Meine
liebe Annie !
30.9.43
Schon
sind wieder fünf Wochen vergangen, seit ich meinen Dienst nach dem Urlaub
antrat. Ich saß zu jener Zeit in München und überlegt, wie ich es anstelle,
Dich noch einige Tage bei mir zu haben. Daß mir das gelungen ist, freut mich
noch heute, wenn ich daran denke, wie nett und schön die Tage unseres Zusammen
seins waren. Vor einer Woche kam ich hier an und ich war froh, daß ich es für
eine Zeit wieder geschafft hatte. Wie sich nun hier langsam heraus
kristallisierte, werde ich nicht für dauernd hier bleiben. Durch die
Herausnahme der Italiener aus diesem Raum, haben sich doch manche Änderungen
ergeben. Die Kommandanturen sind aber zum Teil noch nicht eingetroffen, so daß
noch keine richtiges Betätigungsfeld für mich besteht. Ich bin nun so Quasi als
Lückenbüßer tätig und bringe so schlecht und recht den Tag herum. Der Kollege,
ein Oberinspektor, ist, wie man sagt, ein ruhiger Beamter. Das aber im wahrsten
Sinn des Wortes. Bei dieser Sachlage ist mein Interesse an dem Betrieb hier
nicht sonderlich groß, das läßt sich ja denken. Aber da kann ja kommen, was da
will, ich lasse mich so leicht durch nichts mehr erschrecken. Es kommt so
manches den Tag über, daß man sich wundern könnte, aber da mache ich mir schon
nichts weiter draus. Doch wenn ich das erklären soll, da muß ich schon etwas
weiter ausholen. Die Bekleidung der einzelnen Männer treibt ja tolle Blüten.
Man kann hier aller hand Sachen sehen,
die in der Bekleidungsordnung nicht vorgesehen sind. Eines ist wohl
statthaft und das gefällt mir auch besonders, das sind die Pumphosen. Ein Teil
der Soldaten läuft hier mit kurzen Hosen herum und da bin ich schon seit meinem
Eintreffen hier scharf darauf. Geglückt ist es mir zwar noch nicht, eine davon zu
erwischen. Nun kann man manchmal Trupps sehen, da sind Männer mit
althergebrachten langen Hosen, dann welche mit Sommerhosen, dann wieder andere
mit Hosen, wie sie die Fallschirmjäger tragen und dann trägt ein großer Teil
diese kurzen Hosen. Das sieht dann sehr bunt aus, wenn solch ein Haufen
anmarschiert kommt. Da stört sich auch niemand daran. Genau so wenig, wenn
einer zu seinen weißen Socken Tennisschuhe oder sogar Riemensandalen trägt. Das
macht alles nichts aus. Wenn man aber vorschriftsmäßig angezogen ist, wie ich,
dann erregt man doch immer wieder Aufsehen. Kannst Du Dir vorstellen, daß ich
ein Panzerknacker bin oder kannst Du Dir vorstellen, daß ich ein Ausländer bin,
der als Hilfswilliger in der deutschen Armee dient? Ja, hier trägt jeder zu seiner
Sommerbekleidung die Schulterstücke, wie das bisher immer üblich war. Ganz
selten siehst Du hier jemand einmal mit Ärmelstreifen. Geht man hier durch die
Straßen, so wird man immer ganz groß angesehen und keiner weiß so richtig etwas
anzufangen. Mir macht es Spaß und es freut mich vor allem immer wieder, wenn
mich Offiziere daraufhin ansprechen. Sie entschuldigen sich dann mit allerhand
Ausreden, wie viele Dienstgrade usw. aber sie fühlen sich doch immer etwas
blamiert. Wie gesagt, darum macht mir es Spaß. Für solche ausgefallene Sachen
war ich ja schon immer zu haben. Aber wenn einem etwas passiert, wie ich es
eben schon erwähnte, dann könnte man leicht aus der Fassung kommen. Diese
Fragen spiegeln aber so richtig das wieder, was ich auf der St raße immer
beobachte. Ja, ja, jetzt bin ich schon Panzerknacker oder Hilfswilliger. Welche
Ehre mir damit widerfährt. Lassen wir das und die Leute lasse ich ruhig
weiterraten. Vielleicht kommen sie mit der Zeit doch noch dahinter. Zwar die,
die es wissen, und das ist schon ein gewisser Teil, die muß ich schon
hervorheben, die haben wahrscheinlich doch einmal die Verordnungsblätter
gelesen, wo dies mitgeteilt worden ist. Etwas hat mir auch immer ein bisschen
Kummer gemacht, das sind die Sämereien für Deinen Garten. In Serbien hatte ich
mich schon darum gekümmert, aber dort gab es noch nichts. Hier habe ich aber
einen Stand angetroffen , wo es diese gibt. Heute früh habe ich Zwiebelsamen,
Möhren und Radieschen erstanden. Wenn Do noch etwas anderes brauchst und ich kann
es hier bekommen, dann will ich mich darum bemühen. Ich schicke Dir diese Sachen bald mit zu. Ich denken, daß Du
darum auch froh sein wirst. Du weißt ja, daß ich mich schon immer gleich danach
umtue, um solche Mangelartikel zu erhalten, damit Du Dir wieder helfen kannst.
_ Bleibt mir gesund und munter. Ich hoffe, daß Du nun schon Post von mir
bekommen hast, die ich hier abgeschickt habe. Dann weißt Du ja wieder über
vieles schon Bescheid. Recht herzliche Grüße und viele, viele Küsse sende ich
Dir und den Kindern. Dein Ernst.
Mein
liebster Schatz !
1.10.43
Wenn so Woche um Woche vergeht und man hat immer noch keine Post, dann kann man mit der Zeit ungeduldig werden. Wenn es aber so ist, daß unsere Post mit dem Flugzeug transportiert wird, dann müsstest Du ja schon Briefe von mir, die ich hier geschrieben hat, schon erhalten haben und ich werde wohl auch am Anfang der kommenden Woche damit rechnen können, daß von Dir etwas ankommt. Die andere Post fährt ja auch noch in der Weltgeschichte herum. Aber auch mit deren Eingang werde ich wohl einmal rechnen können. Wenn Du Briefe an mich richtest, so brauchst Du keine Luftpostmarke verwenden, weil wir an dem offiziellen Luftverkehr nicht angeschlossen sind. Du kannst sie ja noch aufheben, soweit Du sie nicht schon verwendet hast. Ich hatte das immer vergessen, Dir mitzuteilen. Eines freut mich ja, daß ich Dir immer noch regelmäßig habe schreiben können von den Reisetagen abgesehen, weil man dort so schlecht dazukommt. Was sagst Du zu dem Bild von der Akropolis? Ist das nicht schnell gegangen? Von der Reise habe ich noch Brot hier, es war aber noch nicht ganz trocken. Ich will nicht, daß es sonst auf dem Transport dann verschimmelt. Heute habe ich zwei kleine Päckchen an Dich wieder abgeschickt, das sind die Abschnitte vom dem Brot. Die kleinen Päckchen rechnen ja nicht auf das Kontingent, das einem mit monatlich mit zwei Päckchen zusteht. Ich will aber doch diese Sachen mit loswerden. Mit den Päckchen werde ich sowieso Schwierigkeiten bekommen, denn ich habe allerhand an Euch abzusenden. Ich habe mich hier umgesehen nach den verschiedenen Dingen, die man alle kaufen kann. Ich habe Kleider gesehen und Handtaschen, die ich evtl. für Dich kaufen wollte, aber wenn ich mein Bargeld in einheimischer Währung übersehe, dann kam ich immer zu dem Ergebnis, daß das Geld kaum oder knapp reicht. Dann würde ich mich restlos verausgaben. Auch Schuhe könnte man wohl kaufen, aber dazu reichen die wenigen Drachmen nicht aus. Ich habe mir gedacht, daß Ihr so einigermaßen mit Euren Sachen auskommen werdet. Aber mit dem Essen ist das schon eine andere Sache. Ich habe mich hier auch da umgesehen. Recht gute Teigwaren könnte ich hier kaufen. 1 ½ kg kosten 18000 Drachmen. Bei einem Umrechnungskurs von 2400 wären das 7,50 RM. Das ist doch zu teuer, um dann damit etwas zwei oder drei Mittagessen zu bestreiten. Für das gleiche Geld bekomme ich etwa das Zweieinhalbfache an Rosinen oder Korinthen. Ich denke, daß Du damit schon eher etwas anfangen kannst. Man kann sie ja auch so essen, wenn man zuviel davon hat. Ich denke, daß Dir auf diese Weise mehr gedient ist. Hülsenfrüchte habe ich hier leider noch nicht gesehen, sonst hätte ich mich schon Raum angenommen. Ich denke, daß Du auch meine Ansicht teilst. Ich möchte eben das Geld recht nutzbringend anwenden, damit Ihr auch etwas davon habt.
Gestern war ich über Mittag wieder im olympischen Bad und heute will ich auch wieder gehen, denn bei der großen Hitze ist es eine recht angenehme Erfrischung. Wenn man eine Weile dort in der Sonne sitzt, dann fängt man wohl auch an zu schwitzen, aber man kann ja dort ungehindert ins Wasser springen, um sich die nötige Abkühlung zu verschaffen. Ich mache es dann immer so, daß ich, bevor ich gehe, mich nochmals ins Wasser stürze und dann unabgetrocknet meine Sachen anziehe. Das bringt einem dann noch hinterher eine ganze Zeit große Erfrischung. Nach geraumer Zeit fängt ja das Schwitzen wieder an, aber dieses Baden kommt einem vor wie eine Oase in der Wüste. Am Sonntag werde ich dann in das Seestrandbad fahren und mich dort den Nachmittag über vergnügen. Mein Wässerungsbedarf ist sehr groß, denn das Abbrausen früh und abends halte ich regelmäßig ein.
Zwei Artikel aus der hiesigen Zeitung lege ich Dir heute mit bei. Der eine behandelt eine Parade, die ich hier auch gesehen habe und der andere spricht so etwas über die Verhältnisse. Ich denke, daß Dich das interessieren wird, dann brauche ich auch nichts weiter groß von diesen Dingen zu schreiben. Mit den Panzern habe ich bis jetzt noch geringe Bekanntschaft gemacht, aber das reicht mir eigentlich schon.
Lasse Dich und die Kinder recht herzlich grüßen. Einen festen Kuß bekommst Du wieder von Deinem Ernst.
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