Samstag, 29. September 2018

Brief 461 vom 28./29.09.43


Meine liebe Frau !                                                                             28.9.43         

Ich habe mich wieder mächtig gefreut, als ich heute an Dich ein Päckchen abschicken konnte. Es wird zwar den Neid unserer Briefträgers und unserer Nachbarn erregen, aber das hilft nun einmal nichts. Solange ich das Geld und die Gelegenheit dazu habe, etwas für Euch zu erwerben, dann mache ich das, denn diese kleinen Sachen helfen Euch doch immer noch mit. Ich habe hier Rosinen gekauft, denn die kannst Du doch gut zum Kuchenbacken brauchen. Mit diesen Sachen kommt doch etwas in den Kuchen hinein und dann denken ich, daß Du mit dem Zucker beim Backen etwas sparsamer umgehen kannst, denn sie enthalten ja auch Zucker. Ich habe das gemerkt, als ich hier welche gegessen habe, wie süß sie sind. Du musst sie zwar noch aussuchen, aber das ist ja eine Kleinigkeit. Korinthen gibt es hier auch. Ich weiß nicht, was davon besser zu verwenden ist. Vorsichtshalber habe ich davon auch ein Oka gekauft. Die Rosinen kosten das Oka 5000 Drachmen und die Rosinen kosten das Oka 6ooo Drachmen. Ist das viel Geld? Das sind Zahlen, die an eine tolle Zeit bei uns früher erinnern. Ja, hier herrscht Inflation. Unsere Mark wird jetzt zu 2400 Dramen eingetauscht. Bis noch vor wenigen bekam man noch für eine Mark 1200 Drachmen. Wenn das so weitergeht, dann wird der Umrechnungskurs schon wieder gestiegen sein. Man muß sein Geld bald umsetzen, denn sonst bekommt man nichts mehr dafür. Zur weiteren Erläuterung muß ich Dir noch mitteilen, daß Oka das einheimische Gewichtsmaß ist.  Dies stammt noch aus der Zeit, als das Land von den Türken beherrscht wurde. Da galt dieses Maß und es ist etwa 1 ¼ kg. Man kann zwar auch nach kg kaufen, aber dies ist seltener. Du würdest Dich wundern, wenn Du hierher kämst, was Du noch alles hier kaufen kannst. Es gibt nur wenige Artikel, die hier unter Bewirtschaftung stehen. Sämtliche Lebensmittel und Bekleidungsstücke wie auch Leder und Genusswaren sind frei. Das Angebot kann auch in Friedenszeiten nicht größer gewesen sein.  Doch ganz so spurlos geht der Krieg in diesem Land auch nicht vorüber, denn auf dem Land wird man schon teilweise um Brot angegangen, weil diese Sachen doch seltener sind. Hier in der Stadt kannst du ganz weiße Brötchen bekommen. da würdest Du staunen, daß es noch sowas gibt. Torte und Kuchen ist in reichlichem Maße vorhanden. Nach den Preisen darf man allerdings nicht fragen, denn die sind gesalzen. Aber was mich hier wundert, das sind die vielen Geschäfte und der Handel, der auf den Straßen in ganz großem Ausmaß betrieben wird. Jeder will etwas verkaufen. Nur nicht arbeiten.  Ich glaube, hier steht man auch auf dem Standpunkt, das Handeln zum guten Ton gehört. Die Händler sehen eigentlich nicht alle wohlhabend aus. Zwar die meisten Jungens, die hier sich als Ausschreier von allen möglichen Sachen betätigen, laufen nicht gerade extra prima herum, denn die Lumpen, die sie als Bekleidung ansprechen, sind wirklich meist keine Kleidungsstücke mehr. Sie fühlen sich zwar nich unglücklich, aber jeder hat das Bestreben, mit etwas zu handeln. Wenn man sagt, daß ein Grieche sieben Juden aufwiegt, dann kann ich mir aus dieser geschäftlichen Tüchtigkeit dieser Leute nur den Reichtum dieses kleinen Landes daraus erklären. Man kann es nicht schildern, mit was hier alles gehandelt wird. Daß man auf den Bedarf der Soldaten gewisse Rücksichten nimmt, das ist ja erklärlich. Wenn dann der Landser anfängt, zu handeln, dann scheitert er meist kläglich und muß einsehen, daß die Griechen ihm doch weit über sind. Ich glaube, jede Familie hier muß irgendwie mit dem Handel in Beziehung stehen, denn wo sollen sonst die vielen Händler herkommen. Es ist ein buntbewegtes Bild, das hier auf den Straßen herrscht, aber das Tollste ist doch die Schreierei, die dabei herrscht. Jeder preist seine Ware an und schreit so laut er kann, da kannst Du Dir einmal vorstellen, was das für ein Durcheinander gibt. Es ist überhaupt ein sonderbares Geschäftsleben hier. Ich bin wieder kräftig müde, denn die Hitze macht schon ziemlich schlapp. Sei recht herzlich gegrüßt und nimm viele liebe Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Mein lieber, guter Schatz !                                                                    29.9.43 
         
Die Gelegenheit, Dir schon heute Vormittag zu schreiben, will ich gleich benutzen, denn man kann ja schließlich nicht hier sitzen, ohne etwas zu tun. Ich kann Dir mitteilen, daß ich wieder ein Päckchen mit Seife an Dich abgesandt habe. Sie ist nicht gerade billig, aber das Geld kann man ja nicht entwerten lassen. Andere Sachen, wie Nahrungsmittel oder Gebrauchsartikel kann man ja nicht kaufen, weil die Preise im Vergleich zu früher unsinnig hoch sind. Wenn man sein Geld hier voll bekommen würde, dann ginge es noch an, aber wir bekommen unseren Wehrsold nur zur Hälfte in griechischer Währung ausbezahlt und die andere Hälfte in Behelfs- oder Kantinengeld. Man könnte noch Schuhe oder Kleider kaufen, aber soviel bekommt man wieder nicht in heimischer Währung ausbezahlt. Ich fühle mich im Augenblick zwar noch als Großkapitalist, denn ich habe noch 130 000 Drachmen. Das sieht wohl nach viel aus, doch wenn Du zum Vergleich ziehst, was ich Dir gestern an Preisen mitteilte, dann will das nichts heißen. So ein Paar Schuhe für Damen kosten schon 80 000 und mehr Drachmen. Ein Füllfederhalter genau soviel. Große Sprünge kann man, wie Du schon daran erkennen kannst, mit dem Geld was einem zur Verfügung steht, nicht machen. Ich bin daher bestrebt, es so nutzbringend wie nur möglich anzuwenden, damit Ihr auch etwas davon habt. Das Päckchen, das ich heute absende, trägt die Nummer 43. Mit dem Verpackungsmaterial wird es bald für mich Schwierigkeiten geben. Ich hoffe aber, daß die von Dir abgesandten Sachen hier bald eintreffen werden, denn meine neue Anschrift habe ich gleich anfangs an die mir falsch aufgegebene  Adresse mitgeteilt.  Wenn ich schon wieder vom Kaufen und Handeln erzählt habe, so muß ich noch dazu erwähnen, daß der Handel dem deutschen Landser gegenüber von dem Begriff „Extra prima“ beherrscht wird. Als wir hier nach Griechenland hereinkamen, wurden uns im Zug Tabak und auch Früchte angeboten. Um die Güte der Qualität zu kennzeichnen, hieß es immer; Kamerad, extra prima.“ Manche haben sich aber damit noch nicht begnügt und erweiterten diesen Begriff. Sie sagten dann: „Extra prima Stuka.“ Ja, Du hast schon richtig gelesen. Richtig Stuka wie ein Stuka. Als ich diese zum ersten Male hörte, musste ich lachen, denn das unsere Stukas auf diese Weise noch eine besondere Würdigung erhalten, das hat man sich gewiss nicht träumen lassen, als man auf diese Abkürzung für diese Waffengattung kam. Die Schuhputzer sind ja eine besondere Gilde für sich. Sie können einem auf die Nerven fallen und hängen sich manchmal an wie Kletten. Neulich lief uns auch einer hinterher. Er pries seine Tätigkeit auch mit „extra prima“ an. Als wir dies hörten, fragten wir, ob er auch „extra prima Stuka“ hätte, sagte er ja und fügte  mit der Miene eines großen Geschäftsmanns hinzu: “und mit Musik“. Das ist also die größte Steigerung, die ich bis jetzt erfahren habe. Wenn ich also etwas Gutes habe, werde ich mich von jetzt ab an diese Qualitätsbezeichnung mit den entsprechenden Steigerungen halten.
Heute will ich über Mittag versuchen, ins Bad zu gehen.  Zum Stadion, das für die Ausführung der 1. Olympischen  Spiele gebaut wurde, gehört ja auch ein Schwimmbad. Dorthin will ich mit noch einem Kameraden gehen. Das Wetter ist ja so warm, daß man abends um 11 Uhr noch mit der Sporthose bekleidet auf dem Balkon stehen kann, ohne daß man dabei friert. Man muß aber sonst vorsichtig sein, weil man zu leicht sich eine Erkältung zuzieht. Nicht etwa deshalb, weil es zu kalt ist, sondern darum, weil man doch tagsüber viel schwitzen muß. Kommt man dann in Durchzug, was es auch manchmal gibt  denn meist ist es ja windstill  dann hat man schon etwas weg. Auch wenn man kaltes Bier oder  Wasser trinkt, kann einem das passieren.  Wunderbar erfrischt komme ich gerade von Baden zurück. Ich kann Dir sagen, daß es das schönste gemauerte Bad ist, in dem ich je gewesen bin.  Alles mit schönen hellen Kacheln ausgemauert und ein herrliches klares Wasser. Wie ich feststellte, wird dauernd frisches Wasser hinein gepresst, so daß sich nichts ansetzen kann, wie in dem Bad, in dem ich in Serbien war. Doch war ich dort froh, als ich dort etwas schwimmen konnte. Was denkst Du, was das kostet ? In deutsches Geld umgerechnet 2 Pfennig. Das ist doch bestimmt nicht viel. Alles ist sehr reinlich, so daß es eine wahre Lust ist, dort hineinzuspringen. Die Temperatur wäre auch Deinem Geschmack entsprechend mit 23 Grad. Um diese Jahreszeit habe ich noch nie im Freien so warm gebadet. Das war wirklich fein. Es ist entschieden besser, wie das Abbrausen unter der Dusche und das ist hier bestimmt auch etwas wert.
So, lasse mich bitte wieder schließen mit recht herzlichen und vielen Grüßen an Euch alle. Auch an Vater richte bitte herzliche Grüße aus. Was macht er? Dir und den anderen gebe ich recht viele Küsse in diesem Brief mit und bin immer Dein Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen