Mein
liebster Schatz !
11.10.43
Vielen Dank für Deinen lieben Gruß vom 7.10. Heute kam er an und ich will ihn darum auch gleich mit beantworten. Ich sehe, daß Du regelmäßig von mir Post erhältst und somit immer auf dem Laufenden bist. Das freut mich. Man muß schon sagen, daß die guten Onkels von der Post uns ja ziemlich fleißig bedienen. Ich habe es ja nach so langer Wartezeit endlich auch verdient. Ich muß mich ja einmal selbst loben, denn es tut ja niemand. Bis jetzt hast Du mich ja bedauert. Das ist bestimmt schon etwas wert, aber es ist doch nicht alles, was so eine wunde Seele nach solchen Strapazen braucht.
Ja mit der Beschreibung des Bades habe ich Dir auch Appetit gemacht. Aber wenn ich so daran denke, könnte ich auf die Engländer und Amerikaner eine gelinde Wut bekommen. Du wirst denken, wie hängt das damit zusammen. Das ist auch nicht so einfach für den, der nicht damit eingeweiht ist. Vor einigen Tagen lag ich so schön in der Sonne und erholte mich, als mit einem Male die Sirene losging. Es hieß, daß sich alle in den Ankleideraum aufhalten müssten. Ich hoffte im Geheimen, daß es nicht lange dauern würde. Aber mit diesem Wunsch war es Essig. Es brummten einmal deutsche und einmal andere Maschinen über uns hinweg und bums, ehe man es sich versah, war die Mittagszeit um. Es war also nichts geworden aus dem geplanten Sonnenbad. Vor wenigen Tagen war schon Alarm, ehe ich zum Baden gehen wollte. Die Badehose hatte ich darum umsonst gezückt. Gestern war es wieder so und heute zum Montag sind die Griechen mit Baden dran, obwohl das schönste Wetter und kein Alarm ist. Nun sage einmal selbst, könnte man da nicht in einen gelinden Zorn kommen? Das ist doch verständlich.
Unser Schlingel muß ja nett ausgesehen haben, als er so bedrippt nach hause kam. Wahrscheinlich auch mit einem Respekt vor Dir, daß es ein Donnerwetter setzen würde. Aber die gute Mutter hat den Schaden wieder geheilt und ihren braven Sohn noch dafür in die Schule gebracht. Ja, da sind die Mütter anders wie die Väter. Da hätte er wahrscheinlich eine Tracht Prügel abbekommen. So habe ich aber nur ein Lächeln für den Streich übrig, denn ich bin ja so fern und kann nichts daran ändern. Wie Du mitteilst, hat unsere Helga jetzt den Knoten bei den Jungmädeln erhalten. In die Geheimnisse bin ich ja nicht so eingeweiht, aber ich denke, daß es schon etwas zu bedeuten hat. Ich bedauere nur, daß ich in meiner Jugend sowas nicht mitgemacht habe, denn sonst wäre ich in dieser Beziehung aufgeklärter. Aber jetzt einmal ehrlich, was ist sie nun? War sie bisher nur Anwärterin und nun ist sie ordentlich dabei? Über die Lorbeeren, die unsere Kinder ernten, möchte ich schon voll unterrichtet sein, denn ein Meter Glanz fällt dann von dem Ruhm auch auf den Vater ab. Jetzt hast Du doch die Gelegenheit, dies alles allein einzuheimsen. Wie macht sich Helga in der Schule ? Rechnen ist wohl immer noch nicht ihre Stärke geworden. Aber die anderen Fächer bereiten ihr wohl weniger Schwierigkeiten. Ich möchte in diesen Dingen immer klar sehen, denn wenn man schon das Schulgeld daran hängt, dann soll es sich auch lohnen. Soviel bin ich ja noch Kaufmann. Das ist wohl das einzige, was von meiner ganzen Lehrzeit haften geblieben ist. Unser Bursche hat in der Schule nicht zu kämpfen. Denn ich sehe, daß ihm die meisten Fächer ziemlich leicht fielen. Von anderen Dingen heute noch zu schreiben, fehlt mir der Platz und sonst möchte ich auch schließen. Ich habe heute an meinen früheren hohen Chef geschrieben. Das ist immer nicht so einfach, bis man solchen Brief zusammengestoppelt hat. Aber bitte keine Anpöbelei deshalb. Andere Briefe bekomme ich schon noch zur Not zusammen. Sei Du recht herzlich gegrüßt und fest geküßt von Deinem Ernst.
Mein liebes, gutes Mädel ! 12.10.43
Gestern frage ich noch an, was die Kinder machen und heute erhalte ich mit Deinem Schreiben vom 6., das ich vorhin erhielt, schon Bescheid. Das nenne ich prompte Erledigung. Auch darüber hast Du mir schon gleich berichtet, wie sich das mit dem Halstuch und dem Knoten verhält. Ich gebe mich geschlagen. Aber nun erst herzlichen Dank für Deine lieben Zeilen, die mich sehr erfreut haben. Ich sehe, was die Kinder treiben diesmal nicht nur die Streiche, die sie anstellen Daß sich Helga in das Rechnen hineinfindet, ist ja gut, denn das war doch immer mit unsere Sorge. In die anderen Dinge hat sie sich anscheinend auch hineingefunden. Das war ja gut, daß man Dich früher in den Englischunterricht geschickt hat, jetzt stehst Du doch nicht ganz so unscheinbar vor unseren Kindern da. Ich bin ja nicht daheim und brauche mich nicht zu blamieren. Da bin ich jetzt fein raus. Daß unser Lausekerl sich keine großen Gedanken um die Schule macht, das habe ich gesehen, als ich jetzt daheim war. Er lernt an sich leicht und das ist ja gut für ihn, denn seine Gedanken sind doch jetzt noch mehr beim Spielen. Wenn dann schwerere Dinge kommen, dann muß er sich eben dahinter setzen. Daß wir aber sogar Sieger von Sportwettkämpfen in unserer Familie haben, das ist mir doch das neueste. Wo haben die das nur her, von Dir wohl bestimmt nicht. von mir kann es aber auch nicht sein. Da stehe ich doch vor einem Rätsel. Was sagst Du nun über meine Bescheidenheit? Ich habe das Schreiben von Helga noch nicht erhalten. Ich freue mich sehr, daß sie so gut abgeschnitten hat und gratuliere ihr recht herzlich zu ihrem Erfolg. Sie soll so weitermachen. Aber allzu viel Siegernadeln soll sie nicht heimbringen, sonst muß ich mich als Vater schämen, daß ich solche Dinge nicht aufzuweisen habe. Wenn ich ihren Brief erhalte, werde ich ihr das nochmals selbst schreiben. Ich sende Dir einige Fotos heute mit, die ich hier gekauft habe. Ich habe sie entsprechend beschriftet, wie ich die Sachen kenne. Sie werden mir später auch eine nette Erinnerung sein. Weiterhin lege ich einen Artikel bei, der von der Veranstaltung berichtet, an der ich mit teilgenommen habe. Er soll dir zur Ergänzung dienen. Ein weiterer Artikel wird Dich auch interessieren. Er behandelt so die Bräuche, wie sie hierzulande herrschen. Findest Du nicht auch, daß sie etwas rau sind? mir kommt es jedenfalls so vor. Ich bin ja damals bei der Heirat noch gut weggekommen, für Dich habe ich nichts geben brauchen. Aber das ist ja schließlich auch keine Kleinigkeit, wenn man sich so die langen Jahre damit herumplagen muß. Ich kann das nicht verstehen. Im Übrigen gibt es ja genug Frauen, darum haben wir es auch nicht notwendig, etwas dafür zu bezahlen, man muß dann später noch genug dafür ausgeben. Langt das für heute? Ich meine wohl auch._ Das war aber ein mächtiger Wettersturz. Gestern schien noch kräftig die Sonne und heute regnet es und dazu ist es windig, daß es wirklich mit mehr heilig zu nennen ist. Ich habe meine kurzen Hosen an den Nagel gehängt, denn das ist doch verdammt frisch damit. Dafür habe ich wieder die lange hervorgekramt. Aber bis jetzt brauche ich noch nicht die dicke Kluft anzuziehen. Heute Nacht wurde es mir zu kühl im Bett, so daß ich mir den Schlafsack schnappte und mich darin verkroch. Das war schon wesentlich annehmbarer. Ob und wie lang das so anhält und ob nochmals warme Tage kommen werden, das muß ich erst einmal ausprobieren. Auf Kälte bin ich immerhin eingerichtet, wenn es nicht gar zu toll kommt. Auf alle Fälle werde ich mir einen Cognac besorgen, der mir dann über die schlimmsten Tag hinweghelfen soll. Wir können Hennesy bekommen, der verhältnismäßig nicht so teuer sein soll, wenn man die anderen Preise berücksichtigt. Das liegt ja auch daran, daß wir diese Sachen aus der Kantine erhalten.
Wenn Du schreibst, daß mir mit der Zeit Deine Briefe langweilig werden könnten, weil Du nur immer von den alltäglichen Dingen berichtest, dann ist dem bestimmt nicht so. Wenn ich hier etwas sehe und erlebe, dann möchte ich Dich wenigstens auf diese Weise daran teilnehmen lassen. Daß einem eine neue Umgebung im Anfang vieles Neues bietet, wenn man sich die Dinge mit offenen Augen betrachtet, das ist ja ganz klar. Man kann auch nichts dabei finden, und daran vorübergehen, das geht auch. Aber das ist nun einmal nicht meine Art. Ich freue mich, wenn ich Dir dann das eine oder andere schildern kann. Es gelingt mir meist doch nicht und nach Geschmack, aber das mußt Du schon hinnehmen, wie es mir aus der Hand rutscht. Aber es wird Dich auch so freuen. Also tröste Dich damit und schreibe mir bitte weiter von den alltäglichen Ereignissen wie sie sich bei Euch einstellen. Es kann sich ruhig einmal wiederholen, das macht ja nichts. Bleibt mir gesund und seid recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt in Liebe Dein Ernst.
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