Mittwoch, 12. August 2015

Brief 54 vom 31.8.1940


Meine liebe kleine Frau!                                                      O.U., den 31.August 1940

Gestern Abend wollte ich noch Deine lieben beiden Briefe beantworten, doch erst heute früh komme ich dazu, weil ich gestern ziemlich müde war. Deine Briefe habe ich noch in der Wohnung liegen, so daß ich versuche zu dem zu schreiben, was mir im Gedächtnis geblieben ist. Fragen, die noch offen bleiben sollten, werde ich dann beim nächsten Mal beantworten.
Ich freue mich, daß Du die Bluse schon erhalten hast und daß sie Dir zusagt. Wegen des fehlenden Knopfes habe ich mir auch keine großen Gedanken gemacht, denn ich weiß ja, daß Dir das keine Schwierigkeiten macht. Ich denke, daß sie zu dem Kostüm passen wird. Demnächst werde ich dann die anderen Sachen an Dich abschicken. Die restlichen 10,-RM ginge in Deinen beiden gestrigen Briefen ein. Ich habe nun gestern meinen Anzug abgeholt und ihn gestern Abend einmal angezogen um zu sehen, wie er paßt. Es war allerdings nur ein Tragen in der Wohnung, aber ich habe mir von meinem Kameraden bestätigen lassen, daß er gut sitzt und aussieht.
Wegen den Zwiebeln hast Du alles recht gemacht.
Die Sache mit Deinen Eltern werde ich vielleicht heute noch erledigen, ich werde ihnen schreiben, daß es mir leid tut, daß ich ihnen nichts schicken kann, denn ich müßte die wenigen Päckchen, die zugelassen sind, in erster Linie an Euch senden. Ob sie dann beleidigt sind, ist mir ganz gleich, denn sie müssen auch einmal auf andere Rücksicht nehmen, bisher haben wir das immer getan.
Morgen ist nun wieder Sonntag. Wie ich gestern von unserer vorgesetzten Dienststelle erfahren habe, wird morgen eine Fahrt nach Gent mit Omnibussen unternommen.  Ich werde sicherlich mit dabei sein, denn so etwas soll man sich nicht entgehen lassen, vor allem, wenn es nichts kostet; im Gegenteil, wir stellen uns an einem solchen Tag immer noch etwas besser, weil wir da unser Verpflegungsgeld ausbezahlt bekommen. Mit dem Geld kann man immer mehr anfangen, als mit der festen Verpflegung. Von der Fahrt selbst werde ich dann wieder schreiben, wie ich dies bisher auch immer getan habe. Ich wünschte nur, daß Du mit dabei sein könntest, dann könnte ich mir erstens den Bericht ersparen, und im Übrigen wäre mir das viel angenehmer mit Dir über die Dinge selbst zu sprechen. Es geht nun einmal nicht und wir lassen wie bisher auch, den Dingen ihren Lauf.
Am Mittwoch habe ich ein Päckchen an Dich wieder zur Absendung gebracht mit der ersten gekauften Wolle. Wenn es genau so schnell geht wie das letzte, kannst du es noch vor Deinem Geburtstag bekommen. Heute werde ich die andere Wolle noch an Dich absenden und zwar auf das Konto eines Kameraden, der mir dies zur Verfügung gestellt hat. Ich könnte mir dies ja für später aufsparen und einmal selbst mitbringen, doch ich möchte nicht unnötig mich mit diesen Sachen hier belasten.
Nun mein liebes Mädel grüße ich Dich vielmals und herzlich und sende Dir, wieder leider nur brieflich, viele Küsse und bitte Dich auch weiterhin so fleißig an mich zu denken Dein Ernst.
Unseren beiden Stromern wieder herzliche Grüße und Küsse. Grüße Vater herzlich von mir.


Meine liebe Annie!                                                                  O.U. den 31. August 1940

Ich habe Dir ja heute früh schon einen Brief gesandt und nun möchte ich den für heute fälligen schreiben. Der Nachrichtendienst ist gerade vorbei und jetzt habe ich mich gleich hergesetzt, um Deinen Brief vom 28., der heute einging, mit zu beantworten. Ich danke Dir vielmals dafür. Doch vorerst möchte ich noch zu den vorhergehenden Briefen, die ich heute früh nicht voll beantworten konnte, Stellung nehmen.
Was das Geld anbelangt, so freue ich mich, daß Du es möglich gemacht hast, 40,-RM frei zu machen. Eins interessiert mich aber noch dabei, hast Du eigentlich ein paar Mark da, wenn ich einmal auf Urlaub kommen sollte. Denn ich muß diese Frage schon stellen, weil ich für den Tag dann nur 1,20 RM Verpflegungsgeld und den Wehrsold bekomme. Es macht zwar dann täglich immer noch 3,-RM und ich denke, daß Du damit schon auskommen wirst. Doch ich wollte dich schonend darauf vorbereiten, daß es doch einmal möglich sein könnte, daß Du mich daheim wieder einmal füttern müßtest.
Was nun die Äpfel betrifft, so weiß ich, daß wir sie in den früheren Jahren immer Ende September bis Anfang Oktober abgenommen haben. Wenn Du aber schon vorher welche abnehmen willst, so kannst Du ja die reifsten zwischendrin rauspflücken, die ihr dann zum Essen nehmt.
Der Frau Diez habe ich am Mittwoch auch noch eine Postkarte geschrieben und ihr mein Beileid erfüllt, denn die Leute haben uns auch in einer Zeit geholfen, wo es uns ziemlich dreckig gegangen ist. Deine Äußerung bezüglich Deiner Stellung zu England veranlaßt mich, wieder auf die Flieger zurückzukommen, die Dir sicher der Grund gewesen sind, mir dies mitzuteilen. Ja wir sehen hier wiederholt die Flieger in Richtung England und wir sehen ihnen immer nach, zählen wie viele fliegen und senden im Geist immer unsere besten Wünsche mit, zu einem guten Erfolg und glückliche Heimkehr . Wenn sie dann wieder kommen, sind sie meistens nicht in geschlossener Formation. Die wenn sie wieder staffelweise anbrausen, dann zählt man immer unwillkürlich ob sie auch wieder vollzählig sind. An manchen Tagen sieht man wieder weniger Flieger, doch in der Nacht hört man sie wieder brummen. Viele meiner Kameraden behaupten  dann, sie könnten die feindlichen von unseren Fliegern unterscheiden. Ich möchte es zwar stark bezweifeln, doch solche Menschen muß man in ihrem Glauben lassen, solange sie kein Unheil damit anstiften. Ein anderes Bild, was mir heute Abend wieder besonders aufgefallen ist, sind hier die Kriegsgefangenen. Früh morgens marschieren sie zur Arbeit, sie machen einen durchaus schlechten Eindruck, obwohl sie doch im eigenen Lande leben. Die Haltung ist denkbar lässig und schlampig. Es mag wohl stimmen, daß niemand da ist, der für Disziplin zu sorgen hat und die Ausrüstung nicht mehr so auf dem Laufenden gehalten wird. Doch sei es wie es sei, ich war zwar nicht bei der kämpfenden Truppe, doch ich kann mir nicht vorstellen, daß der Kampfwert so außerordentlich hoch ist, und daß deutsche Soldaten unter den gleichen Umständen so schlecht daher kämen. Man sieht aber daraus wieder, daß das Erscheinungsbild maßgebend ist.
Das ist nicht schlecht mit den Paddlern. An Thässler kann ich mich schon noch erinnern. So, der hat sich in Konstanz auch wieder einmal sehen lassen. Der Ansicht bin ich mit Dich auch, daß die Paddelei eine schöne Sache war. Manche schöne Stunde haben wir dabei mit erlebt. Der Buttgereit ändert sich, glaub ich, auch nicht mehr. Die Mottenjagd von Vater ist ja wieder einmal typisch. Ich bin nur froh, daß er rechnen und zählen gelernt hat. Wenn Ihr Abendbrot esst, bin ich ja noch ziemlich im Dienst.
Heute habe ich noch die andere Wolle an Dich abgeschickt. Es ist zweierlei und ich habe mir gedacht, daß Du sie miteinander zu einem Pullover verstrickst. Wie Du das nun gestaltest, überlasse ich dann ganz und gar Deinem guten Geschmack. Morgen Mittag fahren wir erst nach Gent. Diese Fahrt war zwar als Ganztagesfahrt erst gedacht, weil wir noch an die Küste zum Baden fahren wollten. Das Baden wurde aus bestimmten Gründen abgesagt und nun wird nur die Fahrt nach Gent etwas. Es ist ja gleich, ich denke, daß auch das mir gefallen wird. Ich habe heute die Bilder von unserer letzten Fahrt abgeholt, die ich mit einem geborgten Apparat gemacht hatte. Sie sind so leidlich geworden. In Ergänzung mit anderen Bildern, die ein mir bekannter Herr in dieser Gegend ebenfalls gemacht hat, werde ich Dir diese im Laufe der nächsten Woche mit zusenden. Morgen werde ich den Apparat wieder mitnehmen, denn ich habe ihn mir schon wieder entliehen. Ich werde Dir dann wieder von dem Erfolg oder Mißerfolg berichten.
Am Montag werden wir dann den Dir schon angekündigten Umzug vornehme. Mein Kamerad will eigentlich heute noch umziehen, was aus diesem Vorhaben geworden ist, muß ich erst sehen, wenn ich heimkomme. Bei uns war in unserer jetzigen Wohnung bisher das Wasser nicht ganz in Ordnung. Vor wenigen Tagen waren nun die Arbeiter da, um das Pflaster aufzureißen und alles wieder zu machen. Als ich am Abend heimkomme, mußte ich feststellen, daß das Wasser wirklich läuft, denn es kam mir schon bis auf die Straße entgegen. Ich schließe die Haustüre auf, kommt mir schon ein größerer Schwall die Stufe entgegen. Im Vorraum steht das Wasser etwa 10 cm hoch und in der Küche rauscht die Wasserleitung, daß es nur so eine Lust war. Die Küche selbst war vollkommen überschwemmt. Todesmutig, wie ich nun einmal bin, habe ich den Sprung in die Küche gewagt und habe erst einmal die Quelle allen Übels abgestellt und mir die Bescherung genau angesehen. Eine dicke Fußmatte, die das Wasser schön aufgestaut hatte, habe ich dann weggenommen und mich dann wieder verzogen. Meinen Kameraden hatte ich dann erst benachrichtigt. damit er auch ein bißchen davon hat. Wir haben uns dann gemeinsam an die Arbeit gemacht und den Schaden beseitigt, soweit dies in unseren Kräften stand. Ja so etwas muß man als „Junggeselle“ erleben.  Ich sehe Dich ja schon dabei lachen, doch ich kann Dir sagen, daß mich nichts erschüttert. Nicht einmal die Tropfsteinhöhle, die aus unserem Keller geworden war, denn das Wasser ist nur so durch die Decke getropft. Es ist ja auch wieder vorbei gegangen und die, die nach uns kommen, sollen sich mit dem Schaden abfinden, der evtl. daraus entstanden ist.
Morgen will ich noch verschiedene Briefe am Vormittag erledigen. Die Durchschläge sende ich Dir dann wieder in den nächsten Briefe mit.
Unseren Wirt haben wir vor einigen Tagen festsetzen lassen müssen, weil er uns mit dem Essen immer, oder besser gesagt eine lange Zeit ziemlich schlecht bedient hat. Das ist nun so lange gegangen, bis es unserem General zu bunt geworden ist, seit diesem Tage geht es bedeutend besser und wir können wirklich nicht klagen. Das Essen ist schmackhaft und auch reichlich. Wenn wir abends etwas trinken wollen, so müssen wir dies selbst bezahlen. Bisher hatte die Karaffe immer 8,-Fr. gekostet, seit der andere Wirt eingesetzt ist, bezahlen wir nur noch 6 Fr. Diese Herrschaften denken, wir merken das nicht und sie können uns übers Ohr hauen, doch die quittierte Rechnung kriegen sie gleich vorgelegt. Ich habe ja mich im Allgemeinen mit dem Essen immer abgefunden, weil ich ja schließlich das Kommisessen gewöhnt war. Ich will damit nicht sagen, daß das schlecht ist, doch immerhin einen guten Magen und keine Zimperlichkeit verlangt hat. Ich fühle mich auch ganz wohl, wenn ich bis jetzt auch noch nicht festgestellt habe, daß ich zugenommen habe.
Über unsere neue Wohnung werde ich demnächst etwas mehr schreiben, vor allem, wie wir eingerichtet sind usw. Hier bei uns im Dienst soll mir wahrscheinlich ein selbständigeres Arbeitsgebiet zugeteilt werden. Ich werde abwarten und das machen, was von mir verlangt wird. Warten bin ich ja gewöhnt und in die Arbeit selbst werde ich mich schon reinfinden. Die einzige Schwierigkeit ist nur die, daß ich viel Publikumsverkehr mit Franzosen habe und da muß ich zusehen, wie ich mit denen zu Wege komme. Ich werde die Sache schon schaukeln, Du weißt ja, daß Du Dir in dieser Beziehung keine Sorge machen brauchst.
Heute habe ich wieder einmal eine ganze Masse geschrieben und ich hoffe, daß Du mit mir zufrieden bist. Grüße und küsse unsere beiden Stromer wieder herzlich von mir. Helga muß wohl ab Montag wieder in die Schule. Du selber nimm wieder recht viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.
An Vater herzlichen Gruß; für ihn habe ich noch Zigarren gekauft. Es sind zwar nur 20 Stück von der Sorte, die er schon hat, doch ich denke, er verschmäht sie mir auch nicht.

