Montag, 28. August 2017

Brief 312 vom 28./29.8.1942


Mein liebster Schatz !                                                   28.8.42     

Ich hatte die Absicht, heute nicht zu schreiben, weil ich nicht gern jeden Tag das gleiche Klagelied anstimmen will, daß ich keine Post erhalten habe. Neuigkeiten passieren hier nicht weiter, so daß einem mit der Zeit der Stoff ausgeht. Deine Briefe habe ich auch alle beantwortet. Wenn man dann jeden Tag nur über den Gang laufen muß, um ins Büro zu kommen und dann höchstens mittags oder abends aus dem Bau kommt und dann auch nur in das Kasino zum Essen, dann kannst Du Dir ungefähr einen Begriff machen, was man an Neuigkeiten hier täglich erlebt. Vor einigen Tagen berichtete ich Dir über die unglaublichen Preisverhältnisse. Heute lege ich Dir einen Zettel bei, aus dem Du ersehen kannst, was ungefähr die Sachen hier kosten, wenn man sie im freien Handel erwerben müßte. An sich ist es ja so, daß die Soldaten ja solche Sachen auch nicht kaufen brauchen.  Wenn ich so bedenke, welcher Wechsel das von der letzten Dienststelle nach hier in Bezug auf das Essen und vor allem im Hinblick auf die Küche und das Servieren ist, so kann ich nur feststellen, daß dieser Unterschied gewaltig ist. Zuletzt aßen wir bei unserer Mannschaftsunterkunft. Dort war wohl eine Küche eingerichtet worden, aber für eine Gelegenheit, sich dort hinzusetzen und sich aufzuhalten, konnte nicht gesorgt werden, weil kein Platz vorhanden war. Auf dem Hof stand ein umgestürztes Haus, da hat man sich dann während der Essenszeit auf den herumliegenden Balken niedergelassen oder an einer Hobelbank, die zwar nicht sauber gemacht war. Man gewann den Eindruck, es kümmert sich niemand um uns. Wie das werden sollte bei schlechtem Wetter, das stand noch nicht klar. Alles war unzulänglich, und es wurden auch keine großen Anstalten zur Verbesserung dieser Zustände gemacht. Hier ist nun alles so anders. Ich gelte zwar als unterster Dienstgrad und als zuletzt Hergekommener, als ganz kleiner Mann. Es kann ja sein, daß das bedrückend wirken könnte, wenn man einem das merken läßt.  Aber über diese Sachen müßte man sich hinwegsetzen. Die Tische sind weiß gedeckt, die Räume sehen sauber aus und sich mit Gemälden aus dem Museum geschmückt. Die Gemälde sind wirklich wehr schön. Auf den Tischen stehen um die jetzige Jahreszeit Blumen.  Der Kreis, zu dem ich gehöre, ist sonst sehr erlesen und gehört die ganze Tischrunde dem engeren St ab an. Ein Oberst sitzt ihm vor. Da nn ein Ministerialrat als Kriegsgerichts  fehlt . Zwei Dekane und zwar ein katholischer  und ein evangelischer, die sich sonderbarerweise ganz gut vertragen. Sie müssen zwar, weil sich in der Wehrmacht nicht gut tragbar sind. Dann zwei Hauptmänner von verschiedenen Dienststellen. Die Herren von unserer Abteilung, angeführt von unserem Oberrat. Außerdem noch einige verschieden hohe Tiere. Da kannst Du Dir vorstellen, wie klein und häßlich ich da aussehe. Bis jetzt macht mir das aber nichts aus, und ich hoffe, daß das auch nicht anders werden wird. Dieses Vorstellen, das Grüßen, die Verbeugungen und was so alles für Mätzchen da üblich sind, gehört nun einmal mit dazu und man muß da mitmachen. Da s Essen wird dann von den Ordonnanzen serviert, die alle in weißen Jacken. Es ist schon etwas anderes wie bei der FAK. Aber das sind ja nur Äußerlichkeiten. Das Essen war aber bei meiner vorhergehenden Dienststelle nicht schlecht. Hier kann ich aber sagen, daß es noch besser ist; nur die Brotrationen sind nicht so reichlich. Ich werde Dir gelegentlich darüber einmal schreiben.  Gestern habe ich Dir das Päckchen Nummer 36 abgesandt. Es sind 10 Eier drin. Ich hoffe, daß es gut ankommt und daß Du sie noch verwenden kannst. Ich bin froh um jede Kleinigkeit, die ich bekommen kann. Froher bin ich aber immer erst dann, wenn ich weiß, daß Du die Sachen erhalten hast, und daß Du sie verwenden kannst.  Dir und den Kindern herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dein Ernst.


Mein liebes, gutes Mädel !                                                  29.8.42 
   
Mein Klagelied von den letzten Tagen brauche ich heute nicht wieder anzustimmen, denn ich bekam gestern Abend durch Kurier von Dir 7 Briefe. Vom 5. bis 11.8. waren sämtliche Briefe angekommen.  Von Kurt erhielt ich 2 Schreiben. Eines hat er auf der Fahrt geschrieben, das andere stammt schon wieder von seinem Einsatz.  Ich muß sagen, et tut mir leid, der arme Junge. Er schreibt selbst, daß er nicht mehr der Kerl sei, wie vor seiner Verwundung. Damals hat er eben einen Schock abbekommen, der ihm heute noch in den Nerven liege. Als ich seinen Brief überflog, mußte ich das auch an seiner Schrift feststellen. Alle Anfänge und die Wortenden haben so lange Schwünge, die darauf schließen lassen, daß die Nerven nicht in Ordnung sind. Wie es scheint, wartet er auf Post. Ich werde ihm umgehend wieder antworten. Er hat ja wieder die alte Feldpostnummer 19655. Ich nehme an, daß er nicht sehr weit von uns liegt, vielleicht in unserem Heeresbereich, denn sein Brief ist nur 7 Tage gegangen, das ist verhältnismäßig schnell. Bevor ich auf Deine Briefe eingehe, will ich erst noch etwas zu dem beigefügten Durchschlag schreiben. Gestern habe ich nun das endgültige Schreiben an den Oberbürgermeister abgesandt.  Ich weiß nicht, welches Dir nun zugkräftiger erscheint. Das letzte Schreiben ist also unter Mithilfe eines Juristen abgefaßt worden. Das Grundlegende ist jedenfalls noch klar ersichtlich, was ich zuerst aufgesetzt hatte. Auf meinen Wunsch hin hat mein Chef nun auch noch ein Schreiben an den Oberbürgermeister gerichtet, das er nach meiner Auffassung unter Berücksichtigung der Kürze der Zeit, die ich bei dieser Dienststelle bin, sehr nett geschrieben hat. Wenn das nicht hilft, dann wird nach meiner Ansicht kaum etwas anderes helfen. Ich bin gespannt, hinter was sich die Stadt zu verstecken versucht. Ich werde mich bei einer Ablehnung aber noch nicht zufrieden geben. Ich hoffe, auch dann noch Argumente zu finden. Ich will aber erst abwarten. Ich werde Dich jedoch immer auf dem Laufenden halten.  Zusammenfassend kann ich zu Deinen letzten Briefen sagen, daß Ihr die Tage des Besuches von Erna noch schön als Urlaubstage genutzt habt und daß Ihr auch ein paar Tage der Erholung gegönnt habt. DAß ich darum nun denke, Ihr seid vergnügungssüchtig, ist mir noch nicht in den Sinn gekommen. Dies habe ich dir in meinen verschiedenen Schreiben verschiedentlich zum Ausdruck gebracht. Im Gegenteil habe ich festgestellt, daß ich froh bin, daß Ihr auf diese Weise wieder einmal etwas herausgekommen seid. Daß ich das nicht so kann und mitmachen kann, ist ja nicht Dein Verschulden, daß ich nicht mit dabei sein kann. Früher, als wir das wirtschaftlich nicht machen konnten, hätte ich vielleicht Bedenken geäußert. Ich weiß aber ebenso, daß Du es dann von Dir auch nicht unternommen hättest, Ausflüge zu unternehmen, die Dich in Schulden bringen würden. Bei der heutigen Lage ist das ja ganz anders und ohne weiteres vertretbar. Gefreut hat mich besonders, daß Ihr Euch so gut vertragen habt, und daß Ihr auch öfter Anlaß zum lachen hattet. Daß sich Erna so gut eingefügt hat und Dir auch sonst behilflich war, ist doch ein Zeichen dafür, daß sie verträglich ist. Wenn Dein Vater anderer Meinung ist und auf verschiedene Fehler glaubte hinweisen zu müssen, dann ist mir das doch ein schlagender Gegenbeweis. Du hast jedenfalls Gelegenheit gehabt, sie während dieser Tage etwas genauer kennen zu lernen, und wie ich lese, hast Du bedauert, daß sie schon wieder weggefahren ist.  Ich glaube auch, soviel Menschenkenntnis zu besitzen, daß ich merke, web ich vor mir habe. Ich bin ja auch im allgemeinen auch nicht derjenige, der gleich mit dem ersten Menschen Freundschaft schließe. Wie Du aber aus meinen Eindrücken aus Leipzig gelesen hast, war ich für meinen Teil zufrieden mit ihr. Klar ist, daß wir alle unsere guten und unsere schlechten Eigenschaften haben.  Wichtig bei dieser Unterscheidung ist nur, was überwiegt. Auf Deine Briefe gehe ich im einzelnen noch ein. Heute, zum Samstag Nachmittag, will ich versuchen, in das Theater zu gehen. Es wird „Der Zigeunerbaron“ gespielt. Darüber werde ich Dir dann auch noch schreiben.  Herzliche Grüße und viele Küsse sende ich Dir un den Kindern. Dein Ernst.


Montag, 14. August 2017

Brief 311 vom 26./27.8.1942


Mein liebstes Mädel !                                                            26.8.42  
       
