Montag, 14. August 2017

Brief 307 vom 18./19.8.1942


Mein liebstes Mädel !                                                         18.8.42  
      
Mit der Zeit vervollständige ich mich hier mit meiner Einrichtung so, daß ich sagen kann, ich lebe in geordneten Verhältnissen.  Heute habe ich weiße Bettwäsche erhalten. Ich weiß nicht, wie ich mir jetzt wieder vorkomme. Ein Zimmer mit Balkon. Ein Kamerad geht zwar immer durch mein Zimmer durch, doch das ist ja nicht so schlimm. Dann gewissermaßen ein ordentliches Bett. Ein Schrank und ein Tisch sind auch vorhanden. Eigene Stühle stehen auch im Zimmer. Parkettboden befindet sich auch in diesem Zimmer. Man wundert sich, daß die Sowjets diese westeuropäischen Einrichtungen übernommen haben. Diese Wohnungen sind ja nicht für die einfachen Leute gedacht, zwar für uns selbst auch nicht gebaut.  Das Ungeziefer hat mich persönlich noch nicht belästigt. Heute früh ging bei mir an der Wand eine Wanze in allem Frieden spazieren. Mit rauer Hand habe ich sie ins Jenseits befördert. Ich wünschte mir nur, daß sie mich in Zukunft auch so in Ruhe lassen würden wie bisher. Bis ich jetzt meine neue Kluft habe, lasse ich mir das Essen aus dem Kasino bringen. Es gibt zum Ausgleich zu dem anderen Essen immer noch einige  Extras . Zum Frühstück kann man Eier bekommen. Man muß sie schwer bezahlen, aber das macht ja nichts.  Die Verhältnisse hier in der Stadt sind ja erschreckend. Die Ernährung für die Einwohner in dieser großen Stadt ist sehr gering. Andere Artikel, die so noch zu erwerben sind, werden zu Wucherpreisen verkauft. Ein Apfel kostet beispielsweise 1,60 RM. Man kann sich das nicht vorstellen. Brot ist ein so seltener Artikel, daß man hier damit sonst etwas erwerben könnte. Ich habe beobachtet, daß Kinder hordenweise in den Hinterhöfen herumlungern, um aus den Abfällen noch etwas herauszufischen. Sie haben dann diese deutschen Fleischkonservenbüchsen mit einem Draht darüber hinweg als Henkel, und dort wird alles hineingesammelt, was ihnen irgendwie als brauchbar erscheint. Als ich mit meinem Gepäck durch die Straßen zur Frontsammelstelle lief, wurde ich förmlich überfallen. Man hat es mir fast aus der Hand gerissen. Wenn man da nicht entsprechend auftritt, liegt das Gepäck schon auf einem der selbstgezimmerten Wagen. Als Entlohnung wird kein Geld gewünscht, sondern es heißt dann: pan nix kleb? Herr, haben sie keine Brot? Hier taucht auch wieder das berühmte internationale Wort „nix“ auf. Bei Männern und älteren Buben ist natürlich Tabak und Zigaretten ein beliebtes Entgelt.  Buben, viel kleiner als Jörg, springen mit ihren Wagen herzu, um sich etwas zu essen zu verdienen. Ich kann nur sagen, daß die Verhältnisse wirklich sehr traurig in Bezug auf die Ernährung sind. Unseres Bleibens wird hier zwar auch nicht von langer Dauer sein. Ich muß darum zusehen, daß ich noch etwas von dieser berühmten Stadt zu sehen bekomme. Auf dem Lande ist die Lage ja für die Bevölkerung nicht so schwierig. Ja, der Krieg hat in dieser Beziehung auch ein hartes Gesicht.  Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Dir und den Kindern sende ich recht viele herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                     19.8.42     

