Mein
liebes Mädel ! 20.8.42
Seit
letzten Samstag Abend bin ich nun in dieser Stadt. Ich bin aber außer dem Weg,
den ich vom Bahnhof zur Frontsammelstelle und von dort aus die Fahrt mit dem
Auto durch die Stadt nicht weiter herumgekommen. Die wenigen Schritte, die ich
von unserer Dienststelle zum Kasino am Tag zweimal mache, kann man ja fast
nicht zählen. Sonst sitzt man hier den ganzen Tag von früh bis zum Abend im
gleichen Bau und kommt nicht heraus. Auch hier wird man die ganze Woche voll
beschäftigt. Wenn ich auch am Tage nicht viel zu tun haben, aber so wie es mir
scheint, wird es nicht gern gesehen, wenn man während seiner freien Dienstzeit
Briefe schreibt. Gelegenheit hätte an hier schon, um öfter fortzugehen. Die Oper ist in Betrieb. Es wird täglich
gespielt. Die Leute, die ich gehört habe, stimmen alle in dem Urteil überein,
daß die Programme sehr gut besetzt sind. Morgen wird beispielsweise „Rigoletto“
gespielt. Auch der Kinobetrieb ist ausreichend. Sieben Kinos sind hier und jedes mit einem anderen Programm. Bei
unserer Dienstzeit und den zeitigen Anfangszeiten kommt man nur zu schlecht
weg. Es ist aber möglich, daß sich das noch einrichten wird. Ich denke, daß ich auch bald von Dir Post
bekommen werde, die an die letzte Feldkommandantur gerichtet wurde. Heute
trafen vom Tommi französische Zeitungen ein, die ich mir von ihm gewünscht
hatte. Da kann es sein, daß auch bald Briefe folgen werden, die noch dorthin
gerichtet wurden. Wie Du aus meinem Schreiben merkst, verläuft das Leben trotz
der großen Stadt ziemlich eintönig, weil man keine Gelegenheit hat,
herauszukommen. Es ist nur gut, daß das Essen einem immer noch eine willkommene
Abwechslung bietet. Das Essen ist wirklich sehr gut. Heute Mittag gab es eine
gute Suppe und dann als Hauptgang Rindsroulade mit Kartoffeln und
Kohlrabigemüse. Man merkt, daß bei diesen höheren Stäben doch anders gelebt und
gekocht wird. Daran kann auch der ganze Nationalsozialismus nichts ändern. Ich
mache mir nur immer wieder Gedanken, in wie bescheidenen Verhältnissen Ihr
daheim leben müßt, und daß ich Euch nichts davon abgeben kann. Ich hoffe, aber schon noch Wege zu finden,
um hier das eine oder andere noch zu organisieren. Ich denke immer wieder an
Euch, darauf kannst Du Dich verlassen.
Dir und den Kindern sende ich recht viele herzliche Grüße und Küsse .
Dein Ernst.
Mein
liebster Schatz !
21.8.42
Ich
hatte damit gerechnet, daß ich heute vielleicht durch den Kurier Post von Dir
bekommen würde. Diese Annahme hat sich leider als ein Irrtum erwiesen. Wenn ich
wohl darüber etwas verstimmt bin, so nutzt das alles nichts, denn ich muß ja
doch warten. Da kann mir niemand dazu helfen. Ich hatte nur deshalb so große
Hoffnung, weil ich auf dem Kurierwege die Zeitungen von Thomas bekam. Zu den
vielen Enttäuschungen , die ich schon während der Dauer des Krieges in dieser
Hinsicht erlebt habe, kommt dann noch diese hinzu. Das wird sicher auch nicht
die letzte sein. Der Inspektor, der mir gegenüber sitzt, schreibt auch einen
Privatbrief. Ich nutze diese Gelegenheit und erlaube mir das gleiche zu tun.
Wie ich Dir schon gestern schrieb, sind durch die Dienstgestaltungen nicht viel
Möglichkeiten geboten, daß man hier Sachen, die aus dem Rahmen des Alltäglichen
herausfallen, erlebt. Ich konnte Dir schreiben, daß ich vorgestern die erste Wanze in meinem Zimmer gefunden
habe und gestern den ersten Floh. Das sind aber alles Dinge, die nicht gerade
welterschütternd sind, die man höchstens am Rande v ermerken braucht. Vom
Wetter kann ich berichten, daß es etwas wechselhaft ist. Es geht schon langsam
auf den Herbst zu, denn gegen Abend wird es dann ziemlich schnell kühl. Vom
Dienst abgesehen, habe ich mich rein persönlich in die Gemeinschaft wieder
eingelebt. Ich hoffe, daß das Verhältnis wenigstens annähernd so bleibt. Ich
habe zu tolle Dinge zuletzt in Frankreich erlebt, als daß ich mich hier darüber
in fester Form darüber auslassen möchte, daß es mir hier in Bezug auf die
Vorgesetzten ausgezeichnet ginge. Man sagte ja, daß gebrannte Kinder das Feuer
fürchten. Es ist etwas daran an diesem Sprichwort. Die Soldaten, die wir hier als Schreiber und Fahrer haben, sind
anständige Kerle. Einer von ihnen hatte heute Geburtstag. Ich habe ihm dazu
eine von den Zigarettenschachteln geschenkt, die Du mir einmal gesandt hast.
Die anderen Kameraden haben ihm auch alle eine kleine Freude gemacht. Wenn man
mit diesen Leuten immer zusammen ist, und sie sind einem sonst gefällig, muß
man sich auch einmal auf diese Art erkenntlich zeigen. Wie ich gerade merke, bin ich auf die
Briefe, die ich vor meiner Abreise erhielt, noch nicht weiter eingegangen. Daß
Du diesen Wodka mit ei gerne genommen hast, hat mich gefreut. Bedauerlich war
nur, daß die andere Flasche kaputt gegangen war, Ich will zwar nicht von mir
Alkoholiker reden, aber von dem so stark verdünnten Zeug kann es einem doch
kaum schwindlig werden. Bezeichnend ist ja das verschiedene Verhalten von Helga
und Jörg. Lassen wir sie nur so sein,
wie sie sind. Daß Ihr im Verhältnis wenig Gelegenheit gehabt habt zum Baden zu
gehen, ist sehr schade. Daß sich Helga anstrengt, , um das Schwimmen zu lernen,
ist sehr schön. wenn Du in diesem Sommer nicht dazu kommst, um ihnen mehr
beizubringen, dann halte ich es für ratsam, daß Du im Laufe dieses Winters
öfters das Hallenbad aufsuchen würdest, um ihnen das noch beizubringen, was
ihnen fehlt. Ich denke, daß Jörg der Ehrgeiz packen wird, wenn er sieht, daß
sich Helga anstrengt. Sie sind ja an sich anstellig, ich denke, daß sie es dann
auch packen werden. Andererseits kann man auf diese Weise das Praktische mit
dem Nützlichen verbinden. Du kannst mir ja schreiben, wie Du zu meinem
Vorschlag stehst. Dann die Frage des Geldes, das für die ganze Familie als
Eintritt bezahlt werden muß, spielt ja keine große Rolle dabei. Der Nutzen für
die Kinder ist dann doch, abgesehen von der Reinlichkeit, auch da. Dir sende ich wiederum recht herzliche Grüße
und bitte Dich, für Dich und die Kinder recht viele Küsse entgegen zu nehmen
von Deinem Ernst.
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