Seit der letzten großen Postsendung vom Samstag habe ich bis jetzt nicht wieder bekommen. Wenn es gut geht, müßte auch bald direkt von Deiner Post eintreffen. Wie ich von Kameraden gehört habe, brauchen die Briefe zwischen 4 bis 7 Tagen, um die Empfänger in Deutschland zu erreichen. Ich hoffe, daß es zu Dir auch nicht länger braucht. Ich habe gestern noch verschiedene Post erledigt. Die Durchschläge davon sende ich wieder mit. Diesmal habe ich sämtliche Michel bedacht; auch den alten Herrn in Nixdorf. Ich nehme an, daß er mir dann wieder antworten wird. Mit diesen Briefen habe ich den größten Teil meines Briefwechsels erledigt. Ich muß noch an unseren Jörg schreiben, denn ich habe ja noch einen Brief von ihm hier vorliegen, den ich in Kschen nicht mehr beantworten konnte. Ich nehme an, daß noch von der letzten Dienststelle dort angekommene Post hierher geleitet wird.
Das Wetter ist hier immer noch sehr freundlich. Seit Wochen kann man sagen, herrscht Sonnenschein, von ganz wenigen Tagen abgesehen. Es ist wohl früh und gegen Abend schon etwas kühl und dadurch herbstlich. Bei bedecktem Wetter wird sich das noch mehr auswirken. Gut ist nur, daß wir in den Räumen hier Doppelfenster haben. Die Dampfheizung ist hoffentlich in Ordnung, denn sonst kann es schon schön kalt werden. Wenn alle Anzeichen nicht trügen, werden wir uns hier auf den Winter einrichten.  Ich bitte Dich, mir wieder einmal Rasierklingen zu besorgen. Es ist zwar noch etwas Zeit, aber ich will es nicht auf die letzten ankommen lassen. Die letzten, die ich probiert hatte, haben nicht viel ausgehalten. Seit ich hier bin, muß ich mich wieder fleißiger wie bisher rasieren, das macht dann schon etwas aus. Man muß hir wieder mehr auf sich halten., denn jeden zweiten Tag könnte ich mich hier nicht rasieren, weil ich mich dann nicht mehr sehen lassen könnte. Bei der FAK  wo ich zuletzt war, hat man in dem Dorf nicht so genau darauf gesehen. Das sind so Soldatensorgen, wirst Du denken. Am vergangenen Montag hatten wir bei uns im Kasino Filmvorführung. Diese Vorstellung findet jetzt jeden Montag statt. Eine neue Wochenschau soll auch jeweils aufgeführt werden, so daß wir in dieser Beziehung auch wieder etwas Abwechslung bekommen. Am letzten Mal wurde „Wienerblut“ gespielt. Vielleicht gibt sich in der Woche nochmals Gelegenheit, ab und zu einmal hinauszukommen.  Meinen Chef habe ich nun dazu bewogen, daß er mir unter mein Schreiben an die Stadtverwaltung etwas schreibt, oder besser gesagt, er will ein gesondertes Schreiben loslassen, daß das unbedingt abgehen soll. Ich will mein Schreiben nun nicht vorzeitig absenden, darum werde ich es solange zurückbehalten. Den dazu gehörigen Durchschlag lasse ich Dir dann mit zugehen. Ich bin gespannt, was er schreiben wird und ob alles einen Zweck haben wird. Ich lege heute noch zwei Fotos bei, die ich von Wittenburg erhielt. Das eine ist er selbst und das andere ist meine letzte Einheit. Verschiedene mit sympathische Figuren sind auch dabei, so unter anderem der Herr Müller und der Kommandant. Es sind mir alle bekannt, so oder so. Ich habe noch um Fotos von Douai und von Lille gebeten. Ich will sehen, ob sich das machen läßt.  Mit den Durchschlägen hast Du ja verschiedenes zu lesen. Den Brief an Hugo Michel lege ich Dir zur Kenntnisnahme ebenfalls noch bei. Du kannst ihn mir ja wieder zurücksenden, damit ich ihn zur Hand habe, falls ich ihn nochmals brauchen sollte. Ich möchte darum für heute schließen und Dir recht viele und herzliche Grüße und Küsse übersenden. Dein Ernst.



Meine liebste Annie !                                                            27.8.42     
  
Die Wartezeit auf die Post wird wieder ziemlich lang ausgedehnt.  Gestern kam auch wieder nichts an. Man denkt, man ist das Warten nun bald gewöhnt. Wenn aber dann ein gewisser Zeitraum verstrichen ist, dann fängt man wieder an, unruhig zu werden. Durch mein Schreiben, in dem ich meine Versetzung angekündigt hatte, hast Du wahrscheinlich auch nicht mehr an die letzte Feldpostnummer geschrieben, so daß anzunehmen ist, daß dort nicht mehr viel eingegangen ist. Das sind nun die Nachteile, die sich aus solchen Versetzungen ergeben.  Unser Dienst geht in einem Gleichmaß vonstatten, wie das Wetter ja auch beständig ist. Es gäbe somit eigentlich nichts weiter zu berichten, denn von diesen Dingen habe ich Dir schon wiederholt geschrieben. Rückblickend auf meine Versetzungsfahrt, könnte ich noch folgenden Fall erwähnen. In Poltawa kam der Zug an. Unendlich lang, voll, wie es scheint, bis auf den letzten Platz. Wenn man dann mit seinem Gepäck auf den Bahnsteig steht, hat man dann gleich die Nase voll. Wenn man nicht schon wüßte, daß dies bei den folgenden Zügen das gleiche sei  die Züge verkehren am Tag nur einmal, dann würde man warten und es auf einen weiteren Zug ankommen lassen. Ich gehe in ein Abteil hinein, in dem sich Zivilisten befinden  die einheimische Bevölkerung darf ja mit diesen Zügen nicht fahren  Ich frage, ob frei sei, der eine noch im Abteil befindliche Zivilist antwortet, es sei alles besetzt. Ich sage ihm, daß sich das ja herausstellen wird, wenn der Zug weiterfährt. Als es dann soweit ist, stellt sich dann heraus, daß von 8 zu besetzenden Plätzen nur 5 besetzt sind. Ich habe dann einen dieser freien Plätze eingenommen. Ich war erst sehr verärgert darüber, vor allem, weil dieser Zivilist sich gleich aufgeplustert hatte, daß sie auch Soldaten seien, als ich ihn gleich auf seine scharfe und ablehnende Art aufmerksam machte. Wie wir dann weiterfuhren, merkte dieser Mann selbst, daß er sich ins Unrecht gesetzt hatte und war dann ausnehmend freundlich. Wie sich dann im Laufe des Gespräches herausstellte, waren das alles Holländer, die als Spezialisten hier eingesetzt werden.  Die fahren nach Rostow, um dort Elektrizitätswerke wieder neu einzurichten, die während der Kampfhandlungen zerstört worden sind. Unter der roten Herrschaft wurden diese Einrichtungen schon von Holland geliefert, darum hat man sich diese Leute jetzt verschrieben. Die verdienen in der Woche rund 200,RM und haben dabei freie Unterkunft und nehmen teil an vielen Vergünstigungen, die uns hier auch zukommen. Man kann sich das nicht vorstellen.  Erstens einmal, wenn man bedenkt, daß diese Leute erst gegen uns standen und nun mit uns arbeiten und dabei eine Menge Geld verdienen. Ich habe Dir nur einmal davon berichtet, weil ich mir dachte, daß Dich auch einmal sowas interessieren wird.  Heute habe ich noch eine Frage. Die Kameraden verkaufen hier Sachen, die von der Bevölkerung gefragt werden. Unter anderem Halsketten, die bei uns für billige Preise, nicht höher wie eine Mark, erworben werden können. Ich weiß zwar nicht, ob Du noch von Helga so Zeug herumfahren hast, das nicht mehr verwendet wird. Wenn Du dort etwas Billiges erhalten kannst, dann schicke bitte einmal einige Sachen her.  Für diesmal soll es wieder Schluß sein, denn ich habe nichts mehr auf Lager. Dir und den Kindern sende ich recht viele und herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst.

Brief 310 vom 24./25.8.1942


Mein liebes Mädel !                                                            24.8..42   
  
Vom gestrigen Sonntag kann ich Dir nur berichten, daß ich bis Abend im Büro gesessen habe und daß das Essen gut und reichlich war. Es hat gerade noch zu einem kurzen Spaziergang gereicht, und am Abend mußte ich im Kasino mit sitzen bleiben. Der Besuch in der Stadt hat mich einmal die imposanten Bauwerke kennen lernen lassen. Durch ihre Größewirken die Bauten ohne Zweifel; aber diese kubischen Massen wirken, wie wenn sie mit einem Märklinbaukasten hergestellt worden wären. Ein großer Teil dieses ganzen Viertels ist noch nicht fertig geworden. Die Häuser stehen noch im Rohbau da. Nur ein großer Block ist angezündet und ausgebrannt.  Ein großes Hotel, das tausend Zimmer haben soll, ist als Soldatenheim un Benutzung genommen worden. Eine Parkanlage ist auch da, in die ich aber wegen der Kürze der Zeit noch nicht hineingekommen bin. Hier steht auch das einzige mit bis jetzt bekannt gewordene Denkmal. das nicht aus der Dir schon einmal geschilderten Massenanfertigung stammt, und nicht aus Gips gegossen ist. Es verherrlicht einen Dichter, den die Bolschewisten als einen der ihren abgestempelt haben. Die Figuren sind wohl alle gut, aber die Idee dazu ist ganz und gar bolschewistisch. Ich hoffe, daß ich bei Gelegenheit wieder einmal raus komme. Das Theater soll ja gut sein, das möchte ich gern einmal kennen lernen.  Das ist ja interessant, wie über Euch verfügt wird. Ich habe durchaus nichts dagegen, wenn Du mithilfst. Ich wüßte nur gern, ob die Herrschaften aus der Seestraße und dieser ganzen Gegend auch mithelfen müssen, oder ob sie sich  durch ihre Dienstmädchen vertreten lassen. Daß es immer nur so einseitig zugeht, läßt sich auch in diesem Kriege nicht aus dem Volk herausbringen. Wie lange geht denn dieser Spaß. Daß Du für Jörg noch eine Hose gekauft hast, wird sicher nötig gewesen sein. Seinen Geburtstag habt Ihr wieder sehr festlich begangen. Da wäre ich auch gern dabei gewesen. Du weißt ja, wie gern ich solche Fahrten unternehme. Ich glaube, daß dies das erste Mal für die Kinder war, daß sie auf dem Hohentwiel waren. Verschiedene Male sind wir wohl mit ihnen durchgefahren, aber hinaufgekommen sind wir nicht.  Dann hieß es ja einmal, daß er gesperrt sei, weil Flak darauf sei. Daher ist es gekommen, daß wir auch wieder auf den Haldenhof gegangen sind. Man müßte einmal Zeit haben, um etwas fahren zu können. Aber was nutzen die Wünsche, wenn man keine Gelegenheit hat, sie zu erfüllen. Wenn Du so einen guten Einfluß auf Erna im Briefeschreiben ausgeübt hast, dann wird Siegfried wohl kaum böse gewesen sein. Mit vielen Eisessen müßt Ihr Euch ja bald den Bauch erkältet haben. Ich gönne es Euch , denn das ist doch ein kleines Vergnügen, das Ihr Euch da leistet. Als ich von Deiner Tomanten und Gurkenernte las, da mußte ich an unsere Versorgung mit diesen edlen Erzeugnissen der gärtnerischen Kultur denken. Meine ersten Tomaten bekam ich in Mirgorod, als ich dort einen Besuch abstattete. Gurken gibt es hier ja in rauen Mengen, genauso wie verschiedene Artikel. Die gehören gewissermaßen, wie die Sonnenblumenkerne zum Volksernährungsmittel. Hier sind uns jetzt auch welche besorgt worden. Ich esse jetzt jeden Morgen welche mit meinen Eiern zum Frühstück. Der Besorger hat sich ein entsprechendes Quantum Gurken und Kürbisse mitgenommen in der guten Absicht, uns etwas zu beschaffen. Das war natürlich des Guten zuviel. Denn außer mit den Tomaten kann man mit dem anderen Zeug nichts anfangen. Ich entsinne mich auch noch meiner Kindheit, wie wir so Äpfel gefunden hatten, die noch ganz sauer waren, dann haben wir sie auch mit Begeisterung gegessen. Das ist aber gut, daß man in diesen Zeiten einen eigenen Baum hat. Wichtiger ist aber, daß etwas darauf ist. Es freut mich für Euch. Hoffentlich kannst Du sie alle abernten. Ich bin gespannt, wie Dur das zustande bringst. Daß Jörg so Aussprüche an sich hat, zeigt, daß er in das erste Flegelalter hineinkommt. Bei einem wirkt es sich so und beim anderen wieder so aus. Man sieht aber, wie er anfängt, zu überlegen. An Nannie hate ich auf ihren Brief auch mit beiliegendem Durchschlag geschrieben. Ihren Brief habe ich Dir ebenfalls mit beigefügt. Kurt tut mir tatsächlich leid, daß er seinen Urlaub nicht mehr bekommen hat. So ein Pech. Man kann auch wieder sagen, man weiß nicht, zu was es gut ist.  Recht herzliche Grüße sende ich Dir und den Kindern. Richte auch Grüße an Vater aus.  Euch sendet viele Küsse Dein Ernst.

Meine liebste Annie !                                                         25.8.42      
   
Nun möchte ich Dir noch den Rest Deiner Briefe beantworten. Du bist ja auch ein kleiner dummer Kerl. Du machst Dir Gedanken, daß wir nun einmal nicht so gut untergebracht waren, wie wir es bisher gehabt hatten. Das ist doch nicht so schlimm. Mit solchen Sachen muß man sich abfinden. Ich kann Dir nur sagen, daß ich recht froh war, daß Du einmal Ferien gemacht hast. Ich weiß, daß auch Du das wieder einmal bitter nötig hast, aus dem alltäglichen Einerlei herauszukommen. Ich hatte mich bestimmt sehr gefreut, als ich von Euren kleinen Ausflügen lesen konnte. Wenn Du allein daheim bist, bringe ich es doch trotz aller Überredungsversuche nicht fertig, Dich einmal aus dem Bau zu locken, solange ich nicht zuhause bin. Ich merke aber direkt aus Deinen Briefen, wie Du selbst Freude hast, daß der Alltag einmal unterbrochen wird.  Daß das unseren Kindern besonders gefällt, bedarf für mich keiner weiteren Frage. Ich wiederhole darum heute nochmals das, was ich Dir schon so oft vorgeschlagen habe, gehe mit den Kinder hinaus, wenn es sich irgendwie einrichten läßt.  Daß in diesem Jahr im Garten alles so gut wächst, ist auch für Dich  eine Erleichterung. Mit den Äpfeln wird es gut sein, wenn Du erst später wieder Apfelmus sterilisierst. Ihr könnt Euch dann im Winter wieder damit helfen, denn der Winter ist doch so lang, wo Ihr dann nicht weiter bekommt.  Deine Schilderung über Eure verschiedenen Ausflüge hat mir sehr viel Freude gemacht. Wenn man alles so gut kennt, dann kann man sich das alles im Geiste wieder vorstellen.  Wenn Du vom Tabor schreibst, dann entsinne ich mich, wie wir zusammen das erste Mal oben waren. Das war bei unserem ersten Besuch. Dann die vielen, vielen Male allein, dann als die Kinder ganz klein waren und dann, wo sie größer wurden. Wie sie dann manchmal fragten, „gehts auf den Tabor“ und wie wir scheinbar nur daran vorbeigehen wollten und dann doch hinauf gestiegen sind. Zu jeder Jahreszeit waren wir oben. Im zeitigen Frühjahr und später.  Im Sommer und im Winter. Welchen schönen Ausblick hat man auf die Reichenau und wie schön nahmen sich die Bilder aus, die sich rechts über den Bodanrück ausdehnen. Gerade einer unserer letzten Besuche erinnert mich daran, wie wir gegen Abend noch oben standen und sich die Abendschatten über die Höhenzüge senkte. In der Ferne lagen dann im dunklen Blau die Höhen, die von Überlingen herübergrüßten. Bei sichtigem Wetter lag dann in der Ferne der ganze Hegau da. Der Hohentwiel und der Hohenstoffeln als besonders hervorragende Punkte beherrschten dann den Hintergrund.  Links schließen dann der Schienerberg und die Höhen der Schweizer Buckel bis zu dem das Blickfeld des Taborwaldes eingrenzende das gesamte Bild ab. So konnte ich in der Erinnerung viele schöne Fahrten, die wir gemeinsam unternommen haben , wieder zurückrufen. Die Fahrt über den See von der Mainau nach Meersburg oder nach Überlingen. Die Fahrt mit dem Schiff oder mit der Fähre zurück von Meersburg nach Staad oder in die Stadt. Meersburg oder Überlingen oder der schöne Landweg nach Hagnau, alles schwebt mir in der Erinnerung so deutlich und greifbar nach vor. Wie schön sind die Inseln , die Mainau und die Reichenau. Ich entsinne mich noch der verschiedenen Fahrten mit dem Rad und mit dem Boot nach der Reichenau. Allein und mit den Kindern waren wir dort. Mit und ohne Besuch. Verschiedene Male waren wir am westlichen Ende der Reichenau zum Baden gefahren. Das Gänslehorn mit seinem weiten Strand. Wie konnte man da für sich sein. Die wenigen Menschen störten fast nicht. Der Schienerberg erschien so nahe und Radolfzell grüßte mit seinem Kirchturm herüber. Unweit war die Mettnau.  Wie gern fuhren wir nach der Höri. Ich weiß noch, wir gut es den Kindern gefallen hatte, als wir bei Wangen gezeltet hatten. Alle diese schönen Stunden und die guten Erinnerungen bleiben einem unverwischbar. DAß man aber trotz der guten Kenntnisse immer wieder etwas Neues entdeckt, sagte mir Dein Schreiben über Meersburg und den Hohentwiel. Wie eng begrenzt ist doch dieser Raum, wenn ich vergleichsweise die Entfernungen von hier heranziehe.  Alles ist hier so weit und doch so eintönig. Es ist wohl so, daß das Land sehr fruchtbar ist, aber der Schönheit steht dieses Land hier dem unseren bei weitem nach. Ich habe Dir heute soviel von unserer Heimat erzählt, und Dir ist doch alles nicht so entrückt wie mir. Aber wenn ich so Deine Briefe gelesen hatte, so hat es mich geradezu gedrängt, einmal mit Dir darüber zu plaudern. Ich hoffe, daß es Dir nicht langweilig dabei geworden ist. Ich sende Dir und den Kindern recht viele herzliche Grüße und viele, viele Küsse. Dein Ernst.


Brief 309 vom 22./23.8.1942


Meine liebste Annie !                                                            22.8.42        

Ich kann nur wieder voransetzen, daß ich heute noch keine Post erhalten habe, seit ich hier angekommen bin. Ich bin ja gespannt, wie lange ein Brief braucht, um von hier nach Konstanz zu kommen.  Sollte es sich bewahrheiten, daß er nicht viel länger unterwegs ist, wie mit Luftpost, dann kann ich Dir die Briefmarken alle überlassen. Für die Zulassungsmarken für die Pakete will ich Dir noch mitteilen, daß ich nicht haben will, daß Du mir etwa Kuchen oder ähnliches schickst. Ich habe hier vollauf zu essen, und ich möchte fast behaupten, besser wie Ihr daheim. Ich würde mir große Sorgen machen, wenn ich dann von Euch etwas derartiges erhielte und müßte dann denken, Ihr habt Euch das von Eurem Wenigen, was Ihr erhaltet abgespart. Ich bekomme hier alles und in ausreichendem Maße.  Daß Du nach so langer Zeit Resi auch wieder einmal getroffen hast, wundert mich. Vor allem, weil sie doch sonst kaum aus dem Bau herauskommt. Daß sie von ihren verschiedenen Leiden allerhand zu erzählen hatte, kann ich mir vorstellen. Daß die Familie Lämmel sich in so starkem Maße vermehrt, das hätte man vor Jahren doch nicht erwartet. Wenn sie es wirtschaftlich  und die Frau gesundheitlich durchhalten kann, dann ist es ja ganz und gar ihre Sache. Daß Du auf meine Anforderung hin mir so prompt die Abschriften gefertigt und übersandt hast, hat mich sehr gefreut, und ich danke Dir sehr dafür. Was ich nun erreichen werde, wird sich im Laufe der Zeit noch herausstellen. Ich glaube zwar nicht, daß sie sich viel rühren werden. Es ist anzunehmen, daß sie schreiben, daß während der Dauer des Krieges keine Möglichkeit zur Beförderung besteht, und daß sie mich auf später vertrösten. Ich werde mich zwar mit dieser Antwort nicht gleich zufrieden geben. Aber man muß doch wieder einmal etwas von sich hören lassen, denn sonst entsteht der Eindruck, man kommt nur noch zum Geldabholen und man hätte kein Interesse mehr an dem Betrieb. Für den übersandten Schleier danke ich Dir nochmals. In seiner Form ist er richtig. Dort, wo ich ihn erhielt, konnte ich ihn gut gebrauchen gegen die Fliegen, denn wenn man sich hinlegte, da wurde man von den Fliegen gepiesakt, das war schon nicht mehr schön. Hier habe ich zwar noch keine Gelegenheit gehabt, ihn praktisch zu verwerten, aber man weiß ja noch nicht, wo man überall herumrutschen muß. Also dieser eine genügt vollkommen.  Daß das Brot so unterschiedlich angekommen ist, ist teilweise bedauerlich. Ich bin aber doch froh, daß Euch einige davon von Nutzen sein konnten. Ich hoffe, daß die anderen Päckchen, die ich abgesandt habe, auch noch gut angekommen sind. Hoffentlich habt Ihr mehr davon gehabt. Daß Du so guten Erfolg mit der Möbelmalerei gehabt hast, ist ja sehr erfreulich. Ich glaube, daß es jetzt wieder sehr sauber aussieht. Es hat mich beruhigt, daß ich nun weiß, daß der Vorschalt-Widerstand jetzt seinen Dienst vollkommen erfüllt. So habt Ihr doch wenigstens das Radio in Ordnung. Denn Ihr habt doch sonst auch nichts weiter. Wegen den Beerensträuchern, wie die zugespitzt  werden müssen, gebe ich Dir wieder einmal Bescheid. Lieber wäre es mir, wenn ich Gelegenheit hätte, das während eines Urlaubs machen zu können. Wie hier die Aussichten sind bei dieser Dienststelle, kann ich noch nicht sagen. Ich kann Dir aber versichern, daß ich auf der Hut bin, damit ich nicht übergangen werde. Aber wenn man so neu hier ist, kann man nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Wenn ich zwar den Maßstab als Norm nehmen müßte, wie die Kameraden hier von der Ostfront in Urlaub kommen, dann würde es schon noch eine Weile dauern. Wir wollen aber die Hoffnung nicht aufgeben. Ich grüße Dich recht herzlich und bitte Dich, den Kindern einige recht herzliche Küsse aufzudrücken. Dir selbst sende ich wieder recht viele Küsse. Dein Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                              23.8.42     
     
Denke einmal an, gestern Nachmittag traf die erste Post ein., die ich auf dem Kurierwege bekam. Erst einmal 9 Briefe von Dir.  Der alte Brief vom 16. und dann laufend die Briefe vom 27., 28., 30., 31., 1., 2., 3. und 4.; dann eine Karte von Siegfried aus Trier und ein Brief von Tommi. Ich habe also ziemlich zu lesen gehabt. Ich hatte mich sehr darüber gefreut, denn ich habe doch schon wieder einige Zeit keine Post gehabt. Wenn erst einmal die Verbindung mit meiner neuen Nummer hergestellt ist, denke ich, daß es dann laufend klappen wird. Doch nun zu den Briefen. Erst einmal zu den Zeugnissen. Sie sind alle sehr gut ausgefallen und es war darum auch vollauf berechtigt, daß Ihr dies etwas gefeiert habt. Ich glaube, daß sie selbst stolz auf ihre Leistungen waren. Daß sich Jörg in der Schule auch so gut herausmacht und sich Helga anschließt, hat mich ganz besonders gefreut. Daß Helga ein „befriedigend“ in Schönschreiben erreicht hat, ist zum Gesamteindruck  des Zeugnisses schade. An was es liegt, daß sie in Größenlehre auch ein „befriedigend „ hat, würde mich interessieren. Ich bitte Dich aber, ihr diese Feststellung nicht zu sagen, denn so wie ich sie kenne, würde sie sich darüber Gedanken machen. Beide Sachen sind an sich nicht so bedeutend, daß sie irgend einen Ausschlag geben.  Für die Grüße von Frau Lämmel danke ich. Daß sie sich in bezug auf ihre Schönheit so zu ihrem Vorteil verändert haben soll, kann ich mir nicht so recht vorstellen.  Wenn so  Zeltbahnen, Kochgeschirre und ähnliche Sachen gesammelt worden sind, so kann ich Dir nur sagen, daß die Entschädigung so gering ist, daß sie   nicht annähernd dem Wert gleichkommt, den er für uns immer noch darstellt. Es ist schon besser, wenn wir diese Sachen behalten.  Helga ist ja nun in dem Alter, daß ihr die Milchzähne ausgehen. Es ist nur gut, daß sie diese immer richtig gepflegt hatte, denn ich nehme an, daß die Zähne, die ja nachkommen, auch alle gesund sind. Ich weiß nur noch zu genau, daß ich schon bald zum Zahnarzt gehen mußte, um mir die Backenzähne plombieren zu lassen. Ich kann ja im Verhältnis noch zufrieden sein, denn bis jetzt fehlen mir nur zwei Zähne. Schade ist nur, daß Ihr das Brot teilweise so schimmlig erhalten habt.  Ich hatte mich gefreut, daß die ersten Päckchen so gut angekommen waren. Ich hatte zwar anfänglich Bedenken, daß es schimmlig werden würde. Heute habe ich mir einmal ein Päckchen packen lassen. Das ist das erste Mal, daß ich es nicht selbst getan habe, Unsere Ordonanz hat aber nicht zu tun, so daß ich ihm das als Betätigung übergeben habe. Es ist eine Dose Fisch, die ich mir noch habe als Marschverpflegung mitgeben lassen. Das Päckchen trägt die Nummer 35.  Nun kommen die Briefe, die mir Kenntnis gaben von Ernas Besuch. Ich habe mich sehr gefreut darüber, daß Du durch diesen Besuch auch etwas Urlaub hattest. Denn so bist Du wieder etwas aus dem Bau herausgekommen und hast wieder einmal etwas erlebt. Das macht mir immer etwas Sorgen, wenn ich denken muß, daß Du im Verhältnis so gar keine Abwechslung hast und immer Dein Tagewerk tagaus tagein machen mußt. Ich weiß, daß Du das gern machst, aber Du brauchst auch einmal eine Ablenkung. Ich sehe das hier, wie es mir geht. Ich hoffe, daß ich heute Nachmittag mit unserem Inspektor herauskomme. Denn auch heute Vormittag haben wir zum Sonntag Dienst. Ich will mir darum einmal etwas Abwechslung verschaffen, sonst wird man ja trübsinnig. Aber Du brauchst deshalb keine Sorgen zu haben, es macht sich schon alles. Über meine Gedanken, die ich hatte, als ich Deine Reiseberichte las, werde ich Dir in einem meiner nächsten Briefe schreiben. Interessiert hat mich die Äußerung von Deinem Vater, daß ich Erna aufgehetzt hätte. Es ist nicht notwendig, daß Du Dir darum Gedanken machst, denn das läßt mich ausnahmsweise vollkommen ruhig, aber man kann doch daraus wieder das schlechte Gewissen Deines Vaters erkennen. Glaube mir, wenn er nicht selbst das Gefühl hätte, daß etwas nicht richtig ist, würde er nicht auf den Gedanken kommen, daß man über ihn herziehen würde. Wir lassen aber den Dingen ihren Lauf gehen. Er soll mit ihr glücklich werden oder nicht, das kann uns gleich sein.  Recht herzliche und viele Grüße und Küsse sendet Dir Dein Ernst.

2 Flugpostmarken liegen wieder bei.



Brief 308 vom 20./21.8.1942


Mein liebes Mädel !                                                           20.8.42   
  
Seit letzten Samstag Abend bin ich nun in dieser Stadt. Ich bin aber außer dem Weg, den ich vom Bahnhof zur Frontsammelstelle und von dort aus die Fahrt mit dem Auto durch die Stadt nicht weiter herumgekommen. Die wenigen Schritte, die ich von unserer Dienststelle zum Kasino am Tag zweimal mache, kann man ja fast nicht zählen. Sonst sitzt man hier den ganzen Tag von früh bis zum Abend im gleichen Bau und kommt nicht heraus. Auch hier wird man die ganze Woche voll beschäftigt. Wenn ich auch am Tage nicht viel zu tun haben, aber so wie es mir scheint, wird es nicht gern gesehen, wenn man während seiner freien Dienstzeit Briefe schreibt. Gelegenheit hätte an hier schon, um öfter fortzugehen.  Die Oper ist in Betrieb. Es wird täglich gespielt. Die Leute, die ich gehört habe, stimmen alle in dem Urteil überein, daß die Programme sehr gut besetzt sind. Morgen wird beispielsweise „Rigoletto“ gespielt. Auch der Kinobetrieb ist ausreichend.  Sieben Kinos sind hier und jedes mit einem anderen Programm. Bei unserer Dienstzeit und den zeitigen Anfangszeiten kommt man nur zu schlecht weg. Es ist aber möglich, daß sich das noch einrichten wird.  Ich denke, daß ich auch bald von Dir Post bekommen werde, die an die letzte Feldkommandantur gerichtet wurde. Heute trafen vom Tommi französische Zeitungen ein, die ich mir von ihm gewünscht hatte. Da kann es sein, daß auch bald Briefe folgen werden, die noch dorthin gerichtet wurden. Wie Du aus meinem Schreiben merkst, verläuft das Leben trotz der großen Stadt ziemlich eintönig, weil man keine Gelegenheit hat, herauszukommen. Es ist nur gut, daß das Essen einem immer noch eine willkommene Abwechslung bietet. Das Essen ist wirklich sehr gut. Heute Mittag gab es eine gute Suppe und dann als Hauptgang Rindsroulade mit Kartoffeln und Kohlrabigemüse. Man merkt, daß bei diesen höheren Stäben doch anders gelebt und gekocht wird. Daran kann auch der ganze Nationalsozialismus nichts ändern. Ich mache mir nur immer wieder Gedanken, in wie bescheidenen Verhältnissen Ihr daheim leben müßt, und daß ich Euch nichts davon abgeben kann.  Ich hoffe, aber schon noch Wege zu finden, um hier das eine oder andere noch zu organisieren. Ich denke immer wieder an Euch, darauf kannst Du Dich verlassen.  Dir und den Kindern sende ich recht viele herzliche Grüße und Küsse . Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                          21.8.42        

Ich hatte damit gerechnet, daß ich heute vielleicht durch den Kurier Post von Dir bekommen würde. Diese Annahme hat sich leider als ein Irrtum erwiesen. Wenn ich wohl darüber etwas verstimmt bin, so nutzt das alles nichts, denn ich muß ja doch warten. Da kann mir niemand dazu helfen. Ich hatte nur deshalb so große Hoffnung, weil ich auf dem Kurierwege die Zeitungen von Thomas bekam. Zu den vielen Enttäuschungen , die ich schon während der Dauer des Krieges in dieser Hinsicht erlebt habe, kommt dann noch diese hinzu. Das wird sicher auch nicht die letzte sein. Der Inspektor, der mir gegenüber sitzt, schreibt auch einen Privatbrief. Ich nutze diese Gelegenheit und erlaube mir das gleiche zu tun. Wie ich Dir schon gestern schrieb, sind durch die Dienstgestaltungen nicht viel Möglichkeiten geboten, daß man hier Sachen, die aus dem Rahmen des Alltäglichen herausfallen, erlebt. Ich konnte Dir schreiben, daß ich vorgestern  die erste Wanze in meinem Zimmer gefunden habe und gestern den ersten Floh. Das sind aber alles Dinge, die nicht gerade welterschütternd sind, die man höchstens am Rande v ermerken braucht. Vom Wetter kann ich berichten, daß es etwas wechselhaft ist. Es geht schon langsam auf den Herbst zu, denn gegen Abend wird es dann ziemlich schnell kühl. Vom Dienst abgesehen, habe ich mich rein persönlich in die Gemeinschaft wieder eingelebt. Ich hoffe, daß das Verhältnis wenigstens annähernd so bleibt. Ich habe zu tolle Dinge zuletzt in Frankreich erlebt, als daß ich mich hier darüber in fester Form darüber auslassen möchte, daß es mir hier in Bezug auf die Vorgesetzten ausgezeichnet ginge. Man sagte ja, daß gebrannte Kinder das Feuer fürchten. Es ist etwas daran an diesem Sprichwort.  Die Soldaten, die wir hier als Schreiber und Fahrer haben, sind anständige Kerle. Einer von ihnen hatte heute Geburtstag. Ich habe ihm dazu eine von den Zigarettenschachteln geschenkt, die Du mir einmal gesandt hast. Die anderen Kameraden haben ihm auch alle eine kleine Freude gemacht. Wenn man mit diesen Leuten immer zusammen ist, und sie sind einem sonst gefällig, muß man sich auch einmal auf diese Art erkenntlich zeigen.  Wie ich gerade merke, bin ich auf die Briefe, die ich vor meiner Abreise erhielt, noch nicht weiter eingegangen. Daß Du diesen Wodka mit ei gerne genommen hast, hat mich gefreut. Bedauerlich war nur, daß die andere Flasche kaputt gegangen war, Ich will zwar nicht von mir Alkoholiker reden, aber von dem so stark verdünnten Zeug kann es einem doch kaum schwindlig werden. Bezeichnend ist ja das verschiedene Verhalten von Helga und Jörg.  Lassen wir sie nur so sein, wie sie sind. Daß Ihr im Verhältnis wenig Gelegenheit gehabt habt zum Baden zu gehen, ist sehr schade. Daß sich Helga anstrengt, , um das Schwimmen zu lernen, ist sehr schön. wenn Du in diesem Sommer nicht dazu kommst, um ihnen mehr beizubringen, dann halte ich es für ratsam, daß Du im Laufe dieses Winters öfters das Hallenbad aufsuchen würdest, um ihnen das noch beizubringen, was ihnen fehlt. Ich denke, daß Jörg der Ehrgeiz packen wird, wenn er sieht, daß sich Helga anstrengt. Sie sind ja an sich anstellig, ich denke, daß sie es dann auch packen werden. Andererseits kann man auf diese Weise das Praktische mit dem Nützlichen verbinden. Du kannst mir ja schreiben, wie Du zu meinem Vorschlag stehst. Dann die Frage des Geldes, das für die ganze Familie als Eintritt bezahlt werden muß, spielt ja keine große Rolle dabei. Der Nutzen für die Kinder ist dann doch, abgesehen von der Reinlichkeit, auch da.  Dir sende ich wiederum recht herzliche Grüße und bitte Dich, für Dich und die Kinder recht viele Küsse entgegen zu nehmen von Deinem Ernst.

Brief 307 vom 18./19.8.1942


Mein liebstes Mädel !                                                         18.8.42  
      
Mit der Zeit vervollständige ich mich hier mit meiner Einrichtung so, daß ich sagen kann, ich lebe in geordneten Verhältnissen.  Heute habe ich weiße Bettwäsche erhalten. Ich weiß nicht, wie ich mir jetzt wieder vorkomme. Ein Zimmer mit Balkon. Ein Kamerad geht zwar immer durch mein Zimmer durch, doch das ist ja nicht so schlimm. Dann gewissermaßen ein ordentliches Bett. Ein Schrank und ein Tisch sind auch vorhanden. Eigene Stühle stehen auch im Zimmer. Parkettboden befindet sich auch in diesem Zimmer. Man wundert sich, daß die Sowjets diese westeuropäischen Einrichtungen übernommen haben. Diese Wohnungen sind ja nicht für die einfachen Leute gedacht, zwar für uns selbst auch nicht gebaut.  Das Ungeziefer hat mich persönlich noch nicht belästigt. Heute früh ging bei mir an der Wand eine Wanze in allem Frieden spazieren. Mit rauer Hand habe ich sie ins Jenseits befördert. Ich wünschte mir nur, daß sie mich in Zukunft auch so in Ruhe lassen würden wie bisher. Bis ich jetzt meine neue Kluft habe, lasse ich mir das Essen aus dem Kasino bringen. Es gibt zum Ausgleich zu dem anderen Essen immer noch einige  Extras . Zum Frühstück kann man Eier bekommen. Man muß sie schwer bezahlen, aber das macht ja nichts.  Die Verhältnisse hier in der Stadt sind ja erschreckend. Die Ernährung für die Einwohner in dieser großen Stadt ist sehr gering. Andere Artikel, die so noch zu erwerben sind, werden zu Wucherpreisen verkauft. Ein Apfel kostet beispielsweise 1,60 RM. Man kann sich das nicht vorstellen. Brot ist ein so seltener Artikel, daß man hier damit sonst etwas erwerben könnte. Ich habe beobachtet, daß Kinder hordenweise in den Hinterhöfen herumlungern, um aus den Abfällen noch etwas herauszufischen. Sie haben dann diese deutschen Fleischkonservenbüchsen mit einem Draht darüber hinweg als Henkel, und dort wird alles hineingesammelt, was ihnen irgendwie als brauchbar erscheint. Als ich mit meinem Gepäck durch die Straßen zur Frontsammelstelle lief, wurde ich förmlich überfallen. Man hat es mir fast aus der Hand gerissen. Wenn man da nicht entsprechend auftritt, liegt das Gepäck schon auf einem der selbstgezimmerten Wagen. Als Entlohnung wird kein Geld gewünscht, sondern es heißt dann: pan nix kleb? Herr, haben sie keine Brot? Hier taucht auch wieder das berühmte internationale Wort „nix“ auf. Bei Männern und älteren Buben ist natürlich Tabak und Zigaretten ein beliebtes Entgelt.  Buben, viel kleiner als Jörg, springen mit ihren Wagen herzu, um sich etwas zu essen zu verdienen. Ich kann nur sagen, daß die Verhältnisse wirklich sehr traurig in Bezug auf die Ernährung sind. Unseres Bleibens wird hier zwar auch nicht von langer Dauer sein. Ich muß darum zusehen, daß ich noch etwas von dieser berühmten Stadt zu sehen bekomme. Auf dem Lande ist die Lage ja für die Bevölkerung nicht so schwierig. Ja, der Krieg hat in dieser Beziehung auch ein hartes Gesicht.  Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Dir und den Kindern sende ich recht viele herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                     19.8.42     

Vaters Geburtstag war heute. Ich habe wiederholt daran gedacht.  Vielleicht seid Ihr heute etwas zusammen gewesen. Die Zeit, um große Feste zu feiern, ist ja nicht gegeben. Außerdem war das auch nicht unsre Art und Vater hat im allgemeinen nicht gern gehabt, daß man viel davon spricht. Ich denke aber doch, daß er sich gefreut hat, wenn seiner gedacht worden ist. Wenn er es nach außen hin auch nicht so gern zum Ausdruck kommen lassen will.  Meine Arbeit geht hier in Bescheidenheit weiter. Ich hatte zwar bis jetzt meist wichtigere Arbeit verrichten können, aber wie ich schon schrieb, man kann sich nicht heraussuchen, was man gern machen möchte. Zudem muß man berücksichtigen, bei welchem hohen Stab ich mich hier befinde. Da war ja die Oberfeldkommandantur, oder der Oberbefehlshaber in Brüssel ein Dreck dagegen. Die Machtbefugnisse dieser Dienststelle im großen und ganzen gesehen, geht bedeutend weiter. Es ist ja nicht meine Verschulden, daß ich hierher gekommen bin. Mir wäre es wünschenswert, wenn ich von hier die notwendige Unterstützung für meinen neuen Schritt in Konstanz bekommen würde, so daß das ganze Unternehmen einen Erfolg versprechen würde. Das andere kann mich dann vorerst einmal vollkommen kühl lassen. Ich habe die Angelegenheit meinem Chef heute vorgetragen, und er hat sich auch meines Schreibens angenommen. Das erste war, daß er es einmal kräftig durchkorrigiert hat. heute sende ich dir erst einmal meinen ersten Entwurf mit, wie ich mir das gedacht hatte. Wenn das andere Schreiben absendungsreif ist, werde ich Dir den Durchschlag mitschicken.  Der Herr ist etwas pedantisch, aber das kann er sich ja auch leisten, denn er ist doch Jurist. Ich werde abwarten, was dann bei der ganzen Geschichte herauskommt.  Meine neue Kluft ist nun auch fertig geworden. Ich durfte nun heute Abend das erste Mal in Freiheit dressiert mich im Kasino sehen lassen. Ich habe mir alle die Sachen, die ich dazu benötigte, zusammengestoppelt. Die Schulterstücke hatte ich mir schon früher von Dir schicken lassen. Der eine Kamerad hatte gerade zufällig einen grauen Kragen hier. die Spiegel sind zwar nicht die richtigen, aber sehr ähnlich. Das macht aber nichts Eines steht jedenfalls fest, daß ich wieder einmal etwas Sauberes anzuziehen habe, Nach der Abänderung sitzt alles auch einigermaßen. Meine schönen Knobelbecher habe ich zwar wieder in die Ecke stellen müssen, weil es jetzt sehr in diesem erlauchten Kreise abstechen würde. Ich bin also wieder bei der langen Hose angelangt. Das wirkt sehr vornehm; das kannst du Dir wohl vorstellen. Mein Chef hat mich nun den hohen Herren vorgestellt. Nun scheint mir die Gnadensonne. Ich darf sogar mit diesen höchsten Herrschaften an einem Tisch essen. Ich hoffe, daß ich mich richtig benommen habe. Eines ist immerhin erfreulich.  Ich habe immer wieder einmal Gelegenheit, ordentliche Getränke zu bekommen, abgesehen von dem Essen, das sich von dem Mannschaftsessen unterscheidet. Das ist nun einmal so bei den höheren Stäben. Mit will das zwar nicht in den Kopf hinein, Man darf hier sogar im Monat 3 Flaschen Sekt trinken, Liköre und Cognac nicht mit eingerechnet. Das ist für meine bescheidenen Verhältnisse bisher schon etwas viel. Ich denke, daß ich auch ohne Deine Unterstützung auskommen werde.  Ist das nicht ein schöner Erfolg, daß die  Gegner an der Kanalküste so eines aufs Loch bekommen haben? Das hat mich wieder unbändig gefreut.  Dir und den Kindern sende ich recht herzliche Grüße und viele Küsse Dein Ernst.


Brief 306 vom 16./17.8.1942


Meine liebste Annie !                                                       16.8.42    
       
Heute früh hatte ich Dir geschrieben, daß ich in Metropolis angekommen bin. Die Bilder von dem großen Platz, die durch sämtliche deutsche Zeitungen gegangen sind, sind Dir wohl noch in Erinnerung. Wenige hundert Meter davon entfernt ist unsere Dienststelle und auf dem gleichen Flur unsere Unterkunft. Die Leute sind bis jetzt wirklich sehr nett und geben sich viel Mühe um mich, daß ich direkt darüber staunen muß. Ich merke aber jetzt erst wieder an allem, daß ich aus der Wildnis komme, denn wir sind auf unseren Dörfern ziemlich heruntergekommen und verwahrlost. Draußen merkt man das nicht einmal so, erst hier. Meine alte Kleidung hat einiges Aufsehen erregt. Neue soll mir zugeteilt werden. Erst nachdem diese Veränderung vorgenommen ist, bin ich würdig, in diesem erlauchten Kreise aufgenommen zu werden. Es wird aber kaum anders gehen, den ich kann mich jetzt schlecht heraushalten, weil man mich dann hier auch ganz auf die Seite schieben würde. Darum will ich sehen, daß ich wieder neue Sachen bekomme. Das Essen allein soll schon besser sein. Es muß zwar jeden Monat ein Kasinobeitrag von 10,RM bezahlt werden, aber das Essen aus der anderen Küche ist sehr primitiv. Was mit sonst noch für Kosten entstehen, muß ich erst einmal sehen, neben der Arbeit dreht sich hier vieles erst um das Essen, aber wenn es sich machen läßt, werde ich das nicht vorbeigehen lassen. Dem Namen nach ist das hier eine große Dienststelle. Es sind aber außer einem Oberkriegsverwaltungsrat, Zivilberuf Bürgermeister von Göttingen, einem Inspektor, Stadtinspektor in Köln im Zivil und einem Dolmetscher nur noch einige Schreiber und Kraftfahrer da.  Dazu bin ich nun gestoßen. Ich hoffe, daß ich mit den Leuten auskommen werde, das andere wir sich dann schon finden.  Von Kschen, meinem letzten Einsatzort kann ich Dir noch eine interessante Sache erzählen, die uns am Freitag vor einer Woche passierte. Wir sitzen am Abend vor unserer Bude, um vor dem Einschlafen noch etwas frische luft zu schnappen. Da kommt ein Kamerad und sagt, was ist denn das am Himmel. Ist das ein Stern. Ich sage zu ihm, daß das ein Leuchtschirm sei, den ein Flieger abgeworfen hat. Kurze Zeit darauf geht auch ein Flieger über unser Haus hinweg. Es dauert dann auch nicht mehr lange, da blitzt es am Himmel auf und wir sehen und hören, wie der Russe denn es handelte sich um einen von ihnen, Bomben abgeworfen hat. Nach weiteren wenigen Minuten merken wir, wie im ganzen Umkreis von uns Bomben fallen. Die Flieger fliegen über uns weg und die Einschläge kommen immer näher, denn die Kreise werden immer enger.  Ich muß schon sagen, daß das ein sehr unangenehmes Gefühl war.  Man steht im Freien, hört die Biester über uns hinwegfahren, und die bomben fallen und man weiß nicht, wo man hingehen soll. Als dann der letzte kam und in verhältnismäßig geringer Höhe über uns hinwegfuhr, dachten alle, es fehlt nur noch, daß er seine letzten Bomben abwirft. Aber nichts von dem, denn er hatte keine mehr. Im Umkreis fielen etwa vierzig Bomben. Das war für den Abend ausreichend. Ich hatte Dich nicht erst in Unruhe versetzen wollen, aber nachdem ich aus diesem Gebiet heraus bin, möchte ich Dir dieses Erlebnis  doch nicht vorenthalten. Am Sonntag morgen fielen in einiger Entfernung auch wieder einige Bomben, die keinen Schaden anrichteten. Bei dem Angriff wurde ein Haus zerstört, zwei Kühe getötet und eine Frau auch. Hier herrscht in dieser Hinsicht offenbar Ruhe. Bei meiner Verabschiedung  hat sich der Oberst nochmals für meine Mitarbeit bedankt. Zwei Hauptmänner bestätigten mir ohne mein Zutun, daß sie mich sehr gern gehabt hätten und mich ungern gehen ließen. Ich sei ein ordentlicher Kamerad gewesen und hätte auch ihr Vertrauen gehabt. Dies sei auch in der Beurteilung über mich zum Ausdruck gebracht worden. Es hat mich gefreut, denn dieses Lob kann mir nicht mehr schaden, denn vo dort bin ich weggegangen und hier muß ich erst wieder beweisen, was ich kann und ob ich dieser Tätigkeit gewachsen bin. Ich habe zwar selbst keinen Zweifel, aber man muß vorsichtig mit den Menschen sein, denn ich habe leider schon zu trübe Erfahrungen machen müssen, Wie ich Dir heute schon schrieb, hat mich der Inspektor bei meiner ersten Vorstellung in Krementschug gesehen und mich nun, obwohl bereits drei Monate vergangen sind, angefordert. Was den nun besonders veranlaßt hat, kann ich nicht sagen. Ich hatte vergessen, meinem Brief von heute früh, die Flugpostmarken mit beizulegen. Ich kann sie entbehren, weil unsere gesamte Post mit dem Flugzeug befördert wird. Da geht auch die private Post mit.
Das macht ja schon was aus. Dadurch werden die Entfernungen wieder kürzer. Zulassungsmarken für Päckchen lege ich Dir gleich falls mit bei. Zu schicken brauchst Du mir, außer dem, was ich dir in den nächsten Tagen angebe, nichts weiter. Dazu nimmst Du aber nicht diese Marken. Sondern Du gehst auf das Wehrbezirkskommando und gibst dort ein Dienstpaket an mich auf. Erst brauche ich einmal eine Decke. Dann meinen Trainingsanzug, dann vielleicht noch meinen dicken Pullover und meine Turnschuhe. Ich gebe Dir nochmals genau Bescheid darüber. Eine Karte, die Du an Kurt weiterleiten kannst, habe ich Dir auch noch beigelegt, denn seine Adresse ist mir immer noch nicht bekannt.  Ich sende Dir un den Kindern recht herzliche Grüße und viele, viele Küsse. Dein Ernst


Meine liebste Frau !                                                    17.8.42        

Den ersten Tag habe ich heute offiziell bei meiner neuen Dienststelle  Dienst geleistet. Ich könnte nun nicht sagen, daß es überwältigend sei. aber manche interessante Dinge habe ich gelesen, die vor allem mich betreffen. So hat mir unter anderem der Kamerad gezeigt, daß ich im Mai zum Kriegsverdienstkreuz eingereicht worden sei mit noch mehreren Kameraden. Antwort ist zwar keine darauf ergangen, aber immerhin, es ist doch schon da. Auf die Frage des Inspektors, ob ich überhaupt Aussicht hätte, befördert zu werden, habe ich dies dahingehend beantwortet, daß ich wohl die Prüfung abgelegt hätte, aber daraufhin zum Assistenten befördert worden sei. Ich hätte aber die Absicht, mich an die Stadtverwaltung zu wenden. Er sagte mir dann, daß ich das umgehend machen sollte, denn in der in der Zwischenzeit eingegangenen Beurteilung wäre ein derartiger Vorschlag erwähnt. Ich habe mir nun gleich ein Schreiben entworfen. Morgen oder übermorgen werde ich es schreiben, denn diese Sachen muß ich immer erst noch einmal verdauen. Wenn es für jemand anderes ist, macht mir das wenig Schwierigkeiten, aber wenn ich es für mich machen muß, ist das schon etwas anderes. Ich hoffe, daß ich eine Befürwortung dazu bekomme, denn das sollte schon etwas ausmachen. Ich muß ja abwarten, was sich dann daraus ergibt.  Als ich hier mit meiner schäbigen Uniform auftrat, genierten sich die Herren etwas mit mir und haben sich erst einmal sehr eingesetzt, daß ich etwas Neues anzuziehen bekomme. Heute habe ich nun eine neue Hose und eine neue Feldbluse bekommen. Wenn die notwendigen Änderungen vorgenommen sein werden, kann ich mich dann auch im Kasino sehen lassen. Nach und nach bekomme ich auch meine Sachen zusammen.  Zwei Wolldecken habe ich auch erhalten, ob ich dann von Dir noch eine brauche, werde ich Dir dann noch genau mitteilen. Licht habe ich jetzt auch in meinem Zimmer und ein Tisch ist nun auch vorhanden. Wie sich die Dinge hier weiter anlassen, muß ich erst abwarten. Daß ich hier nicht so eine Tätigkeit bekomme wie unter unserem ersten Oberrat, das ist mir jetzt schon klar. Aber ich muß mich damit abfinden, daß man sich im Krieg nicht die Arbeit aussuchen kann, die man gerade haben will.  Ich hatte schon vor meiner Abreise von meiner letzten Dienststelle die Absicht, Dir zum diesjährigen 11. Hochzeitstag zu schreiben. Ich bin aber durch die Zusammendrückung der Ereignisse nicht weiter dazu gekommen.
Es hat mir nicht einmal richtig gelangt, Dir einen ordentlichen Geburtstagsbrief zu schreiben. Mich hat er jedenfalls nicht befriedigt. Du mußt das verstehen und entschuldigen. Ich habe die beiden Jahre vorher immer Zeit gehabt, Dir aus diesem Anlaß einen ausführlichen Brief zu schreiben. Doch ganz kann ich auch in diesem Jahr den 1. u. 6. September nicht vorübergehen lassen, ohne besonders dieser Tage zu gedenken. Es war dies für uns ein Schritt der Entscheidung. Ich weiß, daß Du diese Entscheidung noch nie bereut hast, genau wie ich auch. DAß wir nun den 9., 10.  und 11. Jahrestag nicht zusammen begehen können, liegt nicht in unserer Hand. Ich will hoffen, daß wir nicht no so oftmals wie bis jetzt schon auseinander sein müssen. Dir danke ich wieder für Deine Aufopferung während der Kriegsjahre im besonderen und für die Jahre vorher ebenfalls. Du hast nicht nur mir, sondern uns allen viel während dieser Jahre gegeben. Ich wünsche uns allen, daß wir die Früchte Deiner Liebe in langen Friedensjahren auskosten können. Daß daheim alles so in Ordnung ist und alles seinen geordneten Gang geht, ist schon immer Dein besonderer Verdienst gewesen. Darum bleibe uns gesund, damit Du auch weiterhin Deinem Haushalt in den kommenden Jahren genau so gut wie bisher vorstehen kannst. Dies wünscht sich, verbunden mit vielen Grüßen für Dich und die Kinder und mit ebenso vielen Küssen Dein Ernst.

Brief 305 vom 15./16.8.1942


Meine liebste Annie !                                   unterwegs, den 15.8.42  

Gleich nach dem Mittagessen hatte ich mich gestern fertig machen müssen, um meinen Weitermarsch anzutreten. Mit den Kameraden mußte ich mich erst aufnehmen lassen. Bis ich mich dann verabschiedet hatte, war es zu spät geworden für den fahrplanmäßigen Zug. Ich bin dann in aller Ruhe auf den Bahnhof gezogen. Ich kann nur sagen, Glück muß der Mensch haben. Als ich ankam, fährt gerade ein Lazarettzug ein, wie für mich bestimmt. Ich erkundigte mich beim Transportführer, ob es möglich ist, daß ich mitfahre.  Mit seiner Genehmigung konnte ich dann ungehindert bis Poltawa fahren. Auch hier konnte ich wieder feststellen, wie klein die Welt ist. Ich unterhielt mich mit einem der Kameraden, daß mein Schwager auch auf so einem Zug fährt. Als ich die Nummer nannte, meinte einer, daß er bei dem Lehrgang in Berlin mit ihm auf einer Bank gesessen Als ich erst den Zug sah, hatte ich die heimliche Hoffnung, Siegfried vielleicht selbst zu treffen. Was aber nicht der Fall war. Von diesen Kameraden wurde ich gut aufgenommen.  Sogar eine Flasche ordentliches Bier bekam ich. Ich habe dann großzügigerweise aus meiner kleinen Flasche Wodka verschenkt. Der fand aber nicht einmal die erwartete Zustimmung, denn jeder hat sich geschüttelt und ich meinte, das sei mit der beste Wodka, den ich bis jetzt hatte. Bei Nacht kam ich dann hier an. Erst landeten wir auf dem Güterbahnhof. Da sich aber noch etliche Offiziere auf dem Zug befanden, wurde der Zug doch noch auf den anderen Bahnhof geschoben. Nach einem Hindernisklettern kamen wir noch an die Gepäckabgabestelle. Ein kurzer Aufenthalt in der Betreuungsstelle des Roten Kreuzes brachte noch eine Tasse Kaffee ein. Hier traf ich wieder einen Gruß aus der Heimat an. Der einfache Raum, denn er war eine Baracke, die innen weiß getüncht ist, war an den Wänden geschmückt mit Bildern von deutschen Burgen. Alles schön gemalt. Darunter war auch die Meersburg. Das wirkte direkt aufmunternd. Auch die anderen Burgen wirken sehr schön an der Wand, und ich glaube, daß diese manchem Kameraden ein lieber Gruß sein wird. Das schwüle Wetter und das Aufderbahnherumrutschen machte einen müd und schlapp. Die Fliegen sind sehr lästig. Ich habe mich halb entkleidet auf das mir zugewiesene Bett geworfen und nicht gerade einen Schlaf gehabt, der mich hat ausruhen lassen.  Mir scheint, daß die Stadt Charkow mich im wahrsten Sinne ihrer Bedeutung von „groß“ begrüßt. Wie ich hier erfahren konnte, ist die Einheit auch nicht dort zu finden, sondern sie soll sich inzwischen schon wieder weiter begeben haben. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß ich sie doch noch antreffe. Jetzt kann ich erst wieder um ½ 2 Uhr weiterfahren und treffe nach 5 Stunden Bahnfahrt dort ein. Ich habe keine große Hoffnung, daß ich anschließend gleich weiterfahren kann. Trotzdem werde ich den Mut nicht verlieren, wenn ich es endlich auch gern wieder geschafft hätte. Ich wollte mir etwas von der Stadt hier ansehen. Ich mußte aber, wie schon so oft hier in Rußland, feststellen, daß die Stadt kilometerweit vom Bahnhof weg liegt. Hier sind es auch wieder fünf Kilometer. Der Bahnhof ist bis auf die Außenmauern zerstört. Manche Gebäude stehen noch. Elektrisches Licht und das Wasser sind intakt. Das sind doch schon erhebliche Fortschritte.  Ich habe mich sogar wieder einmal mit fließendem Wasser waschen können. Man nimmt derartige Einrichtungen ger und mit Dankbarkeit auf.  Dir und den Kindern sende ich recht viele und herzliche Grüße und Küsse. Den gestrigen Brief konnte ich einer auf Urlaub fahrenden Schwester mitgeben. Ich denke, daß er Dich darum eher erreicht, als ich erst erwartet hatte. Du hast ja bestimmt nichts dagegen. Nun noch recht herzliche Küsse, Dir mein liebes Mädel, von Deinem Ernst.


