Montag, 14. August 2017

Brief 304 vom 14.8.1942


Meine liebe Annie !                                                auf der Reise, den 14.8.42     

Am Dienstag früh bin ich von meiner Einheit abgerückt, um mich zu meiner neuen Dienststelle zu begeben. Erst fuhr ich mit dem Kurierzug von Kschen nach Kursk. Dort bin ich erst in die Stadt, um mich nach Post zu erkundigen. Das Stadtzentrum ist etwa eine Stunde vom Bahnhof entfernt. Glücklicherweise traf ich einen Kraftfahrer, der mich gleich mitnahm. Das für mich zuständige Postamt konnte ich nicht finden. Ich habe dann meinen Marsch zum Bahnhof wieder angetreten. Mit meinem Gepäck bin ich dann über das ausgedehnte Bahnhofsgelände gestiegen, um zu versuchen, einen Zug zur Weiterfahrt zu bekommen. Ich traf dann auch einen Lazarettzug, der mich die ganze Nacht durchgefahren hat. Gegen Mittag kam ich dann wieder zu einer Umsteigestation. Dort wechselte ich dann den Zug. Auch hier mußte ich wieder fast eine halbe Stunde bis zum anderen Bahnhof laufen. Ein Junge kam mit seinem Wagen und hat mir wenigstens mein Gepäck getragen. Ich hätte wohl jedesmal Kurierzüge benutzen können, aber da hätte ich das erste Mal eine ganze Nacht auf dem Bahnhof verbringen müssen. Und das andere Mal auch wieder. Von Mittag an bin ich dann mit einem kleinen Transportzug weitergefahren und zu meiner nächsten Umsteigestation gekommen. Die erreichte ich dann abends gegen 7 Uhr. Zum Ziel hatte ich mir genommen unseren alten Einsatzort Mirgorod. Hier sind noch Kameraden von unserer Telefonvermittlung. Die wollte ich noch besuchen. Wegen Essen brauchte ich mir keine Sorge zu machen, denn das würde ich im Soldatenheim bekommen. Ich rief also von der letzten Umsteigestation aus an, daß ich noch eintreffen würde. Der vorgesehene Zug fuhr aber nicht ab, und mir war das unangenehm, denn die Kameraden warteten auf mich. Durch Zufall erfuhr ich dann, daß ein Zug in wenigen Minuten abfährt. Den habe ich dann auch noch erreicht. Ich kam dann reichlich spät am Mittwochabend an. Die Kameraden hatten erst an der Bahn noch nachgefragt, ob ein Zug zu erwarten  sei. Dies wurde verneint, und die Kameraden waren dann überrascht, als ich doch noch eintraf. Ich habe dann erst noch die Verhältnisse schildern müssen und fand dann ein einigermaßen gutes Unterkommen. Gestern habe ich mich von der ersten Fahrt etwas erholt und heute will ich nun weiterfahren an die schon angegebene Stelle.  Wie ich aber bereits hier erfahren habe, soll sich diese Einheit in Charkow befinden, so daß dies noch nicht mein Endziel ist.  Rein verpflegungsmäßig könnte ich es hier noch gut aushalten, denn die Schwestern vom Soldatenheim kenne ich gut und die sorgen wirklich sehr nett. Aber nach diesen Gesichtspunkten kann man nicht immer gehen. Daß ich hier bei der Bevölkerung einiges Aufsehen erregt habe, hat mich sehr gewundert, und man muß staunen, wie bekannt man hier doch schon wieder war. Jeder hat gefragt, warum ich hier sei und ob ich zu den Kameraden wieder zurückfahre. Andererseits habe ich hören müssen, daß die neue Kommandantur hier sehr wenig beliebt ist. Sowohl von den Kameraden wie auch von der Zivilbevölkerung, Man kann daraus wieder sehen, wie man so und so regieren kann.  Heute Mittag fahre ich weiter und hoffe, morgen bei meiner neuen Dienststelle zu sein.  Es ist ganz schön, wenn man etwas aussetzt. Auch wenn man einmal wieder baden kann, was ich gestern hier noch getan habe. Aber zu lange Ruhe ist auch nicht gut. Sobald ich weiß, was nun los ist, werde ich Dir meine neue Anschrift bekannt geben. Für heute sende ich Dir und den Kindern recht viele und herzliche Grüße und ebenso viele Küsse. Dein Ernst.

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