Mein
liebstes Mädel ! 3.8.42
Gestern
war nun noch der große Tag, an dem uns die lange erwartete Post gebracht wurde.
Von Dir 5 Briefe und zwar die vom 14., 18. 19. 20. und 21.7 mit dem von Helga
beigefügten Brief. Außerdem kam von Siegfried und von Alfred Seifert je einer
an. Über alles habe ich mich sehr gefreut. Auch über die Zeitung vom 18., die
Du mir sandtest. Die anderen Briefe , die zwischen Deinem letzten vom 6. und
den eben aufgeführten liegen, fehlen zwar noch, doch das liegt daran, daß die
Post jetzt umgeleitet ist und nun von der anderen Stelle nach dem neuen Amt
gesandt werden muß. Nun wird wohl
wieder regelmäßig damit zu rechnen sein, daß wir unsere Grüße aus der Heimat
erhalten. Heute ist mir siedendheiß eingefallen, daß mein Vater ja in diesen
Tagen Geburtstag hat, aber durch die Umsiedlung bin ich ganz abgelenkt worden.
Das will ich aber nachher gleich nachholen.
Doch jetzt erst zu Deinen Briefen. Daß Du nicht immer gut mit Post
versorgt worden bist, tut mir wohl leid, aber ich hatte, bevor wir wegfuhren,
die Dienstreise gemacht und auf der Fahrt jetzt hatte ich auch wenig
Gelegenheit. Ich glaube aber, daß es jetzt wieder besser werden wird. Ich nehme
an, daß Du Verständnis für das hast, denn es ließ sich leider nicht anders
machen. Die Unterlagen für meine Gesuch sind bei diesen noch nicht angekommenen
Sachen dabei. Die Zeugnisse der Kinder sind auch noch unterwegs, wenn ich die
Zeugnisse erhalte, werde ich ihnen für ihre Arbeit auch noch eine geldliche
Belohnung senden, denn etwas anderes habe ich hier leider nicht. Daß sich mein
Vorhergehender nicht mehr für die Beförderungssache einsetzen kann, ist für
mich wohl bedauerlich, aber ich will sehen, wie ich diese Geschichte dann
hinbiege. Erschrecke nicht, aber über
Mittag hatte ich mein Schreiben eingestellt und beim Mittagessen erreichte mich
der Befehl, daß ich mit sofortiger Wirkung versetzt worden bin. Wo es genau
hingeht, weiß ich nicht, aber vorerst einmal 700 km südlich nach Poltawa bei
Charkow. Es kann sein, daß es dann nach Stalino weitergeht, doch das werde ich
wohl dort erst erfahren. Obwohl es hier bestimmt nicht schön ist, so muß ich
wieder sagen, daß ich ungern von meinen Kameraden weggehe. Ich habe die ganze
Zeit nicht viel über meinen Kamerad geschrieben, wie ich mich so mit ihm
stehe. Ich hatte das eigentlich mit
Absicht unterlassen. Jetzt, da ich mich von ihm trennen muß, kann ich nur
feststellen, daß wir, zwar zwei ganz verschiedene Charakter, uns sehr gut
verstanden haben. Ich glaube, daß ich
auch dort Kameraden treffen werde, da ich im allgemeinen verträglich bin und
wenige Menschen kenne, mit denen ich in einem schlechten Verhältnis gestanden
habe. Bis ich dann wieder Post von Dir bekomme, wird wohl eine Zeit dauern.
Aber persönliche Wünsche muß man nun einmal während des Krieges zurückstellen.
Ich bedauere einesteils, wie ich schon schrieb, daß ich hier wegkomme. Wenn es
aber so ist, daß ich vielleicht zu meinem früheren Chef komme, der ja dort in
diese Richtung gekommen ist, dann wäre das schon erträglicher. Das Schreiben
habe ich nun gelesen, danach erscheint es mir wahrscheinlich, daß das unser
Oberrat gemacht hat. Die Dienststelle heißt Heeresgruppenkommando B. Zum Briefe
beantworten habe ich nun keine große Lust. Man wird direkt wieder hinausgeschleudert
und muß sich mit den neuen Verhältnissen abfinden. Ich glaube, im Laufe, also
bis Ende der Woche, noch abzufahren. Morgen werde ich Dir mehr schreiben. Herzliche Grüße und viele Küsse sende ich
Dir und den Kindern und bin immer Dein Ernst.
Meine
liebe, gute Annie ! 4.8.42
Mit
dem Gedanken der Versetzung nun langsam vertraut geworden, muß ich mich nun die
wenigen Tage, die ich noch hier bin, mit der Abwicklung beschäftigen. Vor allem
muß ich wieder schreiben an alle die, mit denen ich im Briefwechsel stehe, daß
ich wieder versetzt worden bin. Aufgrund dieses Briefes von Siegfried habe ich
auch wieder erfahren, wie die Dinge in Leip zig liegen. Daraufhin habe ich heute an Deinen Vater
geschrieben. Durchschlag liegt bei. Ich
habe es so wie du gehalten und bin nicht weiter auf die internen Dinge
eingegangen. Dann habe ich Dir noch eine Abschrift des Versetzungszeugnisses
beigefügt. Das kannst du dann wieder zu den übrigen Papieren legen. Wie ich
schon mitteilte, wird es wohl noch weiter gehen. Ich hörte von einem Kameraden,
wie ich dies Dir gestern schon mitteilte, daß es wahrscheinlich erst nach
Stalino gehen wird, das wäre nochmals so weit wie von hier nach unserer letzten
Dienststätte. Die Entfernungen sind hier eben viel gewaltiger, wie in unserem
übrigen engen Europa. Als ich gestern meinem Kriegsverwaltungsrat das
Versetzungsschreiben vorlegte, war seine erste Frage, ob ich etwas mit dem
früheren Oberrat ausgemacht hätte und ob ich etwas gewußt hätte. Ich habe dies
verneint. Er meinte, daß ihn dies sehr stark befremden würde, wenn das der
frühere Chef gemacht haben würde. Wenn ich mit ihm zusammentreffen würde so
soll ich ihm das mitteilen. Ich werde dies aber unterlassen. Ich kann Dir nur
sagen, daß dieser Mann hier sehr erbost ist, daß ich ihm jetzt weggeholt werde.
Er muß sich aber damit abfinden, denn hier liegt ein höherer Befehl wor. Ich
lasse den Dingen ihren Lauf und werde dann sehen, wie sich alles dann
entwickelt. Als ich aus Deinen Briefen
las, daß das Brot noch verhältnismäßig gut ankam, trotz des langen Transports,
habe ich mich sehr gefreut, denn das Porto , was ich daran gehängt habe, hat
sich dann wenigstens gelohnt. Vor
allem, wo Ihr es noch so habt essen können. Offenbar hat es den anderen Kindern
auch geschmeckt. Aus Deinen Briefen mußte ich leider ersehen, daß das Wetter
nicht sehr schön war, aber Deinem Garten hat es nach den Berichten keinen
Schaden weiter bereitet. Eine weitere
Freude war es mir, zu lesen, daß der Apfelbaum so voll hängt. Ich wünschte nur,
daß Ihr genügend Äpfel bekommt. Wenn
sie dann größer werden, kannst Du ja wieder Apfelringe machen von denen, die
herunterfallen. Solange das Wetter das ermöglicht, geht es ja gut. Für Euch ist
das dann wieder für den Winter eine willkommene Hilfe. Mit der Beerenernte
kannst du ja wieder zufrieden sein. Bei den grünen Bohnen wäre ich auch gern
dabei. Wir haben hier ja nur das Trockengemüse, was uns dann als Eintopf
gemacht wird. Man kann es essen, das ist ja wesentlich. Daß Dein Vater über Deinen letzten Brief
sehr erregt war, ist ja seine Sache. Wir waren ja auch schon wiederholt erregt
und er hat sich nicht darum gekümmert. Wir lassen ihn jetzt einmal machen. Im Unklaren ist er sich ja nicht, was wir zu
allem denken. So wie mir Siegfried schrieb, sei er mit sich selbst nicht
zufrieden. Es hatte auch den Anschein, als würde es ihm langsam dämmern, was er
sich da aufgeladen hat. Er soll machen, was er will. Es kann ja sein, daß er
selbst noch einmal zur Einsicht kommt, es wird zwar dann schon zu spät
sein. Daß sich die Kinder die
Wochenschau ansehen, ist kein schade für sie. Wir haben hier wenig Aussicht, so
etwas zu sehen. Es ist ja möglich, daß ich in der neuen Dienststelle dazu eher
Gelegenheit habe. Das Geld ist ja nicht viel, was was immer kostet. Im übrigen
ist es belehrend. Daß ihnen das Missgeschick passiert, daß sie aneinander
vorbeigelaufen sind, das ist wohl nicht gerade erfreulich. Ich kann mir Jörg
gut vorstellen, wie er zornschnaubend nach haus gekommen ist. Helgas Gesicht im
Kino, als Jörg nicht da war und er lange nicht kam, aber auch. Na es ist dann doch noch gut ausgegangen.
Daß Kurt dauernd meine Adresse verlegt, ist schon langsam verhängnisvoll. Wenn
er sie jetzt hat, habe ich wieder eine neue Adresse. Ich dachte, Du würdest mir
einmal seine Anschrift mitteilen, damit ich ihm wieder meine neue Anschrift
mitteilen kann. Das kannst Du dann aber übernehmen. Daß er wieder bei seiner
alten Kompanie ist, hatte ich mir gedacht. Daß man mit ihm aber nicht mehr so
umspringen kann, wie mit einem Rekruten, ist ja verständlich, ganz abgesehen
davon, daß er das Verwundetenabzeichen trägt. Wenn ich aus dem Ausland und
sogar aus Rußland komme, dann lasse ich mir aber auch nicht mehr viel
vormachen. Da wird sich Helga über die
Kette von Deinem Vater gefreut haben, denn für solche Sachen ist sie ja sehr
empfänglich. Sie hat ihm ja auch dafür einen schönen Dankesbrief geschrieben.
Daß sie aber auch ihren Stolz hat, geht schon daraus hervor, daß sie sich
nichts schenken lassen will. Unser Junge ist da etwas herziger und er versteht
sich auf sowas schon eher. Er läßt sich darum auch von niemand angreifen, wenn
ihm da jemand einmal Vorhaltungen machen wollte. Das neue, oder vielmehr
geänderte Kleid wird unserem Mädel gefallen haben. Sie sieht sich ja gern in
neuen Sachen. Dieses Vorrecht steht ihr
als Mädel auch ohne weiteres zu. Den Stoff zu diesem Kleid hattest Du als
erstes nach überstandener Krisekaufen können. Ich gab Dir das Geld zum
Geburtstag dazu. Es sind schon verschiedene Jahre darüber hingegangen. Aber man
erinnert sich noch daran. Ich kann mir gut vorstellen, wie unsere Beiden sich
immer wieder herumkampeln. Jörg fängt meist mit knuffen und schieben an und
dann fängt das Gekichere dazu an, bis es dann ausartet. Daß sie dabei auf
nichts Obacht geben, ist mir verständlich. Mit dem Kampeln kennt sich aber
unser Stromer aus. Ich sehe ihn, wie er mit Gebermiene von seinen Äpfeln abgibt
oder wie er sie vertauscht. Es ist doch etwas wert, wenn man so einen Apfelbaum
hat, den man mit überwacht und von dessen Beständen ab und zu etwas
herunterfällt. Daß ihm das grüne Zeug schmeckt, ist mir erklärlich. Wir haben
das früher auch so gemacht. Aber mit der Zeit merkt man, daß sie besser
schmecken, wenn sie reifer werden. Es freut mich, daß er Dir immer schon
mithilft, wenn Du im Garten zu tun hast. Denn sie wollen beide auch mit essen.
So groß sind sie schon, daß sie da mitmachen können. Unser Junge hat heute
seinen 8. Geburtstag. Ich bin schon seit heute morgen in Gedanken bei Euch.
Wenn man auch jetzt nicht viel machen kann, aber ich weiß, daß Du ihm diesen
Tag gestaltet haben wirst. In diesen Tagen werde ich auch an Helga noch
schreiben. Den Brief kannst Du ihr dann aufheben, wenn er früher ankommen
sollte. Deinen Geburtstagsbrief werde
ich auf der Rückseite besonders kennzeichnen, damit Du ihn Dir aufheben kannst,
wenn Du willst. Ich weiß ja nicht, wann
ich wieder zum Schreiben komme. Darum muß ich mich einrichten. Ich denke, daß ich soweit alles beantwortet
habe. Ich grüße Dich und die Kinder und sende Dir recht viele Küsse. Dein
Ernst.
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