefallen.  Doch das macht ja nichts, denn in dieser Woche war ja allerhand los.  Für die Franzosen war ja heute Feiertag, wir haben dagegen, wie im Reich auch, gearbeitet. Uns macht das ja nichts aus, denn ob wir daheim herumsitzen oder hier unseren Dienst tun, bleibt sich ziemlich gleich. Ich sende Dir und unseren Kindern recht herzliche Grüße und Küsse, bleibe gesund und denke an Deinen Ernst  

Ein Brief, von dem ich nicht weiß, wo er hingehört, weil er kein Datum hat; er muß mit einem anderen zusammen geschrieben worden sein   Schon wieder haben wir Montag.  gestern habe ich keine Post erhalten. Von unserem Kriegsverwaltungsassessor wurde ich plötzlich eingeladen mit nach Arras und nach der Vimy-Höhe zu fahren. Du kennst ja meine Schwäche für das Reisen. Ich war sofort dabei. Ich bin auch von diesem Tag zufrieden gewesen. Ein schöner sonniger Tag; es war zwar schwül, aber im Wagen konnte man, wenn das Fenster auf war, es ganz gut aushalten. Die Gegend war mir jetzt wieder besonders interessant, da ich doch das Buch lese „Sperrfeuer um Deutschland“. Wenn man die damaligen Möglichkeiten in Betracht zieht, so war es eine gewaltige Leistung, die von unseren Soldaten vollbracht wurde. Vor allem wenn man berücksichtigt, daß unsere Gegner alle Nachschubmöglichkeiten hatten, die uns während dieser Zeit fehlte. Soviel ich mich noch an meinen letzten Besuch erinnere, schrieb ich Dir seinerzeit, daß unsere Gegner im vergangenen Jahr versuchten, sich dort eine Widerstandslinie aufzurichten. Es ist bei dem Versuch geblieben, mehr ist ihnen nicht gelungen. Bei der heutigen Strategie kann man nicht mehr mit veralteten Methoden arbeiten. Diesen Methoden kann man nur mit modernen Mitteln entgegentreten. Wir wollen froh sein, daß man das auf der Gegenseite noch nicht begriffen hat. So wie es scheint, haben die im vergangenen Jahr noch nichts dazu gelernt. Wir fuhren etwa gegen ½ 3 Uhr hier weg und kamen so gegen 7 Uhr wieder hier an. gegen Abend fing es ein wenig an mit regnen, doch unserer Fahrt hat das keinen Abbruch getan. Auf der Lorettohöhe sprachen wir mit einem Pfaffen, der dort seinen Dienst tut. Er ging mit einer Schläue vor wie ein Fuchs. Er hatte für die Engländer nicht viel übrig, sagte sogar, wie die Kirche von ihnen als Stützpunkt angesehen worden ist. Um sich aber zuletzt von unserer Zuverlässigkeit zu überzeugen fragte er, ob wir Katholiken seien, was wir auf seinen Wunsch gern bestätigten.  Deinen  lieben Brief vom 16. habe ich vorhin erhalten. Mit Freude habe ich gelesen, daß Dir meine Briefe zusagen. Wie Du selbst schreibst, hast Du das Gefühl, wie wenn ich persönlich mit Dir spreche. Wenn Du meine Briefe so empfindest, dann werden sie ja so aufgenommen, wie sie gemeint sind.  Wenn das Päckchen gut angekommen ist, dann bin ich aber froh, denn mir schien es sehr windig verpackt, als ich es so beieinander hatte. Hauptsache ist ja, daß nichts verloren gegangen ist. Wie Du aus meinen Briefen gelesen hast, sind ja noch weitere Päckchen unterwegs. Hoffentlich kommen sie alle auch gut an. und machen Dir Freude. Wegen des Schreibens der Stadtverwaltung habe ich mit unserem Assessor heute gesprochen, was er zu dem Ansinnen der Stadt meint. Vor allem mit der flapsigen Aussicht, mich später besser einzustufen. Er meinte, ich soll von mir aus ein Schreiben an die Stadt machen, dazu wird er entweder von sich aus oder vielleicht vom Kommandanten aus noch etwas dazusetzen, Damit das ganze so gewissermaßen einen dienstlichen Charakter bekommt.  Ich werde das so tun, weil mir dieser Vorschlag günstig erscheint.
Abschrift von diesem Schreiben lasse ich Dir mit zugehen.
Bei uns sind zwei Schreibfräulein, die sind aus dem Reich. Die sind so aufgeblasen und machen mit den Offizieren, was sie wollen. Weiterhin haben wir zwei Fräulein, und zwar ihrer Nationalität nach Polen. Diese sind als Dolmetscherinnen tätig, weil sie deutsch, französisch und polnisch sprechen.
Wegen der hiesigen Bevölkerung ist es notwendig, daß sie die Sprachen beherrschen, damit wir mit diesen auch fertig werden.  Heute war ich im Kino und zwar wurde „Der Postmeister“ gespielt. Ich hatte ihn seinerzeit gesehen in französischer Sprache. In deutscher Sprache wirkt er ganz anders. Heute ist wieder Kino und zwar “Spähtrupp Hallgarten“. Auch diesen Film habe ich schon einmal gesehen. Ich nehme an, daß ich wahrscheinlich mir auch diesen ansehe. Ich sende Dir heute wieder meine herzlichen Grüße und Küsse. Einen Teil kannst Du an unsere beiden Trabanten weitergeben. Dein Ernst 

Donnerstag, 19. Mai 2016

Brief 128 vom 20./21.5.1941


Mein liebes Mädel!                                                                                      20.5.41   

