Meine
liebste Annie !
23.10.43
Recht wechselhaft ist das Wetter jetzt hier. Heute ist es zwar windig, aber die Sonne scheint so verlockend, daß ich zum Baden gegangen war. Es hat mir wieder ganz gut gefallen, aber in Zukunft muß ich mir schon etwas mitnehmen, damit ich mich abtrocknen kann. Das An der Luft und in der Sonne trocknen lassen ist jetzt doch nicht mehr so angebracht. Das Wasser hat immer noch eine Temperatur von 16 Grad, so daß man noch ganz gut das Im Freien Baden vertragen kann. Spärlich und unregelmäßig geht jetzt die Post ein. Gestern erhielt ich wohl einen Brief von Dir, aber heute kam schon wieder nichts, obwohl heute ein Hauptposttag war. Das ist doch sehr unterschiedlich. Aber ich will mich mit dem zufrieden geben, was ich sonst erhalte. Von Deinem Vater kam wieder ein Heft, das war alles.
Heute möchte ich noch den Rest der großen Post durchgehen und sehen, was noch zu beantworten ist. Ich habe mich gefreut, daß es trotz der für das Wachstum der Kartoffeln schlechten Witterung immerhin noch soviel gegeben hat. Die Ernte wäre bestimmt nicht schlecht gewesen, wenn es mehr geregnet hätte, denn ich weiß noch , wie viel kleine unentwickelte Kartoffeln an den Stauden waren. Man kann aber gerade in der Gartenwirtschaft nicht alles nach Wunsch haben und muß sich eben nach der Witterung richten. Daß Dich unser Junge immer wieder mit bei den Arbeiten im Garten unterstützt, freut mich immer wieder. Wenn er Dir auch nicht die schweren Arbeiten so abnehmen kann, so sind es doch manche Sachen, die er Dir abnehmen kann. Wenn er schließlich auch nicht alles gleich ohne Aufforderung macht, so gibt es doch manche Dinge, die ihm selbst Freude bereiten. Er ist ja noch ein Kind und Kinder sind nun einmal mehr zum Spielen geneigt. Wenn Du das Stück, aus dem Du die Kartoffeln gegraben hast, gleich richtig umgegraben hast, dann wirst Du dann nicht so viel Arbeit damit haben, wenn Du den Garten für den Winter vorbereitest. Hier hat man gar nicht so das Gefühl, daß es jetzt auf den Winter zugeht. Es ist doch immer noch eine ausgeglichene Temperatur und erinnert an die Tage, wie wir sie Anfang September bei uns haben. Wie Du schreibst, hast Du also wirklich Verwendung für das getrocknete Brot. Ich habe mir ja ein System geschaffen, denn wir bekommen das Brot sehr frisch, so daß man dann Obacht geben muss, daß es nicht schimmlig wird. Ich schneide von meinem Brot, das ich ja nie ganz selbst verbrauche, immer genügend Schnitten im Anfang ab, dann esse ich während der laufenden Zuteilungszeit davon, und wenn dann noch etwas übrig bleibt, so wird der Rest auch noch aufgeschnitten. Am besten ist es, wenn ich die Schnitten dünn mache, dann geht es besser. Dann schichte ich mir, wenn ich daheim bin, immer eine Art kleine Türme, damit die Luft richtig daran kommt. Es braucht aber doch immer eine ziemliche Zeit, und ich muß es manchmal auseinander und zusammenpacken. Es macht mir aber immer wieder Freude, wenn es einige Schnitten sind, die dann getrocknet sind. Wenn Du das sowieso aufsparst, dann kannst Du schon noch einen schönen Teil zusammenbekommen bis zum Winter. Damit kannst Du, wie Du mir mitteilst, Deine Kartoffeln strecken, wenn Du nicht genügend für die ganze Zeit erhalten solltest. Ich glaube, ich schrieb schon einmal davon, daß Du in diese Suppe sicherlich ganz gut Rosinen hinein tun kannst, dann wird sie auch ganz schmackhaft sein. Aber im allgemeinen bedarf es solcher Vorschläge von meiner Seite nicht weiter, weil Du Dir selbst gut zu helfen weißt. Ich habe wieder ein Paket fertig, das sende ich in den nächsten Tagen mit ab. Es stapelt sich so manches während der Zeit auf, das man dann gern aus den Händen hat. Es will einem nichts weiter erscheinen, denn Brot ist zwar kein wertloser Artikel, aber ich denke, wenn ich das gleiche Quantum Butter bekäme, dann wäre das entschieden besser. Olivenöl gibt es hier ja auch, aber bei den Preisen kann man sich das wirklich nicht leisten. Du hast wohl auch noch etwas da von dem, das ich noch im Osten besorgt hatte.
Die Briefmarken, die ich aus Serbien mitsandte, kannst Du vorläufig noch auf den Umschlägen lassen, wir können sie ja später immer noch abweichen. Das ist ja nicht so eilig.
Das ist ja allerhand, was sich da unsere Tochter erlaubt. Fängt sie sogar während der Stunde an zu singen. Man sollte es doch nicht für möglich halten. Ich muß Dir schon sagen, das habe ich nur mit einem Schmunzeln gelesen. Sie ist doch ein Lauser. Es entspricht aber ganz und gar ihrer Unbekümmertheit. Wenn sie also weiter nichts anstellt, dann wollen wir diese kleine Sache gern hinnehmen. Wie kommt denn unser Sohn mit seinem neuen Lehrer aus? Das hat doch für die Jungens sicher etwas zu sagen, wenn dieser Mann Major war. Denn die Jungens können sich doch gerade in diesem Alter für militärische Dinge sehr begeistern.
Dann will ich für heute wieder einmal Schluss machen und Euch recht herzlich grüßen und fest küssen. In liebem Ge denken bin ich Dein Ernst.
Mein liebster Schatz ! 24.10.43
Ich erhielt heute zwar nicht die erwartete Briefpost von Dir, aber Dein liebes Päckchen , das Du am 11.9. an mich abgesandt hattest. Ich habe mich mächtig darüber gefreut. Zu meiner Verwunderung tauchte mein Taschentuch dabei wieder auf und es fiel mir ein, daß ich es ja Helga auf der Überfahrt nach Lindau für die Haare gegeben hatte. Ich habe schon immer meine beiden blauen Taschentücher vermisst. Eins ist also wieder da. Vielleicht taucht das andere auch wieder einmal auf. Es kann ja auch noch in meinen Kleider stecken, die ich daraufhin nochmals durchsuchen müsste. Das Gebäck ist wieder recht heimatlich im Geschmack und immer noch sehr frisch. Obwohl es doch eine ziemliche Reise mitgemacht hat, denn es war ja inzwischen bei zwei Einheiten vorher gelandet, war alles noch in bester Ordnung. Die Verpackung war ja auch einwandfrei. Soviel ich jetzt übersehen kann, sind noch zwei Päckchen mit Verpackungsmaterial unterwegs. Ich denke aber, daß sie auch noch in der nächsten Zeit eintrudeln werden. Von mir will ich noch berichten, daß ich in der letzten Woche wieder zweimal im Kino gewesen bin. Einen Film hatte ich vor Jahren schon einmal in Frankreich gesehen. Er hieß „Jenny und der Herr im Frack“. Er ist etwas ? angehaucht. Schließlich habe ich ihn mir nochmals angesehen, als ich schon drinsaß. Ich merke das meist erst dann, wenn der Film anläuft, denn an den Titeln kann ich mir meist nichts mehr vorstellen. Der andere Film war nicht schlecht, bis auf den billigen Schluß. der so gar nicht dazu passte. Der Film hieß „Die Nacht ohne Abschied.“ Heute gehe ich in das Wehrmachtstheater. Dort findet eine KdF-Veranstaltung des Bauerntheaters statt, das ich schon in Belgrad sah. Soweit Abwechslungsmöglichkeit geboten ist, nutze ich sie aus. Ab nächster Woche soll noch ein weiteres Wehrmachtskino aufgemacht werden. Dann kann man wirklich sich während der Woche unterhalten. Ich muß aber feststellen, daß die Kinos meist bis auf den letzten Platz besetzt sind, das ist doch ein Zeichen, daß das Bedürfnis vorhanden ist. Wegen des Füllhalters, den Du Helga zum Schreiben gegeben hast, will ich folgendes sagen. Es macht mir nichts aus, wenn sie ihn benutzt. Ich denke, daß es der Marke „Esika“ ist. Ich habe nur insoweit Bedenken, daß sich ein Füllhalter noch nicht eignet für eine unausgeschriebene Hand. Die Federn sind viel weicher als die üblichen Schreibfedern und dafür für den dauernden Gebrauch nach meiner Ansicht für ein Kind noch nicht so geeignet. Beachte einmal ihre Schrift, wahrscheinlich wirst Du einen Unterschied merken. Je nachdem, wie Dein Urteil ausfällt, kannst Du dann ja entscheiden.