Mein liebes, gutes Mädel !                                                     16.8.42  
     
Meinen Hafen habe ich nun wieder einmal erreicht. Ich bin gestern Abend in Charkow angekommen. Ich hatte mich bei der Frontsammelstelle erkundigt, ob ich weiterreisen muß. Nachdem ich erst wer weiß wie lange gewartet hatte, erhielt ich Bescheid, daß ich heute morgen nochmals nachfragen soll. Das habe ich dann getan, und nach einigem Warten kam der telefonische Anruf, daß ich mit dem Wagen abgeholt würde. Die Nacht über hatte ich ein Offiziersquartier bekommen, so daß ich einigermaßen gut geschlafen hatte.  Verpflegung habe ich zwar nicht erhalten, und ich habe einen anständigen Hunger beieinander. Die Einheit ist also die Dienststelle, die ich Dir anfänglich in der Abschrift mitgeteilt hatte.  Das ist ein ziemlich vornehmer Verein, der mich hier aufgenommen hat. Der erinnert, wie mir scheint, an die Verhältnisse in Lille.  Wie das hier nun alles wird, muß ich erst abwarten. Der Oberrat aus Mirgorod hat mich also nicht angefordert, sondern einer der Herren, die mich seinerzeit bei meiner ersten Vorstellung gesehen hatte. Ich soll hier wohl die Registratur übernehmen, eine Arbeit, die mir zwar noch nicht so wehr liegt. Ich werde nun sehen, wie sich das hier macht, essen soll ich mit den Offizieren. Sie wollen mich anscheinend aber erst nochmals neu einkleiden. Meine Sachen wollte ich ja schon bei der vorhergehenden Dienststelle gern umtauschen, aber man kam mir nicht mehr entgegen. Eines macht mir Sorge. Hier gibt es in rauen Mengen Wanzen und Flöhe.  Wie ich das überstehen werde, ist mir auch noch ein Rätsel.  Jedenfalls wird an Schlaf nicht viel zu denken sein. Ein Zimmer habe ich hier wieder für mich allein. Ein Bett mit Strohsack ist auch vorhanden. Es paßt zwar nicht ganz dazu, aber etliche Polsterstühle. Ein Tisch wird noch organisiert, so daß man sich wohl drin aufhalten könnte. Über die weitere Entwicklung werde ich Dir dann noch berichten. Wie ich hier gehört habe, soll die Post sehr schnell von hier aus in die Heimat kommen. Man spricht von vier Tagen. Aus diesem Grund schicke ich Dir heute verschiedene Flugpostmarken mit, damit Du mir bald wieder antworten kannst. Wegen verschiedener Kleidungsstücke werde ich Dir in diesen Tagen noch schreiben, die Du mir noch senden mußt. Über den Postweg werde ich Dich noch unterrichten. Die neue Anschrift lautet 00220. Dir recht herzliche Grüße und viele Küsse von Deinem Ernst.

Brief 304 vom 14.8.1942


Meine liebe Annie !                                                auf der Reise, den 14.8.42     

Am Dienstag früh bin ich von meiner Einheit abgerückt, um mich zu meiner neuen Dienststelle zu begeben. Erst fuhr ich mit dem Kurierzug von Kschen nach Kursk. Dort bin ich erst in die Stadt, um mich nach Post zu erkundigen. Das Stadtzentrum ist etwa eine Stunde vom Bahnhof entfernt. Glücklicherweise traf ich einen Kraftfahrer, der mich gleich mitnahm. Das für mich zuständige Postamt konnte ich nicht finden. Ich habe dann meinen Marsch zum Bahnhof wieder angetreten. Mit meinem Gepäck bin ich dann über das ausgedehnte Bahnhofsgelände gestiegen, um zu versuchen, einen Zug zur Weiterfahrt zu bekommen. Ich traf dann auch einen Lazarettzug, der mich die ganze Nacht durchgefahren hat. Gegen Mittag kam ich dann wieder zu einer Umsteigestation. Dort wechselte ich dann den Zug. Auch hier mußte ich wieder fast eine halbe Stunde bis zum anderen Bahnhof laufen. Ein Junge kam mit seinem Wagen und hat mir wenigstens mein Gepäck getragen. Ich hätte wohl jedesmal Kurierzüge benutzen können, aber da hätte ich das erste Mal eine ganze Nacht auf dem Bahnhof verbringen müssen. Und das andere Mal auch wieder. Von Mittag an bin ich dann mit einem kleinen Transportzug weitergefahren und zu meiner nächsten Umsteigestation gekommen. Die erreichte ich dann abends gegen 7 Uhr. Zum Ziel hatte ich mir genommen unseren alten Einsatzort Mirgorod. Hier sind noch Kameraden von unserer Telefonvermittlung. Die wollte ich noch besuchen. Wegen Essen brauchte ich mir keine Sorge zu machen, denn das würde ich im Soldatenheim bekommen. Ich rief also von der letzten Umsteigestation aus an, daß ich noch eintreffen würde. Der vorgesehene Zug fuhr aber nicht ab, und mir war das unangenehm, denn die Kameraden warteten auf mich. Durch Zufall erfuhr ich dann, daß ein Zug in wenigen Minuten abfährt. Den habe ich dann auch noch erreicht. Ich kam dann reichlich spät am Mittwochabend an. Die Kameraden hatten erst an der Bahn noch nachgefragt, ob ein Zug zu erwarten  sei. Dies wurde verneint, und die Kameraden waren dann überrascht, als ich doch noch eintraf. Ich habe dann erst noch die Verhältnisse schildern müssen und fand dann ein einigermaßen gutes Unterkommen. Gestern habe ich mich von der ersten Fahrt etwas erholt und heute will ich nun weiterfahren an die schon angegebene Stelle.  Wie ich aber bereits hier erfahren habe, soll sich diese Einheit in Charkow befinden, so daß dies noch nicht mein Endziel ist.  Rein verpflegungsmäßig könnte ich es hier noch gut aushalten, denn die Schwestern vom Soldatenheim kenne ich gut und die sorgen wirklich sehr nett. Aber nach diesen Gesichtspunkten kann man nicht immer gehen. Daß ich hier bei der Bevölkerung einiges Aufsehen erregt habe, hat mich sehr gewundert, und man muß staunen, wie bekannt man hier doch schon wieder war. Jeder hat gefragt, warum ich hier sei und ob ich zu den Kameraden wieder zurückfahre. Andererseits habe ich hören müssen, daß die neue Kommandantur hier sehr wenig beliebt ist. Sowohl von den Kameraden wie auch von der Zivilbevölkerung, Man kann daraus wieder sehen, wie man so und so regieren kann.  Heute Mittag fahre ich weiter und hoffe, morgen bei meiner neuen Dienststelle zu sein.  Es ist ganz schön, wenn man etwas aussetzt. Auch wenn man einmal wieder baden kann, was ich gestern hier noch getan habe. Aber zu lange Ruhe ist auch nicht gut. Sobald ich weiß, was nun los ist, werde ich Dir meine neue Anschrift bekannt geben. Für heute sende ich Dir und den Kindern recht viele und herzliche Grüße und ebenso viele Küsse. Dein Ernst.

Brief 303 vom 10.8.1942


                                                In Russland, 10.August 1942



Meiner lieben Frau, meiner lieben Annie zum Geburtstage!

Zum dritten Male wird nun innerhalb der Familie der Geburtstagsreigen seit meiner Einberufung zum Militär geschlossen. Wie immer geschieht dies mit der Begehung Deines Geburtstages am 7. Des kommenden Monats. Nie haben wir während dieser ganzen Zeit Gelegenheit gehabt, eines dieser Familienfeste zusammen zu feiern. Ich war ja meist allein oder im Kreise von Kameraden, die doch auch wieder fremde Menschen sind, wenn ich meinen Geburtstag beging. Ihr konntet die anderen Geburtstage doch immer zusammen verleben. Ich hatte zwar wieder den Vorteil, indem ich mir vorstellen konnte, wie ihr ihn daheim begehen würdet, weil ich mir sagen konnte, so und so war es früher. Ihr dagegen wußtet nur aus meinen Schilderungen, wie es bei mir zugegangen ist. So sind die Rollen unterschiedlich verteilt und jeder muß sich in dieser Zeit mit dem bescheiden, was ihm zugewiesen ist. Wenn Du nun diesmal deinen 31. Geburtstag begehst, werde ich im Geiste wieder mitten unter Euch weilen. Meine Glückwünsche kann ich trotz aller geistigen Verbindung nicht persönlich überbringen. Ich werde es darum halten müssen wie immer in der letzten Zeit. Glaube mir, dass ich sie dir wieder in ganz besonderer Herzlichkeit sende in der festen Hoffnung, doch bald wieder einmal persönlich alles nachholen zu können. Bleibe mir gesund in dem Jahr, welches vor dir liegt, damit du all den Anforderungen, die dir in diesen schweren Zeiten wieder bevorstehen werden, wieder nachkommen kannst. Es ist nicht immer leicht gewesen, während der ganze Zeit allem wieder vorzustehen, doch mit glücklicher Hand hast Du deine Sachen verwaltet. Dafür muss ich dir gleichzeitig danken, denn solange ich weiß, dass du deiner Arbeit daheim vorstehst, kann ich in Ruhe meinen Posten hier versehen.
Ich habe keine Geschenke weiter machen können, weil ich in einer solch unwirtlichen Gegend bin, in der auch nichts zu kaufen ist. Darum habe ich es nur so halten können, wie ich es mit den Kindern gemacht habe. Ich hätte vielleicht wieder einen Strauß Dir zuschicken lassen können, aber das werde ich bei anderer Gelegenheit wieder tun. Es ist zwar etwas nüchtern, wenn nur so etwas Geld ankommt, aber ich kann es leider nicht anders einrichten. Nimm darum diesmal bitte mit dem Vorlieb. Zu den Wünschen für die Gesundheit und für die Arbeit möchte ich auch wie du den noch hinzufügen, dass es uns bald vergönnt ist, während weniger Urlaubstage wieder einmal beieinander zu sein.
Bleibe mir also weiterhin gesund und laß dich recht oft und recht fest küssen von Deinem so vielmals an Dich und die Kinder denkenden Ernst.

