Mein
liebstes Mädel ! 18.8.42
Mit
der Zeit vervollständige ich mich hier mit meiner Einrichtung so, daß ich sagen
kann, ich lebe in geordneten Verhältnissen.
Heute habe ich weiße Bettwäsche erhalten. Ich weiß nicht, wie ich mir jetzt
wieder vorkomme. Ein Zimmer mit Balkon. Ein Kamerad geht zwar immer durch mein
Zimmer durch, doch das ist ja nicht so schlimm. Dann gewissermaßen ein
ordentliches Bett. Ein Schrank und ein Tisch sind auch vorhanden. Eigene Stühle
stehen auch im Zimmer. Parkettboden befindet sich auch in diesem Zimmer. Man
wundert sich, daß die Sowjets diese westeuropäischen Einrichtungen übernommen
haben. Diese Wohnungen sind ja nicht für die einfachen Leute gedacht, zwar für
uns selbst auch nicht gebaut. Das
Ungeziefer hat mich persönlich noch nicht belästigt. Heute früh ging bei mir an
der Wand eine Wanze in allem Frieden spazieren. Mit rauer Hand habe ich sie ins
Jenseits befördert. Ich wünschte mir nur, daß sie mich in Zukunft auch so in
Ruhe lassen würden wie bisher. Bis ich jetzt meine neue Kluft habe, lasse ich
mir das Essen aus dem Kasino bringen. Es gibt zum Ausgleich zu dem anderen
Essen immer noch einige Extras . Zum
Frühstück kann man Eier bekommen. Man muß sie schwer bezahlen, aber das macht
ja nichts. Die Verhältnisse hier in der
Stadt sind ja erschreckend. Die Ernährung für die Einwohner in dieser großen
Stadt ist sehr gering. Andere Artikel, die so noch zu erwerben sind, werden zu
Wucherpreisen verkauft. Ein Apfel kostet beispielsweise 1,60 RM. Man kann sich
das nicht vorstellen. Brot ist ein so seltener Artikel, daß man hier damit
sonst etwas erwerben könnte. Ich habe beobachtet, daß Kinder hordenweise in den
Hinterhöfen herumlungern, um aus den Abfällen noch etwas herauszufischen. Sie
haben dann diese deutschen Fleischkonservenbüchsen mit einem Draht darüber
hinweg als Henkel, und dort wird alles hineingesammelt, was ihnen irgendwie als
brauchbar erscheint. Als ich mit meinem Gepäck durch die Straßen zur
Frontsammelstelle lief, wurde ich förmlich überfallen. Man hat es mir fast aus
der Hand gerissen. Wenn man da nicht entsprechend auftritt, liegt das Gepäck
schon auf einem der selbstgezimmerten Wagen. Als Entlohnung wird kein Geld
gewünscht, sondern es heißt dann: pan nix kleb? Herr, haben sie keine Brot?
Hier taucht auch wieder das berühmte internationale Wort „nix“ auf. Bei Männern
und älteren Buben ist natürlich Tabak und Zigaretten ein beliebtes
Entgelt. Buben, viel kleiner als Jörg,
springen mit ihren Wagen herzu, um sich etwas zu essen zu verdienen. Ich kann
nur sagen, daß die Verhältnisse wirklich sehr traurig in Bezug auf die
Ernährung sind. Unseres Bleibens wird hier zwar auch nicht von langer Dauer
sein. Ich muß darum zusehen, daß ich noch etwas von dieser berühmten Stadt zu
sehen bekomme. Auf dem Lande ist die Lage ja für die Bevölkerung nicht so
schwierig. Ja, der Krieg hat in dieser Beziehung auch ein hartes Gesicht. Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Dir und
den Kindern sende ich recht viele herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst.
Mein
liebster Schatz !
