Samstag, 22. September 2018

Brief 454 vom 10./11.09.1943


Meine liebste Frau !                                                                           10.9.43      
  
Wie es sich einmal nicht anderes einrichten läßt, so muß ich auf Post von Dir warten. Es ist ja schon sehr oft so gewesen, daß man meinen konnte, daß man sich daran gewöhnt hätte. Aber immer wieder fängt man an mit den Tagen an zu rechnen, wie lange es wohl noch dauern kann, bis die erste Nachricht von daheim eintrifft,. Die ersten Tage geht das ganz gut, denn dann weiß man ja, daß ein Bescheid noch nicht eintreffen kann. Je näher aber der Termin der mutmaßlichen Postankunft rückt, umso kribbliger wird man. Jetzt besonders nach dem Urlaub und den Tagen des Zusammenseins wäre mir eine Nachricht von daheim doppelt lieb. Aber es lässt sich nicht erzwingen und daher muß ich mich bescheiden, bis Deine ersten Briefe eintreffen.
Von meiner Fahrt bis nach Belgrad hatte ich Dir schon geschrieben, auch von den Eindrücken, die ich dort hatte. Daß ich mit meiner Weiterfahrt Pech hatte, weiß Du auch. Ich hatte dann gleich mein Gepäck versorgt. um dann am anderen Morgen ungehindert reisen zu können. Das ging dann auch ganz gut, denn ich hatte nur meinen Waschbeutel und den Schlafsack und die Gasmaske, die mir von der Aufbewahrung nicht angenommen wurde. Für die ersten Stationen war der Zug sehr besetzt. Nach und nach leerte es sich und bei der Umsteigestation, da hatten wir ganz schön Platz.  Das Wetter war ziemlich warm geworden. Die Tage vorher hatte es immer etwas geregnet. Aber auf den Feldern war es doch noch sehr trocken. Die Getreideernte ist ja nun schon eine zeitlang vorüber. Der Mais wurde abgeerntet, und die Leute sind auch teilweise dabei, die Kartoffeln zu roden. Die Landschaft ist ziemlich bergig und erinnert schon etwa an unsere Gegend. Teilweise sind die Hänge bewaldet und soweit keine Wiesenwirtschaft besteht, sind sie mit Obstbäumen oder Reben bepflanzt. Ich habe aber gefunden, daß die Abhänge sehr oft kahl sind, so daß darauf zu schließen ist, daß sie für die Bebauung nicht zu verwenden sind. Sonst gibt es aber allerhand Früchte, so daß man sich bei dem starken Angebot über die hohen Preise wundern muß. Ich hatte keine Verpflegung in Belgrad gefasst und dachte, bald nach dem Mittagessen an meinem Bestimmungsort zu sein. Dadurch, daß ein Zug ausfiel und der Anschluss erst am Abend möglich war, machte sich in meinem Magen ein Hungergefühl bemerkbar. Während der Fahrt wurden Trauben an den Bahnhöfen angeboten, das Gewicht stand nicht fest, nur die Preise. Es war eine große Traube, die kostete 40 Dinar = 2, RM. Als ich dann in den Ort ging, bekam ich dann 1 kg für 60 Dinar. Das war dann für die hiesigen Verhältnisse sehr preiswert, aber immerhin bedeutet das doch ein Kapital, was man dafür anlegen muß. Darüber hilft nicht einmal der Teuerungszuschlag hinweg, den wir hier erhalten. Es nimmt einem darum nicht wunder, wenn die Landser anfangen zu handeln und zwar entsprechend den hiesigen Preisen.
Ich habe wieder einen Badeplatz gefunden und von dort komme ich gerade her. Es ist für die Jahrezeit noch eine sehr warme Witterung und dazu ist das Wetter wirklich schön. Ich hatte gehört, daß hier ein Badebecken ist, das nur noch für die Wehrmachtsangehörigen da ist. Bei den kurzen Entfernungen hier am Ort hat man es ja bald geschafft. Es ist zwar keine überragende Angelegenheit, aber man freut sich. Ich hatte dazu ein nettes Buch zum Lesen, das ich hier in unserer Bücherei  fand. „Der liebe Augustin“ heißt es. Es ist der Roman vom Bodensee, so daß ich mich richtig unbeschwert fühlen konnte, denn der Kleider war ich ja ledig. Dabei konnte ich mich noch, angeregt durch das Buch, in die Tage des Urlaubs hinein träumen. Ich musste an unsere gemeinsamen Badetage denken und welche Freude wir dabei haben konnten. Speziell die letzten Tage, die wir im Bad zubrachten, waren doch recht lustig. Auch die Kinder bereiteten uns viel Freude während dieser Tage. Auch heute kann ich mich noch von der eingeheimsten Freude zehren. Wie fröhlich war es doch, als wir zum Balken hinausgeschwommen waren. Meist war unser Strolch als erster draußen oder die Helga. Er ließ es sich nicht nehmen, trotz des Bibberns oder Zitterns noch ein Stück zu schwimmen, wenn das Wasser etwas frischer war. Helga sprang unentwegt hinein und versuchte immer wieder ihren Startsprung, der ihr am Ende nicht schlecht gelang. Aber Du konntest bei einigermaßen annehmbarer Temperatur nicht mehr den Weg ans Ufer finden. So tauchen immer wieder die Erinnerungen an die so schön verbrachten Tage auf. Auch bei Euch wird wohl immer noch die Rede von dieser schönen Zeit sein.
Vor drei Tagen war hier Kino. Es lief der Film, den ich schon einmal gesehen hatte „Zwei in einer großen Stadt“. Ich hatte ihn mir noch einmal angesehen, weil er mir damals nicht schlecht gefiel. Heute läuft nun der Film „Harmonie“ Ich werde ihn mir ansehen, denn er wird wohl gut sein.  Im allgemeinen verlaufen hier die Tage ziemlich regelmäßig und bieten keine große Abwechslung. Es ist nur gut, daß wir eine umfangreiche Bücherei haben, die ich fleißig benutze. Wenn ich nichts weiter zu tun habe, dann lese ich bis 10 Uhr. Das, was ich noch an eigenen Heften habe, ist nicht mehr übermäßig viel, so daß ich mir das in Reserve halte, wenn ich dann die Gelegenheit habe, mir einige Sachen der Weltliteratur zu Gemüte zu führen, die ich noch nicht kenne, so nehme ich selbstverständlich diese Gelegenheit wahr.  Mit vieler Liebe denke in an Euch alle und grüße Euch recht herzlich. Auch an Vater wieder herzliche Grüße. Dich aber umarme ich und küsse Dich dabei recht oft, leider nur nicht persönlich. Dein Ernst.

Meine Liebste !                                                                                    11.9. 43   
        
Vor 3 Wochen war ich noch in Konstanz, vor 14 Tagen befand ich mich in München und wartete auf Dich, und vor einer Woche kam ich hier an, nachdem ich in Belgrad Gelegenheit hatte, über die Vergänglichkeit der schönen Tage nachzudenken. Ob ich noch in der nächsten Woche hier sitze, könnte fast fraglich sein, aber das überlasse ich dem Schicksal. Es ist ja doch zwecklos, sich Gedanken über eine Sache zu machen, die man nicht ändern kann. Am Samstag geht der Dienst hier bis 6 Uhr und morgen wird ja nur von 10 bis ½ 1 Uhr gearbeitet. Dadurch gibt es ja ziemlich Freizeit, die ich mit Lesen überbrücken werde. Der tägliche Schlaf kommt bei der „großen körperlichen Belastung“, die ich hier auszustehen habe, nicht zu kurz. Die Verpflegung ist hier ja nicht so, wie ich sie in letzter Zeit gewohnt war. Wir bekamen nun neulich einige Eier, die ich Dir restlos zugesandt habe. Auch die erste Butterzuteilung ließ ich Dir ganz zugehen. Gestern erhielten wir nochmals ein Quantum Butter, das ich nun zur Ergänzung meiner Verpflegung  verwende. Ich habe mir zwar Gedanken gemacht, daß ich das noch nicht an Euch abgesandt habe, aber zu meiner Beruhigung habe ich erfahren, daß wir nochmals welche bekommen sollen. Die erhältst Du dann wieder. Es würde mich interessieren, wie viel das gewesen ist, was ich Dir zuletzt gesandt habe, ich hoffe, daß das richtig in Deinen Besitz kommt.
Es fällt mir gerade ein, daß ich Dir wegen des Geldes noch eine Mitteilung geben wollte. Von dem Geld, das ich hinterlassen habe, bitte ich dich, wieder einmal 100,RM mit auf die Kasse zu tun. Auf welches Konto Du es legst, ist mir gleichgültig. Den Rest hebst Du auf, bis ich Dir wieder einmal Anweisung dazu gebe. Man kann ja nicht wissen, ob wir das Geld nicht noch einmal brauchen können. Die Uhren kannst Du wohl nun auch abholen. Ich bin gespannt, ob sie nun wieder laufen. Die eine Sportuhr, die ich mitgebracht hatte, kannst Du von mir aus tragen. Hoffentlich macht sie Dir Freude. Das Band muß etwas genäht werden, aber das ist ja keine Schwierigkeit für Dich. _ Und was mir außerdem auf dem Balkan aufgefallen ist, ist die Tatsache, daß wir vor dem Krieg einen ganz bedeutenden Export nach Jugoslawien gehabt haben müssen. Geht man an den Schaufenstern vorbei, so entdeckt man überall die Anpreisung von Waren, die ihren Ursprung in Deutschland haben. An erster Stelle sind die Medikamente zu nennen. Optische Erzeugnisse wie auch die Namen von Agfa usw. tauchen auf.  Aber man sieht auch alle möglichen anderen Sachen . Uhren von Junghans oder Kienzle werden angeboten, daneben gibt es Odol Zahnpasta und Mundwasser. Aber das war mir wieder ein Wink der Heimat. als ich ein Schild sah von Allweiler Pumpenfabrik Radolfzell. Es wären noch sehr viele zu nennen, die uns in Deutschland tagtäglich begegnen. Französisches Kapital war anscheinend stark investiert. Verschiedene Gebäude weisen schon aufgrund ihres Namens darauf hin. Ich habe aber auch hier schon gesehen, daß französisches Geld in der Wirtschaft steckte. Ein einziges Schild wies auf englische Artikel hin. Ich kann nur sagen, daß Deutschland am Import des Landes den größten Anteil gehabt haben muß. Daß die Einfuhr von Fertigwaren für ein Land, was als Agrarstaat aufgebaut ist, von nicht unerheblicher Bedeutung ist, das kann man hier sehr gut anhand dieser Beispiele feststellen. _ Über Mittag war ich wieder baden. Es war ganz schön. Es ist jedenfalls besser, wenn ich mich bei dieser passenden Witterung ins Freie lege, als daß ich mich zwei Stunden aufs Ohr lege. Man muß sich nur immer das nützlichere heraussuchen. Solange ich noch hier bin und das Wetter dazu angetan, werde ich dies immer so halten.
Recht viele und herzliche Grüße vom Wochenende sendet Dir und unseren lieben Kerlchen Dein immer an Euch denkender Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen