Freitag, 30. November 2018

Brief 492 vom 30.11./01.12.1943


Liebstes Mädel!                                                                                    30.11.43 
       
Ist das nicht ärgerlich. Da habe ich hier etwas Öl für Dich besorgen können. Vorhin wie ich etwas nachsehen will, fällt mir dabei die Flasche herunter und das ganze Öl war weg. Nun hatte ich mich gleich daran gemacht und habe es mit dem Löffel aufgeschöpft. Dadurch habe ich noch ein Teil gerettet. Wenn Du es dann einmal benutzen solltest, dann mußt Du Dich dabei vorsehen, weil vielleicht kleine Glassplitterchen darin sein könnten. Ob Du es dann durchfilterst oder was Du damit machst, das mußt Du dann am besten wissen. Ich werde dann die Flasche besonders kennzeichnen, damit Du keine Gefahr läufst. Es ist sehr schade, daß ein Teil auf diese Weise verlorengegangen ist, aber ich kann es nun leider nicht ändern. Du hast ja immerhin noch ein Teil Öl daheim, so daß man dann diesen Verlust etwas eher verschmerzen kann.  Irgendeine Verwendungsweise wirst Du schon dafür haben.
Post kam heute keine von Dir an.  Gestern ja auch schon nicht. Aber man muß sich ja auch einmal gedulden können.  Ich kann ja immer noch hoffen, denn in den nächsten Tagen wird bestimmt wieder etwas anrollen. Als ich mir noch mal den Brief von Deinem Vater und den von Siegfried an ihn durchlas, musste ich denken, daß die Beiden doch rechte Streithähne sind.  Jeder von Beiden ist nichtnachgebend und jeder von Beiden will recht haben. Wie die Dinge nun auch liegen mögen, ich habe den Eindruck, als trägt jeder von beiden etwas Schuld an diesen ewigen Spannungen. Siegfried fängt immer wieder mit seiner Frau an. Sieh, ich sage mir, ich lasse die ganze Geschichte außer dem Spiele, Für mich existiert sie nur insoweit, als sie durch ihn von mir Grüße übermittelt erhält. Was kümmert mich die Herauskehrung der vielen guten Taten und Eigenschaften, die sie haben soll.  Damit habe ich nichts zu tun. Ich habe mich daran gewöhnt, daß das in jedem seiner Briefe steht, wie sich auch vieles andere wiederholt. Du bist es schon die Jahre her gewohnt, und ich auch. Es liegt für mich darum keine Veranlassung vor, mich über solche nichtige Dinge aufzuhalten.
Etwas anderes ist mir dabei noch aufgestoßen. Ich bin Siegfried gewiss nicht neidisch, aber er hat doch Glück, wenn er schon wieder von Urlaubsabsichten schreiben kann. Das ist doch noch gar nicht solange her, seit er daheim war. Meinst Du nicht auch?  Ich gebe zu, daß er jetzt auch stärkere Einsätze hat wie es früher gewesen ist. Ich bin kein Freund vom Herausstellen solcher Heldentaten. Siegfried ist da etwas anders wie ich. Ich meine, ich würde es ihm nie schreiben, aber mit Dir kann ich ja darüber reden. Es ist nur so, Dein Vater denkt dann, ja mein Sohn hat unter ungleich schwierigeren Verhältnissen zu leben. Es ist alles nicht so schlimm, als daß man es nicht ertragen könnte. Ich bin in diesem Jahre auch in unmittelbarer Nähe der russischen Front gewesen, ich habe davon aber nie viel Aufhebens gemacht, weil ja schließlich die anderen Kameraden tagtäglich sich dort aufhalten müssen und sie stehen diesen Einsatz auch durch. Du musst mich richtig verstehen, ich habe mir nur einmal so Gedanken über unsere beiden Kämpen gemacht, denen ich in irgendeiner Form Ausdruck verleihen musste. Wie Siegfried schreibt, haben sie dort das Obst gewissermaßen vor der Nase hängen. Das ist nicht ungünstig. Aber wenn die ganze Gegend evakuiert worden ist, dann wäre es ja schade, wenn diese Sachen kaputtgingen. Das ist ja bei uns hier weniger der Fall. Wenn man hier Apfelsinen kaufen will, dann muß man bis zu 2000 Drachmen zahlen. 3600 Drachmen sind jetzt für uns 1,-RM . Aber wir bekommen ab und zu welche zur Verpflegung, so daß man sich diese Ausgabe sparen kann. Bis vor 8 Tagen erhielten wir auch ab und an Weintrauben. Also ganz so ohne Betreuung sind wir nun auch nicht. Wenn ich aber nicht noch die günstige Gelegenheit hätte, mich hin und wieder mit Sonderverpflegung zu versehen. Ich schädige dadurch niemand, wenn ich das empfange, das ist mir immerhin eine Beruhigung.  Andere Kameraden versuchen zwar, auf krummen Wegen sich etwas zukommen zu lassen, das will ich aber nicht tun, und ich habe es auch bis jetzt nicht nötig gehabt. Das Kohldampfschieben ist vorbei. Der betreffende Kamerad, der mich gleich am Anfang zu sich eingeladen hatte, hat mir schon wiederholt Vorwürfe gemacht, warum ich nicht eher zu ihm gekommen sei, denn da hätte er noch mehr zur Verfügung gehabt. Ich will mich aber nicht abhängig machen. Ich gebe ihm ja immer wieder Zigaretten, so daß das Verhältnis nicht einseitig ist. Für diesmal lasse mich wieder schließen mit recht, recht vielen Grüßen und innigen Küssen an Dich und die Kinder. Dein Ernst.

Mein herzliebster Schatz!                                                                       1.12.43  
 
Nun fangen wir den letzten Monat des Jahres an. Wie nur die Zeit dahineilt. Heute habe ich den Adventskalender unseres Jörg eröffnet. Das erste Fensterchen habe ich nun aufgemacht. Bald wird das Weihnachtsfest herangekommen sein. Gestern habe ich doch Pech gehabt mit dem Öl, heute wurde mir nun eine Freude zuteil. Unser Chef erhielt dieser Tage eine Uhr zum Verkauf zugeteilt, die er einem von der Abteilung gegen Bezahlung überlassen sollte. Nun war man sich lange nicht schlüssig, wem diese Gunst zufallen sollte. Der Preis sollte 30 000 Drachmen betragen. Das wäre nach deutscher Währung etwa 800 RM Es ist eine Schweizer Uhr, die wirklich sehr nett aussieht. Ich hatte erklärt, daß ich hier keine Uhr besitze. Einige andere Herren wollten sie auch gern haben. Heute hat man einem ausgewählten Kreise das Los ziehen lassen, bei dem mir dann die besagte Uhr zufiel. Jetzt werde ich zwar noch die Uhr bekommen, die Du mir noch mitbringen lässt, aber das mach ja nichts. Nachdem ich Dir ja die eine geschenkt habe, kann ich ja wieder einmal eine erstehen.  Jetzt fehlt es nur an dem Armband. Ich hatte doch einmal so große Töne gesprochen, daß ich hier welche kaufen könnte. Heute habe ich mich nach dem Preis erkundigt und muß zu meiner großen Überraschung feststellen, daß das Armband bald genau so teuer ist wie die Uhr. Das kann man sich ja beim besten Willen nicht leisten.  Kannst Du vielleicht daheim eines kaufen? Gestern hatte ich mich auch nach etwas anderem erkundigt und zwar nach den Sämereien. Ich habe aber davon Abstand genommen, denn überlege Dir für ein Gramm 1000,-Drachmen. Das ist doch zuviel. Nach langem Handeln hat er dann den Preis um 1/3 herabgelassen, aber auch das ist noch zu teuer. Vielleicht kannst Du diese Sachen daheim leichter bzw. billiger bekommen. Ich las jetzt erst in der Grünen Post, daß Sämereien angeboten würden. Ich lege Dir einmal zwei Anzeigen bei, dann kannst du vielleicht einmal dorthin schreiben. Der größere Mangel herrscht ja immer mit Zwiebelsamen und den hast Du ja jetzt.  Heute hat mich die Post wieder in Stich gelassen. wahrscheinlich ist da irgendwo eine Störung eingetreten. Man soll doch nicht zu sehr frohlocken, wenn einmal eine Sache regelmäßig geht und wenn alles zu klappen scheint. Aber ich habe mich an das Warten schon so gewöhnt, daß mir die zwei oder drei Tage kaum noch etwas ausmachen können.  Vorgestern war ich wieder im Kino und habe mir den film „Titanic“ angesehen. Er ist ganz interessant, aber ich will sagen, fesselnd, wie mancher der letzten Filme war er nicht. Diese ganze Angelegenheit wird propagandisch gegen England ausgewertet. Das schadet ja an sich nichts, aber ich persönlich bin in dieser Beziehung etwas überempfindlich. Man sollte das nach meiner Ansicht so machen, daß das nicht so sehr ins Auge fällt. Vielleicht muß man auch mehr Rücksicht auf andere Völker nehmen, die diese Sachen etwas handgreiflicher vorgesetzt bekommen müssen. Wie dem auch sei, man kann ihn sich ansehen und einmal über die Hintergründe nachdenken, die dabei aufgedeckt werden. Nun steht für mich noch der Film offen: Einmal der liebe Herrgott sein mit Hans Moser, den ich mir vielleicht heute oder morgen ansehe.
Wenn Du dort einmal nach einem Armband für die Uhr fragen würdest, dann mußt Du ja auch die Breite wissen. Es kommen 1 1/2cm in Betracht, das wollte ich noch erwähnen.
Ich sende Dir heute noch einen Artikel aus der Zeitung mit, der so die Verhältnisse in einer besonderen Weise beleuchtet. Nichtstun und sich auf Kosten der anderen versorgen lassen, das ist hier das Hauptinteresse der Leute. Ich kann Dir sagen, daß das gestern früh ein ziemlicher Rummel in verschiedenen Straßen war. Überall stand die Polizei und das griechischer Militär bewaffnet und führte diese Gesellschaft ab.  Es ist auch ziemlich geballert worden. Man spricht wohl von einigen Verletzten. Das läßt sich aber nicht vermeiden bei einer Razzia auf diese Gesellschaft. Man versucht eben immer wieder, die Tätigkeit der Kommune auch in das Zentrum der Stadt hineinzutragen. Bis jetzt ist immer noch hart zugepackt worden. Das ist in diesem Fall auch das einzig Richtige, was man machen kann.
Das wäre so alles, was ich Dir heute zu berichten hätte. Lasse mich deshalb abschließen mit recht schönen und herzlichen Grüßen für Dich und die Kinder. Liebe Küsse füge ich noch für Euch alle bei. Dein Ernst.

Brief 491 vom 28./29.11.1943


Meine liebste Annie!                                                                      28.11.43 