Daß Paula solchen Ärger über uns hat, rührt ja nur daher, weil wir uns so ganz und gar für uns halten. Wenn Vater sich darüber kränkt, dann soll er das nur bleiben lassen. Sie hat nun einmal einen Pick auf Dich, warum, das kann ich mir nicht so recht erklären. Aber wir wissen ja beide, daß dieser Groll schon über 12 Jahre jetzt zurückliegt, und daß es nicht besser geworden ist. Das habe ich ja auch in meinem letzten Urlaub gesehen, wie sie mir so vorwurfsvoll zu verstehen gab, daß ich noch gesund bin und daß unser Kurt fallen musste. Es würde mich nur interessieren, was ihr eigentlich an uns nicht behagt. Ich habe zwar nicht die Absicht, ihr zu Gefallen zu leben, aber man wüsste dann doch, was für schlechte Menschen wir sind. So ist mir das noch nicht ordentlich klar geworden. Es ist ja nicht nötig, daß sich Vater deshalb mit ihr entzweit. Wir haben die ganzen Jahre ziemlich leicht an diesem Verhältnis getragen, und ich denke, daß wir auch in der kommenden Zeit das zu verschmerzen wissen. Er soll sich nur nicht deshalb ärgern.
Was hatte denn unser Herr Sohn angestellt, daß er in der Religionsstunde nachsitzen musste? Nicht gelernt oder hat es sich sonst etwas herausgenommen? Wie Du ja schreibst, hat er sich das nicht so sehr zu Herzen genommen. Zwei kleine Päckchen, Nr. 5 a und b habe ich heute an Dich wieder abgeschickt. Sie sollen Dir mit ihrem Inhalt eine weitere kleine Hilfe für die Bäckerei zum Weihnachtsfest sein. Ich habe hier gedacht, wenn Du Rosinen hast, dann gehören doch auch einige Mandeln dazu. Die habe ich nun erstanden und ich hoffe, daß sie Deinen Beifall finden. Es ist zwar keine so billige Angelegenheit, wenn man die Preise vergleicht und unseren Wehrsold in seiner knappen Bemessung dazu nimmt, aber schließlich freue ich mich immer wieder, wenn etwas für Euch hier abgeht. Weitere 6 Päckchen, größere und kleinere, habe ich in Vorbereitung, die ich dann in diesen Tagen mit absenden werde. Sie enthalten Brot und Rosinen. Du wirst es schon langsam mit der Angst zu tun bekommen und sagen, immer, wenn ich Dir etwas von Päckchen mitteile, dann handelt es sich um Rosinen. Ich kann aber leider nichts anderes erhalten. Damit das aber nicht zu einseitig wird, habe ich einige kleinere Päckchen mit getrocknetem Brot auch noch fertig gemacht und auch noch mit Mandeln.
Jetzt lasse mich bitte schließen. Grüße Vater wieder bitte von mir und gib den Kindern einen lieben Kuss. Dich selbst grüße und küsse ich wie immer in Liebe Dein Ernst.
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