Montag, 14. August 2017

Brief 311 vom 26./27.8.1942


Mein liebstes Mädel !                                                            26.8.42  
       
Seit der letzten großen Postsendung vom Samstag habe ich bis jetzt nicht wieder bekommen. Wenn es gut geht, müßte auch bald direkt von Deiner Post eintreffen. Wie ich von Kameraden gehört habe, brauchen die Briefe zwischen 4 bis 7 Tagen, um die Empfänger in Deutschland zu erreichen. Ich hoffe, daß es zu Dir auch nicht länger braucht. Ich habe gestern noch verschiedene Post erledigt. Die Durchschläge davon sende ich wieder mit. Diesmal habe ich sämtliche Michel bedacht; auch den alten Herrn in Nixdorf. Ich nehme an, daß er mir dann wieder antworten wird. Mit diesen Briefen habe ich den größten Teil meines Briefwechsels erledigt. Ich muß noch an unseren Jörg schreiben, denn ich habe ja noch einen Brief von ihm hier vorliegen, den ich in Kschen nicht mehr beantworten konnte. Ich nehme an, daß noch von der letzten Dienststelle dort angekommene Post hierher geleitet wird.
Das Wetter ist hier immer noch sehr freundlich. Seit Wochen kann man sagen, herrscht Sonnenschein, von ganz wenigen Tagen abgesehen. Es ist wohl früh und gegen Abend schon etwas kühl und dadurch herbstlich. Bei bedecktem Wetter wird sich das noch mehr auswirken. Gut ist nur, daß wir in den Räumen hier Doppelfenster haben. Die Dampfheizung ist hoffentlich in Ordnung, denn sonst kann es schon schön kalt werden. Wenn alle Anzeichen nicht trügen, werden wir uns hier auf den Winter einrichten.  Ich bitte Dich, mir wieder einmal Rasierklingen zu besorgen. Es ist zwar noch etwas Zeit, aber ich will es nicht auf die letzten ankommen lassen. Die letzten, die ich probiert hatte, haben nicht viel ausgehalten. Seit ich hier bin, muß ich mich wieder fleißiger wie bisher rasieren, das macht dann schon etwas aus. Man muß hir wieder mehr auf sich halten., denn jeden zweiten Tag könnte ich mich hier nicht rasieren, weil ich mich dann nicht mehr sehen lassen könnte. Bei der FAK  wo ich zuletzt war, hat man in dem Dorf nicht so genau darauf gesehen. Das sind so Soldatensorgen, wirst Du denken. Am vergangenen Montag hatten wir bei uns im Kasino Filmvorführung. Diese Vorstellung findet jetzt jeden Montag statt. Eine neue Wochenschau soll auch jeweils aufgeführt werden, so daß wir in dieser Beziehung auch wieder etwas Abwechslung bekommen. Am letzten Mal wurde „Wienerblut“ gespielt. Vielleicht gibt sich in der Woche nochmals Gelegenheit, ab und zu einmal hinauszukommen.  Meinen Chef habe ich nun dazu bewogen, daß er mir unter mein Schreiben an die Stadtverwaltung etwas schreibt, oder besser gesagt, er will ein gesondertes Schreiben loslassen, daß das unbedingt abgehen soll. Ich will mein Schreiben nun nicht vorzeitig absenden, darum werde ich es solange zurückbehalten. Den dazu gehörigen Durchschlag lasse ich Dir dann mit zugehen. Ich bin gespannt, was er schreiben wird und ob alles einen Zweck haben wird. Ich lege heute noch zwei Fotos bei, die ich von Wittenburg erhielt. Das eine ist er selbst und das andere ist meine letzte Einheit. Verschiedene mit sympathische Figuren sind auch dabei, so unter anderem der Herr Müller und der Kommandant. Es sind mir alle bekannt, so oder so. Ich habe noch um Fotos von Douai und von Lille gebeten. Ich will sehen, ob sich das machen läßt.  Mit den Durchschlägen hast Du ja verschiedenes zu lesen. Den Brief an Hugo Michel lege ich Dir zur Kenntnisnahme ebenfalls noch bei. Du kannst ihn mir ja wieder zurücksenden, damit ich ihn zur Hand habe, falls ich ihn nochmals brauchen sollte. Ich möchte darum für heute schließen und Dir recht viele und herzliche Grüße und Küsse übersenden. Dein Ernst.



Meine liebste Annie !                                                            27.8.42     
  
Die Wartezeit auf die Post wird wieder ziemlich lang ausgedehnt.  Gestern kam auch wieder nichts an. Man denkt, man ist das Warten nun bald gewöhnt. Wenn aber dann ein gewisser Zeitraum verstrichen ist, dann fängt man wieder an, unruhig zu werden. Durch mein Schreiben, in dem ich meine Versetzung angekündigt hatte, hast Du wahrscheinlich auch nicht mehr an die letzte Feldpostnummer geschrieben, so daß anzunehmen ist, daß dort nicht mehr viel eingegangen ist. Das sind nun die Nachteile, die sich aus solchen Versetzungen ergeben.  Unser Dienst geht in einem Gleichmaß vonstatten, wie das Wetter ja auch beständig ist. Es gäbe somit eigentlich nichts weiter zu berichten, denn von diesen Dingen habe ich Dir schon wiederholt geschrieben. Rückblickend auf meine Versetzungsfahrt, könnte ich noch folgenden Fall erwähnen. In Poltawa kam der Zug an. Unendlich lang, voll, wie es scheint, bis auf den letzten Platz. Wenn man dann mit seinem Gepäck auf den Bahnsteig steht, hat man dann gleich die Nase voll. Wenn man nicht schon wüßte, daß dies bei den folgenden Zügen das gleiche sei  die Züge verkehren am Tag nur einmal, dann würde man warten und es auf einen weiteren Zug ankommen lassen. Ich gehe in ein Abteil hinein, in dem sich Zivilisten befinden  die einheimische Bevölkerung darf ja mit diesen Zügen nicht fahren  Ich frage, ob frei sei, der eine noch im Abteil befindliche Zivilist antwortet, es sei alles besetzt. Ich sage ihm, daß sich das ja herausstellen wird, wenn der Zug weiterfährt. Als es dann soweit ist, stellt sich dann heraus, daß von 8 zu besetzenden Plätzen nur 5 besetzt sind. Ich habe dann einen dieser freien Plätze eingenommen. Ich war erst sehr verärgert darüber, vor allem, weil dieser Zivilist sich gleich aufgeplustert hatte, daß sie auch Soldaten seien, als ich ihn gleich auf seine scharfe und ablehnende Art aufmerksam machte. Wie wir dann weiterfuhren, merkte dieser Mann selbst, daß er sich ins Unrecht gesetzt hatte und war dann ausnehmend freundlich. Wie sich dann im Laufe des Gespräches herausstellte, waren das alles Holländer, die als Spezialisten hier eingesetzt werden.  Die fahren nach Rostow, um dort Elektrizitätswerke wieder neu einzurichten, die während der Kampfhandlungen zerstört worden sind. Unter der roten Herrschaft wurden diese Einrichtungen schon von Holland geliefert, darum hat man sich diese Leute jetzt verschrieben. Die verdienen in der Woche rund 200,RM und haben dabei freie Unterkunft und nehmen teil an vielen Vergünstigungen, die uns hier auch zukommen. Man kann sich das nicht vorstellen.  Erstens einmal, wenn man bedenkt, daß diese Leute erst gegen uns standen und nun mit uns arbeiten und dabei eine Menge Geld verdienen. Ich habe Dir nur einmal davon berichtet, weil ich mir dachte, daß Dich auch einmal sowas interessieren wird.  Heute habe ich noch eine Frage. Die Kameraden verkaufen hier Sachen, die von der Bevölkerung gefragt werden. Unter anderem Halsketten, die bei uns für billige Preise, nicht höher wie eine Mark, erworben werden können. Ich weiß zwar nicht, ob Du noch von Helga so Zeug herumfahren hast, das nicht mehr verwendet wird. Wenn Du dort etwas Billiges erhalten kannst, dann schicke bitte einmal einige Sachen her.  Für diesmal soll es wieder Schluß sein, denn ich habe nichts mehr auf Lager. Dir und den Kindern sende ich recht viele und herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst.

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