Ich komme heute nochmals auf Deine Bemerkung zurück, die Du wegen meines Briefes vom 13. machst und wo Du glaubst, daß ich etwa verärgert gewesen sei oder sonst was. Nein, ich schreibe dies einmal deshalb, weil ich meist meinen Bogen voll schreibe und dann ist so das tägliche Maß erfüllt. Ich hatte aber an dem Tage nicht soviel Stoff auf Lager, deshalb ging mir das ein bisschen quer. Aber wenn es schon einmal weniger sein sollte, dann musst Du Dich eben einmal mit einem kürzeren Gruß vergnügen. Ich habe das auch nie als Zwang von Deiner Seite angesehen, wenn ich an Dich schreibe, denn was hätte ich dann schon davon und auch Du, wenn ich unter Zwangsvorstellung zu schreiben hätte. Ich glaube, daß Du auch mich soweit kennst, als daß ich etwa zu schüchtern wäre, um Dir das dann nicht zu sagen. Ich nehme an, daß Du mich diesmal besser verstehen wirst und daß mir die Erklärung dafür besser gelungen ist. Sollten aber noch irgendwelche Unklarheiten herrschen, dann lasse es mich nur wissen. Ich kann mich wohl am heutigen Sonntag nicht über mangelnden Posteingang beklagen. Von Dir traf Dein lieber Brief vom 25. ein, dann kam von Deinem Vater der Rundbrief und von zwei Pfarrämtern erhielt ich auch wieder Antwort. Das gab wieder allerhand zu Lesen und schreiben mußte ich ja auch noch, denn die Eingänge von Böhmisch-Kamnitz haben mich interessiert und die mußte ich erst in meine Unterlagen eingeordnet sehen. Ich kann wohl von Glück reden, daß ich gleich 14 Urkunden erhielt. Wunderst Du Dich da nicht auch? Wie habe ich das wieder gemacht? Ich muß sagen, daß ich sichtlich erstaunt war, was Du für ordentliche Vorfahren gehabt hast. Das hätte ich nicht hinter Dir vermutet. Nein, aber einmal Spaß beiseite. Ist das nicht interessant, daß auch hier bis jetzt alle Handwerker waren? Das ist doch sonderbar. Ich sende Dir heute erst einmal die Zahlkarte mit, damit Du das Geld überweisen kannst.  Trage es doch bitte auch in die Übersicht ein, damit uns die Kontrolle nicht verloren geht. Von Bautzen erhielt ich einen negativen Bescheid, ich will aber einmal beim katholischen Pfarramt anfragen, vielleicht haben die Unterlagen dafür. In der Gegen von Bautzen ist ja eine Grenze zwischen katholisch und evangelisch. Das werde ich also einmal ausprobieren. Zur Fertigstellung des Mantels für unseren Jungen gratuliere ich Dir. Unser Stromer wird nun stolz sein auf Dein neues Werk. Ich bin froh, daß Du mit dem Mantel hast etwas anfangen können, denn in diesem Winter brauche ich ihn ja hier nicht. Ich glaube, daß er in diesem Mantel nicht frieren wird. Ich glaube Dir gern, daß dieser schwere Stoff nicht so einfach zu nähen war. Ja, wenn dieser Bengel etwas erreichen will, dann kann er schmusen, das kann ich mir denken. Ich bin ja nur gespannt, wenn er seinen ersten Unfall damit hat. So einmal in Gräben fallen oder ähnliche Scherze. _ Gefreut habe ich mich, daß so nach und nach alle Päckchen bei Dir eintrudeln. Ich kann Dir wieder mitteilen, daß ich am 26. das Päckchen Nummer 14 mit getrocknetem Brot zugesandt habe. Die Kartons kommen mir dabei sehr zustatten. Lange wird es nicht mehr dauern, dann gibt es wieder eins.
Über die Arbeit von unserem Stromer hatte ich mich sehr gefreut. Ich bin nur noch nicht dazu gekommen, ihm dafür persönlich zu danken. Ich hoffe, das aber bald nachholen zu können. Nach dem, was Dur mir bis jetzt geschrieben hast, müßt Ihr ja schon ziemlich in diesem gebastelt haben. Wenn sie dann nicht zu jedem Mal etwas mitbringt, dann sollen diese Mädels sich einmal mit dem zufrieden geben, was Ihr bis jetzt geschafft habt, denn das ist doch bestimmt kein Pappenstiel. 
Ich habe die Auszüge alle nochmals durchgesehen, die ich vom Pfarramt in Kamnitz erhalten habe. Nachdem ich alles bei mir Eingetragene nochmals durchgesehen habe, kann ich sie Dir heute schon mit zugehen lassen, denn ich denke, daß Du Dich auch dafür sehr interessieren wirst. Ist das nicht putzig, wie die einzelnen Familiennamen durcheinandergekommen sind und dann auf der anderen Seite wieder auftauchen. Das eine Mal Michel und das andere Mal Langhans.  Etwas fällt mir auch noch auf, daß alle ziemlich alt geworden sind. Ja, wie ich schon vorher einmal gesagt habe, ich hätte nicht gedacht, daß Deine Vorfahren so ehrsame, biedere Handwerker waren. Du kannst erst einmal daran sehen, was für ein Vertrauen ich in Dich gesetzt habe, daß ich Dich doch genommen habe, aber insgeheim habe ich mir das ja gleich gedacht, daß das so sein muß, denn das sagte mir allein schon mein Scharfsinn. Aber man hat solche Sachen gern schwarz auf weiß, denn man könnte sich doch einmal täuschen, was ja bei mir kaum vorkommt. Was sagst Du nun? He, das habe ich Dir einmal gegeben. Musst aber nicht gleich traurig sein, das ist ja nicht so schlimm, und das geht auch wieder vorüber. Aber jetzt höre ich bestimmt für heute mit dem Frozzeln auf.
Lasse Dich schön grüßen und recht herzlich küssen. In Gedanken bin ich wieder wie immer bei Dir. Dein Ernst.

Mein liebstes Mädel!                                                                         29.11.43  
          
Gestern bin ich vor lauter anderem Schreiben nicht dazugekommen, Dir vom Verlauf des Sonntags zu berichten. Wir sind jetzt so etwa dazu übergegangen, daß wir einen Sonntagnachmittag in Athen den anderen in Piräus verbringen. Am gestrigen Sonntag war wieder Piräus dran. Wir haben dort das Offiziersheim besucht, von dem ich dir schon einmal geschrieben hatte, daß es mir dort so gut gefallen hatte. Wir sind am Nachmittag mit der Bahn hinausgefahren. Es ist dann ein kurzer Spaziergang und dort kann man sich wirklich gastlich aufgenommen fühlen. Wir kommen in die Räume hinein, da war alles so merkwürdig dunkel. Ich hatte es erst nicht weiter beachtet, aber ich musste dann bald feststellen, daß wir ja in der Adventszeit leben. Adventskerzen waren aufgehängt und auf den Tischen waren Kerzen umrahmt von Zweigen aufgestellt. Es waren richtige Tannenzweige. Das hat mich sehr gewundert, denn ich habe hier noch keine Tannen gesehen. Es war wirklich sehr heimisch und man konnte sich direkt in die Heimat versetzt fühlen. Das Kompliment muß man den Schwestern schon machen, daß ihnen das restlos gelungen war. Jeder, der hinkam, fühlte sich von einer heimatlichen Stimmung umfangen. Ich musste an die früher bei uns verbrachten Adventstage denken, die wir die ersten Jahre in Konstanz noch unten in der Rundbergstraße verlebten. Kurt ging dann immer noch mit Reisig holen. Später, als wir dann verheiratet waren, da kam er dann auch zu uns. Als er das eine Mal von Pommern zurück kam, da fuhr er auch mit mir los, um das Tannenreisig zu besorgen. Wie kam er dann gerade so die erste Zeit so oft zu uns. Er war dann auch immer ziemlich aufgeschlossen. Als sich dann aber der Einfluss von Paula mehr und mehr geltend machte  das kommt mir heute erst viel stärker zu Bewusstsein  da fing er wieder an, seine eigenen Wege zu gehen. Ich denke in diesem Zusammenhang noch an unser Zusammentreffen anlässlich der Silberhochzeit in Leipzig. Was war das für eine Herzlichkeit zwischen uns. Ich will nicht im Bösen daran denken, im Gegenteil, mir liegt daran festzustellen, daß ich immer viel für ihn übrig hatte, wie er es auch für uns hatte.  Das hat er ja selbst oft und oft bezeugt.
Aber nun nochmals vom gestrigen Sonntag.  Wir bekamen dort wieder einen guten Spitzbohnenkaffee. Dann ein Stück geschlagenen Kuchen und selbstgebackene Weihnachtsplätzchen. Wir habe uns dann noch eine zweite Portion kommen lassen, da gab es dann Rosinenkuchen. Leben wir etwa schlecht? Das kann man doch nicht sagen. Später haben wir uns dann ein Glas Cognac und dann ein Glas Wein kommen lassen. Als wir dann noch zum Abendbrot gegessen hatten  es gab Makkaroni und Parmesankäse  dann haben wir uns auf den Heimweg gemacht. Ich bin dann auf mein Zimmer gegangen, habe dort noch etwas zu Nacht gegessen und etwas gelesen. Zur Feier des Tages habe ich mich zeitig schlafen gelegt. War das für die hiesigen Verhältnisse nicht ein netter Sonntag? Ich glaube wohl doch. Man muß immer wieder zusehen, wie man sich durchfuttert, denn man weiß nicht, wann es wieder einmal dünner kommt.
Heute habe ich unserem Sprössling geschrieben. Den Durchschlag findest Du wieder anbei, Außerdem habe ich meinen Nikolausbrief verfasst, der mir diesmal im Schreiben nicht einmal soviel Mühe gemacht hat. Ich bitte Dich, gib jedem der Stromer noch 2,-RM von mir, denn ich habe diesmal nichts weiter für sie. Ich weiß ja noch nicht, wie unser Herr Sohn meinen Brief aufnimmt. Ich habe versucht, mit etwas Lachen ihn auf seine leichten Fehler zu tupfen. Ich denke, daß er es schon verstehen wird, was ich von ihm will.
Das Wetter ist anscheinend doch klar geworden. Heute ist die Temperatur im Gegensatz zu gestern wesentlich gefallen. Man muß nun abwarten, ob das nur  vorübergehend ist oder ob es so bleibt.
Ich hoffe Euch alle meine Lieben gesund. Ich bins auch noch. Nehmt viele Grüße und liebe Küsse entgegen von Deinem Ernst.


Montag, 26. November 2018

Brief 490 vom 26./27.11.1943


Mein liebster Schatz !                                                                           26.11.43  
        
Post habe ich heute noch keine erhalten. Aber ich konnte ja in den vergangenen Tagen zufrieden sein, denn da habe ich doch rechtzeitig meine Briefe erhalten. Mit solchen Unterbrechungen muß man eben rechnen, das lässt sich nicht vermeiden.
Über deine Berichte über unsere beiden Stromer habe ich mich sehr gefreut und über die Sprache habe ich zum Teil wieder lachen müssen. Bei unserem Hauptstrolch geht das Temperament von Zeit zu Zeit durch. Der Bengel ist ja auch gesund und kräftig. Irgendwie muß ja die Lebensfreude heraus. Es nimmt mich nicht wunder, wenn Du mit Helga in der Hinsicht etwas gegen diesen Lebensdrang auszufechten hast. Dem ist doch in diesem Alter nichts sicher und heilig ist ihm auch nichts. Man merkt das ja schon an seinen Äußerungen. Ich bin wirklich herzlich froh, daß er einen Lehrer in der Schule hat, denn mit einer Frau machen doch diese Lausebengels was sie wollen. Auf die Dauer kann ja eine Lehrerin da nicht bestehen. Die braucht nur noch etwas nervös spielen, dann haben diese Kerle ja was sie wollen. Man merkt es ja auch schon an den Aussprüchen unseres Stromers, wie er den Ernst der Schularbeit auffasst. Ihm ist es herzlich lieber, wenn der Lehrer einmal vergisst, etwas aufzugeben. Daß ihm das nicht zusagt, wenn einer den Lehrer daraufbringt, das ist wohl leicht verständlich. Doch vom erhabenen Standpunkt der Eltern aus gesehen, ist das nicht erfreulich, denn schließlich soll die Gesellschaft etwas lernen. Aber eine gesunde Jugend hat keine Tugend. An sich ist das auch weiter nicht schlimm, denn das passiert ja nicht jeden Tag. Aber gerade weil es nicht oft vorkommt, darum macht es ja solch ein Vergnügen, daß der Lehrer, der immer meint, er sei unfehlbar, nun auch vergesslich ist. Welch eine Freude für die Bengels.
Unser Mädel ist ja ziemlich in Anspruch genommen.  Ich bin selbst froh, wenn sie dann nach Abschluss der nächsten Woche wieder etwas mehr zur Ruhe kommt. Denn sie ist an sich kein Riese. Sie ist groß gewachsen, aber sie darf sich nicht zu sehr übernehmen, gerade wo man ihr jetzt nicht alles das zukommen lassen kann, was der Körper für ein solch schnelles Wachstum braucht.  Daß sie jetzt immer das Rad benutzen kann, ist ja schon ein großer Vorteil für sie.  Mit meinem Rad ist unsere Fahrkünstlerin auch schon gefahren. Ich muß sagen, daß sie sich nicht ungeschickt anstellt, wenn sie nur erst einmal weiß, wie sie eine Sache anpacken muß. Für den Nikolaustag hast Du nun auch wieder etwas erobert. Das wird für die zwei Trabanten wieder eine Freude geben, wenn sie dann etwas vorfinden. Vielleicht werde ich wieder einmal einen Brief schreiben. Ich will zusehen, daß ich noch bald dazukomme. Ich hoffe, daß dann dieser wenigstens ankommt. Der letztjährige  ging ja verloren.
Ich habe heute einmal an Nannie geschrieben, um dort Klarheit zu bekommen. Ich habe ihn in der Form verfasst, wie ich das bisher immer getan habe. Ich hoffe, daß ich keine Schärfe hineingebracht habe.
Eine Briefmarke, die ich hier erstanden habe, lege ich mit bei. Lege sie doch bitte mit in mein Album unter Deutschland. Denn wegen eines Katalogs brauchst Du Dich vorerst nicht mehr bemühen, denn ich habe festgestellt, daß die Händler alle die neuesten Kataloge dahaben, die wir in Deutschland nicht bekommen. Deshalb fehlt also hier nichts. Ich hätte nun bezüglich der Briefmarken noch einen weiteren Wunsch. Schicke doch auch die Schweizer Marken von der Landesausstellung und mit der Aufschrift „pro juwentute“. Für die hätte ich hier auch Tauschgelegenheit. Die anderen habe ich bis jetzt erhalten, ich hoffe, daß ich hier Interessenten dafür erhalten. Ich will mir meine Deutschlandmarken etwas ergänzen oder mir eine Sammlung von den hiesigen Marken anlegen. Ich muß erst sehen, was nun das bessere ist. Schade ist nur, daß ich zwar keine Ahnung habe, welche Marken ich von Deutschland alle habe, damit ich mir die Sachen nicht doppelt erstehe. Dazu brauchte ich allerdings eine Zusammenstellung, die Du am besten anhand des Katalogs machen könntest.
Ich hoffe, diesen Brief jemanden mitgeben zu können, der mit dem Flugzeug bis nach Wien fliegt. Dann hättest Du den Brief etwas eher. Ich hoffe weiterhin, daß Ihr, meine Lieben, alle gesund seid. Herzlich grüße ich Euch alle  auch Vater  und bin mit vielen lieben Küssen Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                                 27.11.43       
   
