Montag, 14. August 2017

Brief 308 vom 20./21.8.1942


Mein liebes Mädel !                                                           20.8.42   
  
Seit letzten Samstag Abend bin ich nun in dieser Stadt. Ich bin aber außer dem Weg, den ich vom Bahnhof zur Frontsammelstelle und von dort aus die Fahrt mit dem Auto durch die Stadt nicht weiter herumgekommen. Die wenigen Schritte, die ich von unserer Dienststelle zum Kasino am Tag zweimal mache, kann man ja fast nicht zählen. Sonst sitzt man hier den ganzen Tag von früh bis zum Abend im gleichen Bau und kommt nicht heraus. Auch hier wird man die ganze Woche voll beschäftigt. Wenn ich auch am Tage nicht viel zu tun haben, aber so wie es mir scheint, wird es nicht gern gesehen, wenn man während seiner freien Dienstzeit Briefe schreibt. Gelegenheit hätte an hier schon, um öfter fortzugehen.  Die Oper ist in Betrieb. Es wird täglich gespielt. Die Leute, die ich gehört habe, stimmen alle in dem Urteil überein, daß die Programme sehr gut besetzt sind. Morgen wird beispielsweise „Rigoletto“ gespielt. Auch der Kinobetrieb ist ausreichend.  Sieben Kinos sind hier und jedes mit einem anderen Programm. Bei unserer Dienstzeit und den zeitigen Anfangszeiten kommt man nur zu schlecht weg. Es ist aber möglich, daß sich das noch einrichten wird.  Ich denke, daß ich auch bald von Dir Post bekommen werde, die an die letzte Feldkommandantur gerichtet wurde. Heute trafen vom Tommi französische Zeitungen ein, die ich mir von ihm gewünscht hatte. Da kann es sein, daß auch bald Briefe folgen werden, die noch dorthin gerichtet wurden. Wie Du aus meinem Schreiben merkst, verläuft das Leben trotz der großen Stadt ziemlich eintönig, weil man keine Gelegenheit hat, herauszukommen. Es ist nur gut, daß das Essen einem immer noch eine willkommene Abwechslung bietet. Das Essen ist wirklich sehr gut. Heute Mittag gab es eine gute Suppe und dann als Hauptgang Rindsroulade mit Kartoffeln und Kohlrabigemüse. Man merkt, daß bei diesen höheren Stäben doch anders gelebt und gekocht wird. Daran kann auch der ganze Nationalsozialismus nichts ändern. Ich mache mir nur immer wieder Gedanken, in wie bescheidenen Verhältnissen Ihr daheim leben müßt, und daß ich Euch nichts davon abgeben kann.  Ich hoffe, aber schon noch Wege zu finden, um hier das eine oder andere noch zu organisieren. Ich denke immer wieder an Euch, darauf kannst Du Dich verlassen.  Dir und den Kindern sende ich recht viele herzliche Grüße und Küsse . Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                          21.8.42        

Ich hatte damit gerechnet, daß ich heute vielleicht durch den Kurier Post von Dir bekommen würde. Diese Annahme hat sich leider als ein Irrtum erwiesen. Wenn ich wohl darüber etwas verstimmt bin, so nutzt das alles nichts, denn ich muß ja doch warten. Da kann mir niemand dazu helfen. Ich hatte nur deshalb so große Hoffnung, weil ich auf dem Kurierwege die Zeitungen von Thomas bekam. Zu den vielen Enttäuschungen , die ich schon während der Dauer des Krieges in dieser Hinsicht erlebt habe, kommt dann noch diese hinzu. Das wird sicher auch nicht die letzte sein. Der Inspektor, der mir gegenüber sitzt, schreibt auch einen Privatbrief. Ich nutze diese Gelegenheit und erlaube mir das gleiche zu tun. Wie ich Dir schon gestern schrieb, sind durch die Dienstgestaltungen nicht viel Möglichkeiten geboten, daß man hier Sachen, die aus dem Rahmen des Alltäglichen herausfallen, erlebt. Ich konnte Dir schreiben, daß ich vorgestern  die erste Wanze in meinem Zimmer gefunden habe und gestern den ersten Floh. Das sind aber alles Dinge, die nicht gerade welterschütternd sind, die man höchstens am Rande v ermerken braucht. Vom Wetter kann ich berichten, daß es etwas wechselhaft ist. Es geht schon langsam auf den Herbst zu, denn gegen Abend wird es dann ziemlich schnell kühl. Vom Dienst abgesehen, habe ich mich rein persönlich in die Gemeinschaft wieder eingelebt. Ich hoffe, daß das Verhältnis wenigstens annähernd so bleibt. Ich habe zu tolle Dinge zuletzt in Frankreich erlebt, als daß ich mich hier darüber in fester Form darüber auslassen möchte, daß es mir hier in Bezug auf die Vorgesetzten ausgezeichnet ginge. Man sagte ja, daß gebrannte Kinder das Feuer fürchten. Es ist etwas daran an diesem Sprichwort.  Die Soldaten, die wir hier als Schreiber und Fahrer haben, sind anständige Kerle. Einer von ihnen hatte heute Geburtstag. Ich habe ihm dazu eine von den Zigarettenschachteln geschenkt, die Du mir einmal gesandt hast. Die anderen Kameraden haben ihm auch alle eine kleine Freude gemacht. Wenn man mit diesen Leuten immer zusammen ist, und sie sind einem sonst gefällig, muß man sich auch einmal auf diese Art erkenntlich zeigen.  Wie ich gerade merke, bin ich auf die Briefe, die ich vor meiner Abreise erhielt, noch nicht weiter eingegangen. Daß Du diesen Wodka mit ei gerne genommen hast, hat mich gefreut. Bedauerlich war nur, daß die andere Flasche kaputt gegangen war, Ich will zwar nicht von mir Alkoholiker reden, aber von dem so stark verdünnten Zeug kann es einem doch kaum schwindlig werden. Bezeichnend ist ja das verschiedene Verhalten von Helga und Jörg.  Lassen wir sie nur so sein, wie sie sind. Daß Ihr im Verhältnis wenig Gelegenheit gehabt habt zum Baden zu gehen, ist sehr schade. Daß sich Helga anstrengt, , um das Schwimmen zu lernen, ist sehr schön. wenn Du in diesem Sommer nicht dazu kommst, um ihnen mehr beizubringen, dann halte ich es für ratsam, daß Du im Laufe dieses Winters öfters das Hallenbad aufsuchen würdest, um ihnen das noch beizubringen, was ihnen fehlt. Ich denke, daß Jörg der Ehrgeiz packen wird, wenn er sieht, daß sich Helga anstrengt. Sie sind ja an sich anstellig, ich denke, daß sie es dann auch packen werden. Andererseits kann man auf diese Weise das Praktische mit dem Nützlichen verbinden. Du kannst mir ja schreiben, wie Du zu meinem Vorschlag stehst. Dann die Frage des Geldes, das für die ganze Familie als Eintritt bezahlt werden muß, spielt ja keine große Rolle dabei. Der Nutzen für die Kinder ist dann doch, abgesehen von der Reinlichkeit, auch da.  Dir sende ich wiederum recht herzliche Grüße und bitte Dich, für Dich und die Kinder recht viele Küsse entgegen zu nehmen von Deinem Ernst.

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