Montag, 14. August 2017

Brief 300 vom 5. / 6.8.1942


Mein lieber Schatz !                                                         5.8.42      

Gestern habe ich verschiedene Päckchen für Euch fertiggemacht.  Zwei Flaschen mit Butter, eine Büchse mit Fisch und ein Päckchen mit Bonbons. Sie tragen die Nummern 29/32. Ich wünsche, daß alles wieder gut ankommt. Ich bedauere nur , daß ich nicht mehr schicken kann, denn ich weiß, daß Ihr nicht zuviel daheim zum Essen habt. Ich habe in dieser Hinsicht nocht wenig entbehrt. Wir hatte ja die Butter zusätzlich zugeteilt erhalten. Außer dieser Butter bekamen wir noch Bienenhonig, der uns auch mitgeholfen hat. Bei der Wärme würde uns nur etwas schlecht werden und das wäre zu schade dafür. Ich hoffe nur, wie schon geschrieben, daß alles gut dort ankommt. Die Butter ist ausgelassen.  Am gestrigen Abend hatte ich noch an Siegfried nach beiliegendem Durchschlag geschrieben. Seinen Brief habe ich auch beigefügt. Ich möchte mit möglichst wenig Briefschulden mein Ränzel schnüren, man weiß ja nie, wann man wieder zum Schreiben kommt. Arbeit habe ich hier so gut wie keine, denn ich habe nichts weiter angenommen, weil dies doch zwecklos sein würde. Ich wollte nun Ende dieser Woche abrücken, aber vorhin wurde mir mitgeteilt, daß ich am Montag fahren soll. Gespannt bin ich, wie lange ich wieder auf Strecke liegen werde.  Unser Kurier ist unterwegs und soll Post für uns mitbringen. Ich hoffe, bestimmt noch einen Teil der Post zu erhalten, die unterwegs ist. Ich würde gern die Papiere gleich mitnehmen, die Du mir abgeschrieben hast. Ich könnte mir dann nach dem Studium dieser Sachen gleich mein Schreiben zurechtlegen, das ich nach Konstanz vorlegen will. Das läßt sich nun einmal nicht anders machen und man muß abwarten.  Verschiedene Kameraden beneiden mich, daß ich hier wegkomme. Mir ist das wieder so, wie wenn ich von Tschechei  nach Frankreich kam. Da hatten auch die Kameraden so Wünsche. Ich soll doch zusehen, ob ich nichts machen könnte, daß sie auch angefordert würden. Dann fragten sie mich, was ich denn gemacht hätte, daß ich hier wegkäme. Ich kann ihnen nur sagen, daß ich es nicht weiß, denn ich will den Mann nicht noch mehr verärgern, wie er es schon ist.  Kleine Dinge, die ich sonst benötige, muß ich versuchen, hir noch zu bekommen. Man will mir wieder die Ausrüstungsgegenstände, die ich hier erhalten habe, alle abnehmen. Soweit sie mir bei meiner Umsiedlung im Wege sind, gebe ich sie gern her, aber verschiedenes brauche ich doch, was mir ziemlich nötig ist.  Ich hoffe, daß bei Euch ein schönes Wetter ist, wie es hier bei uns z.Zt. herrscht. Von einigen Regentagen abgesehen, haben wir schon längere Tage vor unserer Abfahrt schönes Wetter. Es ist auch sehr notwendig, denn jeder Regentag ist hier hinderlich und wirkt sich sehr unangenehm aus. Ob das den Russen so viel ausmacht wie uns, kann ich nicht so ermessen.
Nachrichten, die uns erreichen, lassen erkennen, daß das Regiment, das die Kameraden, die nach uns kamen, führt, nicht sehr milde sei. Als unser Spieß anläßlich einer Überführungsfahrt dort war, hat er von Seiten der Bevölkerung die tollsten Dinge erfahren. Man sieht dabei wieder, wie unterschiedlich regiert werden kann. Ich weiß, daß wir in der Bevölkerung ziemliche Achtung genossen haben. Aber durch falsche Behandlung kann in kurzer Zeit mehr verdorben werden, als was man in langer Zeit des Aufbaus erwirkt hat.  Die sende ich recht viele Grüße und ebenso viele Küsse. Dein Ernst.
Gestern hatte ich meinem Brief noch einige Urkunden beigelegt, die ich inzwischen erhalten hatte. Verwende sie mit und hebe sie dann auf.



Meine liebste, beste Annie !                                                     6.8.42   
   
Durch Unterbrechung der Eisenbahnstrecke sind wir noch nicht in den Besitz der zu erwartenden Post gekommen. Alle hoffen nun, daß die Schienen bis heute wieder in Ordnung kommen, damit unser Kurier wieder zurückkommt und unsere Post mitbringt. Bis zu meiner Abfahrt werde ich wohl dann nichts mehr erhalten und bis ich dann überhaupt wieder etwas ausgehändigt erhalte, wird noch einige Zeit vergehen. Man glaubt wohl, daß man sich an das Warten gewöhnt hätte, aber wenn dann eine Weile vergangen ist, dann wird man doch unruhig. Was nutzt das aber alles. Zweck hat es keinen, man muß sich damit abfinden.  Seit vorgestern haben wir nun die aufgefundenen Doppelfenster in unserem Zimmer. Ich kann mich noch nicht damit abfinden. Es ist schon wieder zuviel Kultur. Sachen, die einem im Wege sind, kann man schon nicht mehr zum Fenster hinauswerfen. Auch die ganze Frischluft, die wir vorher hatten, ist uns verloren gegangen. Tatsächlich ist es mir in der ersten Nacht zu warm gewesen. Ich habe dadurch nicht richtig schlafen können. Die vergangene Nacht hatte ich mich entsprechend eingerichtet und habe deshalb besser geschlafen. So hat alles seine Vor- und Nachteile. Man kann dar an wieder erkennen, wie man sich an alles gewöhnen kann. Heute bin ich schon zeitig aufgestanden und habe schon um 5 Uhr den Geburtstagsbrief an unsere Helga geschrieben. Durchschlag lege ich bei. Jörg soll ihr in meinem Auftage noch einige Blumen mit übergeben. Ich denke, daß er das gerne für mich machen wird. Sonst habe ich nichts weiter hinzugefügt.  Zu der gestern aufgegebenen Butter will ich noch erwähnen, daß es vielleicht ratsam ist, wenn Du sie nicht gehen läßt und aus der Flasche herausnimmst. Ich weiß nicht, ob sie ganz rein ist und ob sich nicht etwa welche Rückstände unten in der Flasche befinden, die dann die Butter zersetzen. Ich hoffe, noch eine kleine Flasche voll zusammenzubekommen. Die schicke ich dann noch weg, denn wie schon geschrieben, Ihr habt nicht zuviel davon daheim.  Jetzt, wo ich aus diesem Gebiet herauskomme, kann ich ja auch einmal kurz schreiben, daß wir hier dem Kampfgebiet ziemlich nahe gerückt waren. Am Tage, aber vor allem abends hörte man das Abschießen der Artillerie. Wir befinden uns hier gerade an der Ecke eines Winkels, der gegen uns gerichtet ist. Zwar sind schon noch etliche km bis dorthin, aber aus dem Geruhsamen sind wir hier herausgekommen. Als der Druck bei Woronesch so stark war, hatten wir hier oft beiderseitigen Fliegerbetrieb. Der vom Feind war ja weniger stark. Ich habe nur einmal lachen müssen, als beim Explodieren von ein paar abgeworfenen Bomben die bei uns beschäftigten Putzfrauen in alle Windsrichtungen flüchteten. Die Flieger waren schon lange wieder weg, aber die haben sich erst nach langer, langer Zeit wieder eingefunden. Es scheint hier zwar langsam ruhiger zu werden. Wie dem auch sei. Das Land muß hier nun befriedet werden, und das ist eine der vordringlichsten Aufgabe. Ich glaube, daß das den zurückbleibenden Kameraden auch bald gelingen wird.  Von mir habe ich sonst nichts weiter zu erzählen, als daß ich mich wohlauf befinde. Herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kinder Dein Ernst.

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