Gestern Abend waren wir wieder einmal anlässlich eines Abschiedsabends für einen scheidenden Oberst von der Militärverwaltung beieinander. Es war etwas spät geworden, denn ich kam erst ½ 3 Uhr nach hause. Wir hatte uns ganz nett unterhalten und dazu einige Tropfen getrunken, was aber noch wichtiger war, es gab etwas ordentliches zu essen. Das alles zusammen hebt dann die Stimmung und trägt dann zum Gelingen eines solchen Abends bei. Wenn einmal die Abteilung vollzählig versammelt wird aus irgendeinem Anlass, so war es bis jetzt immer, um einen aus der Abteilung zu verabschieden.
Dein Brief vom 22./23. traf heute bei mir ein und noch der Brief von Wittenburg, den Du mir nachgesandt hast. Außerdem kam eine Karte von Deinem Vater an, der Leo Krall besucht hatte. Ich danke Dir recht herzlich für Deine Zeilen, über die ich mich sehr gefreut habe. Auch Wittenburg hat sehr nett geschrieben. Die Mitteilung auf der Rückseite des Briefumschlags kam von Männern aus unserer Abteilung der letzten Einheit. Du siehst, es denken doch noch alle an mich. Ich muß doch nicht so ganz unleidlich sein, wie es manchmal scheinen will. Ich will ja auch keine Lobeshymne hören, sondern ich lege mehr Wert darauf, von meinen früheren Kameraden immer wieder einmal zu hören, um zu erfahren, was sich in der Vergangenheit ereignet hat. Auch dort sind so manche der früheren Kameraden weggekommen.  Wittenburg ist nur noch mit wenigen in Douai verblieben, die ich kenne. In dieser Hinsicht hat es ja mächtiges Glück gehabt. Seit Beendigung des Frankreichfeldzugs ist er bei dieser Kommandantur, ohne jemals einen Wechsel mitgemacht zu haben. Ich habe wohl durch die verschiedenen Veränderungen manches gesehen, und ich will nicht vergessen, manches gelernt. Im Wunschtraum scheint einem das tägliche gewohnte und geregelte Leben bei der Truppe ganz schön zu sein, aber ich denke, daß ich weniger zufrieden wäre, wenn es mir nicht so gegangen wäre, wie es mir ja bisher gegangen ist. Durch die verschiedenen Umstellungen bin ich doch immer elastisch geblieben und glaube auch nicht, daß ich so bald vertrockne und verstaube. Daß Du das Paket mit den Zitronen erhalten hast, freut mich sehr. Du hast nur nicht mitgeteilt, ob sie noch in Ordnung waren. Ich will das vor allem deshalb wissen, damit ich mich danach richten kann, wenn ich wieder welche da habe, ob es sich verlohnt. Daß auch die anderen Päckchen wieder angekommen sind, beruhigt mich wieder. Ich habe wieder gemerkt, daß die Ankunft der Päckchen wieder Freude ausgelöst hat und das macht mir selbst immer wieder Spaß. Deine Brotsammlung hat sich ja ziemlich erweitert. Ich hoffe, daß auch dann die Suppen davon schmecken werden. Mir macht das dann selbst Freude, immer wieder für Euch meine Trocknerei weiter zu machen. Wie schade wäre es, wenn man das Brot so hergeben würde. So habt Ihr doch noch den Nutzen davon. Ich kann mir denken, daß Euch die Äpfel auch schon über manches hinweggeholfen haben, denn man kann doch manches andere dafür wieder weglassen.
Deine Bemerkung von unseren Herrn Jörg, daß er fragt, ob Großvaterle auch etwas zu bestimmen hat, veranlasst mich, über den Herrn Sohn darauf hinzuweisen, daß Großväter schon unserem kleinen frechen Scheißer etwas zu sagen haben. Ich weiß ja nicht, in wieweit er das respektiert, aber immerhin kann es nichts schaden, wenn er auch von ihm einmal ein Wort hinnehmen muß. Du mußt ja mit ihm in Genüge reden, so daß er das ruhig einstecken soll. Wenn er nicht schneller sich ausziehen kann, so würde es mich interessieren, ob es besonders helfen würde, wen ihm sein Vater, der leider nicht zuhause sein kann, etwas behilflich wäre.  In dieser Beziehung kann er schon etwas Nachdruck gebrauchen, weil ich genau weiß, daß er es kann. Denn wenn er draußen spielt, geht ihm ja auch alles leicht von der Hand.
Ich freue mich, wie Du die Sachen immer so schön in Ordnung hältst. Wenn es auch etwas recht eng zugeht, so siehst Du doch immer zu, daß der Keller in Ordnung bleibt. Gerade, wenn zuviel zusammensteht, verliert man schneller den Überblick und es sammeln sich immer wieder Sachen an, die man nicht gerade so braucht.
Wenn ich in meinem Brief vom 13. etwas kurz gewesen bin und Du den Eindruck gewonnen hast, ich sei krank oder über etwas verärgert, so musst Du Dir keine Gedanken machen. Du weißt ja, daß ich mich immer noch durchgesetzt habe. Wenn einem einmal eine Laus über die Leber läuft, so ist das noch kein Grund, daß man gleich etwas Schlimmes befürchten muß. Ich kann mich nicht mehr entsinnen, ob da etwas besonderes vorgefallen sein sollte. Schon daran kannst Du ersehen, daß es nicht tief gegangen ist, wenn tatsächlich mir etwas quergekommen wäre. Du weißt ja selbst, daß Du mich nicht zwingen brauchst, wenn ich Dir schreibe, denn ich habe meist soviel auf Lager, was ich Dir zu schreiben oder mit Dir zu besprechen habe. Es kann einmal vorkommen, daß man nicht so auf Draht ist, doch das wirkt sich dann schon am folgenden Tag aus, daß ich dann mehr oder besser schreiben kann. Aber nun will ich schließen. Recht herzlich grüße ich Dich und bin mit vielen, vielen lieben Küssen an Euch alle Dein Ernst.

Brief 489 vom 24./25.11.1943



Mein liebes, gutes Mädel!                                                                      24.11.43    
        
Soeben habe ich den Brief an Deinen Vater geschrieben, von dem Du den beiliegenden Durchschlag erhältst. Ich habe gern reinen Tisch und nicht unbeantwortete Post bei mir herumliegen. Ich habe damit verschiedene Sachen erledigt, die sich angesammelt haben. Die Briefmarken  und die Bestätigung der von ihm eingegangenen Sendungen. Dir kann ich nun von mir berichten, daß ich gestern ein kleines Päckchen mit 4 Zitronen abgesandt habe, die ich hier als Verpflegung erhielt und mit denen ich nichts anzufangen wusste. Heute sandte ich wieder ein Heft und 4 Packungen Shampoo.  Da ich es nicht selbst machen kann, hast du Gelegenheit, Dir selbst einmal den Kopf zu waschen. Ich konnte das hier erhalten und ich dachte mir, daß Du sicherlich Verwendung dafür haben wirst. Es sind ja nur immer Kleinigkeiten, aber Du siehst daran, daß ich immer bemüht bin, Euch und besonders Dir eine Freude zu machen.
Gestern konnte ich Dir die Adresse eines Kameraden mitteilen, an den Du meine Uhr schicken kannst. Falls Du sie noch nicht abgesandt haben solltest, dann könntest Du vielleicht noch mein Tauschheft für Briefmarken beipacken. Ich meine das, in das man die Marken hineinstecken kann. Es hat einen dunkelroten Deckel. Wenn die Uhr aber schon abgeschickt sein sollte, dann lässt sich es nicht mehr ändern. Und noch etwas wegen den Briefmarken. Schicke mir doch einmal einige Klebefalze mit. Ich denke so 100 Stück. Ich habe doch noch Vorrat davon. Bevor ich die hier gesammelten griechischen Marken nach hause sende, will ich erst einmal eine Übersicht davon haben, deshalb will ich sie mir erst etwas aufkleben.  Ich weiß nicht, ob ich Dir schon darum geschrieben habe, daß Du mir einmal eine Abschrift von dem Anstellungsschreiben der Stadt senden sollst, wonach ich planmäßiger Assistent geworden bin. Wenn nicht, dann bitte ich Dich darum.
Du kommst in einem Deiner letzten Schreiben auch darauf zurück, daß wir hier einen Angriff gehabt hatten. Ich hatte Dir ja schon davon geschrieben, daß das hier wohl in unmittelbarer Nähe ist, daß aber trotzdem der Verkehr hier ungestört weitergeht. Wenn die Bomber in großer Höhe über die Stadt fliegen, dann bleiben wohl die Leute stehen und sehen zu, wie unser Flak darauf schießt, aber sonst ist das kein Grund, sich in irgendeiner Form beeindrucken zu lassen. Bei uns geht ja auch der Dienst hier weiter. Am Anfang war ich erst etwas verwundert, wie man sich hier zum Fliegeralarm , der ja jedes mal gegeben wird, verhält, aber bis jetzt ist hier noch keiner behelligt worden, so daß man das so ganz in Ordnung findet.  Heute ist es hier wohl etwas kühler als in den vergangenen Tagen, das ist aber bei Regen immer so, man hat gar nicht das Gefühl, daß ich vier Wochen sein soll. In Charkow hatte es doch schon einmal geschneit um diese Zeit, aber daran ist hier nach den Berichten der Einwohner zu schließen, überhaupt nicht zu denken.   Gegenwärtig sind hier die Preise wieder einmal etwas zum Stehen gekommen. Es ist sogar ein kleiner Rückgang zu verzeichnen. Aber vorher war die Steigerung so rapide, daß man auch jetzt noch nichts für sein Geld erhält. Ich habe mir heute einige Briefmarken gekauft, damit ich überhaupt etwas vom Geld habe. Das ist im Moment das einzige, was man sich beschaffen kann. Das Risiko ist ja nicht sehr groß dabei, denn für diese Einkaufspreise werde ich sie im Reich wohl noch losbekommen, wenn ich sie nicht selbst für mich behalten sollte. Vielleicht kann ich mir überhaupt hier eine Sammlung griechischer Marken zusammenstellen, die sich dann lohnt, aufzuheben, wenn nicht, dann werde ich schon Interessenten dafür finden. Gestern habe ich mich schon einmal hingesetzt und habe sie sortiert. Nun brauche ich sie nur noch einordnen, wie es sich gehört.
Lasse mich bitte heute schließen mit recht herzlichen Grüßen an Dich und die Kinder. Grüße ebenfalls Vater herzlich von mir. Dir gebe ich einen dicken Schmatz. In Gedanken weilt oft bei Dir Dein Ernst.

Mein liebstes Mädel!                                                                                   25.11.43 
            
Donnerwetter, ging das aber schnell. Dein Brief vom 21. kam gestern Abend hier schon an. Ist das nicht eine Rekordleistung? Noch dazu war das ein langer und ausführlicher Brief über den ich mich sehr gefreut habe. Recht herzlichen Dank dafür.
Du fragst mich, ob ich als Abschrift von der Benachrichtigung über Kurts Tod die amtliche Mitteilung haben will oder die andere. Mich interessiert die erste Mitteilung, die wir erhielten mehr. Wenn du mir aber noch die andere zusendest, dann ist es auch kein Schade. Ich denke, daß wir uns richtig verstanden haben.
Du schreibst dann weiterhin, daß ich in meinem letzten Brief an Deinen Vater ausführlich gewesen sei. Das stimmt. Es gab aber auch manches zu schreiben, was mit erledigt werden musste. Mit der Zusendung von Zigaretten an Deinen Vater wollen wird doch etwas kurz treten. Wenn ich hier etwas habe, schicke ich ihm etwas und wenn nicht, dann muß er sich etwas hineinfinden. Ich gebe zu, daß er sich immer ziemlich Ausgaben mit den Briefmarken macht. Das ist schätzenswert, und das habe ich ihm auch schon wiederholt geschrieben. Mehr kann ich eben nicht tun. Du kommst Dann noch auf das Verhältnis zwischen Dir, Deinem Vater und seiner Frau und auf die Beziehungen zwischen Siegfried, Deinem Vater und seiner Frau zu sprechen. Ich kann Euren Standpunkt ohne weiteres würdigen, und ich verstehe vollkommen, daß Du Dir diese Frau nicht aufdrängen lassen willst. Siegfried nimmt ja nach Deiner Mitteilung den gleichen Standpunkt ein. Ich kann dir hierzu folgendes sagen: Wenn ich an Deinen Vater schreibe, so ist mir das, wie wenn ich an sonst einen Bekannten schreibe. Die Frau ist für mich dabei ganz uninteressant, und ich erwähne sie am Ende eines Briefes nur so, wie wenn ich etwa unter einen anderen Brief Heil Hitler darunter setze. Ich kenne ja diese Frau auch nicht und wei0ß ja nicht, wer sie ist. Daß diese Frau keine Bindung zu uns hat, ist ja erstens einmal bei unserer Einstellung zu ihr ohne weiteres verständlich. Dann aber ist sie ein spätes Mädchen, die doch keine Ahnung hat, wie es ist, wenn man Kinder hat und für diese sorgt. Weißt Du, das kann nur eine leibliche Mutter verstehen.  Diese Frau ist Zeit ihres Lebens auf dem Büro und hat doch eigentlich für nicht weiter denken müssen, wie für sich selbst. Ihre kranke Mutter hat sie wohl mit versorgt. Aber das war ja schließlich nicht ihr Daseinszweck. Im Laufe der Jahre war sie womöglich noch verbiestert, weil sie keinen Mann hatte. Alles in allem hat diese Gefühlskälte bei ihr ausgelöst. Sie hat deshalb auch keine verwandtschaftlichen Empfindungen, weil sie den nie kennen gelernt hat und immer nur für sich selbst denken brauchte. Alles in allem gesehen steht sie für uns alle außerhalb unseres Kreises. Das hat sie ja auch so gewollt. Sie hat es nicht verstanden, während des vergangenen Jahres das Verhältnis zu uns zu finden, das nun einmal notwendig ist, um auch mehr an sie denken zu können. Doch das ist es ja nicht allein. Bei uns ist ja bestimmend die Erinnerung an Mama, die zu ersetzen wohl so leicht einer Frau nicht möglich sein wird. Ich habe dies nur einmal geschrieben, damit Du nicht etwa den Eindruck gewinnst, ich hätte meine Einstellung Deinem Vater und seiner Frau gegenüber seit letztem Jahr geändert. Wenn wir uns allgemein nun damit abgefunden haben, daß das nun seine Frau ist, dann willen wir ihm keinen etwaigen Vorwurf daraus machen.  Wir haben ihm das vorher genau klargelegt, wie wir darüber denken. Wir haben ihm auch gesagt, daß die Beziehungen nach einer Verheiratung nicht mehr so herzlich sein würden, wie sie vorher waren. Daß wir uns aber nun ganz und gar von ihm absondern, das halte ich nicht für richtig. Ich glaube, daß er seinen Kindern gegenüber noch die gleichen Gefühle hegt wie früher. Es fällt ihm nur der Anstoß zu manchen Sachen, die er früher gemacht hat, als Mama noch da war. Dort liegt auch meines Erachtens die Ursache. Dein Vater musste jemanden haben, der ihm etwas mehr ist wie nur eine Verwandte, das hat er wohl in seiner jetzigen Frau gefunden, aber er hat damit in gewisser Beziehung seine Kinder hergegeben.  Wie dem auch sei, wir werden den einmal beschrittenen Weg weitergehen, und ich denke, daß wir es so richtig machen werden.
Wenn wir schon einmal wieder bei den familiären Dingen sind, dann kann ich auch noch auf die Stellung der Paula eingehen, die Du in Deinem letzten Schreiben auch erwähnst. Ich bin froh, daß wir  in dieser Hinsicht wieder übereinstimmen. Du musst Dich wegen dieser Rederei nicht ärgern, denn das ist doch zwecklos. Wir werden auf unserem Standpunkt beharren wie sie starrköpfig ist. Es ist ein aussichtsloses Unterfangen, an diesem nun schon seit über 10 Jahren bestehenden Zustand etwas zu ädern. Solange Kurt noch lebte und er beim Militär war, sprach sie noch etwas und sie gab sich nicht ganz so majestätisch. Aber besonders in meinem letzten Urlaub ist mir dieses hochtrabende Wesen besonders wieder aufgefallen, so daß ich keine Veranlassung habe, ihr noch mehr entgegenzukommen, wie ich das bisher schon getan habe. Denn wir müssen doch einmal die Frage stellen, werd hat denn Grund gekränkt und beleidigt zu sein. Nach ihrer schoflen Handlungsweise uns gegenüber doch immer noch wir und nicht sie. Sie glaubt aber, die gekränkte Leberwurst spielen zu können, doch anscheinend weiß sie nicht einmal warum. Wir sind ihr doch nicht zu nahegetreten und angegriffen haben wir sie auch nicht. Das einzige, was wir verbrochen haben ist, daß wir sie nicht weiter beachtet haben, seit sie sich noch in der Rundbergstraße uns gegenüber so fein aufgeführt hat. Das war ja der Anlass. Um allen Weiterungen aus dem Wege zu gehen, haben wir Tante Tante sein lassen und damit war der Kuchen gegessen. Alles andere, was sie etwa glaubt, uns gegenüber ins Feld führen zu können, sind Nebensächlichkeiten, die mit der Hauptsache nichts zu tun haben. Nannie scheint sie auch aufgeputscht zu haben, denn auf meinen Brief vom 12.7.  und meine kurze Mitteilung vom 23.10, daß ich hier angekommen bin, habe ich noch keinen Bescheid erhalten. Ich werde ihr in diesen Tagen noch einmal schreiben.  Ich werde sie darum bitten, mir mitzuteilen, was denn eigentlich vorliegt. Wenn sie mir darauf nicht antwortet, dann kann ich es leider nicht ändern.
Daß Dich in der ganzen Angelegenheit das Verhalten von Vater freut, das kann ich voll und ganz verstehen.  Wir haben doch in den ganzen Jahren kein schwieriges Wort mit ihm wechseln müssen. Das ist aber nur darauf zurückzuführen, weil einer den andere respektiert und weil jeder für die Lage des anderen Verständnis zeigt. Wir sind mit diesem Verfahren so gut ausgekommen, so daß es die ganzen Jahre hindurch nie zu ernstlichen Reibereien gekommen ist. Das ist doch ein Zeichen dafür, daß es geht, wenn man nur will. Vater versucht Dich auf die ihm mögliche Art jetzt während der Kriegszeit zu unterstützen und Du leistest ihm doch so manche große Hilfe, was er meist auch still anerkennt. Ich muß mich nur immer wieder daran erinnern, welche ablehnende Haltung er ihm Anfang Dir gegenüber einnahm und wie er durch Dein Geschick sich langsam so weit gewendet hat, daß er Dich heute sehr hoch einschätzt. Daß mir das selbstverständlich auch eine Freude ist, wenn Du die Anerkennung gefunden hast, die Du nach meiner Meinung verdient hast, das kannst Du Dir ja denken.
Daß Ihr mit dem Zurückbringen des gefundenen Geldbeutels nicht nur dem Verlierer sondern auch selbst damit eine Freude gemacht habt, das kann ich nachfühlen. Es gibt ja eigentlich nichts schöneres, als andere Menschen glücklich zu machen und zu sehen, wie sie glücklich sind. Das will nun nicht heißen, daß das immer die eigenen Leute sein müssen, denn Ihr habt es ja selbst an dem fremden Mann gesehen, welche Freude er gehabt hat.
Ich grüße Dich mit einem festen Kuß und denke in Liebe an Dich. Dein Ernst. 

Brief 488 vom 22./23.11.1943


Mein Liebling !                                                                                  22.11.43     
      
Gestern habe ich einmal nicht geschrieben. Am Vormittag hatte ich ja Dienst, da kam ich nicht zum Schreiben und gleich nach dem Mittagessen habe ich mich etwas umgezogen dazu musste ich erst ins Hotel fahren  dann bin ich mit einigen Feldwebeln über die Akropolis gegangen, um meine hier erweiterten Kenntnisse an den Mann zu bringen. Am Spätnachmittag bin ich dann mit meinen Kollegen zusammengetroffen, dann haben wir im Offiziersheim hier gemeinsam Kaffee getrunken. Es gab kleine Törtchen mit Weintrauben obendrauf. Das war ganz lecker. Später sind wir in ein griechisches Kino gegangen, um uns dort einmal den Betrieb anzusehen. Als wir wieder herauskamen, war es schon ½ 8 Uhr. Ich habe dann hier noch etwas in meinen Sprachheften herumgekramt, um dann anschließende nach hause zum Abendessen zu gehen. Von der Lauferei hatte ich doch einen ganz ordentlichen Hunger beieinander, das kannst Du ja verstehen. Dann habe ich nebenbei etwas gelesen und anschließend noch griechische Briefmarken abgeweicht. Dann war ich ziemlich müde und Zeit war es sowieso. Das war mein gestriger Tageslauf. Er war doch ziemlich abwechslungsreich.
Ein Brief traf gestern auch von Dir ein, und zwar der vom 15. Heute erhielt ich Dein Schreiben vom 16.11., so daß ich wieder einiges zu beantworten habe. vorher will ich aber erst noch auf eine andere Sachen eingehen. Es handelt sich um das Essen. Als ich hierher kam, da konnte ich nicht sagen, daß ich immer satt geworden wäre. Ich habe mir dann Rosinen gekauft und mir damit etwas geholfen. An manchen Tagen bin ich wirklich mit hungrigem Magen wieder aufgestanden. Ich konnte aber auch das trockene Brot nicht immer verzehren, denn unser Zubrot ist ebenfalls nicht reichlich bemessen. Butter oder Margarine gibt es nur zweimal in der Woche. Das ist dann meist samstags oder sonntags. Da bekommt man zum Abendessen 30 g. Große Sprünge kann man da bestimmt nicht machen. Aber das habe ich alles hingenommen. Während sich das Mittagessen gebessert hat, sind die Abendportionen gleich geblieben. Wenn es gut geht, dann bekommen wir für den Abend noch etwas Marmelade. Griechischen Wein gibt es wohl fast jeden zweiten Abend, aber das ist ja nur eine kleine Ergänzung der Verpflegung. Obst wird dagegen in gewissen Abständen ziemlich regelmäßig gegeben. Da leiden wir keine große Not. Ich gebe zu, daß es in letzter Zeit besser geworden ist gegenüber der Anfangszeit, die ich hier erlebte. Das wird auch allgemein anerkannt. Aber Fett kann man bei dieser Verpflegung bestimmt nicht ansetzen. Ich habe schon manchmal gesagt, daß ich mit Rücksicht auf die Verpflegung hier gern wieder nach dem Osten zurückgehen würde. Eine Einschränkung muß ich zwar machen und das ist der Sonntag. Da ist es meist gut und reichlich, so daß man schon merkt, daß Sonntag ist. Aber der Grund, daß ich dies alles schreibe ist ja nicht der, daß ich etwas von Euch haben will, sondern der, daß ich hier einen Kameraden gefunden habe, der mich so fast täglich mit einem Stück Wurst oder ähnlichem beistehen kann. Ich kann Dir mitteilen, daß das schon eine recht bedeutende Verbesserung meiner Verpflegung ist. Hin und wieder bekomme ich noch etwas Schmalz, das schmeckt ganz gut aufs Brot, wenn man sonst nichts weiter hat. Vorher war ich etwas körperlich heruntergekommen. Das lässt sich ja denken. Aber, wie gesagt, jetzt geht es mir schon wesentlich besser und ich denke, daß ich mit dieser Hilfe wieder ganz meine Kräfte entwickeln kann. Du wirst sagen, warum ich nichts davon bisher geschrieben habe. Ich kann darauf nur erwidern, daß ich das noch machen kann, weil ich mit der Zeit immer einen Weg finde, wo ich mir helfen kann. Ich kann ja nicht gleich die ersten Tage schreiben, ich habe noch Hunger. Das Brot, das ich aufgespart hatte, das habe ich übrig gehabt. Also, Du hast keinen Grund, mir in diese ganze Sache dazwischen zu reden. Ich wollte mich ja nur einmal vor Dir rechtfertigen, nachdem jetzt dieser Zustand einigermaßen behoben ist. Meine Gegenleistung sind Zigaretten, die ich nicht rauche. Ich meine, daß ich nun zugunsten Deines Vaters auf die Zigaretten nicht verzichten kann, denn in erster Linie muss ich ja zusehen, daß ich mir etwas zuführe. Das ist wohl nicht mehr wie recht und billig. Ich glaube, daß Du mir da auch ohne weiteres zustimmen wirst. Ich leide jetzt keinen Mangel wie Du siehst.
Was Dein Vorschlag bezüglich des Brottrocknens anbelangt, so muss ich Dir mitteilen, daß sich das hier schlecht machen lässt, das Brot noch in Streifen zu schneiden, weil es mir dann zuviel Kleinzeug gäbe, das mir dann hier herumliegt. Ich glaube, daß Du es auch sonst ganz gut einweichen kannst, denn das harte Brot lässt sich gut brechen, dann kannst Du ohne weiteres kleine Stücke daraus machen. Ich werde es also weiter in der bisherigen Art und Weise trocknen. In den nächsten Tagen habe ich wieder soviel beisammen, daß es ein Päckchen gibt. Wenn man darauf Obacht gibt, daß nichts umkommt, dann sammelt sich das ganz schön mit der Zeit. Man sieht doch, daß es sich lohnt. _ Den Andrang beim Kinobesuch habe ich ja selbst kennen gelernt.  Wenn Du einmal einen von diesen Bengels beim Kragen gepackt hast, dann schadet das bestimmt nichts. Denn die Kerle glauben, daß sie schon Herrenrechte haben und weil niemand auf sie Obacht gibt, könnten sie sich das erlauben. Ich hätte das auch einmal sehen wollen, wenn er Dir hätte eine langen wollen, was Du mit dem gemacht hättest.  Ich habe ja schon mit Dir zu tun, wenn ich einmal mit Dir gerempelt habe, geschweige dann solch ein Scheißer. Das ist aber doch allgemein mit dieser Gesellschaft so.  Ich denken nur noch an die Begebenheit im Bade mit den Mädchen. Die glaubten ja auch, mit Frechheit, die vom Baldisch in seiner Dummheit unterstützt wurde, könnten sie alles machen. Der einen Göre war es aber doch etwas anders geworden, als ich dann zu ihr hinaufkam. _ Deine Mitteilung über den einen Klassenlehrer von Helga ist ja weniger erfreulich. Ich denke, daß man da noch eine Weile mit zusieht. Vielleicht wendet sich einmal jemand anders an die Schule. Sollte das aber ein Dauerzustand bleiben, dann kann man sich ja beim Rektorat darüber beschweren. Du mußt aber den Kindern nichts weiter davon sagen, denn es hat keinen Zweck, daß das irgendwie verbreitet wird, denn es könnte sonst sein, daß dieser Kerl ihr nachher Schwierigkeiten bereiten würde. Dem wollen wir ja gleich die Spitze abbiegen. Helga kannst Du ja sagen, daß sie sich nichts weiter daraus machen soll, denn ich glaube, daß dieser Mann etwas übernervös ist. Wenn sie die meisten Sachen der gestellten Fragen beantworten kann, dann braucht sie keine Bange haben, wenn er ihr eine 6 geben will, sie muß nur dann bei den schriftlichen Arbeiten ihre Gedanken zusammennehmen, damit sie dort richtig abschneidet.
Ich habe mich manchmal darüber gewundert, wo hat unser Junge dieses Handelstalent her. Wir beide sind doch nicht mit diesen Gaben besonders bedacht. Wie es mir scheint, ist er da nicht unbeschickt. Das ist so ein kleiner Geschäftemacher. Solange er seine eigenen brauchbaren Spielsachen nicht verlost und das Geld verjuxt, ist ja nichts dabei.
Lasse mich heute wieder schließen mit recht guten Wünschen für Euch alle. Bleibt gesund und nimm Du mit den Kindern recht viele herzliche Grüße und viele liebe Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                                    23.11.43 
          
Herzlichen Dank für Deine Briefe vom 17. und 19., die ich heute schon erhielt. Auch ich habe mich über Deine Einkaufserfolge gefreut. Man ist das nicht mehr gewohnt, irgendwelche Artikel ohne irgendwelche Anstände zu bekommen. Wenn Du das noch alles an einem Tag erhalten hast, dann ist das einem innerlich ein beglückendes Gefühl. Ich kann das nachempfinden, denn mir geht es auch so, wenn mir manchmal etwas besonders gelingt.
Ich habe von Siegfried seit einiger Zeit noch keine Nachricht. Wie Du mir ja mitteilst, befindet er sich ja noch an der Südfront. Die Alarmnachricht Deines Vaters, wegen der Verlegung nach dem Osten, ist dann anscheinend nicht zutreffend. Dass er ab und zu mit Engländern zusammenkommt, ist ja ein Zeichen für die Richtigkeit Deiner Vermutung. Hier sind gestern von den auf Leros gefangenen Engländern ein großer Zug durchgekommen. Es war nur schade, daß es schon fast dunkel war. So ein Gefangenenhaufen ist im großen und ganzen kein erhebender Anblick. So unordentlich und disziplinlos kommen dann die Leute daher, ein jeder ein bisschen Krämchen auf dem Buckel. Aber Mitleid ist hier nicht am Platz, denn uns gegenüber wird ja auch kein Mitleid geübt.
Interessant war ja Deine Mitteilung, daß Du Dir einen neuen Ausklopfer besorgen musstest, weil er vom vielen Verwichsen kaputtgegangen ist. Ich muß schon sagen, daß unsere Ware dann doch ziemlich widerstandsfähig sein muß, wenn sie soviel abhalten kann. Wenn Du aber so weiter machst, dann kommt die Erziehung doch ziemlich teuer zu stehen, oder meinst Du nicht?
Heute kann ich Dir einmal die Adresse mitsenden, wohin Du meine Uhr per Einschreiben abschicken kannst. Der betreffende Kamerad fährt morgen in Urlaub und der will sie mir dann mitbringen. Der Betreffende kommt etwa kurz vor Weihnachten wieder, dann habe ich auf diese Weise noch ein Weihnachtsgeschenk. Meine kleine Standuhr hat die Gewohnheit, etwas nachzugehen, so daß ich froh wäre, wenn ich immer eine hätte, nach der ich die andere regulieren kann.
Wenn Du an Leglers ein kleines Bild von uns schicken willst, dann habe ich nichts dagegen. Auch die Verteilung der anderen Bilder überlasse ich Deinem Gutdünken. Wenn Du an Siegfried nur eines schickst, dann hat Erna keines und wenn Du es ihr sendest, dann tritt der umgekehrte Fall ein. Daher wird es wohl zweckmäßiger sein, wenn Du an jeden eines abschickst. Wir haben ja dann immer noch einige davon. Ich glaube, ich habe mich zu der Vergrößerung noch gar nicht geäußert. Ich muß sagen, daß ich mir selbst langsam gefalle. Ich habe schon meine Kamera den gefragt, ob sie einmal einen schönen Mann sehen wollen. Weißt Du, was die mir daraufhin geantwortet haben? Wie dick und vollgefressen der Kerl aussieht. Das ist doch die Nähe. Na, denen gebe ich es schon einmal wieder.
Was den Briefmarkenkatalog anbelangt, so kann ich ja auch an Deinen Vater schreiben. Wenn Du aber bei Kuster nochmals nachfragen würdest, ob er nicht noch ein älteres Exemplar übrig hätte. Es soll nur die Deutschlandausgabe sein, das andere ist ja doch zu groß. Eine andere Möglichkeit wäre noch die, daß Du den Katalog zertrennst und die Deutschlandseiten herausnimmst.  Aber ich will erst einmal sehen, was wir so erreichen.
Gestern war ich wie üblich an den ersten Abenden der Woche im Kino. Es wurde ein Artistenfilm „Tonnelli“ gegeben, der mir gut gefallen hat. Die menschlichen Momente sind ganz gut herausgestellt, was mir darum besonders zugesagt hat. Der Film lief seinerzeit in München, als wir dort waren. Wir bekamen nur keine Karten mehr. Wie Du siehst, taucht immer wieder einmal eine Erinnerung auf die schönen gemeinsam verbrachten Tage auf.
Wenn Du Dich dazu entschlossen hast, an Erna keine Rosinen zu schicken, dann ist mir das auch recht. Ich verstehe Dich durchaus, denn das könnte unter Umständen ein Anlass zu irgendwelchem Ärger sein, den man so vermeiden kann.
Für die Übersendung der Abschrift des Schreibens der Bausparkasse danke ich Dir. Ich bin froh, daß es sich herausgestellt hat, wo es abgeblieben ist. Ich schreibe alsbald und lasse Dir dann meine Antwort zugehen, damit Du den Erbschein beifügst. Es Ganze geht dann auch wieder als Einschreiben.
Wie ich lese, habt Ihr auch schon nach dem Abendessen Rosinen gegessen, um die Abendportion damit etwas zu verlängern. Das habe ich ja auch schon getan, und ich habe mir damit schon ganz gut geholfen.
Hier ist es noch nicht kalt und man kann es sich wohl so ungefähr vorstellen, wie es daheim winterlich wird. Ich habe immer noch meine Sommerkluft an. Auch abends friere ich noch nicht darin.
Mit vielen lieben Grüßen und recht herzlichen Küssen bin ich wie immer in Liebe Dein Ernst.

Brief 487 vom 20.11.1943


Mein liebstes Mädel!                                                                          20.11.43  
             
Das Wochenende ist schon wieder herangekommen. Ich will erst kurz auf meinen gestrigen Kinobesuch eingehen. Der Film „Wenn die Sonne wieder scheint“ schien mir nach dem Titel zu urteilen, ein Schmarren zu sein. Ich hatte mich aber gewaltig getäuscht. Das ist einer der wenigen Filme gewesen, die ich in letzter Zeit gesehen habe, die schauspielerisch und inhaltlich sehr in Ordnung waren. Es werden die Kontraste zwischen jungen und alten Menschen gezeigt, die sich bei der Übernahme der Aufgaben der Alten durch die Jungen herausstellen. Die Art und Weise, wie der alte flandrische Bauer seinen Hof verwaltet hat, läßt der Sohn ganz und gar gelten. Doch der Junge bringt neue Ideen von der Schule mit, die der Vater nicht versteht. Es entstehen Komplikationen, die sich fast zur Katastrophe auswirken. Ich war während der Dauer ziemlich losgelöst und ganz beim spiel. Ich habe immer das empfinden, wenn das erreicht wird, dann muß ein Schauspieler schon etwas können. Denn das ist doch der Zweck, daß man mit der Handlung mitleben soll. _ Post habe ich gestern nicht bekommen und heute auch nicht. Das kann ich nach dem vorgegangenen Segen nicht verlangen. Von Dir trafen Zeitungen ein und von Deinem Vater auch. Gestern erhielt ich übrigens auch Zeitungen mit dem einen Säckchen. Was Dur mir von den Briefmarken schreibst, so kannst Du mir ja die doppelt beschafften einmal mitschicken. Wenn Du Dich nun nicht gleich so hineinstürzen kannst in meine Markensammlung, so ist mir das vollkommen verständlich. Ich werde mich auch entsprechend gedulden. Mir laufen ja hier die Sachen nicht weg. Ich muß ja doch erst auf den Eingang des Katalogs warten. Ich habe nicht Lust, mich übers Ohr hauen zu lassen. Die Händler machen ja trotz allem noch ein Geschäft. Ich will aber auch etwas davon haben, sonst lasse ich es lieber bleiben. Ich hatte hier Gelegenheit, einige neue griechische Marken billig zu kaufen. Ich sende sie Dir heute mit zu. Hebe sie mit auf. Einen Satz kannst Du Kuster anbieten, wenn er ihn haben will. Für Deinen Vater habe ich auch eine beschafft, den kann er für Siegfried mit aufheben. _ Bei Deinen letzten Briefen habe ich mir einige Randbemerkungen erlaubt. So auch wegen der Schreibmaschine, die an dem Papier hängen geblieben ist. Ich bitte Dich, diese Sachen etwa nicht tragisch zu nehmen. Ich finde das nur so putzig, wenn die so hin und herbaumelt. Das ist ja kein Wunder, wenn das Papier dann etwas einreißt, denn das Gewicht muß sich ja mir der Zeit bemerkbar machen. Ganz abgesehen davon, daß wir nun im fünften Kriegsjahr leben; da ist das Papier auch nicht mehr so gut.
Es ist sehr nett, wenn sich Helga ab und zu Deiner Hausarbeiten annehmen kann, wenn es Dir einmal nicht recht ist. Sie ist ja schon so groß. Ich glaube schon, daß das nicht so leicht ist, besonders bei ihrer Größe, hochzuheben. Sie ist aber auch noch ein Kind und hat es gern, wenn sie ein bißchen verhätschelt wird. Ich weiß ja noch, wie ich verwundert war, wie mir unser Töchting ohne große Anstrengung und ohne sich erst auf die Zehenspitzen zu stellen, mir um dem Hals langen konnte.
Die Schokolade, die Du abgeschickt hattest, ist ja richtig angekommen. Daß Du Dir so Gedanken machtest, was Du mir schicken könntest, das war ja nicht notwendig. Aber ich muss Dir auch zustimmen, daß es wirklich schade darum wäre, wenn Dur mir Obst hierher senden würdest. Bei der langen Transportdauer über es sicherlich nicht ordentlich ankommen und das wäre doch sehr schade. Wir bekommen hier ja auch ab und zu frisches Obst. Manchmal gibt es einige Äpfel oder, wie wieder gestern, Weintrauben. Ich schrieb Dir ja schon, ich komme schon auf meine Rechnung.
Ja, das sind so Kindersorgen, wenn wir nicht einmal wissen, was für Namen wir einem Kind geben würden. Das wäre ja auch allerhand, wenn man so plötzlich vor eine solche Tatsache gestellt würde. Die Kinder haben eben noch keine so richtige Vorstellung von allem Das ist ja in allen Einzelheiten auch nicht so nötig.
Ihr habt in Stahringen also nochmals Äpfel geholt, wie ich aus Deinem Brief ersehe. Ich kann mir Vater vorstellen, wie er wieder aufgeregt war, daß er seinen Kauf nicht selbst mitschleppen konnte. Er wird erleichtert aufgeatmet haben, als der Koffer bei Eurer Ankunft in Petershausen auch da war. Die wenigen Pfennige haben sich doch wirklich verlohnt. Er ist eben kein Riese und in dem Alter wirkt sich das nun noch stärker aus.
Die 700 Zigaretten mußt Du aber sehr einteilen. Wenn Du Deinem Vater welche schickst, dann höchstens 100. Von mir hat er ja auch wieder ziemlich Rauchwaren erhalten. Es hilft alles nichts, er muß sich einteilen.
Um auf die Briefmarken noch einmal zurückzukommen. Die, die in meinem Album innen auf den vorgesehenen Seiten liegen, die können ruhig drin bleiben. Ich habe vorne drin und auch so in einigen Schachteln noch welche herumliegen. An die habe ich vorerst gedacht. Auch von den ukrainischen Marken. Ich habe da noch einige höhere Werte (60 und 80 Pfennige), die sind wohl doppelt, die sende doch auch mit.
Lasse mich nun schließen mit einem herzlichen Kuss und vielen Grüßen für Dich und die Kinder. Dein Ernst. 

Mein liebster Schatz!                                                                                20.11.43   
       
Recht herzlich danke ich Dir für Deinen Brief vom 15.10. , der heute einig. Ein Bummelant kam nun auch angetrottet, Es war der Brief vom 21.9. mit den beiden Schreiben unserer Kinder dabei, Über alles habe ich mich sehr gefreut, denn es waren doch wieder recht liebe Grüße von daheim. Dein Vater sandte mir gestern ein Heft und heute kam wieder eins an. Ich muß sagen, daß er mich in dieser Hinsicht reichlich versorgt, und ich muß mich schon sehr dranhalten, wenn ich mich durch diesen vielen Lesestoff hindurch beißen will. Aber es macht sich schon mit der Zeit. Gestern habe ich vier der Hefte , die ich gelesen habe, an Dich abgesandt. Es sind zwei kleine Sendungen. Du alte Leseratte  bitte, die Betonung liegt auf Leseratte  hast doch gern etwas zum Schmökern. Ich glaube, daß wir uns bald eine eigene Bibliothek  für diese kleinen Bände anlegen müssen, solche Ausmaße nimmt doch schon unsere Sammlung davon an.  Wenn ich in Deinem Schreiben lese, daß Ihr schon die warmen Sachen vertragen könnt, dann mutet einem das komisch an, weil ein Teil der Landser noch in kurzen Hosen herumläuft. Ich kann es mir jetzt nicht leisten bei meinem Durchmarsch. Aber die Tropenmontur ist immer noch die Bekleidung. Wenn es gut geht, dann will ich versuchen, heute über Mittag im Bade in die Sonne zu legen. Wenn ich ganz auf dem Damm wäre, würde ich gern noch baden, denn das kann man sich schon noch hier im Freien leisten. Die Sonne scheint noch, zwar die Hitzegrade und das Drückende herrscht jetzt nicht mehr. Wolken stehen ja auch am Himmel, aber die sehen harmlos aus. Ungefähr so wie im Sommern, wenn so ein schöner fotografischer Tag ist mit einige kräftigen Wolken am Himmel, die aber keinen Regen versprechen. wie ich lese, seid Ihr am  vergangen Samstag in Stahringen gewesen. Ob Ihr nun Obst bekommen habt, das wird sich ja noch zeigen, wenn ich Deinen nächsten Brief erhalte. Äpfel oder sowas könnt Ihr immer noch vertragen, das ist bestimmt nicht schade. Mit dem getrockneten Obst und mit meiner Rosinenflut hast Du dann etwas Bewegungsfreiheit. Ich hoffe ja, daß das „Päckchen“ angekommen ist, denn das war ja schließlich der größere Teil. Das andere, was ich so laufend wegschicke, das läßt sich schon bewältigen. Wenn es geklappt hat, dann kann ich vielleicht schon in der nächsten Woche von Dir Bescheid über das Eintreffen erhalten. Ich muß sehen, daß Helga sich mit dem Radfahren sehr daran gehalten hat. Sie ist sicher froh, daß sie noch nicht zu alt dafür ist, wie ihr Ingrid prophezeit hatte. Das war doch ihre Sorge, als sie es lernte, daß sie es wohl nun doch nicht so richtig mehr lernen würde. Beim Lernen hat sie sich kein bisschen ungeschickt angestellt, das Zeugnis kann ich ihr ja geben, denn sie war sehr eifrig bei der Sache. Die wenigen Stunden, die wir haben dazu verwenden müssen, bis sie selbst fahren konnte, das waren bestimmt nicht viel. Unserem Jungen werden wir es auch noch beibringen, wenn sich einmal die Gelegenheit bietet. Helga kann es, wie ich sehe, ab und zu brauchen, wenn sie in die Schule muß. Sie soll aber nicht zu toll werden. Du versuchst Dich ja auch auf meinem Rad, wie geht es denn damit? Wie ich aber schon gelesen habe, hast Du Dich mit großen Ladungen versucht und es ist anscheinend gegangen. Sieh Dich nur vor, daß Dir nichts passiert. Denn für Dich ist das nicht so handlich wie Dein Rad. Wenn Ihr Zwei so den Schneckenbuckel so hinunterbraust, das möchte ich schon gern einmal sehen.
Von Siegfried erhielt ich doch ein Schreiben, in dem er mir auch ziemlich kurz mitteilt, daß er sich in Italien befindet und daß er uns nichts mehr besorgen könnte. Er würde versuchen, über Kurt Kühn, der bei der Eisenbahn in Frankreich istm, etwas für Euch zu erhalten. Du wirst ja sehen, was dabei herausspringt. Ihm werde ich auch in diesen Tagen bald wieder schreiben, damit diese Verbindung mit ihm in Gang kommt. Durch diese Veränderung sind wir ganz aus dem Turnus herausgekommen.
Unter Schnaken habe ich hier eigentlich nicht weiter zu leiden, aber so andere kleine Viecher fliegen hier nachts herum, die an sich gefährlicher sind, weil sie eine Art Fieber hervorrufen, wenn man von ihnen gestochen wird. Das haben doch unsere heimischen Schnaken nicht an sich, und das ist doch bestimmt etwas wert. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ich meinen Durchmarsch auf diese Biester zurückführen muß.  Wie ich weiter lese, hast Du Dich in der vergangenen Zeit wieder handwerklich in jeder Beziehung betätigt. Ich bin nur froh, daß Du mit den verschiedensten Sachen umzugehen  und Dir zu helfen weißt. Wäre das nicht der Fall, so hättest Du doch manche Schwierigkeit und manches käme aus seiner Ordnung. Das ist mir bestimmt eine große Beruhigung, daß ich eine solche geschickte Hausfrau daheim habe. Ich bitte Dich aber auch heute aus diesem Anlass, daß Du Dich nicht zu sehr übernimmst, damit Du nicht eines Tages schlapp machst. Schone Dich, soweit es sich irgendwie einrichten läßt, damit Du Deine Kräfte immer wieder auffrischen kannst.
Die Sachen wegen der Bausparkasse sehe ich noch einmal durch, und ich werde Dir dann die Antwort zugehen lassen, damit Du sie Vater vorher zeigen kannst. Mir ist nicht ganz klar, wie er sich zu den Dingen verhält. _ Du hast ja selbst schon rechtzeitig nach den Äpfeln von uns gesehen. Sie sind dadurch nicht schlecht geworden, weil Ihr sie bald verzehrt habt. Aber es freut mich heute besonders, wenn ich das lese, wenn ich daran denke, daß wir uns so eifrig an das Trocknen der ringe gemacht haben. Wenn wir uns nicht so daran gehalten hätten, dann wäre uns ja doch ein großer Teil verloren gegangen. Ja sagen wir: KdF = Kampf dem Verderb. Der Hosenstoff für unseren Jungen hat nun Verwendung für einen Rock für unser Mädel gefunden. Damit ist ihr ja auch wieder geholfen. Das ist immer wesentlich, daß Du soviel Spielraum hast, um etwas zu machen. Es ist ja nicht unbedingt notwendig, daß die gemachten Pläne stur eingehalten werden müssen.
Ich finde es auch komisch, daß sich Dein Vater so um das Kohlenschichten bei Erna bemüht, ob das Verhältnis jetzt wieder etwas besser geworden ist? Denn so scheint er ja doch nicht mehr über Erna herzuziehen, wie er es einmal eine Zeit getan hat. Diese Sachen nimmt Dir niemand ab und Du muß Dir erst dafür ein Rückenweh beschaffen, bis Du diese Arbeit geschafft hast. Aber froh bin ich doch, daß Ihr den Winterbrand im Keller habt, dann ist doch in dieser Hinsicht auch gesorgt.
Ja, die Tage in München. Das kann ich Dir ohne weiteres nachfühlen, daß Dir das gefallen hat, daß alles so ordentlich und aufgeräumt war, Schön war auch, wenn man so früh zum Frühstück ging. Alles wurde einem hingestellt,.  Das ist schon angenehm, wenn man sich einmal bedienen lassen kann. Denn als Hausfrau muß man das ja sonst jahraus, jahrein selbst machen. Es war dort wirklich sehr freundlich und nett. Aber das Wichtigste dabei war auch mir, daß Du dabei gewesen bist, denn sonst hätte das alles für mich nur halb soviel Bedeutung gehabt.
Mit der Bastelarbeit hat Dir Helga eine weitere Arbeit ins Haus gebracht. Unser Jörg hat, wie ich feststellen muß, auch schon seine Ansprüche geltend gemacht. Wenn Du aber auf diese Art noch ein Spielzeug für die kleine Ursula dabei herausbekommst, dann ist da ja ganz schön. Daß die von mir gesandte Baumwolle noch eine solche Verwendung findet, das hätte ich mir nicht geträumt. Aber wenn Du diese Sachen noch für Hausschuhe verwenden willst, dann hat das Verpackungsmaterial , das wir uns noch in Charkow beschafften, bestimmt seinen Zweck erfüllt.
Für heute will ich es gut sein lassen. Nimm viele Grüße entgegen. In Gedanken bin ich immer bei Euch. Herzliche Küsse füge ich für Dich bei und bin in Liebe immer Dein Ernst.

Meine Liebste!                                                                                               20.11.43 
          
Du wirst lachen, aber ein Großteil des Tages bringe ich immer noch auf dem Klosett zu. Diese Gänge sind für mich jetzt sehr wichtig. Ich muß da an eine Sache denken, die neulich in der Zeitung stand. Ein Mann kommt nach hause von einem Stehgelage. Diese Kneiperei ist ihm nicht ganz gut bekommen. Er ruft: Frau, bringe mir doch einen Kübel, ich muß mich übergeben. mach aber schnell. Die Frau läuft und bringt den Kübel. Inzwischen hört man den Mann schon wieder rufen, „Frau, lassen den Kübel sein, ich habe es mir anders überlegt, bringe mir lieber eine frische Hose.“ Soweit kommt es bei mir zwar nicht und die Ursache ist auch nicht darauf zurückzuführen, aber immerhin mir reicht es schon so. Ich hoffte eine Besserung dadurch herbeizuführen, daß ich das Essen wesentlich einschränke. Aber nur die Mittagsportion und ein Teil des Abendessens ist doch auf die Dauer zu wenig. Das mache ich nun schon seit 3 Tagen, aber eine Änderung meines Zustands ist noch nicht zu bemerken. Wenn es nicht anders wird, gehe ich nochmals zum Arzt. Zum Hungerkünstler will ich mich nicht ausbilden. Aber vom Dienst will ich auch nicht fernbleiben. Es liegt aber keine Veranlassung vor, daß Du Dir deshalb Gedanken machst.  Daß dieser Schwehr versucht, sich von Zeit zu Zeit bemerkbar und wichtig zu machen, das liegt nun einmal in der Natur solcher kleinen Geister. Das ist für mich auch kein Grund zum Aufregen, wenn ich weiß, daß Du Dir weiter nichts daraus machst. Das sind eben kleine Hasselzwerge, die stolz sind, einmal etwas sagen zu dürfen. Lasse diesen Kaffern links liegen, und wenn er Lust zum Meckern hat, dann soll er ein Ei legen und es, wenn er will, bebrüten. Das soll uns alles nicht weiter kümmern.
Durch das Zusammensein in München hat sich für Dich die Trennung etwas anders gestaltet. Das war ja für mich einer der Gründe, die mich veranlassten, Dich kommen zu lassen. Die Kinder kommen im allgemeinen besser darüber hinweg und durch Dein Wiedereintreffen hat es ihnen ja nur Freude bereitet, so daß sie meine Abreise nicht mehr so empfunden haben. _ Die Gartenarbeit hat Dich auch in der vergangenen Zeit sehr in Anspruch genommen und ich Freude mich, daß die Bohnen noch so geworden sind, daß Ihr etwas davon gehabt habt. Uns werden sie ja hier in der Woche mindestens zweimal vorgesetzt. Die meisten meutern ja darüber, doch es hilft ihnen nicht viel. Hast Du eigentlich genügend Zwiebeln? Vielleicht könnte ich hier noch welche kaufen. Nur die Absendung macht mir noch Gedanken, weil wir ja nur zwei Päckchen senden dürfen. Übrigens habe ich heute wieder ein Päckchen an Dich abgeschickt. Es enthält zur Abwechslung und zum Abgewöhnen wieder einmal ....Rosinen. Du wirst bald sagen, wohin mit diesen vielen Dingern.  Mancher wäre vielleicht froh, er bekäme welche. Wenn man etwas dafür tauschen könnte, dann wäre Dir auf diese Art geholfen. Aber sie werden auch so ihren Mann finden. Du mußt Dir keine Gedanken machen, daß ich nichts esse. Ich habe seit meiner Ankunft bis jetzt über 1 kg Rosinen verzehrt und auch einige Feigen. Ist das nichts?  Demnächst will ich, wenn mein Magen wieder in Ordnung ist, mir sogar ein Stückchen Torte leisten. Ich scheute bisher immer die teuren Preise, aber wo ich nun schon weiß, daß ich für Euch hier nichts weiter erwerben kann, da habe ich mich zu diesem Schritt entschlossen. Vielleicht habe ich Geld dazu, wenn es soweit ist. Das Päckchen hat die Nummer 3 und nun steht mir immer noch eines für diesen Monat offen, denn das wurde mir anscheinend irrtümlich nicht angerechnet. Ich bin bestimmt nicht böse darum. So bekomme ich doch die Sachen nach und nach von hier weg.
Für die mitgesandten Fotos habe ich mich noch nicht bedankt. Sie sind ganz nette Erinnerungsbilder, wenn sie zum Teil auch etwas hätten besser sein können. Aber da wollen wir darüber hinwegsehen. Die Bilder vonm Fenster sind soweit ganz gut geworden. Nur auf dem einen, da ziehe ich einen Latsch, das ist schon nicht mehr heilig. Auch die Bilder, die Du noch gemacht hast, sind ganz schön geworden, die Kinder sind ganz gut getroffen und auch Du sitzst ganz gut auf dem Bordstein. Wo habt Ihr die denn gemacht? Also vielen Dank dafür. Ich denke, daß ich in diesen Tagen von mir hier einige Bilder bekommen werde. Ich lasse sie Dir dann als Bild zugehen. Ich will Dich aber nicht zu neugierig machen, denn sonst sind Deine großen Vorstellungen davon nachher enttäuscht. Gespannt bin ich ja, wenn Du mir einmal die ersten Bilder von München schickst. Ich glaube, da könntest Du mir so nach und nach einen Streifen nach dem anderen zugehen lassen, denn mich interessiert das ja auch, zu sehen, was wir da für Gesichter machen.
Eine Sache drückt mich hier, das ist das Stopfen meiner Strümpfe. Bisher hat sich immer jemand gefunden, der mir diese Arbeit abgenommen hat. Die Wäsche wird uns wohl gewaschen, aber die Strümpfe, die kommen mit den gleichen Löchern wieder zurück, mit denen man sie hingibt. Meist sind sie sogar noch größer. Jetzt habe ich, nachdem ich nun mehrere Male mit mir zu Rate gegangen bin, beschlossen, Dir in Zukunft meine Strümpfe anzuvertrauen. Ich werde sie Dir immer zusenden und wenn Du dazu kommst, dann läßt Du sie mir bitte wieder zugehen. Du wirst zwar von diesem Auftrag nicht sonders erbaut sein, aber ich weiß mir nicht anders zu helfen. Die wenigen Drachmen, die wir ausbezahlt erhalten, will ich nicht an die Leute für solche Zwecke ausgeben und wenn ich das selbst mache, dann verspreche ich mir davon einen glatten Misserfolg. Also sei bitte so liebe und nimm Dich meiner Strümpfe in gebührender Weise an.  Herzlich grüße ich Dich, die Kinder und Vater. Viele Küsse für Dich und die Kinder füge ich bei und bin immer Dein Ernst.

Brief 486 vom 19.11.1943


Mein liebster Schatz!                                                                             19.11.43 
        
Das war gestern noch eine flut von Zeitungen, die sich gegen mich wälzte. Einige von Dir und ein größerer Schwung von Deinem Vater. Für die Grüne Post und die Konstanzer Zeitungen danke ich Dir. Dann kam noch Dein liebes Päckchen vom 25.10.  an. Ich habe gleich einmal probiert, wie Deine neuen Erzeugnisse schmecken. Ich bin zu den Ergebnis gekommen, daß sie sich würdig an die schon bekannten Backwaren einreihen. Mein Kompliment und vielen Dank  dafür. Es ist alles gut angekommen und schmeckt noch ganz frisch. Dann kam aber noch die Überraschung von unserem Jungen an.. Das war aber wirklich eine Überraschung. Ganz ahnungslos öffne ich den großen Umschlag. Mein Erstaunen war nicht gering, als dann der Adventskalender herauskam. Ich habe ich nur äußerlich angesehen und mich ganz an die Weisung gehalten, daß ich nur für den betreffenden Tag das entsprechende Fenster auch machen darf. Das will ich getreulich einhalten. Ich werde ihn in meinem Hotelzimmer aufhängen und während der Vorweihnachtszeit besonders an Euch und an unseren Jungen denken, der mir das gebastelt hat. Ich werde mich bei ihm noch persönlich bedanken. _ Deine Ansicht, daß den Russen die Zerstörung der Stadt zu schaffen machen würde, ist durchaus richtig. Ich muß nur daran denken, wie es uns gegangen ist, einen größeren Nachschubapparat unterzubringen und aufzubauen. Das ist nicht so einfach. Wenn dort nicht das Äußerste von den Menschen verlangt wird, dann läßt sich das nach meiner Ansicht nicht durchführen. Man kann ja nicht alles in Kraftwagen unterbringen und im Freien können die Leute im Winter auch nicht immer bleiben. Es kann schon sein, daß es da manche Schwierigkeiten geben kann, wenn wir alles so restlos zerstört habe, was in dieser Beziehung einigermaßen brauchbar war.
Ich habe jetzt nun angefangen, die Bilderserie von uns in Raten wieder zurückzusenden. Wie  ich las, hast Du die Vergrößerungen inzwischen erhalten. Ich bitte Dich, daß Du mir diese auch nach und nach je einmal mit herschickst, wie wir dann über die anderen verfügen, das werden wir ja sehen. Du schreibst, daß es bei Euch schon Frost gegeben hat. Die Mitte des Novembers   haben wir auch schon überschritten. Da muß man schon damit rechnen. Wenn bei uns die Dahlien aus dem Garten heraus sind, dann ist für uns eigentlich die Gartenarbeit im großen und ganzen abgeschlossen. Diese Stücke hast Du ja auch schon umgegraben, dann bleibt ja nicht mehr viel. Die Unterstützung der beiden Jungens hast Du ja auch dabei gehabt. Ich muß mich immer wieder wundern, wie die beiden Bengels doch zusammenhängen. Ich habe auch nichts dagegen, wenn unser Jörg mit diesem Richard zusammen spielt, denn meist hält er ja zum Jörg. Schlecht ist dieser Bengel an sich nicht. Die Verhältnisse in seiner näheren Umgebung sind es aber und die notwendige Aufsicht fehlt auch. Dann ist es ja so, daß es gut möglich ist, wenn Jörg einmal in eine andere Schule kommen sollte, daß er dort einen Kameradenkreis findet, der ihn dann mehr in Anspruch nimmt. Wenn sie sich einmal prügeln, das ist nicht weiter schlimm, das gehört nun bei Jungens einmal dazu. _ Für Helga war das also eine Überraschung, als ich ihr den Brief in Englisch geschrieben hatte. Ich stelle mir ihr erst verdutztes Gesicht vor. Ich hoffe, hier demnächst einige Unterlagen zu bekommen, dann kann ich einmal etwas mehr schreiben. Meinst Du nicht auch, daß es für sie eine Anregung ist ? Mit Sprachen kann man nur vorwärts kommen, wenn man übt und immer wieder übt. Diese kleinen Fehler, die sie in der Schule gemacht hatte, hätte sie vermeiden können, wenn sie überlegt hätte. Denn sie weiß ja was Einzahl und was Mehrzahl ist. Daß dann mein anderer Brief wieder Anklang gefunden hat, ist ja nur recht.  Ich kann mir vorstellen, daß ich etwas anderes hineingeschrieben hat, was es vielleicht im englischen nicht gibt, aber es kann ja auch auf einem Fehler von mir beruhen.
Wenn Du keine Maden in den Rosinen gehabt hast, dann ist es ja gut. Ich habe Dich nur mit meinem Schreiben darauf hinweisen wollen. Die Packungen kannst Du ja vorsichtshalber einmal aufmachen und an der Seite nachsehen. Mir ist es hier also passiert, daß ich Offene gekauft habe die voller Madendreck waren und auch sonst nicht sauber.  Ich mache sie mir gründlich sauber, dann kann ich sie auch noch essen.
Wegen dem Essen hier musst Du Dir keine Gedanken machen. Ich komme jetzt schon auf meine Rechnung. Am Anfang tut man immer etwas schwer, aber mir der Zeit spielt sich das ein. Ein Kamerad läßt mir ab und zu einmal ein Stück Wurst zukommen, das er von seiner Zusammenarbeit mit den Schlächtereien erhielt. Du siehst, es gibt immer wieder kleine Möglichkeiten, wo man sich helfen kann.
Ich bin ja erstaunt, daß Du einen ganzen Tag gebraucht hast, um Dir zu überlegen, was Du mit mir machen willst, weil ich Dich gefuchst habe. War das ein solches Problem? Ich habe doch Waffenstillstand angeboten. DAß ich das nicht bedingungslos machen kann, das mußt Du ja selbst einsehen, denn dann wäre mir ja nicht mehr die Möglichkeit gegeben, je ein Wort mehr zu geben. Nein, mein lieber Schatz, das kann ich mir nicht leisten. Du hättest mich dann ja vollkommen in Deiner Hand. Es genügt mir schon so, was ich auszuhalten habe, geschweige denn noch eine solche Belastung. Ja, das ist es eben, dieses dauernde Schimpfen, das schmettert mich so nieder, und da ist es keine Kleinigkeit, sich „tapfer“  wie Du schreibst  zu verteidigen. Es bleibt mir ja nichts weiter übrig, als mich meiner Haut zu wehren, so gut es geht, denn ich komme ja sowieso ganz und gar unter Deine Fuchtel. Merkst Du nicht, wie ich schon zittrig schreibe vor lauter Aufregung? Das ist ja auch kein Wunder. Nachdem Du mir das Fuchsen nun in ganz engen Grenzen erlaubt hast, überlege ich nun schon den ganzen Tag, wie ich einmal Gelegenheit habe, wieder etwas anzubringen. Mir fällt aber auch absolut nichts ein. Ist das nicht ein Kreuz?  Wenn man schon einmal so ein Zugeständnis hat, dann kann man keinen Gebrauch davon machen, weil einem aus angeborener Schüchternheit kein passender Gedanke kommt. Wenn Du es aber erlaubst, dann hole ich das einmal nach, wenn mir so ein spitzer Gedanke kommt. Heute lassen wir es einmal gut sein, wie es geworden ist. einverstanden?
Heute hatten wir einen Regen. Ach, was sage ich. Ein Wolkenbruch im wahrsten Sinn des Wortes. Ich wollte über Mittag nach hause gehen. Es fängt ganze leise an mit regnen. Ich stelle mich unter und warte auf die Straßenbahn. Aber auch unter der Sonnenplane des Geschäfts schlägt nach und nach der Regen durch. Die Straßenbahn kommt angefahren. Ich wage den kühnen Sprung über die Straße, aber ich bin schon durch, fast bis auf die Haut. In der Straßenbahn peitscht der Guss durch die Fensterritzen, daß das Fahren keine reine Freude war. An der Aussteigestelle tobt diese Wetter ungehindert weiter, so daß ich noch den Rest bekomme. Es hilft nicht, ich muß mich nochmals unterstellen. Die Straßen, so breit wie sie sind, sind ein großer Bach, der seine Fluten bis weit über die Bordsteine dahinschließen läßt. Man sagt, daß sei hier so üblich, wenn es einmal richtig regnet. Na, ich muß sagen, das langt mir. Im Hotel habe ich mir erst einmal frische Kleider geholt, dann hatte ich es geschafft. Ich war bis auf die Haut durchnässt.
Jetzt will ich aber schließen. Ich habe jetzt auch wieder viel zu viel über mein sonstiges Maß hinaus geschrieben. Das kannst Du ja nicht verdauen.
Lasse Dich recht herzlich grüßen und grüße und küsse bitte die Kinder von mir. Dich selbst küsse ich in Gedanken fest und bin immer Dein Ernst. 

Brief 485 vom 17./18.11.1943


Mein liebster Schatz !                                                                     17.11.43   
         
Als ich meinen gestrigen Brief abgeschlossen hatte, erhielt ich doch noch Post von Dir. Es handelt sich um Deine beiden Briefe vom 4. und 5. 11. die haben sich wieder einmal geruhsam Zeit genommen. Die darin enthaltenen Bilder haben mich wieder sehr gefreut. Nun habe ich den ganzen Bogen beisammen. In den nächsten Tagen werde ich mit der Rücksendung beginnen, damit Du dann wieder alle beieinander hast. Heute früh bekam ich nun Deinen Brief vom 13. Das war wieder ein schneller Läufer. Und soeben werden mir Deine beiden Briefe vom 9. und 10. auf den Tisch gelegt. Das ist doch wahrhaft ein schöner Segen. Von Deinem Vater bekam ich noch eine Karte und von Finnessen, meinem Kameraden aus dem Osten, traf auch ein Schreiben ein. Das ist doch bestimmt ein schöner Tag heute. Ich kann heute überhaupt von Glück reden. Ich gehe vorhin an einem Stand vorbei, wo Briefmarken verkauft werden und sehe mir diese an. Ich frage nach den Preisen, die man doch nicht bezahlen kann, aus Interesse. Kommt da von hinten ein Landser und sagt, lassen sie doch den Griechen, ich habe die alle da, was er dort hat. Ich bin erst etwas erstaunt, doch folge ich dieser Einladung. Und wirklich gibt er mir aus einem Schwung heraus, die er für seinen Bruder bestimmt hat. die doppelten Marken heraus. Ist das nicht ein Zufall? Es sind sehr schöne Stücke dabei, die mir viel Freude gemacht haben, denn die Preise sind hie ja dafür unglaublich. Da kann man sich wieder sagen, daß es der Herr den Seinen im Schlafe schenkt. Bisher habe ich mich zwar nicht zu den Auserwählten gezählt, aber es muß doch so sein. Aber nun will ich erst einmal Deine Briefe lesen und dann weiterschreiben.
Und das habe ich geschafft. Ich muß nun wieder allerhand beantworten.  Ich weiß nun nicht, was ich zuerst nehmen soll. Die letzten oder die neuen Briefe, oder lasse ich es ganz sein. Am besten wird es sein, ich mache es der Reihe nach, dann bleibt auch noch für morgen etwas übrig. Einverstanden? Du sagst Ja? Na, dann bin ich zufrieden.
Erst freut es mich, daß Du mir den Eingang einiger Päckchen bestätigen konntest. Ich bin erst immer dann ganz zufrieden, wenn ich Die Sachen in Deinen Händen weiß. Das Päckchen 42 ist wohl noch nicht angekommen, denn ich kann mich nicht entsinnen, daß Du mir davon geschrieben hattest. In meinem Kalender habe ich es auch noch nicht abgestrichen. Die anderen kleinen Sendungen brauchen auch ziemlich lange. Aber hoffen wir, daß es doch noch klappt. _ Ehe ich aber in der Beantwortung Deiner Briefe fortfahre, will ich noch auf eine andere Sache eingehen, die mir ihm heutigen Wehrmachtsbericht auffiel. Du wirst Dir Gedanken gemacht haben, als es da hieß, 16 Bomber abgeschossen. Ich kann Dir nur sagen, daß das ein hoher Einsatz unserer Feinde war. Mit 46 Maschinen flog er ein und dieses Abschussergebnis.  Das ist doch wirklich eine Leistung. Aber über die Angriffe selbst kann ich Dir mitteilen, daß wir heute beispielsweise achtmal Alarm hatten am Tag. Das Leben nimmt hier ungehindert seinen Ablauf. Die Autos rasen weiter über die Straßen, die Straßenbahn fährt weiter. Die Menschen stehen auf den Straßen und gaffen, wo ihre Freunde angeflogen kommen. Sie freuen sich meist, wenn eine Rauch oder Staubwolke über der Stadt steht, die der Wind über sie hinweg treibt. Dieses Schauspiel können wir hier fast tagtäglich erleben. Unsere Gegner nehmen sich hier tatsächlich nur militärische Ziele vor und belegen bis jetzt vorwiegend unsere Flugplätze, um den Verkehr nach den Inseln zu stören. Die Erfolge sind glücklicherweise nicht immer bedeutend, denn unsere Maschinen fliegen weg, wenn sie kommen. Es werden dann meist nur die Flugfelder zerstört und diese Schäden sind nicht weiter bedeutend. Hin und wieder fällt so ein Ding auch einmal in aufgespeicherten Betriebsstoff, aber das läßt sich schließlich auch noch verschmerzen, solange keine Menschenleben zu beklagen sind. Einige Griechen müssen zwar hin und wieder auch bei diesen Angriffen daran glauben, aber das stört die Stadtbevölkerung nicht, weil sie in dem festen Glauben lebt, daß die Stadt nicht bombardiert würde. Solange das noch der Fall ist, können wir ja hier von glück reden. Du musst Dir darum auch keine Gedanken machen. So, das wäre dies.
 Ich habe von den verschiedenen Streichen unserer beiden braven Kinder gelesen, die mich sehr interessiert haben und über die meisten habe ich lachen müssen. Es sind ja alles Sachen, die Kinder einmal anstellen. Wenn schon einmal eine Anzeige kommen sollte, dann ist das weiter nicht so schlimm, denn was sie treiben, ist doch alles ziemlich harmlos. Soweit es nötig ist, gehe ich noch auf die einzelnen Sachen später ein. Eines freut mich aber besonders, daß Du jetzt ab und zu dazu übergehst, , mir so Einzelheiten von unseren Gören zu schildern. Wenn ich Dich bitten darf, dann mache das doch weiterhin ab und zu, denn das ist ja ihr Leben, an dem ich nicht teilnehmen kann. Von Deiner Tätigkeit erfahre ich ja auch immer ziemlich regelmäßig, so daß ich dann immer noch bei Euch bin und alles so mit erlebe. Ich möchte nun aber schließen, denn mein bogen ist fertig, wie Du selbst siehst. Morgen schreibe ich ja wieder. Herzlich grüße und küsse ich Euch Drei und bin mit vieler Liebe Dein Ernst. 

Mein liebster Schatz !                                                                             18.11.43   
            
Nun will ich einmal anfangen, Deine Briefe nach und nach zu beantworten, die ich gestern alle bekommen habe. Vorher will ich aber erst noch die Sachen verzeichnen, die ich in den letzten Tagen abgesandt habe. Vorgestern waren es zwei kleine Hefte, die ich ausgelesen habe. Das eine handelt mit seinen kleinen Geschichten vom Bodensee. Sie sind teilweise sehr nett zu lesen. Man sieht die Landschaft im Geiste von vor sich aufsteigen und wenn man sich einmal ganz loslöst, dann schweifen die eigenen Gedanken in die Vergangenheit zurück. Die Wirklichkeit der Gegenwart hält uns aber gefangen, so daß es zwar kein jähes Erwachen gibt, weil ich ja kein Träumer bin. Ich versuche jedenfalls immer, mit beiden Beinen im Leben zu stehen und die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Gestern sandte ich das Päckchen Nr. 12 mit Rosinen ab und heute wieder ein kleines Päckchen mit Seife und den Schwämmen, die ich hier gekauft hatte. Ich hoffe, daß Du alles gebrauchen kannst, wenn es ordentlich in die Hände kommt.
Über Deine Mitteilung, daß das Maismehl sich ganz gut bewährt hat, freut mich sehr. Ich hoffe, daß die anderen Packungen auch noch ankommen, die ich an Dich abgesandt hatte. Ich bedauere nur, daß ich jetzt nicht mehr davon hier habe. Gestern habe ich nochmals eine Packung gekauft, die ich Dir bei Gelegenheit mitschicken werde. Die Sachen sind aber in letzter Zeit so teuer geworden, daß man kaum noch etwas kaufen kann. Wenn ich dann immer wieder weiß, daß Ihr mit diesen Sachen etwas anfangen könnt, dann freut es mich, denn dann hat man doch das Geld nicht umsonst ausgegeben. Gerade wenn die Kinder so wachsen wie unser Helga, dann braucht doch der Körper immer noch eher etwas. Ich sehe immer wieder an mir, was für Auswirkungen gerade der letzte Krieg auf unsere körperliche Entwicklung gehabt hatte. Was in den Jahren des Aufbaus versäumt wurde, das kann man dann später kaum oder nur schlecht nachholen. Darum sehe ich auch immer zu, daß ich etwas schaffen kann, was mir möglich ist. Gerade beim Schreiben dieses Briefes flattert mir Dein Brief vom 14. her, in dem Du nun auch den Eingang des anderen Maismehls bestätigst. Das ist ja fein. Auch die anderen Sachen sind zum Teil wieder eingegangen. Jetzt ist ja nicht mehr viel unterwegs. Ich hoffe aber, bei Gelegenheit wieder etwas zu erstehen, das für Euch nützlich sein kann. Das geht dann wieder an Euch ab. 
Daß Helga beim Schreiben mit der Stahlfeder mehr Erfolg hat wie mit dem Füllhalter, ist ja gut. Solange man noch keine ausgeschriebene Handschrift hat, soll man das nach meiner Ansicht sein lassen. Das ist wohl eine Erleichterung, aber soviel haben die Kinder noch nicht zu schreiben, als daß sie keine Zeit mehr zum Eintauchen in das Tintenfass hätten. Es kommt ja nicht auf den Füllhalter an, wesentlich ist, daß die Kinder in dieser Hinsicht keinen Schaden erleiden. _Ich kann mir vorstellen, daß das schon angenehmer ist, wenn die Wasserleitung nicht mehr tropft. Das kann einem ja mit der zeit auf die Nerven gehen. Aber es soll ja auch jedes Ding seine Ordnung haben, darum hat das auch gemacht gehört. Daß das keine große Arbeit ist, das wei0ß ich wohl, aber man soll nur das nötige Handwerkszeug dazu haben. Mir brach doch das eine Mal die eine Schraube ab, die ich dann provisorisch wieder eingesetzt hatte. Das ist dann weniger schön.  Bei einem Quarkkuchen wäre ich auch ganz gern mit dabei gewesen. Ich denke, daß meine Rosinen sich wieder bestens bewährt haben.  Ich denke, daß er auch geschmeckt hat.
Mit den Kartoffeln hat es also nicht so geklappt, wie Du es Dir gedacht hattest. Vielleicht kannst Du sie später noch bekommen, wenn Du die Karte nochmals erhalten kannst. _ Für unseren Lausebengel hast Du wieder ein Paar Schuhe erstanden. Hoffentlich halten sie auch das, was man von ein Paar ordentlichen erwarten kann. Ich finde es ja nicht ganz richtig, daß man für die Schuhe mit Holzsohlen genau die gleichen hohen Preise verlangt wie für die mit Ledersohlen. Der Werkstoff ist doch meines Erachtens williger. Kann er denn richtig drin laufen? Daß Helga noch etwas mit Schuhen versorgt ist, ist ja gut. Ich weiß, unser Bengel hat einen ziemlichen Bedarf. Das ist aber bei den Jungens anscheinend allgemein so.  Nannie und mein Vater die haben früher immer die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn ich mit meinen Schuhen heimkam. Die Nähte waren fast immer aufgeplatzt.  Im Kriege sind die Rohstoffe zum Verarbeiten nicht die gleichen wie im Frieden.  Das ist doch klar. Mir hat man immer gesagt: “Wenn Du einmal erwachsen bist, dann kannst Du nur für Deine Schuhe arbeiten: „ Ganz so ist es ja nicht geworden, wie es mir prophezeit wurde. Wenn Du für Helga noch welche zu gut hast, dann kaufe sie nur rechtzeitig, denn man weiß ja nicht, ob eines Tages nicht doch wieder eine Änderung kommt im Zuteilungssystem, dann hat man nachher das Nachsehen.
Wie ich feststellen muß, haben wir fast zu gleicher Zeit die gleichen filme gesehen. Du hast bei Euch den Film „Die Gattin“ und „Herr Roosevelt plaudert am Kamin“  ? gesehen. Bei uns liefen die beiden Filme hier auch in der vergangenen Woche. Der erste Film ist nicht schlecht. , er schien mir nur, daß die einzelnen Personen und deren Eigen art zu grell herausgestellt worden sind. Man könnte fast den Eindruck des Unnatürlichen bekommen. Im allgemeinen finde ich diesen Film recht lebensnahe. Es gibt ebensolche Schicksale. Gestern habe ich mir den Film „Rembrandt“ angesehen, der mich sehr befriedigt hat. Ich muß zum Vergleich den Film „Diesel“ heranziehen, der zwar das Lebensschicksal eines großen Mannes aus der neueren Zeit behandelt. Wenn man diese beiden Filme gegenüberstellt, dann ist das schon ein großer Unterschied in der Verwertung des Stoffes. Auch künstlerisch und schauspielerisch ist er sehr gut zu werten. Ich hatte mir am Montag den Film „Meine Frau Therese“ angesehen. Er liegt ja überhaupt nicht auf dieses Basis, aber das ist dann doch sehr billig im Gegensatz zu dem, was ich gestern sah. Ein Film bleibt nun noch offen. Den hebe ich mir für die nächsten Tage auf.
Für heute lasse mich erst einmal abschließen mit dem Wunsch und der Hoffnung, daß Ihr, meine Lieben, alle gesund seid. Ich füge recht herzliche Grüße und viele Küsse bei und bin in Gedanken immer bei Euch. Dein Ernst.