Mittwoch, 3. Oktober 2018

Brief 463 vom 03.10.43


Geliebter Schatz !                                                                          3.10.43 
          
Gestern habe ich einmal nicht geschrieben. Aber denke bitte nicht, daß es aus Faulheit war, nein, es liegt daran, daß ich verschiedene Besorgungen in der Stadt gemacht hatte und nun gab es einiges davon einzupacken. Das macht immer noch einige Schwierigkeiten weil es am Verpackungsmaterial mangelt. Ich denke aber, daß die von Dir abgesandten Sachen bald eintreffen werden, dann geht das schon wieder besser.  Ich habe zwei Päckchen für Dich gestern abgesandt, sie tragen die Nummern 44 und 45. Es sind Rosinen und Korinthen, die ich an Dich abgesandt habe. Verwendung wirst Du schon dafür haben. Der Bedarf für Deine Weihnachtsstollen ist wohl damit gedeckt, was ich bis jetzt an Dich abgesandt habe. Ich denke, daß Du die Rosinen auch in andere Kuchen oder im Pudding oder ab und zu sogar zum roh essen verwenden kannst.  Ich wünsche nur, daß diese Sachen alle ordentlich ankommen. Freude macht mir immer, wenn ich für Euch etwas kaufen kann, denn dann kann ich mir immer schon dabei vorstellen, daß ich Dir in der Wirtschaftsführung ein wenig mithelfen kann. Lieber würde ich zum Beispiel das gleiche Quantum in Butter, Mehl oder Zucker erstehen, aber ich muß mich eben an die Eigenart des Landes halten. Ich hoffe, daß beispielsweise die Butter, die ich aus Serbien absenden konnte, alle richtig bei Dir angekommen ist. Man rechnet zwar immer noch mit der Wärme, aber die ist ja bei Euch nicht so stark wehr wie hier. Wenn Du sie eingeschmolzen hast, dann ist sie ja auch noch gut verwendbar. Da habe ich hier noch etwas gekauft, wovon ich denke, daß Du es auch nicht in ausreichendem Maße mehr bekommst. Das ist eine Art Maismehl, Du kannst es aber auch für Pudding mit verwenden. Eine Gebrauchsanweisung steht ja drauf. Die eine ist in griechischer Sprache abgefasst, die kannst Du ja nicht lesen, aber die andere in englischer Sprache, die kannst du Dir wohl zum großen Teil selbst erklären, wenn nicht, so ist ja Helga jetzt da, die dich tatkräftig bei der Übersetzung unterstützen wird. Ich denke aber, daß Du Dir schon durch Versuche helfen wirst. Bei uns heißt das Zeug wohl sonst Maizena. In der einen bunten Packung ist aber Puddingpulver enthalten. Ich selbst kann Dir dies zwar auch nicht alles übersetzen, wenn ich auch einen großen Teil davon Dir erklären könnte. Ich glaube aber, daß Du weiter damit kommst, wenn Du erst einmal probierst. Mit der griechischen Sprache habe ich mich bis jetzt hier auch noch kein bisschen befasst. In Rußland hatte ich doch im Laufe der Zeit so einige Kleinigkeiten gelernt und vor allem mich mit den Schriftzeichen vertraut gemacht, so daß ich wenigstens die Sachen lesen konnte. Dieses Alphabet gilt hier aber nur zum Teil und dann wieder in abgeänderter Form. Einiges kann ich zwar schon wieder. Aber eines hilft mir schon viel und das ist die Kenntnis der französischen Sprache. Mit dem Chef vom Hotel kann ich mich ganz gut verständigen. Auch sonst gilt hier in einigermaßen guten Kreisen nur die französische Sprache. Ich muß zwar schon wieder etwas in meinem Gedächtniskasten herumkramen, wenn ich mich verständigen will, aber es geht schon ganz ordentlich. Wenn ich regelmäßig Übung habe, dann geht es bald. Denn ich merke, daß ich einem Gespräch schon ganz gut folge. Da merkt man immer wieder, was die Beherrschung einer Fremdsprache wert ist. Es steht zwar nicht immer gleich fest, wenn man eine solche Sprache lernt, daß man sie in der Weise gebrauchen kann, aber nützlich ist es auf jeden Fall.
Vorhin bekam ich das erste Lebenszeichen aus der Heimat. Von Deinem Vater kam ein Heft für mich an. Ich habe nur bedauert, daß nichts dazu geschrieben war. Nun wird es wohl keine 5 Wochen mehr brauchen, bis ich auch von Dir Post bekomme. Ich würde mich jedenfalls recht darüber freuen, wieder von Dir zu erfahren, wie es Euch geht. Habt Ihr auch mit darunter zu leiden gehabt, als die Bekämpfung der Flieger über den östlichen und westlichen Alpen geführt wurde ?
Den heutigen Nachmittag habe ich mir für ein Sonnenbad vorgesehen. Ich werde mit der Straßenbahn hinausfahren.
Ich war heute wieder draußen und habe in der Ägäis gebadet. Es ist ja herrlich zum Schwimmen. Doch ungetrübt darf die Freude nicht sein. Recht eklig finde ich ja die Quallen,  wenn man da beim Schwimmen hineingelangt. Das ist direkt widerlich. Am schlimmsten sind ja die Nesselquallen. Ich selbst habe noch nicht hinein gefasst, aber die müssen so eine Art Verbrennung auf der Haut herbeiführen. wo ich dort draußen war, hatten die anderen Kameraden eine gefangen. Die haben so lange Fäden, die wie eine Art Fangarme im Wasser hin und herfächeln.  Gesprungen bin ich auch vom Sprungbrett. Was sagst Du nun, ich habe sogar einen Kopfsprung vom 5 m-Brett versucht. Er ist auch so einigermaßen gelungen.  Mehrere Male bin ich vom 3m-Brett heruntergesprungen, das ging schon besser. Wenn ich einige Male üben würde, dann musste es auch mit Anlauf gehen.
Ich vergaß Dir noch mitzuteilen, daß ich gestern noch ein kleines Päckchen mit Sämereien an Dich abgesandt habe. Ich habe überall daraufgeschrieben, was es ist. Aber als alte erfahrene Gärtnerin findest Du das ja auch so heraus.  Lasse dich recht herzlich grüßen und Dich einschließlich der Kinder recht oft küssen von Deinem Ernst.

Mein liebstes Mädel !                                                                             4.10.43  
          
Mit großer Spannung warte ich auf die eintreffende Post. Sie will aber noch nicht kommen. Zwar so lang, wie es bis jetzt gedauert hat, solange wird es nicht mehr dauern, das steht wohl ziemlich eindeutig fest. Die Geduld wird aber auf eine harte Probe gestellt. Es kann sich ja nur noch um Sekunden handeln, wie man so schön sagt, denn wenn von Deinem Vater schon die Sendung, die zwar keine Zeile enthielt, eingegangen ist, dann kann auch die andere Post nicht mehr allzu weit sein. Fünf volle Wochen ist doch eine geraume Zeit, in der sich allerhand daheim ereignen kann. Aber ich will nicht klagen, im übrigen weiß man ja noch nicht, was einem alles bevorsteht und wie lange man dann noch warten muß. Aber zu den Schwarzsehern gehöre ich Gott sei Dank nicht, denn ich habe versucht, die Dinge immer etwas optimistisch zu sehen und ich bin nicht schlecht dabei gefahren.
Wie ich Dir schon einmal schrieb, habe ich bis jetzt immer im Kasino für durchreisende Offiziere gegessen. Es ist dies das größte Hotel am Platz, und das will hier schon was heißen. Wenn das Essen auch nicht gerade überragend war, so war es doch immerhin so, daß man dabei satt werden konnte. Übermorgen tritt nun auch in meiner Verpflegung eine Änderung ein, als ich jetzt auf Betreiben unseres Chefs hier im Offizierskasino dieses Haufens mitessen muß. Ich hatte ihn gebeten, daß diese Einreihung in diesen erlauchten Kreis nur dann geschehen möge, wenn es sich herausstellt, daß ich nicht nur für wenige Zeit dort bleiben und dann später wieder, wenn man dann festgestellt hat, daß ich in meinem Rangverhältnis doch nicht dorthin gehöre und daher wegen „Platzmangel“, wie man das seinerzeit in Charkow so schön sagte, wieder hinausgeekelt werde. Das soll aber hier ganz klar gehen. Es soll dort recht steif hergehen, darum hatte ich schon keinen großen Geschmack, dort mitzumachen. Aber einem Befehl kann man sich schlecht wider setzen.  Ich lege Dir einige Zeitungsbilder bei, die zu dem Artikel passen, den ich Dir vor einige Tagen über die Parade in Athen schickte. Das große Bild zeigt einen Teil des Gebäudes, das unsere Arbeitsräume enthält. Die letzten Fenster oben in der linken Ecke gehören zu den Räumen unserer Abteilung. Das kleine Bild zeigt den Blick auf die Straße, die ich ziemlich jeden Tag laufe  denn ich kann auch auf anderem Wege ins Büro kommen Das wird Dich doch sicherlich interessieren.
Vom Wetter kann ich Dir auch berichten, daß der klarblaue Himmel , der mir bis jetzt hier bekannt geworden war, sich langsam bewölkt. Anscheinend schickt er sich dazu an, die Regenzeit einzuleiten. Wie ich schon einmal schrieb, muß man tüchtig obachtgeben, daß man sich nicht erkältet. Ich habe ja immer gleich etwas weg mit dem Hals. Jetzt gerade bin ich etwas heißer, ich hoffe aber, daß sich das bald wieder legt.
Ich habe Gelegenheit, ein Päckchen mitzugeben, das etwas mehr wie ein Kilo wiegt. Es geht mit einem Transport mit, der griechische Arbeiter nach Deutschland zum Arbeitseinsatz bringt. Ein Feldwebel begleitet ihn , und ich hoffe, daß er dieses Päckchen dann auch in Deutschland richtig aufgibt. Als Absender habe ich die Adresse Deines Vaters genommen, damit das nicht so komisch aussieht. Wenn diese Sendung ankommen sollte, dann bitte ich ebenfalls um baldige Bestätigung, denn ich mache mir schließlich auch Gedanken. Es beruhigt mich dabei, daß noch mehrere Päckchen von Offizieren mitgehen, die ja schließlich auch an das richtige Ankommen interessiert sind.
Lasse Dich recht herzlich grüßen wie auch die Kinder. An Vater richte bitte recht schöne Grüße aus. Wie geht es ihm denn. Du nimm aber recht viele liebe Küsse entgegen und denke immer an Deinen Ernst.

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