Mein
herzlieber Schatz !
29.10.43
Mir ist es so, als gibt es nicht viel zu schreiben. Deinen letzten Brief vom 22. habe ich Dir auch schon beantwortet und weitere Post ist noch nicht eingegangen. Ich mache mir Gedanken, ob dann das Paket angekommen ist, denn es wäre ja jammerschade, wenn das nicht der Fall wäre. Für Euch würde das immerhin etwas bedeuten, wenn Ihr diese Sachen habt. Ich warte noch ein paar Tage und dann werde ich wohl dieser Sache einmal auf die Spur gehen.
Die letzten Fotos habe ich mir nun auch noch geholt. Ich bin ja nur auf dem einen Bild mit drauf, aber die anderen gehören ja mit dazu. So kahl wie das Gestein zu sehen ist, so ist die ganze Gegend. Der Strand ist dort auch sehr steinig. Ich stelle mir vor, daß es ganz nett sein könnte, wenn die Höhenzüge bewaldet wären. Aber das ist ja nicht unsere Aufgabe, diese herzurichten.
In einer Zeitung „Das Reich“ fand ich einen Artikel über Poltawa. Im großen und ganzen ist er nicht schlecht. Vor allem, was die geschichtlichen Dinge anbelangt. Was die neuere Zeit betrifft, so kann man verschiedentlich anderer Ansicht sein. Aber die Bilder sind noch bemerkenswert. Die große Säule habe ich oft gesehen, denn sie steht gewissermaßen im Zentrum der Stadt und beherrscht damit das Stadtbild. Der runde Platz mit seinen Gebäuden, die ebenfalls im Rund angeordnet waren, gab der Stadt ein besonderes Gepräge. Sowas hat man im Osten sonst nicht weiter gesehen und daher mutet das etwas westisch an. Ja ich muß noch daran denken, wie wir im letzten Winter dort hinkamen. Schwer durchfroren. Wir hatten uns dann bald eingerichtet. Es ließ sich dort leben. Es freut mich nun heute doppelt, daß wir damals die verschiedenen Sachen organisieren konnten. Das hat euch doch auch geholfen. Ja, und jetzt ist die Stadt ein Trümmerhaufen. Ich sprach mit einem Oberrat, der mir aus dem Osten bekannt war. Er hat die großen Gebäude mit angezündet, damit sie dem Russen nicht dienlich sein können. Das Theater und die anderen großen Gebäude sind alle vernichtet worden. Nach der Schilderung finden die Russen nichts besonderes vor. _ Mit einem anderen Rat will ich mich heute Abend treffen, damit wir uns noch einmal über die im Osten verbrachten Tage unterhalten können. Der kam gerade um die Zeit zu uns, als es im vergangenen Winter drunter und drüber ging. Wir haben dann so verschiedenes gemeinsam erlebt. Auch diesen Rückzug bis Poltawa. Er kam zwar einige Tage später wieder zu uns. Aber alles ist mir noch lebhaft in Erinnerung. Immerhin finde ich es sehr nett von diesem Mann, daß er sich mit mir zusammensetzt, denn er hat gewiss andere Gesellschaft. _ Heute geht nun dieser Brief mit dem von gestern an Dich ab. Wir sparen auf diese Weise einige Umschläge und ich glaube, daß Du die Post auch nicht eher und nicht später bekommst, wie wenn ich sie gesondert abschicke. Die von mir gesammelten Umschläge füge ich auch noch dazu. Da kannst Du Dir schon das Schreiben sparen. Bist ja sonst zwar auch nicht zu faul dazu. _ Das Fliegermachen aus Schreibheften hat unser Sohn nun auch heraus. Ich habe es früher auch einmal gekonnt, aber ich glaube nicht, daß ich es so ohne weiteres wieder fertig bringe. Na, dafür haben wir ja jetzt einen in der Familie, der sie fertigen kann.
Es hat also doch noch manches gegeben. Ich hätte es nicht gedacht, daß ich heute soviel zusammenbringen würde. Sei lieb und lasse Dich recht herzlich grüßen, mein liebes Mädel. Einen herzlichen Kuß für Dich und je einen für unsere beiden Borzels sendet Dir Dein Ernst.