Brief 53 vom 29.8.1940


Mein lieber Schatz!                                                                 O.U., den 29. August 1940

Die Post hat es heute wieder einmal ganz gut mit mir gemeint. Drei Briefe sind auf einmal wieder angekommen und zwar die vom 23., 24., und 25. Das darin enthaltene Geld habe ich ebenfalls dankend empfangen. Es ist direkt erstaunlich, wie du das wieder so fein fertiggebracht hast und ich danke Dir bestens dafür. Den Anzug werde ich nun heute abholen und den Rest bezahlen. Damit ist auch diese Angelegenheit abgeschlossen. Ich freue mich, daß ich dann wenigstens wieder einen Anzug habe, denn es war ja bald notwendig, daß ich für meinen, den ich daheim noch im Schrank habe, einen anderen bekommen hätte. Für einen weiteren habe ich ja noch Stoff da, so daß ich in dieser Beziehung, wenn ich wieder gesund heimkommen sollte, vorerst keine Sorgen zu haben brauchte.
Was nun unsere Wohnung anbelangt, so hast Du Dich für manches wieder interessiert. Die Reinigung der Wohnung versieht eine Frau, die wir durch den hiesigen Bürgermeister haben anstellen lassen, der dann auch für die Bezahlung zu sorgen hat. Wir geben ihr von uns aus jede Woche noch etwa 50 Pfennig für das Putzen der Schuhe,  damit das nicht ganz so schäbig aussieht. Die Besorgung unserer Wäsche übernimmt auch diese Frau und die bezahlen wir besonders. Die Frau hat am Vormittag einige Stunden zu tun, wenn das ganze Haus wieder einmal gereinigt wird, sind noch einige Frauen mehr beschäftigt. Doch dies überlassen wir alles dem Büro des Bürgermeisters. Bis jetzt ist dieses Verfahren ganz gut gegangen, doch unser Haus soll uns jetzt streitig gemacht werden. Ich muß vorausschicken, daß wir im Kriege leben und daß da andere Gesetze gelten. Unser Haus ist vor einigen Tagen vom Quartieramt gewaltsam geöffnet worden, weil für verschiedene Offiziere, die hier eingetroffen sind, Quartier gemacht werden sollte. Wir haben nun jetzt so ziemlich alles in Ordnung und wir hatten uns anfänglich gesträubt. Unser Chef hat nun neben seinem Haus ein weiteres Haus frei und uns dieses zur Benutzung angeboten. Wir haben uns dies angesehen, es ist viel komfortabler eingerichtet wie unser jetziges, doch ist die Badeeinrichtung nicht so schön wie unsere jetzige. Wir sind uns nun noch nicht ganz schlüssig, ob wir umziehen. Sofern uns diese noch etwas verbessert wird, werden wir einen nochmaligen Umzug auf uns nehmen, aber dann ist es Schluß damit. Man kommt sich sonst bald wie ein Zigeuner vor. Ich werde Dir dann wieder von unserer Entscheidung berichten.
Was Deinen Garten anbelangt, so freue ich mich jedes Mal, wenn ich lese, was Du alles wieder geerntet hast. Es hilft Dir doch in Deiner Haushaltungsführung wieder eine ganze Menge mit, vor allem, wenn Du wieder etwas für den Winter aufheben kannst. Was nun die Erdbeeren anbelangt, so ist es unwesentlich, wo Du sie hin setzt. Es spielt auch keine so große Rolle, ob sie etwas später rein kommen, denn die haben noch Zeit zum Anwachsen.
Sein Du nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Eins habe ich aber noch vergessen, Dir mitzuteilen. Ich bin jetzt mit Rückwirkung auf 29.6.40 zum Beamten auf Kriegsdauer ernannt worden. Die Urkunde darüber schließe ich bei, lege sie bitte mit zu den anderen Akten.

Brief 52 vom 27./28.8.1940


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 27.8.1940

Deine beiden lieben Briefe vom 20. und 21. kamen heute an. Du bestätigst mir in diesen Briefen den Empfang der Päckchen und daß alles was ich Dir gesandt habe, Dich erfreut hat. Wenn Du nun dies mitteilst, so weiß ich, daß ich alles richtig gekauft habe und bin Dir nicht einmal böse, wenn Du mir ein Lob erteilst, daß ich einen guten Geschmack hätte. Ich will deshalb auch nicht weiter schimpfen, wenn Du mir etwas mehr Geld schickst, wie ich angefordert habe. Wie ich Dir schon gestern mitteilte, werde ich es schon zweckmäßig verwenden. Ja weißt Du, für gutes Geld kann man schon gut kaufen. Ich habe früher auch schon gewußt, was mir gefällt, doch bei unseren Einkünften war es ja nicht möglich, etwas derartiges zu kaufen. Für franz. Verhältnisse sind die beiden Schals sehr teuer, es waren eigentlich die teuersten, die ich hier gesehen habe. Weil sie mir aber gefielen, habe ich sie für Dich erstanden, weil ich dachte, daß Du auch einmal was  Schönes haben sollst.
Am Anfang des Monats gehen dann wieder verschiedene Päckchen an dich ab. Ich habe ja im vergangenen Monat nur durch Zufall mehr senden können wie eigentlich gestattet ist.
Den Mist für die Erdbeeren brauchst Du noch nicht zu holen, damit warte nur so lange, bis ich zu Euch in Urlaub kommen kann, denn ich hoffe bestimmt, daß dies vor Eintritt des Winters noch vom Stapel läuft.
Die Briefmarken sollst Du K. nur zeigen, wenn er dafür Interesse hat, soll er es mir mitteilen.
Daß Du das Geld gleich in diesen Kassenscheinen gesandt hast, zeigt, daß Du immer noch so findig und aufmerksam bist wie früher. Ich danke Dir also nochmals bestens dafür. Bis heute habe ich 15,-RM erhalten.
Für die gesandten Bilder, die unsere beiden Stromer wieder verfertigt haben, danke ich auch vielmals. Daß sie mich auch gerne haben, freut mich ungemein, man sieht doch daraus, daß sie auch an mir hängen.
Heute möchte ich Schluß machen, denn in der Kaserne wäre eigentlich schon lange Zapfenstreich. Sei Du mein liebes Mädel vielmals recht herzlich gegrüßt und geküßt (leider nur im Geiste) von Deinem Ernst.


Meine liebe kleine Annie! Mein liebes Geburtstagskind !     O.U., den 28. August 1940

Nun kommt der letzte Familiengeburtstag heran und das ist Deiner, meine liebe Annie. Alle Geburtstage haben wir in diesem Jahr nicht beieinander verleben können und nun auch Deinen nicht. Ich möchte es deshalb versuchen, meine Wünsche und auch meinen Dank zu Deinem 29. Geburtstage zu übermitteln. Ich wünsche dir, daß Du uns auch im kommenden Jahre weiterhin gesund bleibst. Wir haben schon immer erkannt, daß für uns die Gesundheit das wichtigste ist, darum setze ich dies auch voran. Daß Du mir während der Dauer meiner Abwesenheit die Treue hältst, darüber habe ich keine Stunde einen Zweifel gehabt, ich brauche in dieser Beziehung also keine Wünsche  äußern. Ich weiß ebenfalls, daß Du mir, sofern ich im kommenden Jahre wieder daheim sein sollte, eine liebe und gute Kameradin bist, die ihre Arbeit immer gewissenhaft erfüllt hat. Unseren Kindern warst Du bisher auch immer eine treusorgende Mutter und ich danke Dir, daß Du Deine Aufgabe daheim in jeder Beziehung tatkräftig erfüllt hast. Ich wünsch uns beiden, daß wir in naher Zukunft wieder einmal beieinander sein können, damit wir uns über die vielen Fragen, die sich in der Zwischenzeit angesammelt haben, wieder einmal aussprechen können. Daß ich nun gleich für immer heimkommen kann, ist ja bei der gegenwärtigen noch unabgeschlossenen Lage unmöglich. Vielleicht wäre aber einmal ein Urlaub möglich. Sobald wir hier für den Urlaub zugelassen werden, bin ich einer der ersten, der dabei berücksichtigt werden soll. Ich werde mein möglichstes tun, um wieder einmal für Tage bei Euch sein zu können. Ich bedauere nur, daß es nicht möglich ist, daß ich zu Deinem Geburtstage da sein kann. Wir haben uns nun schon durch vieles hindurchgebissen, wir werden auch noch darüber hinwegkommen. Wenn ich nun schon einmal vom Urlaub rede, so wünsche ich, daß wir uns alle auch gesund wiedersehen.
Nun habe ich viele Wünsche übermittelt, doch wenn ich sie so ansehe, sind es eigentlich meistens welche für mich und es sieht bald so aus, als ob ich Geburtstag hätte. Du weißt ja, daß ich von Natur aus nicht so egoistisch  bin und doch immer nur wieder an Euch, meine Lieben daheim, denke.
Mit den Geschenken selbst ist das ja nicht so einfach. Ich habe Dir in letzter Zeit verschiedene Sachen zugehen lassen und habe auch versucht, Dir Deinen Wunsch zu erfüllen. Die Bluse, die Du Dir gewünscht hast, ist ja bereits seit 20. unterwegs und ich hoffe, daß sie noch rechtzeitig bei Dir eintrifft. Weitere zwei Blusen habe ich Dir noch gekauft, damit Du darin keinen Mangel hast. Ich werde sie Dir gleich am Anfang des Monats zugehen lassen. Ebenfalls die Wolle. Es ist zwar keine blaue aber ein schönes Kupferrot. Ich hoffe, daß Du Dich ebenfalls darüber freuen wirst. Sollte ich noch schöne blaue erhalten, so werde ich noch welche kaufen. Betrachte dies alles dann als Geburtstagsgeschenk. Zwei Schürzen habe ich Dir gleichfalls noch besorgt, denn ich denke, daß Du sie gebrauchen kannst.
Mein liebes Mädel, ich versichere Dir, daß am Tage Deines Geburtstages ich immer an Dich denken werde, wie ich ja auch bestimmt weiß, daß Ihr meiner gedenkt. Verlebe Du diesen Tag recht gesund, sei Du aus diesem Anlaß besonders herzlich gegrüßt und vielmals geküßt (was man ja leider nur schriftlich tun kann) von Deinem Ernst.

Brief 51 vom 26.8.1940


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 26.8.1940       

 Deinen lieben Brief vom 21. habe ich heute bestens dankend erhalten. Das darin enthaltene Geld kam ebenfalls in meinen Besitz. Für alles nochmals meinen besten Dank. Deine Darlegungen wegen des Geldes erkenne ich also widerspruchslos an und werde das nun übersandte Geld nutzbringend hier verwenden. Sorgen bezüglich des Geldes habe ich im eigentlichen Sinne ja keine und ich bin es ja von zu Haus aus nicht gewohnt, so große Sprünge zu machen. Es freut mich aber, wenn ich so verschiedenes hier kaufen kann, doch bei den derzeitigen Einkünften ist dann der Rahmen sehr eng gezogen. Jetzt ist es mir möglich, den Kauf, den ich für Samstag vorzunehmen gedachte, schon morgen zu tätigen. Es soll dies für Dich eine Überraschung sein, doch die verrate ich nicht vorher, bevor sie in Deinem Besitz ist. Aus Deinem Brief sehe ich, daß zwischendrin von Dir noch Briefe unterwegs sind, die wahrscheinlich morgen noch eintreffen werden.
Wegen den Bohnen will ich Dir nur noch sagen, daß Du dann von den neuen, die Du für gut befunden hast, entsprechend Samen aufheben sollst. An Frau Diez werde ich noch kurz eine Karte senden. 
Nun möchte ich Dir aber von unserer Fahrt die ich ja in meinem letzten Brief angekündigt hatte, berichten.
Die rein sachlichen Feststellungen will ich vorweg nehmen. Wir hatten schönes Wetter, an Strecke wurden 320 km zurückgelegt, wir waren zusammen 8 Mann mit 2 Wagen. Sofern Dir eine Karte zur Verfügung steht, kannst Du ja die Strecke etwa verfolgen. Wir fuhren von hier über Armentiers, Balliene, Cassel, St.Omer, Boulogne. In Boulogne hatten wir dann Mittag gemacht. Hier hatten wir unseren ersten Ausblick aufs Meer. Boulogne liegt an einer ziemlichen Steilküste. Es muß schon zu früheren Zeiten eine Festung gewesen sein,  denn darauf deuten noch die alten Tore und Mauern hin. Auf der Fahrt nach Boulogne sind wir durch eine Gegend gekommen, die durch ihre Hügel mich an die Heimat erinnerte, in der Ihr jetzt daheim seid.  Die Ortschaften deuten zwar weniger darauf hin, doch in dieser Beziehung wird man hier so anspruchslos. Eins hat man aber wieder gesehen, daß draußen auf den Feldern geerntet wird, und daß die Getreideernte schon zum großen Teil eingebracht ist. Nach dem Essen haben wir dann unsere Fahrt fortgesetzt und sind dann die Küstenstraße entlang gefahren bis zu dem bekannten Kap Gris Nez. Dort hatten wir uns verfahren und mußten wieder ein ganzes Stück zurück.
Auf halbem Wege zwischen Boulogne und Calais hatten wir dann Gelegenheit zu baden. Ich kann das eine feststellen, es war wunderbar. Das Wasser schmeckte zwar salzig, aber trotz der Dünung ließ es sich ausgezeichnet schwimmen. Ein feiner Sand und eine schöne Brandung machten uns das Baden zu einer Freude. 27.8.40 Gestern Abend mußte ich mein Schreiben unterbrechen, weil hier ziemlicher Fliegerbetrieb und mein Zimmer nicht richtig abgedunkelt war. Ich konnte zwar nicht unterscheiden, ob es unsere oder andere waren. Ganz gleich, sicher ist sicher. Nach dem Baden fuhren wir dann nach Calais weiter. Der Bahnhof war ja vollkommen zerstört. Den Hafen konnten wir uns zwar nicht ansehen, wegen Sperrung des Hafens und der Innenstadt. Außerdem war es schon spät und wir wollten ja noch nach Dünkirchen weiter. Auf der Uferstrecke zwischen Boulogne und Calais konnte man den Eindruck gewinnen, daß für unsere Sicherheit alles getan wird. Die Fahrt nach Dünkirchen ging dann bei unserem schweren Wagen auch schnell vonstatten. Das Ufer sowie der Hafen sind zwar gesperrt, doch das, was wir noch gesehen haben, übertrifft bei weitem das, was man auf Bildern sehen kann. Hier kann man erst sehen, wie unsere Stuka-Bomben wirken. Man kann sagen, daß es dagegen kaum etwas gibt. Die Sprengungen sind bis in die Keller durchgegangen. Die Keller sind voller Schutt und Steine. Unter den Trümmern sollen noch die Toten liegen. Es ist ja auch durchaus erklärlich, denn die Aufräumungsarbeiten nehmen erst jetzt ihren Anfang. Ich habe dann im Kanal die versenkten Schlepper und Transportschiffe gesehen. Die Versenkung ist ja z.T. von den Engländern bzw. Franzosen zur Sperrung der Schiffahrt und zur Vernichtung der Waren vorgenommen worden. Von Dünkirchen aus sind wir dann auf den Rückzugsstraßen weitergefahren Richtung Ypern. Wenn man berücksichtigt, daß wir 3 Monate nach Beendigung der Kampfhandlungen die Straße passierten, so sind die Verheerungen immer noch gewaltig genug. Die Straßen waren eingesäumt von gebrauchsunfähigen Kraftwagen aller Art. Teils Räder, die auch in der Zwischenzeit  von der Bevölkerung ausgebaut worden sind. Große Kraftwagenparks, die ebenfalls  unbrauchbar gemacht worden sind, standen in Deckung abseits der Straße. Man kann sich kaum vorstellen, was da für Werte vernichtet worden sind. Zwischendrin  findet man immer wieder die typisch-französischen Einmanntanks, die ja auch teilweise von den anderen Verbündeten verwendet worden sind. Ypern liegt ja schon in Belgien. Man kann schon, ohne daß man eigentlich Grenzpfähle sieht, feststellen, daß man in ein anderes Land gekommen ist, alles sieht so sauber aus. Auf der Strecke sind wir durch Bergen gekommen, das auch schon aus früheren Zeiten als Festung ausgebaut war und auch bei den letzten Kämpfen für den Widerstand eingerichtet worden war. Der größte Teil der Häuser dieser Stadt war vollkommen zerstört und hat somit wegen des Widerstands bitter büßen müssen. Ypern selbst hat auf uns den denkbar günstigsten Eindruck gemacht. Im Gegensatz zu Lille  äußerst sauber. Von Ypern sind wir nach Langemarck gefahren und haben dort den deutschen Heldenfriedhof besucht. Diese Friedhöfe machen mit ihren vielen Kreuzen einen gewaltigen Eindruck. Schildern kann man davon nicht viel, man kann es nur erleben. Unsere Heimfahrt ging dann wieder über Armentiers zurück nach hier. Wir waren alle nach dem Erlebten reichlich müde, aber über den ganzen Verlauf der Fahrt  sowie über das schöne Wetter vollauf befriedigt. Ich habe versucht, Dir, soweit es nur möglich war, alles Wesentliche zu schildern, ich hoffe, daß Du etwas einen Überblick dadurch gewinnen kannst.
Für heute grüße und küsse ich Dich recht herzlich. Ich bin immer noch in treuer Verbundenheit und Liebe Dein Ernst. Helga und Jörg je einen herzlichen Kuß von ihrem Vater, durch Dich.

Brief 50 vom 23./24.8.1940


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U., den 23.August 1940

 Es ist heute wieder eine sehr herbstliche Witterung und es scheint, als ob diese sich langsam durchsetzen will. Ehe ich nun dazu komme, meine Einleitung weiter zu schreiben, sind Deine Briefe vom 17., 18. und 19. eingetroffen, so daß ich mir diese spare und gleich an die Beantwortung der darin aufgetauchten Fragen gehe.
Es interessiert mich z.B. bei den Fahrrädern, ob Du für mein Rad einen Ständer erhalten hast, oder ob dies immer noch so da steht. Daß Du übrigens den Schlüssel dazu wieder gefunden hast ist gut. Es geht auf dieser Welt eben nichts verloren. Wenn Du mich so an unsere gemeinsamen Fahrten mit dem Rad erinnerst, so kann ich mir alles auch wieder so gut vorstellen. Mein Wunsch ist es ja auch, wieder einmal Gelegenheit zu haben, dies mitzumachen. Es heißt ja, aufgeschoben ist nicht aufgehoben, also richten wir uns danach und hoffen weiter.
Was die Briefmarken anbelangt, so kann ich Dir nur mitteilen, daß Du Marken bestellen kannst, soweit es Deine Geldmitteln erlauben. Auf die Rote Kreuz Marke lege ich keinen so großen Wert, dagegen könnte mich vielleicht der Sonderstempel Hitler-Mussolini interessieren. Wegen der Beschaffung der Marken „Deutsche Post Belgien“ werde ich einmal umfragen, doch ich glaube, es düfte schwer fallen, weil wir ja in Frankreich sind.
Mit Kurt war ja auch wieder eine Überraschung. Man könnte fast neidisch werden, wie die anderen alle Urlaub bekommen und man muß hier weiter ochsen. Was nutzt aber in diesem Falle das Ärgern, denn davon wird es auch nicht anders und man macht es sich nur schwerer.
Es war ja schön, daß er zu Vaters Geburtstag daheim war. Ich habe bedauert, daß meine Päckchen nicht zur Zeit eingetroffen sind, denn ich habe sie ja schon am 8. hier abgesandt.
Die beiden Briefe vom 11. und 12.8. werden ja inzwischen bei Dir eingetroffen sein. Wir haben ja schon wiederholt feststellen müssen, daß unsere Feldpost nicht ganz regelmäßig arbeitet, aber ich denken, sie tut, was sie kann. Daß Ihr von „meinem“ Rotwein getrunken habt, ist mir zwar noch nicht aufgefallen, aber ich werde in Zukunft schärfer aufpassen müssen. Ich wünsche Dir nur, daß er Dir geschmeckt hat. Wenn Du meinst, wir sind mit unseren Arbeitsräumen umgezogen, so bist Du in einem Irrtum. Bei dem Umzug handelt es sich um unsere Wohnung.
Bei Euch wird es also auch herbstlich. Daß das bei uns hier auch der Fall ist, habe ich ja bereits geschrieben. Wenn Ihr wegen den Schweizern oder auf deren Veranlassung in den Keller gegangen seid, so finden ich das putzig. Gebt  nur Obacht, daß Ihr am Ende nicht doch noch zu Kreuzlingen eingemeindet werdet.
Heute bekam ich noch einen Brief und zwar vom Gloger. Die sind jetzt in Belfort, also auch in Frankreich. Am 1.Aug. sind sie vom Protektorat weg und einem aktiven Regiment zugeteilt. Er schreibt mir, daß sie dort tüchtig rangenommen werden, doch in Bezug auf die Verpflegung sei es besser wie vorher. Er gibt sich in seinem Schreiben sonst noch ziemlich ausführlich und nett. Was mich dann doch sehr gefreut hat ist, daß er sich wie folgt äußert: “Es haben alle Dich für einen guten Kameraden gehalten und hoffen auch alle nach dem Kriege ein frohes Wiedersehen erleben zu können.“ Den Brief sende ich Dir dann, wenn ich ihn beantwortet habe, mit zu. Es ist inzwischen wieder ziemlich spät geworden und ich glaube, daß ich ins Bett muß, sonst schimpfst Du womöglich noch. Also gute Nacht, liebes Mädel, mache aber die Funzel aus. Sei vielmals und recht herzlich gegrüßt und geküßt, gib unseren Borzern wieder einen Kuß und denk auch weiterhin immer an Deinen Ernst.
Herzlichen Gruß an Vater, er kann ruhig auch einmal einen Gruß schreiben, über den ich mich freuen würde.


Meine liebe Frau!                                                                         O.U., den 24.August 1940

 In zunehmendem Maße merkt man nun wie die Tage kürzer werden. Wir kommen nun unseren traditionellen Familientagen, die in die erste Septemberwoche immer fallen, sehr schnell näher. Es sind dies ja der 1., 5., 6., und 7. Des 1.September möchte ich heute gleich gedenken, damit mein Brief vielleicht noch rechtzeitig bei Dir eintrifft. Ich gratuliere Dir also zu diesem Tage, nachdem Du nun volle 9 Jahre bei mir ausgehalten hast. Es war doch immerhin eine Leistung von Dir, doch ich denke, daß wir uns die ganzen Jahre ganz gut verstanden haben und hoffe aber gleichzeitig damit, daß wir uns auch in den Jahren, die uns noch zum Zusammenleben vergönnt sind, weiterhin so gut verstehen werden. Zur Zeit sind wir ja voneinander getrennt, ich nehme aber an, daß dieser Zustand nicht ewig dauern wird und Du während dieser Zeit auch immer meine tapfere und brave Frau bleiben wirst. Wir müssen nun einmal jetzt alle die Ohren steif halten und ich bin fest davon überzeugt, daß Du nicht weniger standhaft  bist wie so viele andere deutsche Frauen auch. Wünschen  wir uns beide zu diesem Tage, daß wir im kommenden Jahr diesen Tag wieder gemeinsam feiern können.
Zum 5. September habe ich heute einen Brief an Helga geschrieben, ich denke, daß er noch rechtzeitig eintreffen wird. Händige ihn ihr möglichst am Geburtstage aus. Zum 6. September selbst brauche ich eigentlich nicht mehr viel zu schreiben, weil ja alles das, was dazu zu sagen wäre, schon beim ersten September erwähnt ist. Eines kann ich aber noch sagen, wenn ich dabei an Pfarrer Lepper denke, wenn er seinerzeit gesagt hat, jung gefreit hat noch selten gereut, daß dies bei mir bestimmt zutrifft. Du warst mir während der ganzen Jahre eine liebe und treue Frau und Kameradin. Du beweist dies jetzt in dieser Zeit auch wieder in vollem Maße. Zum letzten Familientag selbst will ich mich heute noch nicht äußern, denn dieses Tages werde ich noch besonders gedenken. Dies muß ich in einem besonderen Brief behandeln.
Post ist zwar heute keine gekommen, doch ich habe mich an dieses stoßweise Eintreffen der Post gewöhnt und ich möchte doch nicht aus meiner Gewohnheit kommen. Ja, die Post weiß was das heißt: „Dienst am Kunden“. Morgen wollen wir nun an die Küste fahren mit unseren beiden Wagen. Wenn möglich nach Boulogne, Calais, Dünkirchen, dann nach Ypern und Langemarck, von dort aus dann wieder zurück nach Lille. Heute ist ja wieder Samstag und an diesem Tage hatte ich mich ja immer freigehalten vom Briefschreiben. Ich habe aber heute davon abgesehen, weil ich noch nicht weiß, wie ich morgen evtl. dazu komme. Ich möchte aber nicht haben, daß Du ganz außer der Reihe kommst und habe sozusagen auf Vorschuß gearbeitet. Über den Verlauf der Fahrt werde ich Dir dann wieder berichten, wenn wir daheim angekommen sind. Sei Du nun recht herzlich gegrüßt und geküßt, richte auch Vater wieder herzliche Grüße von mir aus. Und nun wieder meinen Wunsch, denke auch immer wieder wie bisher an Deinen Ernst.

Brief 49 vom 22.8.1940


Meine liebe Annie!                                                                                  O.U., den 22.8. 1940

