Meine
liebe gute Frau !
7.10.43
Mit der neuen Post scheint es sich ja eingerenkt zu haben. Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 2.10., für den ich Dir recht herzlich danke. Es freut mich immer wieder, wenn ich lese, daß Ihr noch gesund seid, denn ab und zu mache ich mir doch Sorge. Hier wurde wieder im Nachrichtendienst bekannt gegeben, daß gestern schweizerisches Hoheitsgebiet überflogen wurde, das hinterlässt meist so ein unbestimmtes Gefühl. Es braucht nun nicht gerade Konstanz zu sein, aber wie eben auch einmal Bomben auf Schweizer Gebiet fällt, so könnte es durch Zufall auch einmal bei Euch passieren. Wenn ich im großen und ganzen bisher keine große Sorge deshalb haben musste, so lässt sich dieser Gedanke nicht immer ganz verscheuchen. Aber wir wollen immer zum Guten hoffen. Wie ich aus Deinem Brief ersehe, hast Du Dich schon selbst wegen der Luftpostmarke erkundigt. Ich hatte es immer vergessen, Dir mitzuteilen. Ich denke, daß es Dir angenehmer ist, wenn Du nun auch die Bestätigung dafür, daß die Marke nicht notwendig ist, auch von mir erhalten hast. Das ist sehr schön, daß Du einiges Obst bekommen hast. Der Preis ist ja sehr billig. Nein, wir wollen nicht übertreiben. Zu früheren Zeiten verglichen sind die Preise schon gestiegen. Aber im Vergleich zu hier, wo Inflation herrscht, kostet ein Oka Apfel, das sind 2 ½ Pfund, auf deutsche Währung umgerechnet, rund 4,-RM. Das scheint kaum glaublich, es ist aber so. Die Rosinen kosten nach Verlauf eines Zeitraums von etwa 8 Tagen 50% mehr. Das geht aber mit allen Artikeln so. Ich bin froh, daß ich das meiste Geld, das ich hatte, in Waren angelegt habe. Denn heute bekomme ich doch einen erheblichen Teil weniger dafür. Das ist dann ärgerlich. Dies erinnert genau an die Zeit, die wir bei uns in Deutschland schon erlebt haben. Man muß laufen, daß man das Geld in Ware anlegt, sonst zerrinnt es einem unter den Fingern. Damit mir nicht allzu viele Sachen hier lagern, habe ich wieder zwei Päckchen abgesandt. Die Postannahmestelle findet es schon auffallend, daß ich schon wieder zwei Päckchen wegschicke. Diesmal ist es notiert worden. Doch ich kann nichts sagen, weil es schon zwei über das Kontingent sind. Die Päckchen haben die Nummer 46 und 47 und enthalten wieder Rosinen. Du wirst sagen, was Du mit den vielen Rosinen sollst, ja, ich frage mich das auch, aber Dur wirst schon irgendeine Verwendung dafür haben. Aber zum Essen sind sie schmackhaft und gesund sind sie ja auch noch dazu. Nach Deiner Vermutung sind bis Nummer 39 alle Päckchen angekommen außer 37 und 38. Ich hoffe, daß auch diese bei Dir eintrudeln werden. Es sind doch alles Sachen, die für Euch einen Wert haben, vom Geld in dieser Beziehung einmal ganz abgesehen. Einige Kleinigkeiten habe ich noch da, doch da muß ich erst sehen, wie ich die loswerde. Hier gilt in diesem Falle auch das Wort, kommt Zeit kommt Rat.
Heute war ich in der Mittagszeit wieder baden. Es war noch sehr schön. Das Wasser hat so die Wärme nach Deinem Geschmack. 23 Grad. Es war etwas luftig und einige Zeit etwas bewölkt. Das macht aber noch nichts, denn man kann sich noch gut im Freien aufhalten.
Mein Chef hat sich doch für mich in der Hinsicht verwendet, daß ich mit den Offizieren im Kasino zusammen essen soll. Er wollte das deshalb haben, damit sämtliche Angehörige der Abteilung zusammen sind. Ich machte ihn, als er mir das vorschlug, darauf aufmerksam, daß ich in dieser Hin sicht schon einmal ein Fiasko erlebt hätte, das ich diesmal vermeiden möchte. Er war aber der Meinung, daß dies nicht eintreten würde. Ich habe meiner letzten Futter stelle gestern schnöde den Rücken gekehrt und ließ mich von der Gnadensonne der hohen Herren bescheinen, die mich huldvoll in ihren Kreisen aufnahmen. Dieser Traum sollte aber, wie ich schon vermutete, nicht sehr lange gehen, denn heute ist er schon wieder aus. Es ist mir eröffnet worden, daß ich mit den Unteroffizieren zusammen essen soll. Ich hatte mich heute früh erst etwas darüber geärgert, vor allem, weil man mich auch noch aus meinem Hotel herauskraulen wollte. Bis jetzt ist dieses Ansinnen noch gescheitert. Es kann sein, daß demnächst doch noch ein neuer Angriff gestartet wird. Mir soll es gleich sein, denn ich bin auf alles vorbereitet. Vermerken muß ich noch, daß ich mit großer Wahrscheinlichkeit doch hier am Platz bei dieser Dienststelle bleiben werde. Ich bin gespannt, mit was man mich auf die Dauer beschäftigen will. Bis jetzt richte ich mich noch ein. An Alfred und Frau Frick habe ich heute geschrieben. Ich muß mich langsam an die Beantwortung verschiedener Sachen und an die Erledigung einiger anderer Dinge machen. Bis jetzt hatte ich noch nicht die Lust, weil ich mir nicht klar war, ob ich hier bleibe oder nicht. Durch diese Mitteilung hat dies jetzt ein anderes Gesicht bekommen. Schluss jetzt und gute Nacht, mein Schatz. Bleibt gesund und grüße mir die Kinder recht herzlich. Dich küsse ich aber recht fest und bin in Liebe Dein Ernst.
Meine Liebste ! 8.10.43
Heute war der erste Tag, an dem ich einmal außer den üblichen Botengängen, denn ich war hier schon besserer Bürobote geworden, noch etwas anderes gemacht habe. Der Kollege, der hier die Personalsachen erledigt, macht Versuche, mir einige kleine Sachen selbst erledigen zu lassen. Ich komme mir wieder vor wie ein Pimpf, der seine Lehre antritt. Es ist ja auch nicht so unrecht mit dem Pimpf, denn die Hosen habe ich ja erhalten und ich habe sie mit Stolz heute zum ersten Mal getragen. Von oben sieht dann die Bekleidung wie folgt aus: Mütze, Hemd und kurze Hose mit Koppel, dann heruntergekrempelte weiße Socken und die Militärschuhe. Diese Bekleidung ist ja wesentlich leichter, als die, die ich früher immer tragen musste. Man kann es noch gut gebrauchen, wenn es auch ab und zu einmal anfängt zu regnen, so ist es immer noch nicht kalt. Ob es auch am Tag regnet, das weiß ich nicht, denn da hat das Wetter immer noch ausgehalten, aber wie jetzt zum Abend und gestern in der Nacht, da gibt es so einzelne Schauer. Ich fange schon wieder an, mit dem laufenden Posteingang zu rechnen, aber damit ich nicht zu übermütig werde, machen die Postminister mir einen Strich durch die Rechnung und bringen die Sachen nur heran, wenn es ihnen gefällig ist. Aber ich bin ja auch schon froh, daß ich weiß, daß ich jetzt mit ziemlicher Regelmäßigkeit des Posteingangs rechnen kann. Vielleicht ist mir das Glück morgen wieder hold. Von meiner Fahrt hierher, habe ich Dir schon von unterwegs teilweise berichtet. Zusammenfassend will ich Dir dies aber nochmals kurz zusammenstellen. Am 19.9. sollten wir mittags 13 Uhr abfahren. Als schlechtes Vorzeichen fing es an schon mit einer guten Stunde Verspätung an. Erst war uns gesagt worden, die Fahrt würde zwei Tage dauern. Ich dachte erst, das ist ja dann nicht weiter schlimm. Mit mir wurden noch weitere Beamte in Marsch gesetzt. Für uns waren schon Plätze reserviert worden in der zweiten Klasse. Ich hörte dann, daß in den gepolsterten Wagen sich meist Wanzen halten. Da war en meine Bedenken schon ziemlich groß geworden. Wie sich dann herausstellte, hatten wir dann nicht darunter zu lei den, während in den Nachbarabteilen nur darüber beklagt wurde. Ich brauchte ja schon einen Tag von dem Ort, an den ich kommandiert worden war bis nach Belgrad, das war aber eine Art fahrplanmäßiger Zug. Mit diesem Zug verstand es aber die Zugleitung außerordentlich geschickt, viel längere Zeit für diese Strecke zu verwenden. Dieses ewige Warten auf den Bahnhöfen konnte einem fast bis zur Verzweiflung bringen. Auf dem einen Bahnhof hatten wir es bis auf 18 Stunden gebracht. Auf den Nebengleisen lagen dann die Transporte der Italiener, die aus Griechenland zurücktransportiert wurden. Das war ein reich bewegtes Bild. Doch der Gestank von all dem Unrat, der auf den Gleisen herumlag und der durch die vielen Züge mit Mannschaften hervorgerufen wurde, war manchmal kaum zum Aushalten. Die meisten Soldaten verhielten sich ruhig unseren damaligen Verbündeten gegenüber. Als sie aber merkten, daß die Italiener Drachmen zu verkaufen hatten, da fing bald ein tolles Handeln und Feilschen an. Jeder wollte auf diese Weise noch in den Besitz von Zahlungsmitteln kommen, was ja dem Einzelnen sonst unter normalen Umständen nicht möglich ist. Ich habe nur einige Drachmen erworben, um mir unterwegs etwas Obst kaufen zu können. Wie sich dann hier herausstellte, haben alle zuviel dafür angelegt, denn der Umrechnungsindex war inzwischen wieder gestiegen. Die Landschaft hat ja nicht viel zu bieten. Einige ausgetrocknete Flussläufe. Die Felder in Serbien meist abgeerntet. In Bulgarien dasselbe Bild. In der Ferne einige Berge, die aber jeder Bewaldung bar sind. Die Dörfer und Städte sind sehr eintönig. Der Hausbau ist zwar anders wie in Rußland und auch die ganze Struktur des Landes ist viel anders. Aber die Menschen auf dem Land erinnern in mancher Hinsicht an die Leute in Rußland. Hier sieht man die Felder wieder so klein unterteilt wie bei uns in Deutschland und der einzelne Bauer der kommt bis an die Bahn, um sein Obst zu verhandeln. Auf den Weiden sieht man sehr viele Schafherde, aber auch Schweine laufen in größeren Herden herum. Hier wird aber nicht die Art wie bei uns in Deutschland gezüchtet, sondern schwarze Schweine. Rinderherden sah ich sehr selten wie auch der Pferdebestand nicht gerade übermäßig groß war. Nun mag dies ja auch teilweise auf den Krieg zurückzuführen sein. In Skopje, das ja schon zu Mazedonien gehört, konnte ich die ersten Moscheen sehen. Ich hätte sie gern einmal von der Nähe gesehen, aber dort hielt der Zug ausgerechnet einmal nicht lang. Meist hat er sich für seine Aufenthalte nichtssagende Gegenden herausgesucht. Vielleicht komme ich morgen dazu, weiteres von dem zu schreiben, was ich jetzt hiermit abbreche. Ich grüße Dich und die Kinder vielmals und Dir sende ich recht herzliche Küsse dazu. Dein Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen