Mein
liebstes Mädel ! 26.8.42
Seit
der letzten großen Postsendung vom Samstag habe ich bis jetzt nicht wieder
bekommen. Wenn es gut geht, müßte auch bald direkt von Deiner Post eintreffen.
Wie ich von Kameraden gehört habe, brauchen die Briefe zwischen 4 bis 7 Tagen,
um die Empfänger in Deutschland zu erreichen. Ich hoffe, daß es zu Dir auch
nicht länger braucht. Ich habe gestern noch verschiedene Post erledigt. Die
Durchschläge davon sende ich wieder mit. Diesmal habe ich sämtliche Michel
bedacht; auch den alten Herrn in Nixdorf. Ich nehme an, daß er mir dann wieder
antworten wird. Mit diesen Briefen habe ich den größten Teil meines
Briefwechsels erledigt. Ich muß noch an unseren Jörg schreiben, denn ich habe
ja noch einen Brief von ihm hier vorliegen, den ich in Kschen nicht mehr
beantworten konnte. Ich nehme an, daß noch von der letzten Dienststelle dort
angekommene Post hierher geleitet wird.
Das
Wetter ist hier immer noch sehr freundlich. Seit Wochen kann man sagen,
herrscht Sonnenschein, von ganz wenigen Tagen abgesehen. Es ist wohl früh und
gegen Abend schon etwas kühl und dadurch herbstlich. Bei bedecktem Wetter wird
sich das noch mehr auswirken. Gut ist nur, daß wir in den Räumen hier
Doppelfenster haben. Die Dampfheizung ist hoffentlich in Ordnung, denn sonst
kann es schon schön kalt werden. Wenn alle Anzeichen nicht trügen, werden wir
uns hier auf den Winter einrichten. Ich
bitte Dich, mir wieder einmal Rasierklingen zu besorgen. Es ist zwar noch etwas
Zeit, aber ich will es nicht auf die letzten ankommen lassen. Die letzten, die
ich probiert hatte, haben nicht viel ausgehalten. Seit ich hier bin, muß ich
mich wieder fleißiger wie bisher rasieren, das macht dann schon etwas aus. Man
muß hir wieder mehr auf sich halten., denn jeden zweiten Tag könnte ich mich
hier nicht rasieren, weil ich mich dann nicht mehr sehen lassen könnte. Bei der
FAK wo ich zuletzt war, hat man in dem
Dorf nicht so genau darauf gesehen. Das sind so Soldatensorgen, wirst Du
denken. Am vergangenen Montag hatten wir bei uns im Kasino Filmvorführung.
Diese Vorstellung findet jetzt jeden Montag statt. Eine neue Wochenschau soll
auch jeweils aufgeführt werden, so daß wir in dieser Beziehung auch wieder
etwas Abwechslung bekommen. Am letzten Mal wurde „Wienerblut“ gespielt.
Vielleicht gibt sich in der Woche nochmals Gelegenheit, ab und zu einmal
hinauszukommen. Meinen Chef habe ich
nun dazu bewogen, daß er mir unter mein Schreiben an die Stadtverwaltung etwas
schreibt, oder besser gesagt, er will ein gesondertes Schreiben loslassen, daß
das unbedingt abgehen soll. Ich will mein Schreiben nun nicht vorzeitig
absenden, darum werde ich es solange zurückbehalten. Den dazu gehörigen
Durchschlag lasse ich Dir dann mit zugehen. Ich bin gespannt, was er schreiben
wird und ob alles einen Zweck haben wird. Ich lege heute noch zwei Fotos bei,
die ich von Wittenburg erhielt. Das eine ist er selbst und das andere ist meine
letzte Einheit. Verschiedene mit sympathische Figuren sind auch dabei, so unter
anderem der Herr Müller und der Kommandant. Es sind mir alle bekannt, so oder
so. Ich habe noch um Fotos von Douai und von Lille gebeten. Ich will sehen, ob
sich das machen läßt. Mit den
Durchschlägen hast Du ja verschiedenes zu lesen. Den Brief an Hugo Michel lege
ich Dir zur Kenntnisnahme ebenfalls noch bei. Du kannst ihn mir ja wieder
zurücksenden, damit ich ihn zur Hand habe, falls ich ihn nochmals brauchen
sollte. Ich möchte darum für heute schließen und Dir recht viele und herzliche
Grüße und Küsse übersenden. Dein Ernst.
Meine
liebste Annie ! 27.8.42
Die
Wartezeit auf die Post wird wieder ziemlich lang ausgedehnt. Gestern kam auch wieder nichts an. Man
denkt, man ist das Warten nun bald gewöhnt. Wenn aber dann ein gewisser
Zeitraum verstrichen ist, dann fängt man wieder an, unruhig zu werden. Durch
mein Schreiben, in dem ich meine Versetzung angekündigt hatte, hast Du
wahrscheinlich auch nicht mehr an die letzte Feldpostnummer geschrieben, so daß
anzunehmen ist, daß dort nicht mehr viel eingegangen ist. Das sind nun die
Nachteile, die sich aus solchen Versetzungen ergeben. Unser Dienst geht in einem Gleichmaß vonstatten, wie das Wetter
ja auch beständig ist. Es gäbe somit eigentlich nichts weiter zu berichten,
denn von diesen Dingen habe ich Dir schon wiederholt geschrieben. Rückblickend
auf meine Versetzungsfahrt, könnte ich noch folgenden Fall erwähnen. In Poltawa
kam der Zug an. Unendlich lang, voll, wie es scheint, bis auf den letzten
Platz. Wenn man dann mit seinem Gepäck auf den Bahnsteig steht, hat man dann
gleich die Nase voll. Wenn man nicht schon wüßte, daß dies bei den folgenden
Zügen das gleiche sei die Züge
verkehren am Tag nur einmal, dann würde man warten und es auf einen weiteren
Zug ankommen lassen. Ich gehe in ein Abteil hinein, in dem sich Zivilisten
befinden die einheimische Bevölkerung
darf ja mit diesen Zügen nicht fahren
Ich frage, ob frei sei, der eine noch im Abteil befindliche Zivilist
antwortet, es sei alles besetzt. Ich sage ihm, daß sich das ja herausstellen
wird, wenn der Zug weiterfährt. Als es dann soweit ist, stellt sich dann
heraus, daß von 8 zu besetzenden Plätzen nur 5 besetzt sind. Ich habe dann
einen dieser freien Plätze eingenommen. Ich war erst sehr verärgert darüber,
vor allem, weil dieser Zivilist sich gleich aufgeplustert hatte, daß sie auch
Soldaten seien, als ich ihn gleich auf seine scharfe und ablehnende Art
aufmerksam machte. Wie wir dann weiterfuhren, merkte dieser Mann selbst, daß er
sich ins Unrecht gesetzt hatte und war dann ausnehmend freundlich. Wie sich
dann im Laufe des Gespräches herausstellte, waren das alles Holländer, die als
Spezialisten hier eingesetzt werden.
Die fahren nach Rostow, um dort Elektrizitätswerke wieder neu
einzurichten, die während der Kampfhandlungen zerstört worden sind. Unter der
roten Herrschaft wurden diese Einrichtungen schon von Holland geliefert, darum
hat man sich diese Leute jetzt verschrieben. Die verdienen in der Woche rund
200,RM und haben dabei freie Unterkunft und nehmen teil an vielen
Vergünstigungen, die uns hier auch zukommen. Man kann sich das nicht
vorstellen. Erstens einmal, wenn man
bedenkt, daß diese Leute erst gegen uns standen und nun mit uns arbeiten und
dabei eine Menge Geld verdienen. Ich habe Dir nur einmal davon berichtet, weil
ich mir dachte, daß Dich auch einmal sowas interessieren wird. Heute habe ich noch eine Frage. Die
Kameraden verkaufen hier Sachen, die von der Bevölkerung gefragt werden. Unter
anderem Halsketten, die bei uns für billige Preise, nicht höher wie eine Mark,
erworben werden können. Ich weiß zwar nicht, ob Du noch von Helga so Zeug
herumfahren hast, das nicht mehr verwendet wird. Wenn Du dort etwas Billiges
erhalten kannst, dann schicke bitte einmal einige Sachen her. Für diesmal soll es wieder Schluß sein, denn
ich habe nichts mehr auf Lager. Dir und den Kindern sende ich recht viele und
herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst.
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