Mein
lieber Schatz ! 5.8.42
Gestern
habe ich verschiedene Päckchen für Euch fertiggemacht. Zwei Flaschen mit Butter, eine Büchse mit
Fisch und ein Päckchen mit Bonbons. Sie tragen die Nummern 29/32. Ich wünsche,
daß alles wieder gut ankommt. Ich bedauere nur , daß ich nicht mehr schicken
kann, denn ich weiß, daß Ihr nicht zuviel daheim zum Essen habt. Ich habe in
dieser Hinsicht nocht wenig entbehrt. Wir hatte ja die Butter zusätzlich
zugeteilt erhalten. Außer dieser Butter bekamen wir noch Bienenhonig, der uns
auch mitgeholfen hat. Bei der Wärme würde uns nur etwas schlecht werden und das
wäre zu schade dafür. Ich hoffe nur, wie schon geschrieben, daß alles gut dort
ankommt. Die Butter ist ausgelassen. Am
gestrigen Abend hatte ich noch an Siegfried nach beiliegendem Durchschlag
geschrieben. Seinen Brief habe ich auch beigefügt. Ich möchte mit möglichst
wenig Briefschulden mein Ränzel schnüren, man weiß ja nie, wann man wieder zum
Schreiben kommt. Arbeit habe ich hier so gut wie keine, denn ich habe nichts
weiter angenommen, weil dies doch zwecklos sein würde. Ich wollte nun Ende
dieser Woche abrücken, aber vorhin wurde mir mitgeteilt, daß ich am Montag
fahren soll. Gespannt bin ich, wie lange ich wieder auf Strecke liegen werde. Unser Kurier ist unterwegs und soll Post für
uns mitbringen. Ich hoffe, bestimmt noch einen Teil der Post zu erhalten, die
unterwegs ist. Ich würde gern die Papiere gleich mitnehmen, die Du mir
abgeschrieben hast. Ich könnte mir dann nach dem Studium dieser Sachen gleich
mein Schreiben zurechtlegen, das ich nach Konstanz vorlegen will. Das läßt sich
nun einmal nicht anders machen und man muß abwarten. Verschiedene Kameraden beneiden mich, daß ich hier wegkomme. Mir
ist das wieder so, wie wenn ich von Tschechei
nach Frankreich kam. Da hatten auch die Kameraden so Wünsche. Ich soll
doch zusehen, ob ich nichts machen könnte, daß sie auch angefordert würden.
Dann fragten sie mich, was ich denn gemacht hätte, daß ich hier wegkäme. Ich
kann ihnen nur sagen, daß ich es nicht weiß, denn ich will den Mann nicht noch
mehr verärgern, wie er es schon ist.
Kleine Dinge, die ich sonst benötige, muß ich versuchen, hir noch zu
bekommen. Man will mir wieder die Ausrüstungsgegenstände, die ich hier erhalten
habe, alle abnehmen. Soweit sie mir bei meiner Umsiedlung im Wege sind, gebe
ich sie gern her, aber verschiedenes brauche ich doch, was mir ziemlich nötig
ist. Ich hoffe, daß bei Euch ein
schönes Wetter ist, wie es hier bei uns z.Zt. herrscht. Von einigen Regentagen
abgesehen, haben wir schon längere Tage vor unserer Abfahrt schönes Wetter. Es
ist auch sehr notwendig, denn jeder Regentag ist hier hinderlich und wirkt sich
sehr unangenehm aus. Ob das den Russen so viel ausmacht wie uns, kann ich nicht
so ermessen.
Nachrichten,
die uns erreichen, lassen erkennen, daß das Regiment, das die Kameraden, die
nach uns kamen, führt, nicht sehr milde sei. Als unser Spieß anläßlich einer
Überführungsfahrt dort war, hat er von Seiten der Bevölkerung die tollsten
Dinge erfahren. Man sieht dabei wieder, wie unterschiedlich regiert werden
kann. Ich weiß, daß wir in der Bevölkerung ziemliche Achtung genossen haben.
Aber durch falsche Behandlung kann in kurzer Zeit mehr verdorben werden, als
was man in langer Zeit des Aufbaus erwirkt hat. Die sende ich recht viele Grüße und ebenso viele Küsse. Dein
Ernst.
Gestern
hatte ich meinem Brief noch einige Urkunden beigelegt, die ich inzwischen
erhalten hatte. Verwende sie mit und hebe sie dann auf.
Meine
liebste, beste Annie !
6.8.42
Durch
Unterbrechung der Eisenbahnstrecke sind wir noch nicht in den Besitz der zu
erwartenden Post gekommen. Alle hoffen nun, daß die Schienen bis heute wieder
in Ordnung kommen, damit unser Kurier wieder zurückkommt und unsere Post
mitbringt. Bis zu meiner Abfahrt werde ich wohl dann nichts mehr erhalten und
bis ich dann überhaupt wieder etwas ausgehändigt erhalte, wird noch einige Zeit
vergehen. Man glaubt wohl, daß man sich an das Warten gewöhnt hätte, aber wenn
dann eine Weile vergangen ist, dann wird man doch unruhig. Was nutzt das aber
alles. Zweck hat es keinen, man muß sich damit abfinden. Seit vorgestern haben wir nun die
aufgefundenen Doppelfenster in unserem Zimmer. Ich kann mich noch nicht damit
abfinden. Es ist schon wieder zuviel Kultur. Sachen, die einem im Wege sind,
kann man schon nicht mehr zum Fenster hinauswerfen. Auch die ganze Frischluft,
die wir vorher hatten, ist uns verloren gegangen. Tatsächlich ist es mir in der
ersten Nacht zu warm gewesen. Ich habe dadurch nicht richtig schlafen können.
Die vergangene Nacht hatte ich mich entsprechend eingerichtet und habe deshalb
besser geschlafen. So hat alles seine Vor- und Nachteile. Man kann dar an
wieder erkennen, wie man sich an alles gewöhnen kann. Heute bin ich schon
zeitig aufgestanden und habe schon um 5 Uhr den Geburtstagsbrief an unsere
Helga geschrieben. Durchschlag lege ich bei. Jörg soll ihr in meinem Auftage
noch einige Blumen mit übergeben. Ich denke, daß er das gerne für mich machen
wird. Sonst habe ich nichts weiter hinzugefügt. Zu der gestern aufgegebenen Butter will ich noch erwähnen, daß es
vielleicht ratsam ist, wenn Du sie nicht gehen läßt und aus der Flasche
herausnimmst. Ich weiß nicht, ob sie ganz rein ist und ob sich nicht etwa
welche Rückstände unten in der Flasche befinden, die dann die Butter zersetzen.
Ich hoffe, noch eine kleine Flasche voll zusammenzubekommen. Die schicke ich
dann noch weg, denn wie schon geschrieben, Ihr habt nicht zuviel davon
daheim. Jetzt, wo ich aus diesem Gebiet
herauskomme, kann ich ja auch einmal kurz schreiben, daß wir hier dem
Kampfgebiet ziemlich nahe gerückt waren. Am Tage, aber vor allem abends hörte
man das Abschießen der Artillerie. Wir befinden uns hier gerade an der Ecke
eines Winkels, der gegen uns gerichtet ist. Zwar sind schon noch etliche km bis
dorthin, aber aus dem Geruhsamen sind wir hier herausgekommen. Als der Druck
bei Woronesch so stark war, hatten wir hier oft beiderseitigen Fliegerbetrieb.
Der vom Feind war ja weniger stark. Ich habe nur einmal lachen müssen, als beim
Explodieren von ein paar abgeworfenen Bomben die bei uns beschäftigten
Putzfrauen in alle Windsrichtungen flüchteten. Die Flieger waren schon lange
wieder weg, aber die haben sich erst nach langer, langer Zeit wieder
eingefunden. Es scheint hier zwar langsam ruhiger zu werden. Wie dem auch sei.
Das Land muß hier nun befriedet werden, und das ist eine der vordringlichsten
Aufgabe. Ich glaube, daß das den zurückbleibenden Kameraden auch bald gelingen
wird. Von mir habe ich sonst nichts
weiter zu erzählen, als daß ich mich wohlauf befinde. Herzliche Grüße und recht
viele Küsse sendet Dir und den Kinder Dein Ernst.
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