Das Frühlingswetter hat aber nun kräftig eingesetzt. Die vergangenen Tage war es früh immer ziemlich kalt, doch gegen Mittag hatte die Sonne gegen die kalte Luft soviel Kraft, daß es auch über Mittag ganz schön warm war. Wie ich aus Deinen Briefen gelesen habe, herrscht ja bei Euch ähnliches Wetter. Seit Sonntag ist es nun richtig warm geworden. Jetzt ist es langsam an der Zeit, daß man den Pullover in die Ecke legt und einmottet.  Für Deinen Brief vom 16., den ich vorhin erhielt, danke ich Dir vielmals. Nun ist unser Junge auch schon in den Listen der Schule erfaßt. Bald wird er dann antreten müssen. Hoffen wir, daß er auch Freude am Lernen hat, denn dann fällt es ihm viel leichter.  Warten wir es ab, denn zwingen kann man es nicht. Ich kann mir vorstellen, daß Helga ihren Stolz gehabt hat, wenn sie ihr Klassenzimmer hat zeigen dürfen. Für sie ist das ja ein Teil ihres Lebensinhalts. Vor allem ist es noch so, daß sie Erfolg in der Schule gehabt hat, der ihr eine gewisse Berechtigung zum Stolzsein gibt. Hoffentlich macht sie so weiter. Wenn sie auch einmal lausbubenhaft ist, Hauptsache ist, daß sie sich dahin findet, wo sie hingehört. Ich glaube, daß ihr das nicht schwer fällt. Das macht nichts, wenn Du die Kinder der jetzigen Sommerzeit entsprechend ein wenig länger draußen läßt.
Jörg hat also immer noch die gleichen Schwierigkeiten mit dem Haareschneiden.  Unsere prompten Briefeschreiber haben sich auch gleich wieder gemeldet.  Legler Gerhard hat mir heute auch geschrieben, sonst habe ich bis jetzt  noch von niemand weiter Post erhalten. Er bittet darum, daß ich ihm bald wieder schreiben soll. Wie ich aus seinem Schreiben weiter ersehe, hat er sich darüber gefreut. 
Den  Film „Spähtrupp Hallgarten“ habe ich mir nochmals angesehen. Dazu die neue Wochenschau. Es war wieder ganz schön. Nächste Woche läuft hier der Film „Bismarck“, dann soll der Film „Wunschkonzert“ und der Film „Karl Peters“ kommen. Wenn ich auch schon manche gesehen habe, so kann man sich diese ohne weiteres noch einmal ansehen.  Ich bin heute nicht in der richtigen Briefschreibestimmung. Ich hoffe, daß Du auch einmal mit etwas weniger zufrieden bist. Nimm herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst

21.5. 41
In dieser Woche haben wir etwas mehr Abwechslung in Bezug auf Unterhaltung, wie wir es sonst hier gewohnt sind. Heute ist im Theater eine Vorstellung und morgen ist die übliche Vorstellung im Kino gegen Bezahlung. Es wird gespielt „ Herz modern möbliert“. Diesen Film habe ich auch schon einmal in Lille gesehen, aber ich fand ihn seinerzeit ganz unterhaltend, so daß ich ihn mir nochmals ansehe.  Wie ich dir schon mitteilte, hatte ich für die Kinder ein Paar Schuhe besorgen wollen. Kamerad Graser konnte es dann nicht mehr machen, so daß ich wieder auf dem Trockenen saß.  Nun hatte ich mich hier an jemand gewandt um vielleicht doch noch welche zu bekommen. Heute früh brachte man mir nun für Jörg ein Paar braune Halbschuhe, die auf das gesandte Muster passen. Für Helga brachte er mir ein Paar Damenschuhe, weil diese Größe dem schon entspricht. Diese hatten hohe bzw. halbhohe Absätze. Für Dich wären sie bestimmt ganz nett gewesen, die Größe 36 kannst Du aber auch nicht tragen. Ich habe sie zurückgegeben mit dem Auftrag, ein Paar andere zu besorgen. Vorhin kam er nun schon mit einem Paar anderen an, die auf das Muster gut passen. Ich hoffe, daß sie auch sonst passen werden. Es ist auch schon Damengröße, aber so eine Art Sportmodell. Ich hatte gleichzeitig darum gebeten, für Dich evtl. ein Paar mitzubesorgen. Ich glaubte nun, in den nächsten Tage vielleicht welche zu bekommen, vorausgesetzt, daß er die Möglichkeit hat, welche zu bekommen. Aber mit Helgas Schuhen brachte der Mann mir auch gleich noch welche für Dich.  Es sind braune Wildlederschuhe mit einer Art Chromledersohle.  Doch warum soll ich Dir Da lange Beschreibungen vormachen, ich werde sie schnellstmöglich verpacken und Dir zusenden. Doch etwas habe ich mir dabei aufgespart. Eine kleine Überraschung ist dabei, ich nehme an, daß Du Dich darüber wundern vielleicht sogar darüber lachen wirst.
Hoffentlich sagt Dir alles zu und hoffentlich paßt alles richtig. Die Preise sind zwar ziemlich gestiegen, für eure habe ich je 15 RM bezahlt und für Jörgs Schuhe 7,0 RM. Das Geld habe ich wohl, aber für den nächsten Monat kannst Du mir vielleicht 20 / 30 RM schicken, doch ist das nicht so eilig.  Vor allem nicht in diesem Monat. Wie gesagt, die Schuhe mache ich mit fertig und schicke sie bald ab. 
Deinen lieben Brief vom 17.5. habe ich vorhin bekommen. Wiederum danke ich dir vielmals dafür. Ich will Dir zuerst gleich Deine Frage beantworten wegen dieser Frau Bolz. Ich kann teilweise das Verhalten dieser Frau verstehen, wenn sie irgendwo bei einer Frau Anlehnung sucht, wenn sie sonst niemanden findet. Wenn man aber so nahe beieinander wohnt, habe ich es nicht sehr gern, wenn man sich mit fremden Leuten zu sehr anfreundet und es ist mir nicht angenehm, wenn andere Leute in unsere Wohnung reinschmecken. Wenn man sich aber nicht binden will, kann man sich meist nur belanglose Dinge erzählen. Ich bin nun der Ansicht, wenn du selbst das Bedürfnis hast, mit einem anderen Menschen, vor allem mit einer Frau, über Verschiedenes zu reden und Du hast das Empfinden, daß Dir die Frau zusagt und entgegenkommt, so habe ich bestimmt nicht dagegen, wenn Du ab und zu mit ihr sprichst oder auch einmal auf ihre Einladung hin zu ihr hinübergehst. Ich glaube aber nicht, daß dies nun jeden Samstag notwendig ist. Ich glaube, daß Du mich verstehst, ich will nur nicht, daß Du Dich zu sehr bindest. Wenn du dann ab und zu ihrer Einladung Folge leistest, nehme ich an, wird sie auch zufrieden sein. Den  Muttertag haben unsere beiden Borzels Dir, wie aus Deiner Schilderung hervorgeht, wirklich schön gestaltet. Wenn sie dann Deine Freude bemerkt haben, werden sie auch   sicher   über ihren Erfolg froh gewesen sein.  Die Schuhgeschichte ist nun inzwischen erledigt. Ebenso habe ich Dir schon wegen des Gartens geschrieben.
Daß mein Päckchen rechtzeitig eingetroffen ist, hat mich gefreut, auch das, daß Dir die gesandten Sachen zugesagt haben.  Für heute sende ich Dir recht herzliche Grüße und Küsse und bitte, das unseren Kindern zu sagen, daß ich mich darüber gefreut habe, daß sie Dir den Muttertag so schön gestaltet haben. Gib ihnen Dafür von mir einen herzhaften Kuß. Nimm Du selbst nochmals herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Brief 127 vom 17.5.1941