Vorhin habe ich meinen Brief von gestern an Dich aufgegeben, doch da ich im Augenblick etwas Zeit habe, möchte ich gleich meinen Brief, der für heute vorgesehen ist, anfangen. Ich habe die Absicht, heute noch einige andere Post zu erledigen, vorausgesetzt, daß nichts dazwischen kommt. Die Durchschläge werde ich dann wieder beifügen. Soweit es irgend geht, werde auch ich die Briefe, die ich so noch zu erledigen habe, mit Maschine schreiben, damit ich Dir dann einen Durchschlag mitsenden kann.
In letzter Zeit hatten wir hier einigermaßen gutes Wette, doch jetzt will es scheinen, als ob es dem Herbst zugeht, regnerisch und für die Jahreszeit kühl. Als das Wetter die vorhergehenden Tage so schön war, so konnte man hier den Einsatz unsere Luftwaffe beobachten. Zu berücksichtigen ist ja hierbei, daß wir nur einen Teil von dem sehen, was wirklich eingesetzt wird. Doch wenn man diese Staffeln in der Luft sieht, so kann man sich mit einem Gefühl des Stolzes die Wucht eines Einsatzes schon vorstellen. Wir sind ja auch gespannt, wann der Angriff auf England hier losgehen wird. Wir warten hier genau so wie alle anderen daheim auch. Wir werden uns aber wie bisher mit Geduld wappnen und zu warten wissen. Daß diese Zeit bei uns nicht ungenützt vorübergeht, das wird ja dann die Zukunft zeigen.
Das letzte Bild, welches Du mir von Dir mit zugehen ließest, gefällt mir sehr und ich muß es mir immer wieder ansehen, wie gut Du darauf aussiehst. Das Kostüm steht Dir ausgezeichnet, wobei ich noch bemerken muß, daß ich dies ja nicht selbst in Natura feststellen kann, sondern nur auf dem Bild. Ich werde ja auch einmal Gelegenheit haben, mein Urteil selbst ablegen zu können.
Soeben erhielt ich einen Brief von Deinen Eltern, über den ich mich sehr wenig gefreut habe. Dein Vater nimmt eine so eigenartige Stellung ein, als ob ich nun Zeit für beide Leipziger hätte. In erster Linie kommt Ihr einmal dran. Den letzten Brief habe ich nach zwei Tagen beantwortet, ich weiß gar nicht, was Dein Vater da will, er  nimmt so einen selbstsüchtigen Standpunkt  ein. Wenn wir uns auch schon früher darüber klar waren, daß zwischen Leipzig und uns eine Kluft entstanden ist, so bin ich auch wenig erstaunt, als Du mir neulich schriebst, wie Du Dich auch entfremdet fühlst. Dein Vater schreibt weiter, daß ich ihnen von hier aus, wenn möglich, Kaffee schicken sollte. Ich will zur Entschuldigung annehmen, daß sie sich nicht über die Versendungsverhältnisse im Klaren sind. Es ist aber ganz gleich, die Art wieder, wie er es vorbringt, entspricht ganz und gar der Deines Vater. Wenn Du je welchen von Dir aus schicken solltest, so berechne ihn nur ruhig. Es ist mir gleich, welchen Preis du von dort aus zugrunde legst, mir kostet das Pfd. etwa 1,-RM. Ich bin aber der Meinung, Dein Vater gibt für viele andere unnütze Dinge auch Geld aus, so ist es keine Schande, wenn sie etwas mehr bezahlen. Ich bitte Dich, in erster Linie an Euch zu denken, denn für Euch habe ich es ja auch gekauft. Weiterhin ist es so, daß nur, wie ich oben auch schon andeutete, ein gewisses Quantum zugelassen ist, was ich im Monat schicken darf, so daß es nicht gesagt ist, daß ich nächsten Monat Kaffee schicken kann. Im Übrigen wird er auch sehr rar und nur durch besondere Umstände kann ich immer noch welchen erhalten. Unter der Hand kaufen ihn die Soldaten hier das Pfd. schon zu 3,50 RM. Das also ist die Kaffeegeschichte.
Von Dir ist heute wiederum kein Brief eingegangen, so ist aber mit ziemlicher Bestimmtheit damit zu rechnen, daß morgen einer eintrifft, doch wahrscheinlicher kann dies noch übermorgen sein. Ja, man darf dabei den Humor nicht verlieren.
Ich habe heute verschiedene Briefe beantwortet und sende Dir die Durchschläge mit. Anschließend habe ich mich nun gleich hergesetzt und will meinen Brief an Dich gleich zu Ende schreiben. Er wirkt dadurch etwas bunt, doch ich glaube, das macht doch nichts.
Für Helgas Geburtstag habe ich gedacht, kannst Du von mir den Stoff zu dem Kleid schenken, den ich mitgesandt habe. Ich werde  ihr noch besonders schreiben und gleichzeitig ihren Brief mit beantworten. Es ist nun bereits 8 Uhr und jetzt möchte ich mich wieder auf den Weg machen, um zum Essen zu gehen. Es wird mir so langsam schwach. Anschließend werde ich mich heimbegeben und noch Zeitung lesen und Radio hören. Wenn es dann wieder Zeit ist, geht´s in die Falle. Du siehst also, daß von einigen geringen Schwankungen bei mir auch der Tag ziemlich gleichförmig dahingeht.
Liebes Mädel, sei Du, wie immer, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Unseren beiden Stromern jedem einen festen Kuß i.A. des Vaters. Vater richte bitte auch wieder von mir Grüße aus, doch ohne Kuß.

Brief 48 vom 20./21.8.1940


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 20.8.1940

Dein Brief vom 16.8. traf heute bei mir ein und ich habe mich, wie über die  bisherigen Briefe auch, sehr gefreut. Ich habe aus ihm gelesen, daß Du für unsere beiden wieder einige Anschaffungen gemacht hast, die inzwischen wieder notwendig geworden sind. Es ist eben immer etwas anzuschaffen, wenn man sie einigermaßen in Ordnung haben will.
Deine Gartenberichte interessieren mich immer sehr, ich kann doch aus ihnen entnehmen, was gerade in Bearbeitung oder was geerntet wird. Hier in dieser Stadt versimpelt man ja ganz und gar. Man weiß ja kaum noch, wie alles draußen aussieht, wenn man keine Gelegenheit bekommt, bei einem Anlaß einmal unseren Dienstwagen freizubekommen, um mit ihm raus zu fahren. Es kann sein, daß wir am Samstag oder Sonntag wieder so eine Möglichkeit haben. Wo wir dann hinfahren ist mir zwar noch nicht gekannt, doch vielleicht zur Küste; dann würde ich aber baden.
Über Jörgs Päckchen habe ich ja schon geschrieben und mich durch Dich bei ihm bedankt. Ja unsere Tochter entwickelt sich, die weiß was sie will. Ich glaube schon, daß Du nach diesem Einwand von ihr hast lachen müssen.  Für die Bilder danke ich Dir sehr. Am besten hat mir doch das Foto von Dir gefallen, da siehst Du wirklich gut aus. Unsere Stromer sehen etwas verbogen aus, besonders Helga.
Nun habe ich im Wesentlichen Deinen Brief vom 16. beantwortet und nun kommt noch der vom 15. dran, der ebenfalls heute ankam.
Was ist denn das mit der Zusatzversorgung; die haben wir doch früher nicht bezahlt. Erkundige Dich doch einmal darnach, was das für eine Bewandtnis hat. Warum bekommen wir noch mal etwa 6,- RM mehr. War eigentlich bei dem Gehalt von 274.45 auch schon die Steigerung dabei, die mir ab Juli zustand? Befrage Dich nur über alles einmal und gib mir dann wieder Bescheid.
In unserem Heim haben wir uns schon etwas eingelebt. Zur Vervollständigung wollen wir uns noch einen Radio organisieren und noch verschiedene Kleinigkeiten. Im Haus wohnt ja außer uns zwei niemand drin. Wir haben uns eine Aufwartung stellen lassen, die uns dann alles in Ordnung hält. Betten bauen, wie beim Kommis, brauche ich ja dann nicht. Ebenfalls Stube fegen kommt ja auch nicht in Frage. Man kann sich dieser lieben Angewohnheiten, die der Kommis von einem verlangt, ohne große Mühe und schnell entwöhnen.
Ich möchte nun mein Programm für heute wieder abschließen, indem ich Euch allen eine gute Nacht wünsche. Dir und auch den Kindern sendet wieder viele  und herzlich Grüße und Küsse Dein Ernst.


 Meine liebe Frau!                                                                                       O.U. den 21.8.1940

In den letzten zwei Tagen habe ich von Dir 4 Briefe erhalten, das ist doch bald zuviel für mich. Die Post hat ein Einsehen mit mir gehabt und hat mich heute damit verschont. Ja Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was das für mich eine Erleichterung ist, nicht immer Briefe lesen zu brauchen. An dieses ruckweise Eintreffen habe ich mich nun gewöhnt und mich an den Rhythmus gewöhnt.
In unserem neuen Heim ist vorgestern der Badeofen explodiert. Dies war für uns nun der Anlaß, verschiedene Neuerungen vornehmen zu lassen. Der neue Badeofen ist nun eingetroffen, zwar noch nicht fertig installiert, doch das soll morgen fertig werden. Als wir aber heute Abend heimkamen, war aber ein Radioapparat eingetroffen. Wir haben eine sehr gute Anlage, der Apparat  ist auch gut, so daß auch der Empfang gar nicht zu wünschen übrig läßt. Man könnte fast meinen, daß wir uns auf den Winter hier einrichten. Wenn wir tatsächlich hier bleiben müßten, so brauchen wir uns wegen der Heizung keine Sorgen zu machen, denn der Keller ist voller Kohlen. Bei uns war übrigens ein Wetter, das schon sehr stark auf den Herbst hindeutete. Es war so windig und kühl, daß hier alles viel kälter wirkt in dieser Ruinenstadt.
Gestern habe ich die Bluse für Dich zum Geburtstag zur Absendung gebracht, außerdem noch ein Paar Strümpfe und den restlichen Kakao, den ich noch da hatte. Bei der Bluse möchte ich noch bemerkten, daß ich erst beim Einpacken festgestellt habe, daß ein Knopf fehlt. Hoffentlich kannst Du für Ersatz sorgen. Ich kann es leider nicht ändern.
Nun haben wir wieder Mittwoch und dies ist der fünfzehnte, seit ich von Euch fort bin, ja man soll eigentlich nicht in dieser Form an das Auseinandersein denken, denn dann macht man sich die Trennung nur schwer. Man sollte vielmehr den Sinn auf das eine Ziel lenken, auf die Niederkämpfung des Gegners. Mit der Erreichung des Sieges rückt ja schließlich auch die Stunde näher, wo auch wir wieder beieinander sein dürfen.
Es ist eigenartig, daß ich im Kino deutsche Menschen in der Wochenschau kaum noch sehen kann, ohne daß mich fast ein Sehnen nach Euch allen erfaßt. Man muß aber in diesem Falle hart gegen sich sein und derartige Gefühle niederkämpfen. Ich war heute wieder im Kino und habe mir den Film „Spiegel des Lebens“ angesehen. Es war auch dies ein Film, der mir sehr gut gefallen hat, es war die Wessely mit dabei.
Ihr meine Lieben alle nehmt wieder viele herzliche Grüße und Küsse hin, doch sei Du, wie immer, besonders herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

Brief 47 vom 18./19.8.1940


Meine liebe Frau!                                                                        O.U. den 18.8.1940              

Nun habe ich hier bereits solange zugebracht, wie ich aktiv bei der Truppe im Protektorat war. Bei dem Tempo hier merkt man sich kaum noch die Wochen, nur wenn man sich wieder einmal genau erinnert oder im Kalender nachsieht. Wenn ich unseren Postkalender wieder vervollständigen soll, so kann ich wieder mitteilen, daß für mich heute wieder nichts dabei war.
Gestern hatten wir hier von der Oberfeldkommandantur, der ich ja auch angehöre, in einem hiesigen Hotel Kameradschaftsabend. Wir haben da einmal ganz nach französischer Art gegessen. Erst eine Vorspeise (hors d`oeuvre), die aus 5 - 6erlei kleineren Sachen bestand. Dann als Hauptspeise Hahn (Poularden) und geröstete Kartoffeln (pommes frites) als Nachspeise Gales, dann noch zwei Stückchen Kuchen. Zu allem noch zweierlei Wein, den wir uns dann nach Bedarf bestellt haben. Mit meinem Kameraden, mit dem ich auch im Amte jetzt zusammen arbeite und wohne, habe ich dann noch eine Flasche Sekt getrunken. Der ganze Spaß ist aus den Erträgnissen unserer Dienststelle (O.F.K.), die diese aus der Kantine gezogen hat, bestritten worden. Zu allem war dann noch eine dezente Musik, so daß alles einen ganz offiziellen Charakter bekommen hatte. Es war alles in allem ein ausgezeichneter Abend, soweit man so in einem fremden Lande in Kriegszeiten von einer derartigen Veranstaltung sprechen kann. Bedauerlich ist nur, daß ich seit einigen Tagen ein Schnupfen und Katarrh habe, der mir bei den augenblicklich heißen Tagen sehr zu schaffen macht.
Wie ich schon vor wenigen Tagen berichtet, wollte ich mit meinem Kameraden Dr. Thomas ein neues Heim beziehen. Seit gestern haben wir uns in unserer neuen Behausung niedergelassen. Für mich bedeutet diese Veränderung in mancher Hinsicht eine Verbesserung. Ich habe mein Schlafzimmer, nebenan ein Bad für mich, das ich allerdings jetzt nicht benutzen kann, weil der Warmwasserspeicher vom Küchenherd aus gespeist wird,. Dieser Herd ist jetzt nicht in Betrieb, so benutze ich jetzt das Bad meines Kameraden, der einen Gasbadeofen hat. In hygienischer Hinsicht ist dies doch ohne Zweifel eine Verbesserung. Dann haben  wir uns noch ein gemeinsames Zimmer einrichten lassen, dem gleichzeitig noch ein Salon angeschlossen ist. Eine Garderobeablage und eine Küche sind auch noch da. Es hat jeder noch ein Schreib- oder Arbeitszimmer. Das reicht doch!
Den zweiten Stock haben wir ungenutzt gelassen, es kann sein, daß wir noch ein Bett dort oben herrichten lassen, damit, wenn Siegfried einmal kommen sollte, er hier gleich mit schlafen kann. Alles ist aber nicht so schön, als daß einem damit die Heimat ersetzt wäre.
Von Siegfried erhielt ich gestern einen Brief mit den angekündigten Bildern. Du siehst ja sehr nobel in Deinem Kostüm aus. Ich kann Dir nur dazu gratulieren. Auch die Aufnahmen von den Kindern sind ganz gut geraten. Ich habe mich sehr über die Aufnahmen gefreut, vor allem, wo ich gesehen habe, daß Du Dir auch einmal etwas Neues zugelegt hast. Sei Du liebes Mädel herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Unseren beiden Stromern je einen herzlichen Kuß.


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U. den 19.8. 1940

Ausgerechnet am 13. mußte mein Brief vom 5.8. bei Dir eintreffen, in dem ich so massiv zu Dir geworden bin. Wie Du ja aus meinen folgenden Briefen ersehen hast, bin ich ja nicht nachträglich. Daß Du das gemerkt hast, ersehe ich nun aus Deinem Brief vom 14., der ebenfalls heute bei mir ankam. Ich habe mich in der Zwischenzeit nicht geändert, denn wenn ich meine Meinung Dir klargemacht habe, so ist die Angelegenheit für mich erledigt. Ich bin also immer noch der Alte.
Oder heißt es Euer oder Dein Alter? Es bleibt sich ja alles gleich. Du brauchst durchaus keine Angst zu haben, daß ich etwas nachtrage, denn ich weiß ja, wir haben uns verstanden.
Deine beiden Briefe haben mich sehr gefreut und Du hast Dich in jeder Beziehung gerechtfertigt. Nachdem Du den Wein nicht trinken willst und Dich jetzt dafür an das Obst hältst, so freut es mich, daß Du doch auch etwas für Dich tust.
Es ist ja auch nicht unbedingt notwendig, daß Du Ersparnisse machst. Hoffentlich habe ich Dich durch meine Anforderung vom 20,-RM nicht überbeansprucht. Für die gesandten Postkarten danke ich Dir recht sehr; vor allem die Dieter-Karten. Ich werde sie in meinem Zimmer hier festmachen, so habe ich doch immer ein Stückchen von dem vor Augen, wo Ihr seid. Man kann sich alles so viel besser vergegenwärtigen. Es ist einem direkt eine Erholung, wenn man so ordentliche von unserer sauberen Stadt und auch Umgegend ansieht und dabei mit den hiesigen Verhältnissen vergleicht. Ja hier sieht man erst, wie schön es bei uns ist. Hier alles so verrußt, dreckig, verwahrlost und vertrottelt. Wenn man nicht wüßte, daß man hier für Deutschland auf Vorposten steht, so könnte man mit dem Schicksal hadern, das einen für längere Dauer hierher verschlagen hat. Wir sind nun hier notwendig und tun hier unsere Pflicht. Wenn es dann hieße, nach England, mit Freuden wäre ich dabei, weil dies für uns alle ebenfalls eine Notwendigkeit ist. Der Engländer muß etwas abbekommen und wenn ich auf meine Art davon etwas mit abbekomme zum Helfen, so bedeutet dies für mich eine Genugtuung. Ich schreibe dies nicht aus einem verblendeten Haß heraus, sondern ich betrachte dies auch als eine politische Notwendigkeit. Ich brauch Dir dies ja alles nicht noch auseinandersetzen, denn Du weißt ja, dies alles selber, wie die anderen Deutschen auch.
Morgen werde ich das Päckchen mit der Bluse, die ich heute für Dich zu Deinem Geburtstag gekauft habe, abschicken. Ich werde Dir noch eine weitere kaufen, hoffentlich  sagt sie Dir zu und paßt Dir und zu Dir und zu Deinem Kostüm. Ich kann dies ja auch nicht immer so genau beurteilen. Heute hat ja Vater übrigens auch Geburtstag gehabt. Es hätte mich gefreut, wenn  meine Päckchen bis heute da waren. - Ich bin nun wieder am Ende meiner Kunst und auch meines Briefes. Ich wünsche Dir wieder eine gute Nacht und grüße und küsse Euch gleichzeitig. Besondere Grüße sendet Dir nochmals Dein Ernst.

Brief 46 vom 15./16.8.1940


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 15.8. 1940      

 Als ich heute Deinen lieben Brief vom 8. erhielt, habe ich mich doch sehr gefreut. Ich habe aus ihm ersehen, daß mein Einzelpäckchen bei Dir angekommen ist. Es freut mich vor allem wieder, daß alles paßt und daß Dir alles zusagt. Sogar die Socken passen. Ich hätte selber kaum geglaubt, daß ich so ein gutes Augenmaß habe. Die Sachen für Dich wäschst Du ja erst einmal durch, ehe Du sie in Gebrauch nimmst. Ja ich bin selbst gespannt, wie Du in all den Sachen aussiehst.
Wenn Du von dem Kaffee an Vater noch abgibst, so habe ich durchaus nichts dagegen. Das stelle ich ganz und gar in Dein Ermessen. Wenn ich in meinem Schreiben vom 4. zu massiv geworden sein sollte, so bitte ich Dich vielmals um Entschuldigung, denn so schlimm hatte ich dies ja gar nicht gemeint. Es ist ja so, daß man hier in dieser Umgebung viel mehr Stimmungen unterworfen ist wie daheim. Wenn man sich dann am Abend oder auch sonst am Tage hinsetzt zum schreiben, so bist Du nur der einzige Blitzableiter, an den man sich wenden kann.
Heute am Abend konnte ich hier mit ansehen, wie aus unserer Gegend etwa 35 - 40 Flugzeuge ihren Flug nach England antraten. Ich kann Dir sagen, das ist dann doch ein imposantes Bild, wenn so viele losziehen. Ein Herr, der heute in Dünkirchen war, hat mir gesagt, daß es in Richtung England heute den ganzen Nachmittag gebrummt hat. Denen da drüben wird nun auch eingeheizt. Morgen werden wir ja hören, was es heute gegeben hat.
Von Dir gingen heute noch Zeitungen ein und von dem Herrn Naumann, der Dir die Bilder von Köln sandte, auch ein Brief. Ich könnte also nicht klagen, daß niemand an mich dächte.
Dich grüße und küsse ich wieder  recht herzlich. Ich bitte Dich, unseren beiden Stromern wieder einen herzlichen Kuß zu geben. Grüße Vater von mir und denke Du auch weiterhin an Deinen Ernst.


Mrin liebes Mädel!                                                                  O.U. den 16.August 1940

Ab heute werde ich nun die postfreien Tage einführen. Du kannst zwar nichts dafür, denn das liegt ja an der Feldpost ganz allein, doch man freut sich doch, wenn man, wie ich ja immer wieder sehe, jeden Tag geschrieben bekommt, dies auch so ziemlich jeden Tag erhalten würde. Ich habe mich zwar nun daran gewöhnt und die höheren Stellen werden sich wohl auch kaum für unseren Fall interessieren und die Post in der bisherigen Form weiter laufen lassen. Ich will ja nicht verkennen, daß auch von Dir wieder Zeitungen eingegangen sind, die schließlich auch einen Gruß von Dir bedeuten.
Ich habe auf den mir zur Verfügung gestellten Absender drei Päckchen heute Abend fertig gemacht. In einem ist wieder Kaffee enthalten. Das zweite enthält Seifenflocken,  Persil und zwei Taschentücher für Dich. In das dritte Päckchen habe ich Schokolade gepackt. Wenn Ihr die große Tafel Schokolade nicht essen wollt, so könnt Ihr sie immerhin zum Kochen verwenden. Die Tafel kostet 21 Pfg. Ich habe davon noch einige auf Vorrat.
Ich wünsche, daß alles wieder gut bei Euch ankommt. Inzwischen sind sicher auch die vorhergehenden Päckchen bei Euch eingetroffen. Man freut sich immer wieder, wenn man für Euch etwas fertig machen kann, damit Ihr doch auch von dem teilhabt, was ich hier gekauft habe.
Unseren Umzug werden wir wahrscheinlich morgen oder übermorgen vornehmen. Dann müssen wir einmal sehen, wie sich dort alles anläßt. Die Handwerker sind noch im Haus, die alles herrichten. Auch Putzfrauen haben wir angestellt, die dafür sorgen sollen, daß alles einigermaßen in Ordnung kommt. Als ich gestern Abend dort war, hatten sie schon verschiedenes hergerichtet, so daß es schon ziemlich wohnlich aussah.
Am 17. früh.
Heute Nacht ist es wieder unruhig bei uns gewesen. Wir hatten gegen 4 Uhr Fliegerbesuch und es ist auch nach ihnen geschossen worden. Daß die über die Stadt fliegen habe, ich noch selten gehört, meistens fliegen sie in der Umgebung oder in den Außenbezirken. Es war interessant, wie dann nach einiger Zeit die Sprengstücke bei mir durch die Bäume gefallen sind. In nächster Nähe meines Hauses muß eine Batterie gestanden sein.
Ich grüße und küsse Euch alle recht herzlich und bitte Dich, denke auch immer wieder an Deinen Ernst.

Brief 45 vom 13./14.8.1940


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U. den 13.8.1940

Für Deine beiden lieben Briefe vom 6. und 10.8. danke ich Dir vielmals. Aus Deinem ersten Brief habe ich von Dir das bestätigt gefunden, was mir Helga in ihrem Briefe geschrieben hat, daß Ihr nach der Mainau gegangen wart. Das war doch sicher ein  schöner Ausflug. Wo habt Ihr denn den französischen Rotwein her? Da brauchen wir uns nicht wundern, wenn „unser“ Wein nach Deutschland verschleppt wird, daß wir ihn hier langsam rationiert bekommen. Wenn er Euch nur zugesagt hat, dann will ich ja weiter nichts sagen.
Mit dem Kauf des Trainingsanzugs für Jörg gehen wir beide wieder durchaus einig. Wegen des unregelmäßigen Posteingangs haben wir uns ja schon wiederholt geschrieben, auch diese Frage ist für uns beide klar.
Ich kann Dir heute berichten, daß ich meinen dunklen Anzug anprobiert habe. Er gefällt mir sehr gut und soweit ich feststellen konnte, sitzt er auch richtig. Ich habe heute noch etwas daran bezahlt und ich glaube, daß er, trotz der wesentlichen Herabsetzung unserer Einkünfte, nach und nach doch noch mein Eigentum wird. Bei mir wird hier wahrscheinlich insoweit eine Änderung wieder eintreten, als ich mein bisheriges Zimmer aufgeben werde und mit einem Kameraden -Dr. Thomas, unser Sonderführer und Dolmetscher - ein Haus für uns mit Beschlag belegen. Wir haben uns dies heute angesehen. Es ist dies ein Haus, welches einem hiesigen Kaufmann gehörte, der geflüchtet ist und bis jetzt noch nicht zurückkehrte. Wir müssen verschiedenes herrichten lassen und alles muß erst gesäubert werden. Wenn alles soweit ist, werden wir dann einziehen und dann kann ich Dir über alles berichten. Vorerst werden wir in den nächsten Tagen damit Arbeit haben. Es ist gleich 24 Uhr und ich möchte für heute Schluß machen. Gute Nacht liebes Mädel und schlafe gut. Sei Du vielmals und herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Herzliche Grüße und Küsse den Kindern.


 Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 14.8. 1940

Post ist zwar heute keine von Dir eingegangen, doch ich will Dir trotzdem schreiben. Bin ich nicht großmütig? Es ist schon wieder 23 Uhr, doch ich möchte den Tag nicht abschließen, ohne wenigstens auch schriftlich Deiner gedacht zu haben. Wie Du schon merken wirst, ist es wieder spät am Tag, doch ich war wieder im Theater, wo ein rheinisches Volksstück gegeben wurde. Es war wieder lustig und unterhaltsam. Du kannst aber auch einmal sehen, was ich für die hohe Kunst übrig habe. Ich habe heute Abend nun wegen dem Theater auf das Abendbrot verzichtet. Glaube aber ja nicht, daß ich das freiwillig gemacht habe. Zwischen dem Dienstende und dem Anfang des Theaters war nur die Zeit zu kurz und nach Schluß der Vorstellung konnte ich in unserem Hotel auf meine Marken nichts mehr haben. Bei unserer jetzigen Löhnung kann ich mir vorerst ein Sonderessen nicht erlauben, so muß man denn für die Kunst Opfer bringen.
Ich habe mir in meiner Bude eine Büchse Ölsardinen aufgemacht, aus meiner Büchse habe ich nun einige Kekse, die ich mir neulich gekauft habe, geholt, hinterher noch einen Kognak aus der Flasche getrunken, die ich bei mir auf der Seite stehen habe. Nun bin ich zwar nicht gerade satt, aber ich habe etwas im Magen. Ja, ein Soldat muß schon etwas vertragen können.
In den nächsten Tagen schicke ich auf den Namen eines Kameraden noch einige Päckchen ab, nur damit Du Dich nicht wunderst. Wir haben heute Schokolade bekommen, bei der mußt Du erst sehen, ob Ihr sie so essen wollt oder ob Du sie zum Kochen verwenden willst, wenn ich sie Dir zuschicke.
Wenn Siegfried einmal hierher kommen sollte, so könnte ich ihn in unserem neuen Haus gut unterbringen. Das Haus hat zwei Stockwerke. Davon bewohnen wir das Erdgeschoß und den ersten Stock. Den zweiten Stock werden wir gar nicht benutzen. Ja, wenn Du das sehen würdest, könntest Du Dich wundern. Wer angibt hat mehr vom Leben, Wenn das alles aber ungenutzt dasteht, warum soll man das  nicht benutzen. Diese Einrichtungen entsprechen zwar nicht unserem Geschmack, doch darüber habe ich Dir früher in einem anderen Fall geschrieben, wie da die Franzosen sind. Über die Wohnung werde ich Dir ein andermal berichten.
Eins habe ich aber doch ganz vergessen gehabt. Ich erhielt ja heute nochmals Zeitungen und auch noch das Päckchen mit Jörgs Geschenk an mich von seinem Geburtstage. Sage ihm nur, ich danke ihm vielmals dafür und ich habe mich sehr gefreut, daß er so schön an mich gedacht hat.
Euch alle grüße und küsse ich herzlich und vielmals. Du selbst sei auch heute wieder besonders herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Gute Nacht.
Am anderen Morgen. Wenn Du meinen Wohnungsbericht liest so brauchst Du nicht gleich zu denken, daß ich nun die Absicht habe hier zu bleiben, denn mein Zuhause kann mir hier doch nicht ersetzt werden. Ernst.

Brief 44 vom 12.8.1940


Meine Liebe!                                                        O.U. , den 12. August 1940

Die letzten Tage hatte ich leider vergeblich auf einen Brief von Dir gewartet, doch heute bin ich dafür wieder reichlich entschädigt worden. Es trafen ein: Deine beiden Päckchen vom 3.August mit dem beigefügten Brief, Dann Deine Zeitungssendung mit dem beigefügten Brief vom 8. und die weiteren Briefe vom 7. und 9. Außerdem kam noch der Brief von Helga an, über alles habe ich mich herzlich gefreut. Ich bin es nun von unserer Post gewöhnt, daß sie ruckweise arbeitet. Man muß sich dann die Briefe der Reihenfolge nach vornehmen, dann geht auch wieder alles in Ordnung. Wenn dann einmal ein kürzerer Brief dabei ist, fällt das sowieso nicht so sehr auf.
Gefreut hat es mich, als Du den Wunsch geäußert hast, daß ich zu Deinem Kostüm eine Bluse kaufen soll. Dein Wunsch soll Dir erfüllt sein. Ich habe mich heute schon darnach umgesehen und schon vieles gesehen, was mir evtl. zusagen würde. Ob es dann Deinem Geschmack entspricht, mußt Du dann sehen. Ich weiß zwar nicht, wie die Röcke beschaffen sind im Farbton, doch ich denke, wenn ich eine Mittelfarbe wähle,  wird es schon klappen. Die Überraschung wirst Du dann ja erleben. Zudem bin ich ja nicht daheim, so brauche ich dann nicht Dein langes Gesicht sehen, wenn Du das Päckchen auspackst.
Weiter teilst Du mir in Deinem Schreiben mit, daß Du die Sachen anprobiert hast und daß alles paßt. So etwas freut mich, ist das nicht fein? Was du mir bezüglich Siegfried schreibst wegen der Schuhe, so kann ich Dir nur sagen, daß ich ja diesen Plan schon lange im Auge gehabt habe und zwar auch wegen der anderen Sachen. Das geht durchaus in Ordnung.
Was Du mich wegen der Düngung der Erdbeeren fragst, so kann ich Dir dies dahingehend beantworten, daß es nicht unbedingt erforderlich ist, vor dem Setzen zu düngen. Man kann dies vor Eintritt des Winters durch Abdecken mit Mist tun.
Über den Brief von Helga habe ich mich auch sehr gefreut, weil sie so ursprünglich schreibt und alles noch so kindlich. Ich werde ihr bald bei Gelegenheit wieder schreiben.
Ja der Eberhard hat es nun auch wieder geschafft. Diese Herrschaften fallen immer wieder die Treppe rauf. Ich kann ja schließlich auch nicht klagen und bin auch soweit zufrieden. Hoffentlich kommst Du mit Deinen Kohlen aus. Du hast doch noch Holz da, was Dir auch noch mithilft.
Jörgs Wunsch als Geburtstagsessen war ja wirklich bescheiden, aber das ist nun einmal seine Lieblingsspeise mit.
Ich habe hier einige Briefmarken beigefügt, die ich mir erstanden habe. Wenn Du Kuster siehst, kannst Du sie ihm ja einmal zeigen und ihn fragen, ob er für so etwas Interesse hat. Es gibt noch verschiedenes andere in französischen Marken. Ich habe dafür etwa 50 Pfg. bezahlt. Du kannst aber von ihm dann ohne Weiteres 80 Pfg. verlangen. Du weißt schon wie Du das anstellen mußt.
Außerdem habe ich Dir heute noch eine wichtige Mitteilung zu machen. Unsere Verpflegung, die wir bisher, außer dem Mittagsessens, immer frei einnehmen konnten und die wir auch immer selbst bezahlen mußten, hat eine Umänderung erfahren. Wir erhielten bis vor wenigen Tagen täglich 5.50 RM Verpflegungsgeld und außerdem noch unseren Wehrsold, der bei mir, wie ich Dir ja früher schon mitteilte, täglich 1,8o RM beträgt. Das ganze Verpflegungsgeld ist uns nun gestrichen worden und für alle Mahlzeiten werden uns Gutscheine gegeben, die dann die Wehrmacht wieder einlöst. Wir haben also mit dem Essen keine Sorge mehr. Bei dieser Gelegenheit ist uns aber auch die Sparbüchse zugemacht worden, die für uns immer ganz einträglich war, wenn man sparsam gelebt hat. Von dem ist nun alles nichts mehr.
Ich habe mir hier nun einen Anzug bauen lassen, an dem ich bei der jetzigen Dekade 25 RM zahlen wollte. Damit wird es nun Essig. Meine Schulden betragen dort noch 50 RM. Ich möchte dich nun bitten, daß Du mir mit in einem Brief eingeschlossen, meinetwegen in kleineren Beträgen zusammen 20 RM übersendest. Für den Rest kann ich dann ohne weiteres aufkommen. Ich glaube auch, daß ich Dich dann nicht weiter in Anspruch nehmen muß, weil ich wahrscheinlich mit meinem Gelde auskommen werde. Sei aber vorsichtig mit dem Umschlage. Ich bin nur froh, daß ich mich mit dem Kaufen nicht weiter übernommen habe, denn sonst wäre ich jetzt schön pleite.
Heute hätte ich sonst nichts weiter zu berichten. Ich grüße Euch alle wieder recht herzlich und sende Euch ebenfalls wieder viele Küsse, Du aber kommst wieder besonders dran und zwar sendet Dir alle noch einmal extra Dein Ernst.

Brief 43 vom 11.8.1940


Mein lieber Schatz!                                                                 O.U. , den 11.August 1940       

Heute kam Dein Brief vom 5. an, über den ich mich wieder sehr gefreut habe. Ich habe aus Deinem Brief ersehen, daß Du zwei Tage lang keine Post erhalten hast, ja ich muß Dir sagen, daß ich auch wieder seit dem 7. vergeblich auf Post gewartet habe. Bei der Feldpost muß man sich schon etwas mit Geduld wappnen und nicht gleich den Kopf verlieren. Du hast ja während dieser Tage immerhin Siegfried bei Dir gehabt, der Dir sicher auch für Abwechslung gesorgt hat. Ich glaube sicher, daß Ihr Euch viel zu erzählen hattet. Es tut mir leid, daß Du so unregelmäßig Post bekommst, doch ich kann es leider nicht ändern. Das war sicher sehr schön, als Ihr den Einmarsch unserer Soldaten mit erleben konntet, vor allem, wenn man sieht, wie die Soldaten und die anderen Menschen sich freuen. Wenn Ihr diesen Kämpfern den Einzug eindrucksvoll gestaltet habt, so wurde doch auf diese Art ein kleiner Teil des Dankes damit abgetragen. Siegfried wird sich sicher auch dabei mit gefreut haben.
Ich begrüße es durchaus, wenn Du mit Siegfried ins Kino und hinterher ins Kaffee gegangen bist und ich bin ihm auch in keiner Weise darüber böse, wie er mir schreibt. Im Gegenteil, so kommst Du doch wenigstens wieder einmal unter andere Menschen und auch einmal aus dem Alltag heraus. Wenn es Dir dann noch gefallen hat, so ist doch dann allen Teilen gegenüber in Ordnung.
Daß Vater sich sogar wieder mit einem Gruß beteiligt hat, freut mich außerordentlich und ich glaube, daß ich dies ziemlich hoch einschätzen muß, nachdem er bisher so wenig geschrieben hat. Ich werde ihm heute noch zu seinem Geburtstag schreiben. Angeschlossen erhältst Du noch einige Durchschläge von Karten, die ich an die verschiedenen Leute heute geschrieben habe die schon seit längerer Zeit fällig gewesen sind. Weiterhin habe ich noch einige Postkarten beigefügt, die vielleicht bis zu einem gewissen Grade Dein Interesse erwecken werden.
Wir waren gestern mit den beiden Wagen unserer Dienststelle sozusagen auf Betriebsausflug. Unser Chef hat uns Gelegenheit gegeben, die Vimy- und die Lorettohöhe zu besuchen. Wir waren dann anschließend in Arras, weil sich dies ganz gut einrichten ließ. Ich weiß jetzt nicht genau, was Du für Karten daheim hast, doch ich kann Dir dies ja später noch einmal zeigen. Es sind dies alles Kampfgebiete aus dem Weltkrieg.
Wir haben auf dieser Fahrt zuerst die Vimyhöhe besucht. Es ist dies eine Kampfstellung der Kanadier und der Deutschen. Man konnte da noch sehen, wie sich die Stellungen gegenüber gelegen sind. Außerdem Granattrichter, in die man bequem zweistöckige Häuser hineinstellen konnte. Außerdem die gut ausgebauten Stellungen der Kanadier, die besonders gut erhalten sind. Weniger Wert hat man auf die Erhaltung der deutschen Stellungen gelegt. Es ist aber interessant, wenn man auf diesem Höhenzug steht, warum man soviel Wert auf den Besitz dieser Stellung gelegt hat. Wenn Du mein Briefmarkenalbum- Frankreich - aufschlägst, so findest Du u.a. eine große Briefmarke in Querformat, die das Kanadierdenkmal darstellt. Dort waren wir auch. Es ist dem Gedächtnis der gefallenen Kanadier gewidmet, die im Weltkrieg ihr Leben für die Interessen der sogenannten Alliierten Mächte gelassen haben.
Es ist alles außerordentlich eindrucksvoll, wenn man dabei übersieht, daß die „Fremdenindustrie“ auch noch ein Wort zu sagen hat. Diese Kanadier sind nicht alle an diesem Einsatz gefallen, sondern an den verschiedenen Orten, während des ganzen Krieges.
Wir sind dann weiter gefahren zur Lorettohöhe, wo wir auch eine Zeit verweilt haben. Dieser Name wird Dir ja auch nicht so unbekannt sein. Auf dieser Höhe sind etwa 40 000 Franzosen beerdigt, die bei diesem Einsatz ebenfalls ihr Leben gelassen haben. Wie Du aus der beigefügten Postkarte ersiehst, ist alles sehr geschmacklos. Dies alles entspricht in keiner Weise unserer deutschen Auffassung. Hier ist auch ein Gebeinhaus, in dem die Gebeine von gefallenen Soldaten gesammelt sind, die man nicht mehr feststellen konnte. Alles nach französischem Geschmack.
Von der Lorettohöhe sind wir dann nach Arras gefahren. diese Stadt ist ja sehr bekannt geworden im Weltkriege. Dies war auch gewissermaßen das Endziel unserer Reise. Was sonst die Bauten anbelangt, so kann man sagen, daß gewisse deutsche Einflüsse, die sich in der Bauweise ausdrücken, nicht ganz zu verleugnen sind. Du weißt ja, daß ich auch bei uns ein großer Kirchenbesucher bin, soweit dies in kulturgeschichtlicher Weise damit in Zusammenhang zu bringen ist. Hier haben wir eine Kirche sehen können, die in ihrer, soweit ich dies beurteilen kann, Stilechtheit, ganz einzigartig wirkt. Auch der Marktplatz macht einen ganz interessanten Eindruck, der durch den Rathausbau noch vervollständigt wird. Der ganze Marktplatz ist wie Du ja auch auf der beigefügten Karte etwas sehen kannst, von Häusern eingefaßt,  die unten alle so eine Art Arkaden haben. Der Bau selbst ist so eine Mischung  von Renaissance und Barock und wirkt sehr anmutig auf den Beschauer. Wir als Beamte der Wehrmacht haben uns auch im Rathaus selbst umgesehen und waren, abgesehen von kleinen Verirrungen, die später dort vorgenommen wurden, ganz entzückt.
Auf unserer Fahrt von der Lorettohöhe nach Arras haben wir dann einen deutschen Soldatenfriedhof berührt. Dort waren 42ooo deutsche Soldaten beerdigt, die im Kampfe um diese Gegend ihr Leben lassen mußten. Man konnte hier feststellen, daß der französische Staat nicht sehr viel übrig gehabt hat für die Erhaltung dieser doch für deutsche Begriffe großen Weihestätte. Erst, wie ich hörte, durch das Eingreifen der jetzigen deutschen Behörden, ist dieser Friedhof, wie so viele andere auch, erst wieder in Ordnung gebracht worden. Wenn man diese Masse von Kreuzen sieht, so ist man direkt überwältigt, obwohl doch alles sehr schlicht und einfach ist. Interessant ist hierbei noch, daß dieses Gelände im jetzigen Krieg z.T. wieder Kampfgelände gewesen ist. Wir konnten viele Tanks sehen, die im Einsatz gegen unsere deutschen Truppen kampfunfähig geworden sind. In den unmöglichsten Stellungen lagen sie am Straßenrand, im Straßengraben oder direkt im Felde. Sie tun uns nichts mehr. Für einen Einsatz sind sie nicht verwendungsfähig. Als Altmaterial kann man sie noch gebrauchen, doch dazu haben wir ja jetzt keine Zeit. Ja man wird direkt stolz, wenn man so sieht, wie die Kästen so verwendungsunfähig daliegen und wenn man sich dabei in die Lage versetzt, was diese Dinger doch in gebrauchsfähigen Zustande anrichten können.
Heute früh habe ich wieder mein Bad genommen. Am Mittag war ich wie üblich zum Essen und jetzt schreibe ich noch meine Post fertig, um noch später evtl. ins Kino zu gehen. So habe ich auch diesen Sonntag wieder herumgebracht.
Um eins bin ich froh, daß ich endlich die Post erledigt habe, die mir schon lange auf der Seele liegt. Ich kann es nicht gerne sehen, wenn mir jemand schreibt und ich gebe ihm so lange keine Antwort. Heute ist es nun soweit gekommen, daß ich dies endlich erledigt habe.
Die Karten hebe doch bitte auf, vielleicht kann ich sie Herrn Wolf, bei uns im Amte geben, weil der doch bei der Lorettohöhe verwundet worden ist. Wenn Du vielleicht nach dem Gesetz fragst, kannst Du ihm einen schönen Gruß von mir sagen und ihm die Karten dabei mit übergeben. Wenn du willst, kannst Du sie auch behalten.
Für diesmal sende ich Dir, sowie auch den Kindern die herzlichsten Grüße und Küsse, Du aber sollst sie wieder besonders erhalten von Deinem Ernst.