Montag, 14. August 2017

Brief 309 vom 22./23.8.1942


Meine liebste Annie !                                                            22.8.42        

Ich kann nur wieder voransetzen, daß ich heute noch keine Post erhalten habe, seit ich hier angekommen bin. Ich bin ja gespannt, wie lange ein Brief braucht, um von hier nach Konstanz zu kommen.  Sollte es sich bewahrheiten, daß er nicht viel länger unterwegs ist, wie mit Luftpost, dann kann ich Dir die Briefmarken alle überlassen. Für die Zulassungsmarken für die Pakete will ich Dir noch mitteilen, daß ich nicht haben will, daß Du mir etwa Kuchen oder ähnliches schickst. Ich habe hier vollauf zu essen, und ich möchte fast behaupten, besser wie Ihr daheim. Ich würde mir große Sorgen machen, wenn ich dann von Euch etwas derartiges erhielte und müßte dann denken, Ihr habt Euch das von Eurem Wenigen, was Ihr erhaltet abgespart. Ich bekomme hier alles und in ausreichendem Maße.  Daß Du nach so langer Zeit Resi auch wieder einmal getroffen hast, wundert mich. Vor allem, weil sie doch sonst kaum aus dem Bau herauskommt. Daß sie von ihren verschiedenen Leiden allerhand zu erzählen hatte, kann ich mir vorstellen. Daß die Familie Lämmel sich in so starkem Maße vermehrt, das hätte man vor Jahren doch nicht erwartet. Wenn sie es wirtschaftlich  und die Frau gesundheitlich durchhalten kann, dann ist es ja ganz und gar ihre Sache. Daß Du auf meine Anforderung hin mir so prompt die Abschriften gefertigt und übersandt hast, hat mich sehr gefreut, und ich danke Dir sehr dafür. Was ich nun erreichen werde, wird sich im Laufe der Zeit noch herausstellen. Ich glaube zwar nicht, daß sie sich viel rühren werden. Es ist anzunehmen, daß sie schreiben, daß während der Dauer des Krieges keine Möglichkeit zur Beförderung besteht, und daß sie mich auf später vertrösten. Ich werde mich zwar mit dieser Antwort nicht gleich zufrieden geben. Aber man muß doch wieder einmal etwas von sich hören lassen, denn sonst entsteht der Eindruck, man kommt nur noch zum Geldabholen und man hätte kein Interesse mehr an dem Betrieb. Für den übersandten Schleier danke ich Dir nochmals. In seiner Form ist er richtig. Dort, wo ich ihn erhielt, konnte ich ihn gut gebrauchen gegen die Fliegen, denn wenn man sich hinlegte, da wurde man von den Fliegen gepiesakt, das war schon nicht mehr schön. Hier habe ich zwar noch keine Gelegenheit gehabt, ihn praktisch zu verwerten, aber man weiß ja noch nicht, wo man überall herumrutschen muß. Also dieser eine genügt vollkommen.  Daß das Brot so unterschiedlich angekommen ist, ist teilweise bedauerlich. Ich bin aber doch froh, daß Euch einige davon von Nutzen sein konnten. Ich hoffe, daß die anderen Päckchen, die ich abgesandt habe, auch noch gut angekommen sind. Hoffentlich habt Ihr mehr davon gehabt. Daß Du so guten Erfolg mit der Möbelmalerei gehabt hast, ist ja sehr erfreulich. Ich glaube, daß es jetzt wieder sehr sauber aussieht. Es hat mich beruhigt, daß ich nun weiß, daß der Vorschalt-Widerstand jetzt seinen Dienst vollkommen erfüllt. So habt Ihr doch wenigstens das Radio in Ordnung. Denn Ihr habt doch sonst auch nichts weiter. Wegen den Beerensträuchern, wie die zugespitzt  werden müssen, gebe ich Dir wieder einmal Bescheid. Lieber wäre es mir, wenn ich Gelegenheit hätte, das während eines Urlaubs machen zu können. Wie hier die Aussichten sind bei dieser Dienststelle, kann ich noch nicht sagen. Ich kann Dir aber versichern, daß ich auf der Hut bin, damit ich nicht übergangen werde. Aber wenn man so neu hier ist, kann man nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Wenn ich zwar den Maßstab als Norm nehmen müßte, wie die Kameraden hier von der Ostfront in Urlaub kommen, dann würde es schon noch eine Weile dauern. Wir wollen aber die Hoffnung nicht aufgeben. Ich grüße Dich recht herzlich und bitte Dich, den Kindern einige recht herzliche Küsse aufzudrücken. Dir selbst sende ich wieder recht viele Küsse. Dein Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                              23.8.42     
     
Denke einmal an, gestern Nachmittag traf die erste Post ein., die ich auf dem Kurierwege bekam. Erst einmal 9 Briefe von Dir.  Der alte Brief vom 16. und dann laufend die Briefe vom 27., 28., 30., 31., 1., 2., 3. und 4.; dann eine Karte von Siegfried aus Trier und ein Brief von Tommi. Ich habe also ziemlich zu lesen gehabt. Ich hatte mich sehr darüber gefreut, denn ich habe doch schon wieder einige Zeit keine Post gehabt. Wenn erst einmal die Verbindung mit meiner neuen Nummer hergestellt ist, denke ich, daß es dann laufend klappen wird. Doch nun zu den Briefen. Erst einmal zu den Zeugnissen. Sie sind alle sehr gut ausgefallen und es war darum auch vollauf berechtigt, daß Ihr dies etwas gefeiert habt. Ich glaube, daß sie selbst stolz auf ihre Leistungen waren. Daß sich Jörg in der Schule auch so gut herausmacht und sich Helga anschließt, hat mich ganz besonders gefreut. Daß Helga ein „befriedigend“ in Schönschreiben erreicht hat, ist zum Gesamteindruck  des Zeugnisses schade. An was es liegt, daß sie in Größenlehre auch ein „befriedigend „ hat, würde mich interessieren. Ich bitte Dich aber, ihr diese Feststellung nicht zu sagen, denn so wie ich sie kenne, würde sie sich darüber Gedanken machen. Beide Sachen sind an sich nicht so bedeutend, daß sie irgend einen Ausschlag geben.  Für die Grüße von Frau Lämmel danke ich. Daß sie sich in bezug auf ihre Schönheit so zu ihrem Vorteil verändert haben soll, kann ich mir nicht so recht vorstellen.  Wenn so  Zeltbahnen, Kochgeschirre und ähnliche Sachen gesammelt worden sind, so kann ich Dir nur sagen, daß die Entschädigung so gering ist, daß sie   nicht annähernd dem Wert gleichkommt, den er für uns immer noch darstellt. Es ist schon besser, wenn wir diese Sachen behalten.  Helga ist ja nun in dem Alter, daß ihr die Milchzähne ausgehen. Es ist nur gut, daß sie diese immer richtig gepflegt hatte, denn ich nehme an, daß die Zähne, die ja nachkommen, auch alle gesund sind. Ich weiß nur noch zu genau, daß ich schon bald zum Zahnarzt gehen mußte, um mir die Backenzähne plombieren zu lassen. Ich kann ja im Verhältnis noch zufrieden sein, denn bis jetzt fehlen mir nur zwei Zähne. Schade ist nur, daß Ihr das Brot teilweise so schimmlig erhalten habt.  Ich hatte mich gefreut, daß die ersten Päckchen so gut angekommen waren. Ich hatte zwar anfänglich Bedenken, daß es schimmlig werden würde. Heute habe ich mir einmal ein Päckchen packen lassen. Das ist das erste Mal, daß ich es nicht selbst getan habe, Unsere Ordonanz hat aber nicht zu tun, so daß ich ihm das als Betätigung übergeben habe. Es ist eine Dose Fisch, die ich mir noch habe als Marschverpflegung mitgeben lassen. Das Päckchen trägt die Nummer 35.  Nun kommen die Briefe, die mir Kenntnis gaben von Ernas Besuch. Ich habe mich sehr gefreut darüber, daß Du durch diesen Besuch auch etwas Urlaub hattest. Denn so bist Du wieder etwas aus dem Bau herausgekommen und hast wieder einmal etwas erlebt. Das macht mir immer etwas Sorgen, wenn ich denken muß, daß Du im Verhältnis so gar keine Abwechslung hast und immer Dein Tagewerk tagaus tagein machen mußt. Ich weiß, daß Du das gern machst, aber Du brauchst auch einmal eine Ablenkung. Ich sehe das hier, wie es mir geht. Ich hoffe, daß ich heute Nachmittag mit unserem Inspektor herauskomme. Denn auch heute Vormittag haben wir zum Sonntag Dienst. Ich will mir darum einmal etwas Abwechslung verschaffen, sonst wird man ja trübsinnig. Aber Du brauchst deshalb keine Sorgen zu haben, es macht sich schon alles. Über meine Gedanken, die ich hatte, als ich Deine Reiseberichte las, werde ich Dir in einem meiner nächsten Briefe schreiben. Interessiert hat mich die Äußerung von Deinem Vater, daß ich Erna aufgehetzt hätte. Es ist nicht notwendig, daß Du Dir darum Gedanken machst, denn das läßt mich ausnahmsweise vollkommen ruhig, aber man kann doch daraus wieder das schlechte Gewissen Deines Vaters erkennen. Glaube mir, wenn er nicht selbst das Gefühl hätte, daß etwas nicht richtig ist, würde er nicht auf den Gedanken kommen, daß man über ihn herziehen würde. Wir lassen aber den Dingen ihren Lauf gehen. Er soll mit ihr glücklich werden oder nicht, das kann uns gleich sein.  Recht herzliche und viele Grüße und Küsse sendet Dir Dein Ernst.

2 Flugpostmarken liegen wieder bei.



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