19.8.42
Vaters
Geburtstag war heute. Ich habe wiederholt daran gedacht. Vielleicht seid Ihr heute etwas zusammen
gewesen. Die Zeit, um große Feste zu feiern, ist ja nicht gegeben. Außerdem war
das auch nicht unsre Art und Vater hat im allgemeinen nicht gern gehabt, daß
man viel davon spricht. Ich denke aber doch, daß er sich gefreut hat, wenn
seiner gedacht worden ist. Wenn er es nach außen hin auch nicht so gern zum
Ausdruck kommen lassen will. Meine
Arbeit geht hier in Bescheidenheit weiter. Ich hatte zwar bis jetzt meist
wichtigere Arbeit verrichten können, aber wie ich schon schrieb, man kann sich
nicht heraussuchen, was man gern machen möchte. Zudem muß man berücksichtigen,
bei welchem hohen Stab ich mich hier befinde. Da war ja die
Oberfeldkommandantur, oder der Oberbefehlshaber in Brüssel ein Dreck dagegen.
Die Machtbefugnisse dieser Dienststelle im großen und ganzen gesehen, geht
bedeutend weiter. Es ist ja nicht meine Verschulden, daß ich hierher gekommen
bin. Mir wäre es wünschenswert, wenn ich von hier die notwendige Unterstützung
für meinen neuen Schritt in Konstanz bekommen würde, so daß das ganze
Unternehmen einen Erfolg versprechen würde. Das andere kann mich dann vorerst
einmal vollkommen kühl lassen. Ich habe die Angelegenheit meinem Chef heute
vorgetragen, und er hat sich auch meines Schreibens angenommen. Das erste war,
daß er es einmal kräftig durchkorrigiert hat. heute sende ich dir erst einmal
meinen ersten Entwurf mit, wie ich mir das gedacht hatte. Wenn das andere
Schreiben absendungsreif ist, werde ich Dir den Durchschlag mitschicken. Der Herr ist etwas pedantisch, aber das kann
er sich ja auch leisten, denn er ist doch Jurist. Ich werde abwarten, was dann
bei der ganzen Geschichte herauskommt. Meine
neue Kluft ist nun auch fertig geworden. Ich durfte nun heute Abend das erste
Mal in Freiheit dressiert mich im Kasino sehen lassen. Ich habe mir alle die
Sachen, die ich dazu benötigte, zusammengestoppelt. Die Schulterstücke hatte
ich mir schon früher von Dir schicken lassen. Der eine Kamerad hatte gerade
zufällig einen grauen Kragen hier. die Spiegel sind zwar nicht die richtigen,
aber sehr ähnlich. Das macht aber nichts Eines steht jedenfalls fest, daß ich
wieder einmal etwas Sauberes anzuziehen habe, Nach der Abänderung sitzt alles
auch einigermaßen. Meine schönen Knobelbecher habe ich zwar wieder in die Ecke
stellen müssen, weil es jetzt sehr in diesem erlauchten Kreise abstechen würde.
Ich bin also wieder bei der langen Hose angelangt. Das wirkt sehr vornehm; das
kannst du Dir wohl vorstellen. Mein Chef hat mich nun den hohen Herren
vorgestellt. Nun scheint mir die Gnadensonne. Ich darf sogar mit diesen
höchsten Herrschaften an einem Tisch essen. Ich hoffe, daß ich mich richtig
benommen habe. Eines ist immerhin erfreulich.
Ich habe immer wieder einmal Gelegenheit, ordentliche Getränke zu
bekommen, abgesehen von dem Essen, das sich von dem Mannschaftsessen
unterscheidet. Das ist nun einmal so bei den höheren Stäben. Mit will das zwar
nicht in den Kopf hinein, Man darf hier sogar im Monat 3 Flaschen Sekt trinken,
Liköre und Cognac nicht mit eingerechnet. Das ist für meine bescheidenen
Verhältnisse bisher schon etwas viel. Ich denke, daß ich auch ohne Deine
Unterstützung auskommen werde. Ist das
nicht ein schöner Erfolg, daß die
Gegner an der Kanalküste so eines aufs Loch bekommen haben? Das hat mich
wieder unbändig gefreut. Dir und den
Kindern sende ich recht herzliche Grüße und viele Küsse Dein Ernst.
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