Meine
liebste Annie ! 22.8.42
Ich
kann nur wieder voransetzen, daß ich heute noch keine Post erhalten habe, seit
ich hier angekommen bin. Ich bin ja gespannt, wie lange ein Brief braucht, um
von hier nach Konstanz zu kommen. Sollte
es sich bewahrheiten, daß er nicht viel länger unterwegs ist, wie mit Luftpost,
dann kann ich Dir die Briefmarken alle überlassen. Für die Zulassungsmarken für
die Pakete will ich Dir noch mitteilen, daß ich nicht haben will, daß Du mir
etwa Kuchen oder ähnliches schickst. Ich habe hier vollauf zu essen, und ich
möchte fast behaupten, besser wie Ihr daheim. Ich würde mir große Sorgen
machen, wenn ich dann von Euch etwas derartiges erhielte und müßte dann denken,
Ihr habt Euch das von Eurem Wenigen, was Ihr erhaltet abgespart. Ich bekomme
hier alles und in ausreichendem Maße.
Daß Du nach so langer Zeit Resi auch wieder einmal getroffen hast,
wundert mich. Vor allem, weil sie doch sonst kaum aus dem Bau herauskommt. Daß
sie von ihren verschiedenen Leiden allerhand zu erzählen hatte, kann ich mir
vorstellen. Daß die Familie Lämmel sich in so starkem Maße vermehrt, das hätte
man vor Jahren doch nicht erwartet. Wenn sie es wirtschaftlich und die Frau gesundheitlich durchhalten
kann, dann ist es ja ganz und gar ihre Sache. Daß Du auf meine Anforderung hin
mir so prompt die Abschriften gefertigt und übersandt hast, hat mich sehr
gefreut, und ich danke Dir sehr dafür. Was ich nun erreichen werde, wird sich
im Laufe der Zeit noch herausstellen. Ich glaube zwar nicht, daß sie sich viel
rühren werden. Es ist anzunehmen, daß sie schreiben, daß während der Dauer des
Krieges keine Möglichkeit zur Beförderung besteht, und daß sie mich auf später
vertrösten. Ich werde mich zwar mit dieser Antwort nicht gleich zufrieden geben.
Aber man muß doch wieder einmal etwas von sich hören lassen, denn sonst
entsteht der Eindruck, man kommt nur noch zum Geldabholen und man hätte kein
Interesse mehr an dem Betrieb. Für den übersandten Schleier danke ich Dir
nochmals. In seiner Form ist er richtig. Dort, wo ich ihn erhielt, konnte ich
ihn gut gebrauchen gegen die Fliegen, denn wenn man sich hinlegte, da wurde man
von den Fliegen gepiesakt, das war schon nicht mehr schön. Hier habe ich zwar
noch keine Gelegenheit gehabt, ihn praktisch zu verwerten, aber man weiß ja
noch nicht, wo man überall herumrutschen muß. Also dieser eine genügt
vollkommen. Daß das Brot so
unterschiedlich angekommen ist, ist teilweise bedauerlich. Ich bin aber doch
froh, daß Euch einige davon von Nutzen sein konnten. Ich hoffe, daß die anderen
Päckchen, die ich abgesandt habe, auch noch gut angekommen sind. Hoffentlich
habt Ihr mehr davon gehabt. Daß Du so guten Erfolg mit der Möbelmalerei gehabt
hast, ist ja sehr erfreulich. Ich glaube, daß es jetzt wieder sehr sauber
aussieht. Es hat mich beruhigt, daß ich nun weiß, daß der Vorschalt-Widerstand
jetzt seinen Dienst vollkommen erfüllt. So habt Ihr doch wenigstens das Radio
in Ordnung. Denn Ihr habt doch sonst auch nichts weiter. Wegen den
Beerensträuchern, wie die zugespitzt
werden müssen, gebe ich Dir wieder einmal Bescheid. Lieber wäre es mir,
wenn ich Gelegenheit hätte, das während eines Urlaubs machen zu können. Wie
hier die Aussichten sind bei dieser Dienststelle, kann ich noch nicht sagen.
Ich kann Dir aber versichern, daß ich auf der Hut bin, damit ich nicht
übergangen werde. Aber wenn man so neu hier ist, kann man nicht gleich mit der
Tür ins Haus fallen. Wenn ich zwar den Maßstab als Norm nehmen müßte, wie die
Kameraden hier von der Ostfront in Urlaub kommen, dann würde es schon noch eine
Weile dauern. Wir wollen aber die Hoffnung nicht aufgeben. Ich grüße Dich recht
herzlich und bitte Dich, den Kindern einige recht herzliche Küsse aufzudrücken.
Dir selbst sende ich wieder recht viele Küsse. Dein Ernst.
Mein
liebster Schatz !
23.8.42
Denke einmal an, gestern Nachmittag traf die erste Post
ein., die ich auf dem Kurierwege bekam. Erst einmal 9 Briefe von Dir. Der alte Brief vom 16. und dann laufend die
Briefe vom 27., 28., 30., 31., 1., 2., 3. und 4.; dann eine Karte von Siegfried
aus Trier und ein Brief von Tommi. Ich habe also ziemlich zu lesen gehabt. Ich
hatte mich sehr darüber gefreut, denn ich habe doch schon wieder einige Zeit
keine Post gehabt. Wenn erst einmal die Verbindung mit meiner neuen Nummer
hergestellt ist, denke ich, daß es dann laufend klappen wird. Doch nun zu den
Briefen. Erst einmal zu den Zeugnissen. Sie sind alle sehr gut ausgefallen und
es war darum auch vollauf berechtigt, daß Ihr dies etwas gefeiert habt. Ich
glaube, daß sie selbst stolz auf ihre Leistungen waren. Daß sich Jörg in der
Schule auch so gut herausmacht und sich Helga anschließt, hat mich ganz
besonders gefreut. Daß Helga ein „befriedigend“ in Schönschreiben erreicht hat,
ist zum Gesamteindruck des Zeugnisses
schade. An was es liegt, daß sie in Größenlehre auch ein „befriedigend „ hat,
würde mich interessieren. Ich bitte Dich aber, ihr diese Feststellung nicht zu
sagen, denn so wie ich sie kenne, würde sie sich darüber Gedanken machen. Beide
Sachen sind an sich nicht so bedeutend, daß sie irgend einen Ausschlag
geben. Für die Grüße von Frau Lämmel
danke ich. Daß sie sich in bezug auf ihre Schönheit so zu ihrem Vorteil
verändert haben soll, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Wenn so
Zeltbahnen, Kochgeschirre und ähnliche Sachen gesammelt worden sind, so
kann ich Dir nur sagen, daß die Entschädigung so gering ist, daß sie nicht annähernd dem Wert gleichkommt, den
er für uns immer noch darstellt. Es ist schon besser, wenn wir diese Sachen
behalten. Helga ist ja nun in dem
Alter, daß ihr die Milchzähne ausgehen. Es ist nur gut, daß sie diese immer
richtig gepflegt hatte, denn ich nehme an, daß die Zähne, die ja nachkommen,
auch alle gesund sind. Ich weiß nur noch zu genau, daß ich schon bald zum
Zahnarzt gehen mußte, um mir die Backenzähne plombieren zu lassen. Ich kann ja
im Verhältnis noch zufrieden sein, denn bis jetzt fehlen mir nur zwei Zähne.
Schade ist nur, daß Ihr das Brot teilweise so schimmlig erhalten habt. Ich hatte mich gefreut, daß die ersten
Päckchen so gut angekommen waren. Ich hatte zwar anfänglich Bedenken, daß es
schimmlig werden würde. Heute habe ich mir einmal ein Päckchen packen lassen.
Das ist das erste Mal, daß ich es nicht selbst getan habe, Unsere Ordonanz hat
aber nicht zu tun, so daß ich ihm das als Betätigung übergeben habe. Es ist
eine Dose Fisch, die ich mir noch habe als Marschverpflegung mitgeben lassen.
Das Päckchen trägt die Nummer 35. Nun
kommen die Briefe, die mir Kenntnis gaben von Ernas Besuch. Ich habe mich sehr
gefreut darüber, daß Du durch diesen Besuch auch etwas Urlaub hattest. Denn so
bist Du wieder etwas aus dem Bau herausgekommen und hast wieder einmal etwas
erlebt. Das macht mir immer etwas Sorgen, wenn ich denken muß, daß Du im
Verhältnis so gar keine Abwechslung hast und immer Dein Tagewerk tagaus tagein
machen mußt. Ich weiß, daß Du das gern machst, aber Du brauchst auch einmal
eine Ablenkung. Ich sehe das hier, wie es mir geht. Ich hoffe, daß ich heute
Nachmittag mit unserem Inspektor herauskomme. Denn auch heute Vormittag haben
wir zum Sonntag Dienst. Ich will mir darum einmal etwas Abwechslung
verschaffen, sonst wird man ja trübsinnig. Aber Du brauchst deshalb keine
Sorgen zu haben, es macht sich schon alles. Über meine Gedanken, die ich hatte,
als ich Deine Reiseberichte las, werde ich Dir in einem meiner nächsten Briefe
schreiben. Interessiert hat mich die Äußerung von Deinem Vater, daß ich Erna
aufgehetzt hätte. Es ist nicht notwendig, daß Du Dir darum Gedanken machst,
denn das läßt mich ausnahmsweise vollkommen ruhig, aber man kann doch daraus
wieder das schlechte Gewissen Deines Vaters erkennen. Glaube mir, wenn er nicht
selbst das Gefühl hätte, daß etwas nicht richtig ist, würde er nicht auf den
Gedanken kommen, daß man über ihn herziehen würde. Wir lassen aber den Dingen
ihren Lauf gehen. Er soll mit ihr glücklich werden oder nicht, das kann uns
gleich sein. Recht herzliche und viele
Grüße und Küsse sendet Dir Dein Ernst.
2
Flugpostmarken liegen wieder bei.
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