Mein
liebstes Mädel ! 30.10.43
Das war mir genau nochmals das gleiche Vergnügen, als ich von Dir mit Deinem Brief vom 26.10. die Mitteilung vom Eintreffen meines Pakets erhielt, wie ich damals das Paket an Dich fertiggemacht hatte. Ich hatte das Zeug hier angesammelt und wusste erst nicht, wie ich es wegbringen sollte. Dann gab sich diese günstige Gelegenheit, da kannst Du Dir denken, daß ich sehr froh darum war. Dann habe ich alles zusammengepackt, was ich beieinander hatte. Ich war aber dann selbst etwas erschrocken, was es für ein Gewicht gegeben hat. Die anderen Kameraden gaben ja auch etwas mit; aber mein Paket war doch bei weitem das schwerste. Einer meinte, ob ich denn Blei mit beigepackt hätte. Nun schwebt man immer in Sorge, kommt es auch richtig an, oder passiert etwas damit. Bis man dann nicht die Gewissheit hat, macht man sich Gedanken und sagt sich, vielleicht wäre es doch besser gewesen, man hätte es einzeln verschickt. Aber wie gesagt, jetzt bin ich recht froh darüber, daß Ihr alles richtig erhalten habt. Wenn eines der anderen Päckchen unterwegs verloren ginge, dann müsste man sich schließlich damit abfinden, obwohl es ärgerlich wäre. Doch ich sage mir, das könnte man immerhin noch verschmerzen. Jedenfalls sehe ich, daß diese Sendung auch Euren vollen Beifall gefunden hat, und das soll ja auch so sein. Eines musst Du aber beachten. Es kann sein, daß in den Rosinen Maden drin sind. Du mußt sie ab und zu einmal durchsehen, damit es nicht mehr werden. Mit den Feigen hat sich unser Jörg also zusammengedichtet, daß ich für jeden einen Kranz gekauft hätte. Ist auch nicht schlecht. Aber es klappte gerade so mit dem Gewicht, doch das ist ja kein Grund, seine Träume zu zerstören. Für die übrigen Sachen hast Du also auch Deine Verwendung . Wenn Du das Pulver ausprobiert hast, dann kannst Du mir ja Deine Erfahrungen mitteilen. Ich denke, daß es sich wohl auch ganz gut für eine Kaltschale anwenden läßt. Etwas von diesem Mehl und dann einige Rosinen, das ist sehr schmackhaft und wenn Du das vor dem Essen gibst, so werden das die Kinder bestimmt nicht verachten. Wegen des Geldes, das ich dafür habe aufwenden müssen, musst Du Dir keine Gedanken machen. Es macht ja schon viel aus, daß ich nicht rauche. Für die Tabakwaren brauche ich deshalb kein Geld anzuwenden, was bei den meisten der anderen Kameraden der Fall ist. Ich hatte mir von Serbien auch noch einiges Geld gespart, das ich mit dafür verwendet habe. Jetzt werde ich zwar nicht mehr solche Käufe machen können, zumal ja auch die Preise heute höher sind als zu der Zeit, als ich das alles eingekauft hatte. Es besteht zwar die Absicht, die Preise allgemeine zu senken, aber bis jetzt ist noch kein sichtbarer Erfolg erzielt. worden. Es hat auch nichts weiter genützt, daß man die zwei Wucherer aufgehängt hat, die Waren werden zu den gleichen Preisen angeboten und ein Teil wird trotz allem noch zurückgehalten. Die Hauptleidtragenden sind ja die Griechen selbst, wenngleich es uns als kleine Geldempfänger auch lieber wäre, wenn wir etwas mehr für unser Geld erhalten würden. Wie dem auch sei, ich werde mich durchschlagen.
Für den lieben Veilchengruß aus dem Garten danke ich vielmals. Sie dufteten noch ganz schön. Diese Veilchen blühen doch fast das ganze Jahr. Wie hieß es doch einmal. Irgendeiner unserer großen Dichter schrieb einmal davon, daß sie ein süßes Unkraut seien. Das kann man wohl auch sagen, denn sie sind sehr anspruchslos und sind schon die ersten Blumen um Jahre. Sie blühen das ganze Jahr über und halten fast bis zuletzt mit aus.
Unser „so braver Jörg“ war also wieder einmal ein Zornikel, als er auf der Sparkasse nicht das erhielt, was er sich gedacht hatte. Das ist ja weniger schön, wenn er sich nicht soweit beherrschen kann, daß er es anderen Leuten zeigt, wie er sich darüber geärgert hat. Ich kann mir sein Gesicht vorstellen, als Du dann noch etwas anderes brachtest.
Inzwischen hast Du wohl nun Deine Kartoffeln bekommen. Dann könnte der Winter kommen, denn somit hättest Du dann ziemlich alles, was zu erhalten und heraus zuholen war. Lasse mich heute wieder schließen mit recht schönen Grüßen für Euch alle, auch an Vater. Einen herzlichen Kuß bekommst Du noch von Deinem Ernst.
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