Vaters Geburtstag war heute. Ich habe wiederholt daran gedacht.  Vielleicht seid Ihr heute etwas zusammen gewesen. Die Zeit, um große Feste zu feiern, ist ja nicht gegeben. Außerdem war das auch nicht unsre Art und Vater hat im allgemeinen nicht gern gehabt, daß man viel davon spricht. Ich denke aber doch, daß er sich gefreut hat, wenn seiner gedacht worden ist. Wenn er es nach außen hin auch nicht so gern zum Ausdruck kommen lassen will.  Meine Arbeit geht hier in Bescheidenheit weiter. Ich hatte zwar bis jetzt meist wichtigere Arbeit verrichten können, aber wie ich schon schrieb, man kann sich nicht heraussuchen, was man gern machen möchte. Zudem muß man berücksichtigen, bei welchem hohen Stab ich mich hier befinde. Da war ja die Oberfeldkommandantur, oder der Oberbefehlshaber in Brüssel ein Dreck dagegen. Die Machtbefugnisse dieser Dienststelle im großen und ganzen gesehen, geht bedeutend weiter. Es ist ja nicht meine Verschulden, daß ich hierher gekommen bin. Mir wäre es wünschenswert, wenn ich von hier die notwendige Unterstützung für meinen neuen Schritt in Konstanz bekommen würde, so daß das ganze Unternehmen einen Erfolg versprechen würde. Das andere kann mich dann vorerst einmal vollkommen kühl lassen. Ich habe die Angelegenheit meinem Chef heute vorgetragen, und er hat sich auch meines Schreibens angenommen. Das erste war, daß er es einmal kräftig durchkorrigiert hat. heute sende ich dir erst einmal meinen ersten Entwurf mit, wie ich mir das gedacht hatte. Wenn das andere Schreiben absendungsreif ist, werde ich Dir den Durchschlag mitschicken.  Der Herr ist etwas pedantisch, aber das kann er sich ja auch leisten, denn er ist doch Jurist. Ich werde abwarten, was dann bei der ganzen Geschichte herauskommt.  Meine neue Kluft ist nun auch fertig geworden. Ich durfte nun heute Abend das erste Mal in Freiheit dressiert mich im Kasino sehen lassen. Ich habe mir alle die Sachen, die ich dazu benötigte, zusammengestoppelt. Die Schulterstücke hatte ich mir schon früher von Dir schicken lassen. Der eine Kamerad hatte gerade zufällig einen grauen Kragen hier. die Spiegel sind zwar nicht die richtigen, aber sehr ähnlich. Das macht aber nichts Eines steht jedenfalls fest, daß ich wieder einmal etwas Sauberes anzuziehen habe, Nach der Abänderung sitzt alles auch einigermaßen. Meine schönen Knobelbecher habe ich zwar wieder in die Ecke stellen müssen, weil es jetzt sehr in diesem erlauchten Kreise abstechen würde. Ich bin also wieder bei der langen Hose angelangt. Das wirkt sehr vornehm; das kannst du Dir wohl vorstellen. Mein Chef hat mich nun den hohen Herren vorgestellt. Nun scheint mir die Gnadensonne. Ich darf sogar mit diesen höchsten Herrschaften an einem Tisch essen. Ich hoffe, daß ich mich richtig benommen habe. Eines ist immerhin erfreulich.  Ich habe immer wieder einmal Gelegenheit, ordentliche Getränke zu bekommen, abgesehen von dem Essen, das sich von dem Mannschaftsessen unterscheidet. Das ist nun einmal so bei den höheren Stäben. Mit will das zwar nicht in den Kopf hinein, Man darf hier sogar im Monat 3 Flaschen Sekt trinken, Liköre und Cognac nicht mit eingerechnet. Das ist für meine bescheidenen Verhältnisse bisher schon etwas viel. Ich denke, daß ich auch ohne Deine Unterstützung auskommen werde.  Ist das nicht ein schöner Erfolg, daß die  Gegner an der Kanalküste so eines aufs Loch bekommen haben? Das hat mich wieder unbändig gefreut.  Dir und den Kindern sende ich recht herzliche Grüße und viele Küsse Dein Ernst.


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