Mein
liebster Schatz !
22.9.43
Gestern erst hatte ich einen Brief an Dich geschrieben und heute in Saloniki aufgegeben. Doch die durch das öftere Halten des Zuge sich bietende Gelegenheit will ich benutzen , um Dir immer wieder einige Zeilen niederzuschreiben, denn ich weiß ja, wie Du Dich freust, wenn Du immer wieder Nachricht von mir bekommst. Die große Hitze wirkt zwar sehr lähmend, doch ich kann es nicht leiden, wenn Du warten solltest und wo es ja nicht nötig ist. Gestern sind wir über das Balkangebirge geklettert und heute gegen 3 Uhr Mitternacht erreichten wir diese letzte große Station vor Athen, Saloniki. Wir fuhren verhältnismäßig schnell von dort weiter und hatten stellenweise eine sehr schöne Fahrt, die uns an der Bucht von Saloniki entlang führte. Als der Zug einmal längere Zeit hielt, benutzten einige die Gelegenheit, um in dem herrlichen Wasser zu baden. Im Gegensatz zu dem unendlich vielen Schmutz, der im Land herrscht, was das Wasser wunderbar klar. Klarer wie bei uns der See. Heute morgen wurde ich wirklich an unseren See so erinnert. Das weite blaue Wasser, im Hinter grund die Berge und darüber ein klarer blauer Himmel. Man konnte meinen, den Blick nach Richtung Bregenz vor sich zu haben.
23.9.43
Eine weitere Nacht haben wir im Zuge hinter uns. Athen sollen wir heute doch noch erreichen. Glatte 4 Tage und 4 Nächte sind darauf gegangen. Ich muß schon sagen, daß ich einigermaßen von dem Lande etwas erschüttert bin. Wenn jemand vom schönen Griechenland erzählt, der übertreibt aber gewaltig. Dies ist mein Gesamteindruck. Die Berge erinnern an eine Mondlandschaft. Kahl, leer und grau. Stellenweise sieht man einige Büsche, doch meist tritt nur der nackte Fels hervor. Der Regen und der Wind haben die Erdkrume von früher weggeschwemmt oder weggeweht. Die Sonne brennt unbarmherzig und am Himmel steht kein Wölkchen. Nur am Olymp, an dem wir vorbeifuhren, da hingen einige Wolken.
24.
9.43
Selten habe ich so viele Tage gebraucht, um dieses kleine Blatt voll zu schreiben. Doch zuerst will ich Dir melden, daß ich gestern wohlbehalten in Athen angekommen bin. Ganze 100 Stunden haben wir nicht vollbekommen, aber es fehlten nur 2, das ist ja nicht viel. Ich will auch gleich am Anfang bemerken, daß ich hier bleibe. Wie sich das alles ergeben hat, das werde ich Dir nach und nach in den nächsten Tagen erzählen. Ich will das Wichtigste erst kurz zusammenfassen, damit Du wieder im Bild bist. Was dann für mich das Eiligste ist, das ist, daß ich auch wieder einmal bei Gelegenheit Post erhalte. Die Nummer, die uns in Belgrad aufgegeben wurde, die stimmt schon lange nicht mehr, so daß es passiert, daß die gesamte Post wieder zurückgeht. Ich habe heute mit der gleichen Post an die vorhergehende Dienststelle meine neue Nummer angegeben, vielleicht kann ich es dann so erreichen, daß mir diese Post dann doch noch zugeht. Die neue Anschrift wahrscheinlich für die nächste Zeit lautet L 40359 Luftgaupostamt Wien und wie es auf dem Umschlag steht. Ich hätte gestern wohl noch geschrieben, aber es gab hier recht viele Lauferei, bis wir alles beieinander hatten. Nach dr langen Bahnfahrt und dem vielen Schwitzen in der uns bis jetzt noch nicht gewohnten Umgebung war ich froh, daß ich mich wieder einmal lang ausstrecken konnte. Wir hatten erst ein recht primitives Hotel erwischt. Dort wurde ich mit noch einem Inspektor in einem kleinen Zimmer untergebracht. Den haben dann die Wanzen heute Nacht heimgesucht, so daß ich in dieser Nacht nicht schlafen konnte. Für die nächste Zeit habe ich mir in einem besseren Hotel ein nettes Zimmer gesucht. Morgen werde ich wohl nun den Dienst anfangen, aber von diesen Dingen werde ich Dir so nach und nach erzählen. Denn auch heute waren viele Sachen zu erledigen. Dazu die große Wärme, die einem viel zu schaffen macht. Allzu gern hätte ich wieder einmal Post von Dir. Ich hoffe, daß das nicht gar zu lange dauern wird, weil sie verhältnismäßig schnell hierher befördert wird.
Seid Ihr meine Lieben recht lieb gegrüßt und vielmals und herzlich geküsst von Deinem soviel in Gedanken bei Euch weilenden Ernst.
Mein
liebes, gutes Mädel !
25.9.43
Schon ist wieder ein Monat verstrichen, seit ich Euch Lebewohl sagte. Vor einem Monat war es, als wir noch gemeinsam nach Lindau fuhren. Was haben wir aber noch für so nette und harmonische Tage in München zusammen verbringen können. Sie waren so schön, daß sie mir unauslöschlich im Gedächtnis haften bleiben werden. Was haben wir auch in dieser kurzen Zeitspanne alles wieder erlebt und gesehen. Zuerst werde ich diesmal von meiner neuen Umgebung sprechen und dann langsam zurückgehend von den Tagen der Fahrt und den Eindrücken erzählen, die ich gewonnen habe.
Wie ich Dir schon bekannt gab, bin ich hier wieder bei der für diesen Raum obersten Dienststelle gelandet. Irgendeine Fürsprache habe ich nicht gehabt, und ich muß es daher als einen Zufall ansehen, daß ich, nachdem ich im Osten bei einer solchen Stelle eingesetzt war, hier auch wieder mit einer ähnlichen Aufgabe betraut worden bin. Wir kamen hier an und haben uns 5 Mann hoch vorgestellt. Die anderen vier Leute waren alles höhere Dienstgrade wie ich. Es ist dann ja ohne weiteres klar, daß ich dann der Letzte bin, der gefragt wird. Der hiesige Gruppenleiter erkundigte sich dann, was ich bisher getrieben habe. Als ich ihm dann das alles erzählt hatte, meinte er, ich sei wohl schon ein alter Krieger in der MV. Er fragte dann weiter, ob ich denn auch Maschine schreiben könnte. Ich erwiderte daraufhin, daß ich alles kann, was man verlangt. Er meinte dann, daß das ein stolzes Wort sei. Die hiesige Gruppe würde mich darum vorerst vereinnahmen. Wie lange ich endgültig bleibe, steht wohl noch nicht fest, aber voraussichtlich geht es schon einige Monate, wenn es nicht so kommt, daß ich für immer hier bleibe. Das sind aber noch Dinge, um die ich mit den Kopf nicht zu zerbrechen brauche. Ich werde hier in erster Linie in persönlichen Sachen beschäftigt. Da hier noch alles im Aufbau begriffen ist, kann ich mich wohl tüchtig hinein knien. Eins ist wieder ulkig. Während man allgemeine sonst nicht weiß, was man in den nächsten Tagen mit den hier eintreffenden Leuten anstellen soll, so ist wegen mir schon bei der letzten Dienststelle wieder angefragt worden, wo ich stecke. Als ich zur Heeresgruppe kam, da war das doch genau so. Die Leute machen bis jetzt einen ganz netten Eindruck. Ich hoffe, daß dieser Eindruck sich nicht ändert. Ich freue mich, daß ich nun wieder eine feste Tätigkeit bekomme. Freude macht mir vor allem, daß das Unterfangen des Oberinspektors, der doch bei der Heeresgruppe geblieben war, misslungen ist. Er dachte doch, damit eine wesentliche Änderung für mich herbeizuführen, als ich von dort wegkam. Ich war ihm doch nicht ganz grün, weil ich nicht immer so tanzte, wie er sich das immer einbildete. Was sich für mich später ergibt, das ist ja unbedeutend, denn ich kann ja doch nur mit der Gegenwart rechnen. Für die Zukunft kann man sich in den jetzt herrschenden Zeiten nicht viel Illusionen machen. Offiziell habe ich nun heute früh meinen Dienst angetreten. Es geht nun erst einige Tage, bis man sich in den Geschäftsgang eingefügt hat und bis man seine umgrenzte Tätigkeit ausübt. Morgen ist Sonntag, da werde ich wohl mit den Herren, mit denen ich die Herreise angetreten hatte, nochmals zusammen sein. Ein Teil bleibt noch hier, aber zwei gehen davon wieder weiter. Wir wollen darum morgen nach dem Hafen zusammen fahren und dann auf die Akropolis gehen. Das bildet so gewissermaßen den Abschluss unseres Zusammenseins. Es waren sehr nette Männer, die mir wirklich sehr entgegengekommen sind. Mich freut jedenfalls, wenn ich Leute treffe, mit denen man sich auch einmal unterhalten kann und die nicht so beamtendünkelhaft sind. Solcher Leute erinnert man sich dann gern wieder.
Hier bin ich, nachdem ich erst nicht so gut untergekommen war, in einem ordentlichen Hotel untergebracht. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe des Zentrums. Ich habe im zweiten Stock ein Zimmer mit kleinem Balkon. Ein schönes großes Bett, das so richtig zum Ausruhen einlädt. Fließendes Wasser. Große Lampe, Nachttischlampe und eine Lampe über dem Waschtischspiegel. Ein geräumiger Schrank ist auch vorhanden. Nachttisch und ein Tisch mit zwei Stühlen fehlen auch nicht. Welcher Unterschied zwischen Serbien und hier. Dort war alles sehr einfach und unsauber und hier für Hotelverhältnisse geschmackvoll und sauber und sehr modern. Ich für mein Teil kann bestimmt nicht klagen. Aber auch die anderen Kameraden sind in dieser Hinsicht zufrieden. Für die hiesige heiße Witterung ist es sehr günstig, wenn eine Badeeinrichtung vorhanden ist. Für das Hotel, in dem ich untergebracht bin, trifft das zu. Dreimal am Tag mache ich davon Gebrauch. Ist das etwa zuviel? Ich sehe schon zu, daß die Haut nicht zu sehr zerschlissen wird. Man sagt doch, daß vom vielen Waschen die Haut kaputt ginge. Das Wasserpantschen liegt bei uns allen wohl ein bisschen drin. Früh, wenn ich aufstehe, rasiere ich mich, mache vorher meine Schuhe in Ordnung und putze mir die Zähne und dann geht es unter die Brause. Wenn ich über Mittag nach hause komme, dann ist der erste Weg unter die Dusche. Vor dem Schlafengehen versäume ich es dann nicht, mich noch einmal tüchtig abzubrausen. Wenn ich das nicht machen würde, dann würde ich mich nicht richtig wohl fühlen. Das Abwaschen im Becken bewirkt nicht eine derartige Erfrischung, wie wenn man sich von oben bis unten mit kaltem Wasser überlaufen lassen kann. Vor allem, wenn man dazu die Möglichkeit hat, dann muß man sie benutzen. Ich denke mir, es kann immer noch einmal anders kommen. Dann würde man sich ärgern, wenn man nicht so gehandelt hätte. In einigen Wochen ist ja auch mit dem Eintritt der Regenzeit zu rechnen, dann wird es allgemein etwas kühler werden. Die Kameraden, die im vergangenen Winter hier waren, haben davon erzählt, daß sie sehr gefroren hätten, weil es mit der Beheizung der Wohnräume schlecht bestellt ist. Öfen und Heizkörper sind meist nicht vorgesehen. Aber auch das würde nicht viel nutzen, weil es keine Kohle gibt. Ich für meinen Teil habe ja keine Bedenken, denn in der Nacht werde ich wohl kaum frieren brauchen, denn der Schlafsack wird mir gute dienste leisten. Auch sonst bin ich mit meiner Bekleidung so gestellt, daß ich mich darauf einrichten kann. Meine Dienstzeit wird Dich nun auch noch interessieren. Wir haben hier im Südostraum ziemlich einheitliche Dienstzeit, die auch hier eingehalten wird. Früh beginnen wir um 8 Uhr und arbeiten bis 12 ½. Nachmittags wird dann von 4 bis 7 Uhr gearbeitet. Am Samstag dagegen nur von 5 bis 7 und sonntags fangen wir um 9 an und dann geht es bis 12 Uhr. Das ist eine ganz ordentliche Dienstzeit. Ob sie hier immer pünktlich eingehalten wird, das kann ich noch nicht beurteilen. Aber das wird wohl auch keinen Beinbruch geben, denn ich habe auch in dieser Beziehung schon mancherlei erlebt. _ Die Postbeförderung geht, wie ich gehört habe, mit Flugzeug, so daß sie schneller in Deine Hände kommen wird wie bisher aus Serbien. Ich hoffe, daß es so ist. Denn durch die Angabe der verkehrten Nummer ist ja eine Fehlleitung zustande gekommen, so daß mich vorerst diese Post, die für mich noch irgendwo gesammelt wurde, auch nicht erreicht. Ich denke aber, daß sie dann wieder zurückgehen wird und nachdem ich schon überall meine neue Nummer angegeben habe, vielleicht doch noch hierher kommt. Doch erst wünsche ich mir einmal dann die neue Nachricht von Dir, das andere wird sich dann schon einrenken. Es ist ja immerhin allerhand Zeit vergangen, seit ich ohne Nachricht von irgendeiner Seite bin. Für heute will ich es einmal genug sein lassen. Ich grüße Dich sowohl als auch unsere beiden großen Stromer recht, recht herzlich und küsse Dich recht liebe. Dein viel an Dich denkender Ernst.
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