Meine liebe Annie!                                                                                       17.5.41          

Heute, am Tag nach meiner Inbesitznahme meines neuen Platzes, habe ich mir einen Fliederstrauß auf meinen Platz stellen lassen.  Ein wenig Frühling hat nun auf meinem Schreibtisch Einzug gehalten. Heute am Samstagnachmittag haben wir dienstfrei. Erst war ich in meiner Wohnung und habe das 2. Buch ausgelesen, dann habe ich noch einen kleinen Rundgang durch die Stadt gemacht. Erst am Kanal entlang und dann über Abraumhalden hinweg wieder in die Stadt. Es ist ein richtig sonniger Frühlingstag. Die Wärme kann man gut ertragen, nachdem es bis jetzt wohl viel sonniges Wetter war, doch fehlte ihr gegen den kühlen Wind die nötige Wärme. Bis jetzt konnte man unter der Feldbluse den Pullover noch vertragen.  Ich denke aber, daß man nunmehr darauf verzichten kann.  Morgen ist nun Dein Tag der Familie. Ich bedauere, daß ich Dir dazu nicht persönlich meine Wünsche übermitteln kann. Ich hoffe, daß Dich mein Päckchen, das ich letzte Woche ab gesandt hatte, und das für diesen Zweck bestimmt war, noch rechtzeitig erreicht hat.  Ich kann mich noch gut entsinnen, wie ich vor einigen Jahren am Samstag hinausgegangen war, um Dir einige Feldblumen zu suchen.  In späterer Zeit bin ich dann einmal mit den Kindern gegangen und habe Dir verschiedene Blumenvasen geschenkt. Das sind so Erinnerungen, die man so hervorkramt und sich freut, wie man es in früheren Jahren gemacht hat. Nun ist es bereits über ein Jahr, seit Briefe von mir zu Dir gehen und umgekehrt wandern. Wie lange werden wir das abwarten müssen. Wir vertrauen auf den Führer und tun den Dienst, der von uns verlangt wird. Du siehst, daß sich mein Standpunkt innerhalb dieses Jahres nicht gewendet hat und ich bin auch nicht willens, ihn zu ändern.  Heute vor einem Jahr an einem Samstag kam ich mit meinen andren Kameraden im Garnisonsort an. Da ist nun ein Jahr voller Ereignisse beim Kommis vorbei.
Vorhin erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 13.  und 14., über die ich mich sehr gefreut habe. Die weiteren Beilagen des einen Briefes sind teils erfreulich, teils nicht. Meinst Du, ich kann mit dem Zeugnis zufrieden sein. Ändern kann ich ja daran auch nichts mehr. Wegen der Verpflichtung habe ich mich insofern geärgert, als in dem Begleitschreiben  steht, daß der Oberbürgermeister  in Aussicht stellt, mich später in eine bessere Vergütungsgruppe einzustufen. Ich werde hier mit unserem Abteilungsleiter am Montag sprechen, was er dazu meint. Die ganze Sache geht ja von dem Intriganten Lang aus. Das Schreiben stammt ja schon vom 3. Mai wie ich gerade sehe. Es ist an meine alte Feldpostnummer gesandt worden.
Nun haben die sich nicht mehr zu helfen gewußt und haben Dir alles zugesandt. Es eilt ja auch nicht so sehr, nachdem man solange gewartet hat. 
Wenn mit den Erdbeeren nicht mehr viel los ist, dann hauen wir alle raus. Es ist auch so damit, man muß einmal eine andere Sorte probieren. Die hat sich ausgetragen.  Wenn die Sträucher besser tragen, so ist wenigstens da ein Ausgleich. Ich werde versuchen, daß ich noch etwas Zucker bekomme, damit Du noch das zu Marmelade verarbeiten kannst, was im Garten anfällt. Ich weiß noch nicht, wie mir das gelingt, aber versuchen werde ich es.  Ich verstehe gar nicht, daß die Beträge von dem Gehaltszettel so ungleich lauten. Es gehört sich doch, daß man Zuschußbeträge besonders vermerkt, und wenn man Abzüge macht, daß man die auch aufführt. Man weiß ja sonst nicht, was einem eigentlich zusteht. Vor allem machen mich die Pfennigbeträge stutzig.
Ich bitte Dich, laß Dir einmal genau Aufklärung geben, wie sich das in letzter Zeit zusammensetzt, denn man verliert ja ganz und gar die Kontrolle. Ich glaube wohl kaum, daß es nicht stimmen würde, doch die Übersicht geht verloren, und nachdem es unser Geld ist, steht einem das Recht zu, daß man entsprechende Auskunft erhält.  Im Garten kannst Du ja nun auch Tomaten setzen, ebenso kann das Gurkenbeet fertiggemacht werden, sofern Du es noch nicht getan haben solltest.  Ja, Jörg soll nur die Zeit noch ausnützen, denn wenn er in die Schule kommt, fällt doch manche Stunde weg. Dann heißt es auch für ihn, wie bei Helga auch, erst die Aufgaben machen. Soldatenspielen kann einen Jungen auch ganz fesseln; vor allem, wenn man sich so im Freien tummeln kann und wenn man sich so schöne Hütten bauen kann. Bald wird für ihn auch die Zeit vorbei sein.  Ich habe doch nun auch ziemlich in der letzten Zeit Briefe an Bekannte geschrieben,  aber bis jetzt habe ich nur von Dir Antwort bekommen. Sie ist mir zwar die liebste, denn wir stehen uns doch in allem am nächsten. Das geht schon allein daraus hervor, daß ich so regelmäßig von Dir Post erhalte; Du hoffentlich von mir auch. Die anderen werden schon wieder einmal schreiben. Ich brauche dann auch nicht vorher zu antworten. Ich grüße Dich für heute recht herzlich und sende Dir gleichzeitig viele Küsse; Helga und Jörg gib bitte Davon etwas ab. Dein Ernst

Brief 126 vom 16./17.5.1941


Meine liebe Annie!                                                                                         16.5.41   

Gestern habe ich in meinem Brief vergessen zu vermerken, daß ich wieder 2 Päckchen mit Schokolade und zwar Nr. 5 und 6 an Dich zur Absendung gebracht habe. Ich hoffe, daß Dich alles gesund antrifft und daß Du Dich darüber freust. Post erhielt ich keine, doch Dein Brief wird sich etwas verspätet haben. Wie Ich Dir schon schrieb, bin ich ins Kino gegangen. Es wurde ein Kriminalfilm gezeigt, „Der 4. kommt nicht“. Ich muß sagen, daß das ein guter Film war und vor allem nicht so, wie es meist dabei zugeht.  Für diese Woche ist es nun aus mit der Unterhaltung. Jetzt lese ich wieder in meinen Büchern. Das zweite Buch habe ich auch bald fertig. Wir bekommen hier ja noch unsere Tageszeitung und am Ende der Woche trifft auch immer „Das Reich“ ein. Man verkümmert dabei nicht ganz und gar.
Heute habe ich nun, nachdem ich schon über 14 Tage hier bin, meinen Platz im Büro bekommen. Der Sonderführer, der vorher noch mit im Zimmer war, ist rausgezogen. Jetzt ist noch der Unteroffizier und der Gefreite bei mir. 
Vorhin habe ich Deinen Brief vom 11./12. erhalten. Diesmal war er sehr lang, so daß ich wieder etwas zu lesen hatte. Da habt Ihr also das „Mensch ärgere Dich nicht Spiel“ herausgeholt, das noch von uns stammt.  Ja, da will ich nur dazu feststellen, daß ich das selbst gemacht hatte. Ich hatte mir ein Muster besorgt und hatte es nach diesem abgezeichnet.
Ja, von der Eröffnung des deutschen Theaters in Lille hörte ich schon bei meinem letzten Besuch. Dann war in unserer Frontzeitung ein Artikel, den ich mir aufgehoben habe, weil ich ihn Dir mit senden wollte.  Wegen den Büchern habe ich Dir ja schon gestern geschrieben. 
Da ist ja der Zweck erreicht, wenn Du Freude an dem regelmäßigen Posteingang hast. Ich sehe auch zu, daß ich ziemlich jeden Tag schreiben kann. Es muß schon einmal wirklich nicht gehen, wenn ich nicht schreibe. Durch das Stenographieren kann ich ja ohne viel Anstrengung mehr schreiben wie das früher der Fall war. Ich glaube, daß Dir das Lesen keine Schwierigkeiten bereitet. 
Über unsere geistige Betreuung, die wir hier erfahren, habe ich Dir schon in meinen letzten Briefen Auskunft gegeben. Am nächsten Mittwoch wird hier von KDF ein Theaterstück von Kotzebue aufgeführt „Wirrwarr.“ Ich werde sicher hingehen.  Die meiste Schokolade ist ja nun unterwegs.  Die in der weißen Packung soll Gesundheitsschokolade sein. Wieso und warum das welche ist, weiß ich zwar nicht, aber es steht darauf. Du kannst mir dann einmal mitteilen, wie sie geschmeckt hat. 
Nun haben die Kinder den Nikolausbrief wieder herausgekramt. Das ist gar nicht so schwer, ihn zu schreiben, wenn man sich nur hineindenkt, was die Kinder hören wollen und wenn man weiß, was nötig ist zu sagen. Wenn er ihnen gefällt, sollen sie ihn nur gut aufheben, damit sie wissen, wie man es machen muß und was der Nikolaus sagt. 
Mit dem Wetter ist es fast so wie bei uns nur mit dem Unterschied, daß wir bis jetzt schon viel schönes Wetter hatten. Gestern hatte es geregnet und heute  ist wieder schönes Wetter gewesen. Es ist zwar auch noch verhältnismäßig kühl. Wenn Vater also seine Hacke weggekommen ist, braucht er sich tatsächlich nicht zu wundern. Man kann doch seine Sachen nicht den ganzen Winter über draußen liegen lassen. Weiter braucht er sich auch nicht zu wundern, wenn der Feldhüter sich darum kümmert, daß sein Garten noch nicht bestellt ist. Ich denke, er wollte sich Urlaub geben lassen. Soll er es doch einmal wahr machen und sich dafür ein paar Tage frei nehmen, dann ist das doch halb so schlimm für ihn. Er hat es ja dann gar nicht nötig, sich nach Feierabend hinzustellen. Ich weiß aber, daß da alles Reden nicht viel nützt. 
Dein Päckchen, das Du am 9.5. ab gesandt hast, habe ich heute auch erhalten. Ich will es erst daheim öffnen. Über den Inhalt weiß ich also noch Bescheid. Ich danke Dir jedenfalls im voraus, ich sollte Dir erst nämlich den Kopf waschen, weil Du Dir so ohne Vorankündigung ein Päckchen zugehen läßt.

17.5. früh 
Gestern Abend habe ich in meiner Wohnung Dein Päckchen aufgemacht. Ich Danke Dir herzlich für das gesandte Gebäck. Ich werde es so verbrauche, wie Du es mir geschrieben hast. So zwischendurch ißt man ganz gern einmal etwas, vor allem, wenn man abends in seiner Bude sitzt und liest. Nochmals herzlichen Dank für alles.
Nach dem Abendessen hatte ich mit einem Kameraden noch einen Spaziergang gemacht. Soweit das hier möglich ist. Das Wetter war ganz schön, und wenn man den ganzen Tag im Zimmer sitzt, tut einem das schon ganz gut, wenn man an die Luft kommt. Als ich dann heimkam, habe ich noch Zeitung gelesen und dann noch im Buch bis es so gegen 11 Uhr war.  Jetzt fängt nun wieder der Dienst an. Schon wieder ist eine Woche um und morgen haben wir Sonntag.  Euch allen sende ich recht herzliche Grüße und Küsse. Ich bitte Dich, gib unseren beiden Stromern jedem wieder einen herzhaften Kuß. Du selbst nimm mehrere Davon entgegen von Deinem Ernst.

Samstag, 14. Mai 2016

Brief 125 vom 14./15.5.1941


Meine liebe Annie !                                                                                           14.5.41   

Herzlich Danke ich Dir für Deinen Brief vom 10.5. Aus meinem Schreiben und aus Deiner Antwort ersehe ich, daß Du weißt wo und wie ich untergebracht bin. Ob ich aber so jetzt nach X(Lille) fahren kann, muß ich erst einmal sehen. Mit Graser allein ist wohl nicht das richtige Verhältnis. Er ist ein lieber Kerl und ich weiß auch, daß er mich gern aufnimmt. Bei meiner Abreise hat er es mir wiederholt angeboten, daß ich bei ihm ohne weiteres übernachten kann, wenn ich nach X komme. Mit Thomas ist es meines Erachtens doch eine andere Sache, ich habe ihn auch in meinem Brief gebeten, daß er mir Bescheid geben soll, wenn er aus dem Urlaub zurückkommt. Ich denke, daß ich vielleicht mit dem Postwagen, den ich ja letzte Woche schon einmal benutzte, wieder zu ihm fahre.  Dieser Aufenthalt ist meist sehr kurz und Graser ist dann meist im Dienst und hat dann wenig Zeit. 
Mit Deiner Näherei bist Du ja ziemlich in Anspruch genommen. Ich sehe aber, daß Du doch Freude daran hast, wenn Dir wieder ein Stück gelungen ist. Mache Dir aus den Sommerstoffen, die ich Dir zugesandt hatte, auch etwas rechtes, denn Du brauchst ja nicht immer nur aus altem Stoff etwas zu machen. Mit Vaters Furunkulose sieh Dich nur vor, denn sowas ist ansteckend und bedarf äußerster Vorsicht. Daß sich daneben schon wieder kleine Herde bilden ist ein Zeichen dafür, daß dies seine Ursache aus der alten Stelle hat. Vater kannst Du von mir ausrichten, er soll damit keinen Unsinn treiben. Wenn es nicht besser wird und es wieder von neuem anfängt, dann soll er einen Arzt aufsuchen, der dies entsprechend behandeln soll. 
Die Geschichte von meinen Eltern bezüglich der Wohnungseinrichtung ist mir nicht bekannt gewesen. Ich finde sie auch sehr originell.
Von der Obstbaumblüte, die wir hier gehabt haben, schrieb ich Dir ja in meinem letzten Brief. Ja ich weiß, was wir immer für eine Freude an der Blüte vor dem Fenster hatten. Dies war ja auch einer der entscheidenden Gründe, daß wir den Baum nicht raus gemacht haben. Wegen der Schuhe für die Kinder sagte mir Graser, daß er es nicht machen könnte, weil jetzt hier auch Bezugscheine verlangt würden. Ich habe hier nun Auftrag bei einem Herrn gegeben. Er will einmal sehen, was er erreicht. 
Gewisse Kreise machen, wie ich Dir schon schrieb, englische Propaganda mit äußerst primitiven Mitteln. An die Wand malen sie ein V, was „Victory“  Sieg bedeutet. Beigeschlossen sende ich Dir nun auch so ein V. Es ist zwar von der anderen Seite. Das ist doch nicht schlecht gemacht. Vor allem der englische Sieg ist doch ganz überzeugend.  
Für euren Blumengruß danke ich auch recht herzlich. Heute mache ich wieder zwei Päckchen fertig mit Schokolade.  Ich wünsche Euch guten Appetit dazu, und ich hoffe, daß alles gut ankommt. In den nächsten Tagen werde ich zwei Bücher ausgelesen haben, die ich Dir dann auch zusenden werde.  Mir selbst geht es soweit gut. Obst und was man sonst noch zusätzlich bekommt, kaufe ich mir. Apfelsinen, Feigen und Datteln, ebenso Bananen. Auf Schokolade bin ich nicht so scharf, vielleicht kaufe ich mir einmal Pralinen. Eier, die Kameraden besorgt haben, lasse ich mir ab und zu machen. Die sind aber in letzter Zeit so teuer geworden, daß ich mir wahrscheinlich Schinken oder Wurst besorgen lasse. Du siehst, daß ich also immer noch etwas zu essen habe, und daß es mir den Umständen entsprechend nicht schlecht geht.  Recht herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und unseren beiden Schlawanzern Dein Ernst.

Meine liebe Frau !                                                                                                 15.5.41

Gestern bekam ich Deinen lieben Brief vom 11.5. Wiederum Danke ich Dir recht herzlich dafür. Die mit gesandten Blumen werde ich mir aufheben und zu den schon gesandten legen. Wenn Du solchen Erfolg mit unserem Rhabarber hast, dann ist das ja sehr erfreulich. Ist eigentlich auch der, den wir schon immer haben, der also weiter unten steht, auch so ertragreich? Die Kinder haben also ihren Spaß am Omnibusfahren. So haben sie doch auch etwas von den Briefen. Ja, die Geschichten im Haus sind schon interessant, doch es ist am besten, man hält sich aus allem heraus, so wie wir es immer getan haben. Es ist zwar nicht immer zu vermeiden, daß man das eine oder andere mit anhören muß. Soweit es uns aber nicht betrifft, halten wir uns zurück, im andern Fall schlägt man eben zu und läßt sich nichts gefallen. In diesem Zusammenhang will ich Dir ein Ereignis schildern, das mich heute eigenartig berührt hat.
Ein Franzose kam heute zu mir mit einer Forderung, die nicht zu unserer Aufgabe gehört. Ich habe ihm dies mitgeteilt, daraufhin stellte er noch mehrere unzumutbare Forderungen, so daß ich ihm die Türe wies. Er wankte und wich nicht. Ich sah mich deshalb gezwungen, ihn am Kragen zu packen und rauszuschmeißen. Als er draußen war, sagte er, wie unser Dolmetscher sagte, „Leck mich im Arsch“. Ich selbst hatte es nicht gehört, aber Kameraden von der Feldgendarmerie hatten sich ohne mein Wissen dieser Sache angenommen. Ich wurde dann zur Vernehmung dieses Mannes geladen. Am Anfang behauptete er, nicht mehr zu wissen, was er gesagt habe. Als ihm dann der Feldwebel eine kräftige Ohrfeige heruntergehauen hatte, wußte er immer noch nichts. Auch dann, als er mit einem Bambusstock einige über den Rücken gestrichen bekommen hatte, behauptete er immer noch, daß er nichts gesagt habe. Die Männer haben ihn dann gepackt und ihm tüchtig ein paar übergezogen. Das hat dann geholfen und er gab dann seine Aussage auch zu. Zuerst scheint einem diese Menschenbehandlung grausam zu sein, doch ich glaube, daß es notwendig ist, auf diese Art durchzugreifen, weil diese Brüder sonst denken, sie können sich gegen uns alles erlauben. Wahrscheinlich wird er noch einige Tage ins Loch wandern. Hinzufügen muß ich noch, daß er gestern schon bei mir in der gleiche Weise aufgetreten war und eine ordentliche Fahne von Alkoholduft hinter sich herzog. Heute war es mit ihm genau das gleiche. Ich bin ja schon von früher vom Fürsorgeamt auch allerhand gewöhnt gewesen, aber diese Menschen sind hier bald noch schlimmer. 
Ich sagte Dir ja in meinem letzten Schreiben, daß ich mir Obst und Früchte kaufe. Man kann wohl sagen, daß es hier schon alles gibt. Spargel gab´s schon am 1.Mai zu essen, als ich bei Thomas zum Mittagessen eingeladen war. Bei uns wird er hier zum Mittagessen nicht gegeben. Kirschen und Erdbeeren habe ich auch schon im Schaufenster gesehen. 250g Kirschen kosten aber 65 Pfennig. Ein kleines Körbchen Erdbeeren, das wohl auch nicht mehr enthält kostet 75 Pfennig. Frische Bohnen werden ebenfalls schon verkauft. Wenn man aber sowas kaufen will, muß man es teuer bezahlen.  Mir selbst geht es gut.
Das Wetter ist heute regnerisch, aber nicht besonders kalt. Helga kann auch wieder einmal einen Brief schreiben, ich würde mich darüber freuen, wenn sie wieder auch etwas zeigen würde. Es braucht nun nicht gleich zu sein, aber bei Gelegenheit einmal.  Am Dienstag war ich im Kino. Es wurde der Film gegeben, den ich in Karlsruhe schon einmal gesehen hatte „Hochzeitsnacht“.  Man geht aber hin, um sich abzulenken, wenn es auch nicht überwältigend ist. Außerdem will man ja auch die Wochenschau sehen.  Heute läuft nun ein kümmerlicher Film „Der 4. kommt nicht“. Hier müssen wir ja Eintritt zahlen. Wenn man aber sonst nichts sehen kann, sucht man solche Abwechslung immer auf.
Eigenartig war nur in der letzten Wochenschau, daß Hess zum 1. Mai sprach. Nach der Affäre, die sich mit ihm nun zugetragen hat, sieht man diesen Mann mit gemischten Gefühlen an. Seine Handlung wird ja von allen Kameraden einträchtig abgelehnt.
Ich sende Euch allen viele und herzliche Grüße und Küsse. Helga und Jörg kannst Du ja in der üblichen Weise bedenken. Du selbst nimm wieder besondere Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Wenn Vater wider zu Dir rauf kommt, richte ihm ebenfalls herzliche Grüße von mir aus.

Brief 124 vom 12.5.1941


Mein liebes Mädel                                                                                     12.5.1941  

Vor einem Jahr ging es stark auf meine Einberufung hin. Ich kann mich noch sehr gut an diese Tage erinnern. Es waren doch Tage der Spannung. Der Feldzug gegen Frankreich hatte inzwischen begonnen und etwas Neues, Ungewisses lag vor einem. Wir haben aber alles gefaßt hingenommen und haben auch gewußt, warum dies alles nötig wurde. Ich habe früher ja schon festgestellt, was sich in dieser Zeitspanne ereignet hat. Wenn es noch länger gehen sollte, werden wir dies mit genau der gleichen Fassung auf uns nehmen, wie wir dies vor einem Jahr getan haben. 
Gestern am Sonntag haben wird ab 2 Uhr den Geburtstag unseres Kriegsverwaltungsrats gefeiert.  Es ist dabei ziemlich viel Wein, Bier und Cognac geflossen, doch ich habe mich noch rechtzeitig zurückziehen können. Bei dieser Gelegenheit habe ich aber unseren Kriegsverwaltungsrat als einen Pfundskerl kennen gelernt. Ich hatte Dir doch schon kürzlich geschrieben, wie er mich in Bezug auf meine Prüfung beim hiesigen Kommandanten herausgestrichen hat. Gestern hat er mir gesagt, wie er wegen mir bei unserer vorgesetzten Stelle, der OFK (Oberfeldkommandantur) vorgesprochen  und angeregt hat, daß ich aufgrund der Prüfung befördert werden sollte. Obwohl ihm dies bekannt ist, da dies von der Beförderung bei der Heimatbehörde abhängt, so hat er es doch getan. Ich habe ihm daraufhin gesagt, daß man bei uns in Konstanz sehr kurz tritt. Daraufhin sagte er mir, daß er bedauert, daß er von hier wegkäme, denn er hatte deshalb, - er ist ja in seiner Heimatstadt auch Bürgermeister einer Stadt mit 200000 Einwohnern -,  an unseren Bürgermeister in Konstanz wegen einer entsprechenden Einreichung geschrieben. Du kannst daraus ersehen, daß ich meine Arbeit auch hier  richtig mache. Das ist ja dann auch das, was einen dann befriedigt. 
Post hatte ich gestern keine bekommen. Ich glaube aber, daß ich heute wieder mit bedacht werde. Heute habe ich noch an Thomas geschrieben, denn er bat mich bei meinen Besuch darum. Die meisten Briefschulden habe ich somit erledigt. An Direktor Hellstern von der Stadtverwaltung habe ich mir ein Schreiben aufgesetzt, das ich dieser Tage ausfertigen will. Von der Stadtverwaltung ist wohl noch keine Antwort auf mein Schreiben eingegangen. Ich werde dann vielleicht noch an Dora schreiben und ebenso an Gerhard über Elsa. Dann habe ich, soviel ich mich entsinne, alles geschrieben. 
Bis heute früh hat seit etwa 10 Tagen hier ein wirklich schönes sonniges Wetter geherrscht. Die Bäume, die ich gesehen habe, haben schon geblüht.  Doch trotz der vielen Sonne ist es meist sehr kühl. Frühmorgens war es schon kalt. In den klaren Nächten waren dann die Voraussetzungen  auch entstanden und tagsüber war es fast immer sehr windig, so daß die Sonne nur an windstillen Orten zur Geltung kam.  Gestern früh hatte ich meinen Morgenspaziergang gemacht.  Es klingt geradeso, als ob ein Spießbürger das sagt. Es ist  hier aber gar nichts anderes möglich, weil man sich hier nichts weiter vornehmen kann. Wenn ich in dem Stadtgarten bin, dann sind meist noch keine Menschen da. Durch die vielen Bäume halten sich dann auch verschiedene Arten von Vögeln auf. Jetzt um diese Jahreszeit singen sie noch so schön, so daß man dann eine ganz kleine Entschädigung für das hat, was bei uns daheim geradezu selbstverständlich ist. 
Vorhin habe ich Deine beiden Briefe vom 8. und 9.5. erhalten. Recht herzlichen Dank dafür. An Legler-Gerhard werde  ich nun direkt schreiben. Das wird wahrscheinlich Abkd. (Arbeitskommando) heißen müssen. Für die mit gesandten Bilder danke ich Dir ebenfalls. Sie sind eben alle etwas kurz geraten, oder wir waren alle ein bißchen zu groß. Mit Rücksicht auf das schlechte Wetter sind sie alle ziemlich dunkel  geworden.
Deine Schilderung über die Goldene Hochzeit ist ja originell. Da kann man sich ungefähr einen Begriff  machen, wie es die Jahre früher zugegangen sein mag. Es freut mich, daß Vaters Kopf wieder in Ordnung ist, ich  nehme an, daß es ihm genau so geht. 
Mit meinen Wirtsleuten ist es also nicht ganz so schlimm, wie ich erst am Anfang gemeint habe. Als ich heute Abend heimkam, lag mein Schlafanzug, den ich ja die vergangenen Tage angehabt habe, frisch gewaschen auf meinem Bett. Das ist doch bei dem sonstigen Tempo der Franzosen bestimmt eine Leistung. Früh ausgezogen und abends frisch gewaschen und gebügelt. Ich muß sagen, ich war bestimmt überrascht. Meine Schuhe werden , ohne daß ich etwas weiter gesagt habe, regelmäßig geholt.  Ich weiß nicht, habe ich Dir das schon geschrieben. In dem Hause sind doch zwei kleine Mädchen im Alter von etwa 4 bis 6 Jahren. Die brauchen mich nur zu sehen, dann springen sie mir nach und ich muß mich mit ihnen unterhalten. Das geht ja nicht immer, aber ab und zu muß man sich doch mit ihnen abgeben. Wenn auch die Kameraden versuchen, mich in ihren Kreis zu ziehen, so finde ich das anerkennenswert. Ich glaube aber nicht, daß hier jemals so ein Verhältnis zustande kommt, wie es in der vorhergehenden Umgebung der Fall war. Ich habe auch an Thomas einen entsprechenden  Brief geschrieben, in dem ich zum Ausdruck gebracht habe, daß es mich freuen würde, wenn wir, wenn er aus dem Urlaub kommt, öfter Gelegenheit haben, uns zu treffen.  
Jörg soll nun ja auf der Straße Obacht geben. Er hat ja nun selbst gesehen, wie schnell es geht, wenn man nicht aufpaßt. Solche kleinen Begebenheiten aus der Stadt, wie sie in der Zeitung stehen, interessieren mich immer. Du kannst mir dies also immer wieder mitteilen.  Bis jetzt haben wir es noch verstanden, uns hier gegen den Weiberzirkus durchzusetzen. Die Briefeschreiberei hat also durch die Tipsen zu erfolgen.
Nun aber Schluß für heute. Recht herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst

Dienstag, 10. Mai 2016

Brief 123 vom 10.5.1941


Meine liebe Frau !                                                                                          10.5.41    

Vor einem Jahr nahmen die Kämpfe um Belgien, Holland und Frankreich ihren Anfang. Inzwischen ist ein Jahr vergangen und wir sitzen nun hier, um  für die wirtschaftlichen Belange  zu arbeiten. Zur Zeit dreht es sich ja nur bei mir in vorwiegendem Sinne um die Belange der Polacken, denn während der Zeit unserer Erniedrigung haben die Lumpen ihr Brot von den anderen genommen und dabei auf uns geschimpft. Ihr Vaterland haben sie verleugnet und jetzt wollen die sich mit uns auf die gleiche Stufe stellen, obwohl wir uns die ganzen Jahre durchgehungert haben. Mit dieser Gesellschaft gehe ich auch entsprechend um. Ich kann Dir sagen, daß die in dieser Beziehung bei mir und auch bei den anderen Kameraden nichts zu lachen haben.
Interessant ist, daß bei der ersten Aktion der Werbung von ausländischen Arbeitskräften für Deutschland sich diese  nur in geringem Maße gemeldet haben. Dies war im Herbst letzten Jahres. Inzwischen schreiben nun die zu uns hinüber gegangenen, wie es ihnen geht, und jetzt kommen gerade hier zu mir tagtäglich immer wieder Leute, die wünschen, zu uns vermittelt zu werden. Es ist doch ein Zeichen dafür, wie sie bei uns behandelt und bezahlt werden. Ja auch diese Erscheinung sind Zeichen unserer Friedenspolitik und der Menschenführung in fremden Landen. Ich bin trotzdem davon überzeugt, daß es immer noch viele gibt, die nicht zu überzeugen sind und sich auch nicht über unser Wollen im Klaren sind. Andererseits ist es ja auch so, daß die Vermittlung dieser Leute von diesen aus gesehen nicht etwa aus ethischen Gesichtspunkten heraus erfolgt um uns zu helfen, sondern bei ihnen spielt das Geldverdienen eine große Rolle. Wir werden die Leute so behandeln, wie sie es verdienen und entsprechend so, wie sie uns entgegentreten aber auch weiterhin so, wie es der Führer von uns verlangt.  Heute habe ich das Päckchen an Dich zum Muttertag zur Absendung gebracht. Das Format ist etwas ungeschickt, doch ich hoffe, daß es trotzdem gut ankommen wird.  Verwende alles entsprechend und erfreue dich daran. Ich wünsche, daß es Dich gesund erreicht.  Vorhin habe ich einen großen Schokolade-Einkauf getätigt. Einschließlich Pralinen sind es 5 kg.  Mit diesem Einkauf habe ich etwas über 20,-RM ausgegeben. Am meisten habe ich für die Milchschokolade ausgegeben. Ich hoffe, daß die Kinder sie auch mit entsprechendem Verstand essen werden.  Ich schreibe dies nicht deshalb, um Dir zu zeigen, was ich für Geld aufwende, sondern Du sollst nur sehen, wie die Preise entsprechend der Nachfrage gestiegen sind. Nach und nach werde ich die Sachen an Dich zur Absendung bringen. 
Deinen lieben Brief vom 7. habe ich heute erhalten. Jetzt werde ich nun wieder laufend von Dir Post erhalten. Es ist doch schön, wenn man nicht nur Briefe schreibt, sondern auch selbst welche bekommt. Man hat dann wenigstens Verbindung mit daheim und weiß, was daheim vorgeht. Es freut mich, daß Du im Garten solche Freude hast. Das macht Spaß, wenn man so sieht, wie die Bohnen schön blühen. Man hat dann zwar Sorge, ob etwa Frost eintritt, aber da merkt man erst, wie man mit seiner Sache verwächst. Bei uns herrscht hier auch schon seit vielen Tagen schönes sonniges Wetter, doch es weht ein kalter Wind dazu, so daß  man jetzt noch unter der Feldbluse  einen Pullover gut vertragen kann. Dies vor allem besonders früh.  
Am Nachmittag hatten wir wieder dienstfrei und morgen ist wieder Sonntag. Man hat hier an solchen freien Stunden nur wenig Gelegenheiten. Wie ich Dir letzthin schon schrieb, kann man sich in eine Wirtschaft setzen, daheim lesen oder wenn es das Wetter zuläßt, spazieren gehen. Heute Nachmittag habe ich mich an meinen Büchervorrat herangemacht. Zeitung habe ich auch noch gelesen. Außerdem habe ich dem Kameraden Bohmann noch einen Brief geschrieben.  Zwischendurch hatte ich noch meinen Schokoladeeinkauf getätigt und vorher ein Paar Schuhe zum Schuster geschafft. Anschließend war ich noch beim Essen. So ist auch dieser Nachmittag vorbeigegangen. Erst wollte ich noch mit unserem Postwagen nach X fahren (Lille). Doch ich denke, daß ich im Laufe der kommenden Woche sowieso hinkomme. Darum möchte ich vermeiden, daß man mich fragt, was ich so viel dort mache.  Für heute sende ich Dir recht viele Grüße und küsse Dich vielmals. Helga und Jörg gib wieder jedem einen herzlichen Kuß von ihrem Vater. Es grüßt und küßt Dich nochmals Dein Ernst.

Brief 122 vom 9.5.1941


Mein liebes Mädel                                                                                Standort, den 9.5.41      

Ich hatte wohl im Stillen Damit gerechnet, daß ich nun bald von Dir Post bekommen würde. Heute Abend erreichte mich nun Dein Brief vom 6.5., über den ich mich recht gefreut habe. In so langen Tagen ereignet sich doch manches. Man merkt das erst dann, wenn man einige Zeit Nichts hört.
Daß das Kind von Kusters gestorben ist, habe ich mit Bedauern gelesen. Das stimmt, wenn es einmal anfängt einzureißen, dann hört es meist auch nicht gleich wieder auf. Meine Kollegin hat nun auch den Hafen der Ehe gefunden, den sie doch ganz entschieden für die Dauer des Krieges abgelehnt hatte. Ja, man muß eben seine Meinung manchmal ändern.  Soll sie glücklich werden. Ob ich ihr kurz schreiben soll?
Wegen der Stachelbeerspritzung kann man ja das einmal versuchen, wenn es notwendig werden sollte. Den Artikel  lege ich wieder bei. Die Schuhgrößen habe ich entnommen. Ich Versuche was sich machen läßt.  Graser hat mir gestern zwar gesagt, man bekäme nur welche  gegen Bezugschein, doch ich denke, daß ich sie auch durch jemand anders bekommen kann. Ich habe die Absicht, mir ein paar Stiefel machen zu lassen und  eine Stiefelhose  will ich mir auch machen lassen.  Ich werde ja sehen, ob ich es zusammen bekomme.
Daß Vaters Kopf wieder verheilt ist, beruhigt mich, denn es ist eine Verantwortung, wenn man immer darin herummacht und man sieht nicht, daß es besser sondern womöglich noch schlimmer wird. Wenn unser Junge sich so gut mit den Soldaten beschäftigen kann, ist es ja gut, denn warum soll er den Kopf den ganzen Tag hängen lassen, denn ihm ist dies ja doch nicht ganz klar und es kommt ihm auch gar nicht zu Bewußtsein. Mich freut auch, daß unser Mädel an der Rechnerei so gefallen gefunden hat. Man muß die Kerle nur immer richtig anpacken, dann geht es schon. Ich will Dich auch heute wieder darum bitten, sieh Dich mit Deiner Niere vor, damit Du keine Schwierigkeiten damit bekommst. Halte Dich bei entsprechendem Wetter warm und sieh Dich mit den schweren Gartenarbeiten vor, daß es nicht zuviel auf einmal wird. Ich finde es ja ganz entgegenkommend, wenn Zahn Dir die Bohnenstangen rein gemacht hat.  Der Mann hat zwar Zeit, aber er hätte es auch nicht brauchen müssen. Kannst ihm, wenn Du willst, auch nochmals in meinem Namen danken.
Bei den Schlüsselblumen werdet Ihr Euch wieder fest angestrengt haben, wenn Ihr so müde gewesen seid. Mit dem Wetter habt Ihr aber dabei Glück gehabt.
Über meinen Aufenthalt bist Du Dir ja wohl im Klaren. Ich bin also tatsächlich an dem Ort, von dem ich Dir zuerst geschrieben hatte. Wenn ich meine Sporthose brauche, teile ich Dir dies noch mit. Meine Tabletten, die ich mir für den Hals gekauft hatte, werden in der nächsten Zeit zu Ende gehen. Es eilt also tatsächlich nicht. Du besorgst mir dann bitte wieder einmal welche. Ich möchte diesmal Inspirol, denn die erfüllen genau denselben Zweck wie die teureren.
Heute habe ich für Dich ein kleines Päckchen für den Muttertag fertig gemach, Ich hoffe, daß es Dich gesund erreicht und auch noch rechtzeitig. Schokolade für die Kinder sende ich in den nächsten Tagen ab. Heute war die Impfung. An sich spürt man dabei nichts weiter, nur hinterher fängt es an, sich bemerkbar zu machen. Kameraden, die mit auf meinem Büro arbeiten, haben hier Eier besorgt. Heute habe ich 6 Stück bekommen, davon habe ich mir nach dem Abendessen noch zwei kochen lassen. Nunmehr habe ich die nötige Bettschwere.  Etwas Schokolade und auch Obst esse ich noch nebenher, damit ich nicht von Kräften komme.
Du siehst, daß ich mir schon zu helfen weiß und daß ich zusehe, daß ich immer wieder etwas bekomme.
An Nannie habe ich heute auch einen Brief geschrieben. Was so noch an Post zu erledigen ist, kommt in den nächsten Tagen dran.  Ich sende Dir wieder die herzlichsten Grüße und Küsse und bitte Dich, unseren beiden Stromern das gleiche auszurichten. In treuer Liebe bin ich Dein Ernst.