Donnerstag, 27. September 2018

Brief 460 vom 26./27.9.1943


Mein liebes, gutes Mädel !                                                                 26.9.43  
      
Heute hatte ich einen recht erlebnisreichen Tag, denn er war von früh bis zum Abend reichlich ausgenutzt. Doch als erstes wirst Du Dir wohl das Bild zur Hand nehmen. Ich will nur gleich dazu sagen, daß ich auch mit drauf bin, denn sonst hätte ich es nicht genommen. Der Rechte von links in der Mitte. Siehst Du es genau? Ich will also doch lieber der Reihe nach erzählen und nicht das Mittlere nach vorne kehren. Der Kriegsverwaltungsrat, der mit bei unserer Reisegemeinschaft von Belgrad her dabei war, verlässt uns nun morgen, darum hatten wir vereinbart, daß wir heute zusammen uns hier noch etwas von der Stadt  und der Umgebung ansehen. Ich hatte mich freigefragt, was mir anstandslos gewährt wurde. Wir sind nun am Vormittag zur Akropolis gegangen. Ich war einfach überwältigt von dem Eindruck, den die ganze Anlage auf mich gemacht hat. Es ist nur sehr bedauerlich, daß der Barbarismus der Türkenherrschaft über das Land und dann einige Herren Engländer diese Zeugnisse der klassischen Kunst teils zerstört und soweit dann noch Reste, die einigermaßen brauchbar waren, verschleppt haben. Ich habe meine wenigen Kenntnisse der griechischen Geschichte wieder ausgekramt. Teilweise musst ich feststellen, daß ich jämmerlich damit Schiffbruch erlitt, aber dadurch daß uns ein Führer diese Dinge im Zusammenhang mit der Geschichte erklärte, bekam dies alles etwas Leben. Ich denke nur daran, was wir für eine Freude hatten, als wir zusammen München uns ansehen konnte. Es war doch für uns beide auch ein Erlebnis, das uns dauernd haften bleiben wird. Ich habe es aufrichtig bedauert, daß Du hier nicht mit dabei sein konntest. Diese Eindrücke alle nieder zu schreiben, fällt mir wirklich schwer. Wenn ich einmal wieder nach haus komme, so kann ich wohl am besten darüber reden. Es ist erstaunlich, was für prächtige Bauten man zu damaliger Zeit aufführte, wo den Menschen doch die technischen Mittel, die wir heute wissen, noch nicht bekannt waren. Gewaltige Hallen sind errichtet worden in einer Zeit, die man nicht für möglich hält. Den Tempel der Athene oder die genauere Bezeichnung Parthenon, wurde im Zeitraum von 9 Jahren errichtet. Man kann sich das kaum vorstellen. Auch die anderen Tempel , die teilweise wieder hergestellt sind oder nur noch in Trümmern vorhanden sind, machen auch in diesen Bruchstücken auf den Beschauer noch einen großen Eindruck. Ich habe früher immer gesagt, was geht mich das alles an, ob die alten Griechen das oder jenes gemacht haben. Solange man keine Gelegenheit hat, das selbst in Augenschein zu nehmen, da mag diese Ansicht wohl berechtigt sein. Aber hat man das gesehen, dann bekommt das alles ein anderes Bild. Diese Dinge sind jedenfalls Zeugen einer sehr, sehr hohen Kultur. Das läßt sich nicht bestreiten. Als wir den Tempel besichtigten, kam ein Fotograf und stellte sich auf, um uns aufzunehmen. Ich dachte aber, daß er nur bluffen wollte. Als er sich dann aber wieder verzog, dachte ich, daß er wohl selbst die Aussichtslosigkeit seines Unternehmens ansieht. Als wir dann mit unserer Besichtigung fertig waren, kommt er auf einmal auf uns zu und legt uns die fertigen Bilder vor. Da war ich dann doch etwas überrascht und damit auch bald überrumpelt. Es kostete ja 80 Pfennig, so daß ich mir diesen Spaß erlaubt habe. Ich denke aber, daß auch Ihr damit eine Freude habt. An sich ist es ja auch ein Andenken an diesen Besuch. Wenn ich es am kommenden Sonntag möglich machen kann, da pilgere ich nochmals hinauf, um das alles nochmals in Ruhe und allein anzusehen. Ich muß sagen, daß dies wirklich ein Erlebnis ist, wenn man sich das ansehen kann.
Am Nachmittag wollten wir zum Hafen von Piräus. Wir erfuhren aber von einer Möglichkeit, nach der Insel Salamis zu fahren. Diese Gelegenheit haben wir gleich benutzt. Erst sind wir hier ½ Stunde mit der Untergrundbahn gefahren und eine weitere ½ Stunde mit der Straßenbahn. Das Schiff, das uns übersetzen sollte, war uns vor der Nase weggeschwommen. So daß wir bald eine Stunde warten mussten. Wir haben diese Wartezeit benutzt und haben uns in das Ägäische Meer gestürzt. Ich kann Dir sagen, daß das ein herrliches Baden war. Ein wunderbares klares Wasser. Das Schwimmen war direkt eine Lust. Man spürt nichts von Anstrengung; denn das Wasser ist sehr salzhaltig. Da muß man sich sehr vorsehen, daß man kein Wasser schluckt. Das ist eine Sache, an die man sich wohl nicht mit der Zeit gewöhnt. Ich kann Dir aber sagen, daß das wirklich eine Freude war, wie man sich da im Wasser tummeln konnte. Das wäre auch etwas für Dich gewesen. Eine Müdigkeit spürte man im Moment überhaupt nicht. Aber heute Abend merke ich es schon. Zwar der Tag hat uns die ganze Zeit in Anspruch gesehen, aber ich führe dies wohl mehr auf das Baden zurück. Anschließend nach unserem Bad sind wir dann zur Insel Salamis mit einem Motorboot hinübergefahren. Das dauert nicht gerade lange, denn die Wasserstraße ist nicht viel breite wie bei uns die Entfernung von Meersburg nach Staad ist. Das ist doch die Insel, wo die Salamiwürste wachsen. Das glaubst Du mir wohl wieder nicht? Das finde ich weniger nett von Dir. Nein.  aber das wirst Du wohl auch noch aus der Schule wissen, daß hier die Perser von der griechischen Flotte geschlagen wurden. Das herrliche blaue Wasser war sehr schön. Etwas ernüchternd wirken nur immer wieder die abgeholzten kahlen Felsen. Fort bei dieser Fahrt konnte ich Schnellboote in Fahrt sehen und ein U-Boot habe ich auch gesehen. Hingehen durfte man zwar nicht, aber schon der Eindruck selbst und das Gefühl, daß man diese dinge einmal persönlich gesehen hat, macht einem Freude. War das nicht ein Tag mit recht vielen Eindrücken? Ich glaube es wohl auch. Wir sind dann am Abend mit der Bahn auf dem gleichen Weg nach hause gefahren. Die Untergrundbahn hält unmittelbar nahe unserer Hotels, so daß wir dann nicht mehr weit laufen mussten. Von unserem Hotel bis zum Kasino ist zwar noch ein Weg von ¼ Stunde, das war aber dann nicht mehr so schlimm.
Ich will meinen heutigen Brief mit recht herzlichen vielen Grüßen für Euch alle und mit lieben Küssen für Dich und die Kinder abschließen. Dein Ernst. 

Meine Liebste, meine Annie !                                                                      27.9.43  
     
Es vergeht ein Tag nach dem anderen und immer erhalte ich noch keine Post. Das ist schon eine kleine Anstrengung für die Nerven. Ich hoffe aber, daß es auf dem jetzigen Weg nicht solange mehr dauern wird, denn unsere Post soll ja in beiden Richtungen mit Luftpost befördert werden. Ich habe zwar noch viel zu erzählen nach den vielen neuen Eindrücken, die ich hier gewonnen habe, aber manchmal fehlt einem jetzt so die richtige Stimmung zum Schreiben. Aber ganz ohne eine Zeile an Dich zu schreiben, kann ich auch wieder nicht zu bett gehen, denn da fehlt mir sonst etwas. Ich will erst kurz vom heutigen Tag berichten. Gleich nach Dienstanfang hieß es, daß heute Schießen sei. Das ist ja im allgemeinen nicht meine Passion. Wir sind ein ganzes Stück durch die Stadt mit dem Kraftwagen gefahren. Dadurch habe ich wieder einen Teil der Stadt kennen gelernt. Ich muß nur immer wieder sagen, welch ein Unterschied zwischen Belgrad und hier. Belgrad hat einige wenige neue Gebäude, die repräsentieren sollen. Sie sehen nicht schlecht aus, aber sie verlieren sich im Stadtgebiet. Hier dagegen sind ganze Straßen mit sehr schönen Bauten eingerahmt und, was hier noch besonders hinzukommt, es ist hier alles sehr sauber. Doch auf diese Dinge werde ich einmal in einem späteren Brief eingehen. Beim Schießen habe ich mich erst ganz gut angelassen, doch mit einem einzigen Schuss nur habe ich dann alles verpatzt. Beim Pistolenschießen dagegen mussten wir in 5 Sekunden 3 Schuss auf eine Figur abgeben, die 25 m entfernt war. Wenn man einen Treffer erzielt hatte, war die Bedingung erfüllt. Hier hatte ich etwas mehr Glück, denn ich hatte 2 Treffer erzielt. Das hat mir insofern eine Befriedigung gegeben, daß ich wenigstens nicht ganz umsonst hinausgefahren bin. Durch dieses Schießen war der Vormittag schon sehr eingeengt. Über die Mittagszeit habe ich nach dem Abbrausen gleich ein Päckchen für Dich fertiggemacht. Es hat die Nummer 41 und enthält einen Teil der von der Fahrt aufgesparten Marschverpflegung von meiner Herreise. Sie enthält eine Büchse Ölsardinen und die runde Dose enthält Fleisch. Es ist zwar nicht übermäßig viel, aber ein Essen kannst Du damit schon noch strecken. Als wir durch Serbien fuhren, entdeckte ich in einem Geschäft Backpulver . Ich hatte schon wiederholt gehört, daß Du schon lange Zeit so wenig zugeteilt erhältst. Es sind zwar auch nur einige, aber Dur wirst sie schon verwenden können. Auch für den Zimt, der kein Ersatz ist, wirst Du schon eine Verwertung haben. Wenn das von der Reise aufgehobene Brot trocken genug ist, dann werde ich dies auch noch abschicken. Wenn ich genügend Packmaterial hier hätte, dann könnte ich Dir noch einige andere Päckchen absenden. Hier ist dies zwar nicht so einfach, denn es sind im Monat nur zwei Päckchen für jeden Wehrmachtsangehörigen zugelassen. Ich hoffe aber, daß ich auch so noch etwas abschicken kann. Einige Kleinigkeiten habe ich schon erstanden, die ich dann absenden werde.
Vorhin war ich noch im Kino. Es war ein sehr billiger Film; er hieß „Der Hochtourist“. Aber etwas ablenken muß man sich, sonst wird man so einseitig und stumpf. Jetzt bin ich aber wieder reichlich müde, denn es geht schon wieder auf ½ 12 Uhr zu.  Ich übermittle Dir und den Kindern recht viele liebe Grüße und Dir sende ich einen recht herzhaften Schmatz. Dein Ernst. . Nachsatz: Schicke mir doch bitte 3 bis 4 kleine Leinensäckchen ungefähr vom Format dieses Bogens. Viel größer jedenfalls nicht. Wenn möglich, dann kannst Du sie ja einzeln oder zu zwei Stück zusammenpacken. Ich hätte verschiedene Kleinigkeiten wegzuschicken, so daß ich dafür diese Säckchen gut verwenden könnte, zudem könnte ich einiges Verpackungsmaterial sparen. Recht vielen Dank dafür und einen ordentlich kräftigen Kuss dazu von Deinem Ernst.


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