Brief 302 vom 9. / 10.8.1942


Mein liebes Mädel !                                                            9.8.42     
  
Heute habe ich wieder eine Flut von Post erhalten, daß mir direkt feierlich dabei zumute ist. Wenn nicht gerade Sonntag wäre, hätte ich sonst das Gefühl, daß es heute an dem so sein müßte. Vor allem habe ich jetzt fast alle Briefe erhalten, die von der älteren Post stammen. Die Abschriften von den gewünschten Papieren sind auch dabei und der Mückenschleier, der nach meiner Ansicht richtig ist. Aber auch von Jörg kam der Brief noch an, dem ich vielmals dafür danke. Sobald ich an meinem neuen Ort bin, werde ich ihm schreiben, denn jetzt komme ich nicht mehr dazu.  Dann bekam ich noch einen Brief von Wittenburg. Der schreibt unter anderem, daß mein Geld wohl auf der Zahlmeisterei sei, und daß er mit dem Zahlmeister die Sache in Ordnung bringen will.  Darüber würde er mir noch schreiben. Eine Karte von Siegfried aus Gmünden war auch noch dabei. Du kannst Dir denken, daß ich allerhand zu lesen hatte, doch böse war ich keinesfalls darum. Bald hätte ich vergessen, daß Nannie auch geschrieben hat. So haben jetzt fast alle wieder an mich gedacht. Die Zeugnisse von den Kindern habe ich zwar noch nicht erhalten, aber solange muß ich eben noch warten, bis ich sie erhalte. DAß die Abschriften mit dabei waren, ist mir eine gewisse Beruhigung, denn ich möchte mich doch gern dieser Angelegenheit widmen, sobald ich dazu Zeit habe, damit es nicht auf die lange Bank geschoben wird. Auch den Brief habe ich von Dir erhalten, in dem Du mir die Ankunft von Erna mitteilst. Überrascht war ich aber von einer Mitteilung Wittenburgs, der schreibt mir, daß er sich freut, daß ich wieder bei einer Militärverwaltung gelandet sei. Er hatte dies zwar schon auf dem Dienstwege erfahren. Da hatte es in einem Schreiben geheißen, daß meine Versetzung auf einer irrigen Auffassung einer Verfügung erfolgt sei. Das heißt also, daß ich unter anderen Umständen heute noch in Frankreich wäre. Das hat mich aber doch mit einer gewissen Befriedigung erfüllt, daß mein damaliger Kommandant im Mai auch nach dem Osten versetzt worden sei. Der Kriegsverwaltungsrat ist zwar noch in Frankreich, gehört aber nicht mehr der Militärverwaltung an, sondern hat ein anderes Aufgabengebiet erhalten. Du siehst, daß es manche Veränderung dort gegeben hat. Wenn ich dazukomme, werde ich morgen noch auf Deine Briefe eingehen. sonst mußt Du Dich etwas gedulden, bis ich wieder Gelegenheit dazu finde, denn jetzt geht es morgen Nachmittag ab.  Gestern habe ich Geld an Dich abgesandt. Ich bitte, dies als Geburtstagsgeschenk für Dich zu betrachten. Wenn Du Dir etwas dafür kaufen willst und kannst, dann mache das ruhig. Du weißt ja, daß ich keine Gelegenheit dazu habe. Ich hätte es gern selbst getan. Mache also damit, was Du für richtig findest, es wird immer in meinem Sinn sein. Heute, oder in den nächsten Tagen wird ja Erna ihren Besuch wieder beenden, denn es sind schon wieder 14 Tage vorbei, seit sie bei Euch ankam. Die Zeit vergeht schnell. Ich hoffe, daß Ihr sie genutzt habt und daß Euch das Wetter hold war.  Von mir kann ich nichts weiter Wichtiges berichten, denn das ergibt sich erst in den nächsten Tagen. Ich beende deshalb schon jetzt meinen Brief und sende Euch allen recht viele und herzliche Grüße. Dich und die Kinder küßt wieder vielmals Dein Ernst.


Meine liebe Annie !                                                           10.8.42      

Wieder ist einmal der Tag der Abreise da. Auf Wunsch unseres Rates haben wir etwas Abschied gefeiert, weil es doch sonst nichts zu feiern gibt, müssen alle solche Anlässe aufgenutzt werden, die sich bieten. Hier steht ja nichts anderes zur Verfügung als Wodka. An den haben wir uns nun gehalten. Einige Kameraden sind heute wohl krank. Ich kann von mir sagen, daß ich es gut überstanden habe, so daß ich meinen Aufgaben, die ich heute noch zu erfüllen habe, in aller Ruhe nachkommen kann. Ich habe noch ein Päckchen zu packen mit einer Flasche Butter, damit das noch an Dich auf den Weg kommt. Gestern hatte ich schon eines fertiggemacht. Ich hoffe, daß alles gut ankommen wird. Die Päckchen tragen die Nummer 33/34. Ich habe jetzt alles soweit untergebracht. Der Koffer ist ziemlich schwer, denn diesmal mußte ich meinen Mantel noch verpacken. Es ist gut, wenn man öfter  unterwegs sein muß, dann sammelt sich nicht allzu viel an. Ich habe gestern erst noch eine gründliche Wäsche vorgenommen und was an meinem Sachen noch in Ordnung zu machen war, gemacht. Hier hat man ja keine Putzfrau wie in Frankreich. Man macht sich im allgemeinen auch nicht soviel draus, denn wenn hier Flecken in den Sachen sind, da sieht keiner weiter hin. Ich lege zwar keinen großen Wert auf solche Abzeichen. Vermeiden läßt sich das aber nicht immer, vor allem, wenn die Sachen langsam alt werden.  Ich hoffe, morgen in Kursk noch etwas Post zu erhalten, die andere ankommende wird mir dann auf dem Kurierwege nachgesandt werden.  Ich hoffe, daß dies dann immer noch verhältnismäßig schnell gehen wird, bis ich wieder in den Besitz von Post komme. Anderes habe ich heute nicht weiter zu berichten, denn auf Deine übrige Post gehe ich dann später wieder ein, denn eilige Sachen sind weiter nicht dabei. Herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Brief 301 vom 7. / 8.8.1942


Mein liebes Mädel !                                                           7.8.42   
   
Vielmals danke ich Dir für Deine beiden Briefe vom 23. und 24.7.  Ich muß feststellen, daß die Post im Verhältnis doch ziemlich schnell geht. Ich bedauere nur, daß die Post nicht durchkommt, die noch umgeleitet worden ist. Es fehlt dann immer das Zwischenstück. Wie das mit unserer Fahrerei war, hast du ja so ungefähr aus meinen Briefen gelesen. Daß das anfänglich erst ganz nett war, weil einem alles neu erschien, hatte ich Dir mitgeteilt. Als aber die unangenehmen Seiten dieser Fahrt sich mehr und mehr bemerkbar machten, hatte auch dies seinen Reiz verloren. Von Kursk, der sogenannten Großstadt, hatte ich nur den denkbar schlechtesten Eindruck, den ich jemals von einer Stadt gewinnen konnte. Viele kleine Negerhütten. Davon wieder viele zerstört.  Von den viele Luftangriffen, die dort immer noch erfolgen, fast alle Fensterscheiben zerstört. Die meisten Häuser in Unordnung und verdreckt. Einige Militär und Parteibauten stehen protzenhaft zwischen diesem Wirrwarr. Ich habe selten so etwas Uneinheitliches gesehen wir diese Stadt. Als wir die zielanzeigenden und abfallenden Straßen dieser Stadt mit unseren schwerbepackten Lastwagen durchfuhren, ist es mir doch etwas schwummrig geworden, denn ich hatte, trotz der vielen Hindernisse, die wir mit unserem alten Wagen überwunden hatten, doch einige Bedenken. Geschafft haben wir es doch, wenn auch unser Fahrer drei andere LKW gerammt hatte, weil er der Ansicht war, in der Stadt muß er einfach andere Kolonnen überholen, wenn die langsamer fahren als er. Die Soldaten haben ihn dann eines anderen belehrt und haben ihm dann noch eine runtergehauen. Das war sehr heilsam für ihn, denn dann fuhr er bedeutend besser und hat mir weniger Ärger gemacht wie vorher. Jetzt fahre ich dann ja die ganze Strecke in der gleichen Weise nur mit der Bahn. Günstig war nur, daß wir gutes Wetter haben, denn der eine Tag Regen hätte uns für längere Zeit festgehalten, weil dann die Straßen gesperrt werden. Es wird dadurch vielmehr zerstört, als was durch das Weiterfahren gutgemacht wird. Daß meine Vorschläge für die kleinen Ausreisen während des Besuchs von Erna mit Deinen Planungen übereinstimmen, freut mich.  Aus diesen kleinen Sachen sieht man doch immer wieder, wie wir mit unseren Meinungen noch harmonieren, obwohl wir schon so lange Zeit voneinander getrennt sind. Daß Du so eine gewisse Selbständigkeit erlangt hast, hat mich, wie ich Dir seinerzeit schrieb, wohl gewundert, doch auch eine Freude darüber konnte ich nicht verhehlen. Mache nur das so, wie Du es für richtig findest. Ich bin Dir gewiß nicht böse darum. Es freut mich auch immer wieder, wenn ich lese, daß Du ab und zu einen Film besuchst. Du brauchst in dieser Zeit immer einmal wieder Abwechslung, solange sich die Möglichkeit dazu bietet. Die Zeitung „Das Reich“ erhielt ich gestern auch noch und von der SA auch eine Zeitschrift. Daß sich Jörg auf seinen Geburtstag freute, kann ich mir vorstellen. Aber mit Helga wird es genau so sein. Daß Du Dir den Daumen einklemmst, war aber nicht notwendig. Daß zwei Päckchen mit Brot so gelitten haben, tut mir sehr leid. Aber bei den Lagerverhältnissen, die teilweise herrschen, muß man damit rechnen. Wenn Ihr von dem vorher Gesandten wenigstens einen Teil habt essen können, dann will ich schon zufrieden sein.  Wenn Du die Sache mit Alices Vater erwähnst, so kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, als würde Alice dort noch etwas wittern. Sie hat in dieser Beziehung so eine Ader wie Paula. Uns kann das ja gleich sein. Sie soll in dieser Beziehung tun, was sie für recht findet.
Es ist recht, daß Du so die Sachen etwas wegtust. Du kannst dann beruhigter weggehen, wenn Du etwas zu besorgen hast. Wenn Du Erna etwas an Deinem sonstigen Tageslauf teilnehmen läßt, hast Du ganz recht. Siegfried wird ihr das auch wahrscheinlich noch einmal besonders gesagt haben. Ich glaube dies jedenfalls aus seinem Brief herauszulesen. Du schreibst, ob wir zum Zeitpunkt Deines Schreibens schon an unserer neuen Unterkunft sind. Bis mich nun dieser Brief erreicht, muß ich mich schon wieder mit dem Gedanken herumtragen, wieder auf die Reise zu gehen. Man sieht daran doch wieder, wie lange die Postbeförderung geht. Du meinst also, daß Jörg Gefallen an meinem Geburtstagsbrief finden wird.  Das soll mir recht sein.  Gestern kam hier mit einem Zug ein Flüchtlingstransport an. Ich habe schon viele dieser Elendszüge gesehen. Auch auf der Landstraße waren diese eher noch trauriger.  Aber gestern war ich einmal eine ganze Zeit so nahe dabei. Es ist ja unbeschreiblich, wie groß das elend sein kann. Ich mache mir Vorstellung, wie wären diese Horden vielleicht mit uns umgegangen. Hätten sie vielleicht noch so viel Menschlichkeit besessen und wären so mit uns umgegangen, wie wir es trotzdem noch tun.  Wir können ihnen zwar nichts zu essen geben, aber wir bemühen uns, ihnen soweit als möglich anständig entgegenzukommen. Packt man sie dagegen zu weich an, dann werden sie unverschämt und frech. Bedauern muß ich nur die Kinder und die kleinen Kinder.  Kaum waren sie aus dem Zug heraus, dann fing schon das Organisieren an. Ein Teil hat sich gleich in die Umgegend verkrümelt. Die konnten nur durch abgegebene Schreckschüsse und dann persönlich zurückgehalten werden. Teilweise hatten sie sich schon über die Felder hergemacht, die aber auch fast nicht enthielten, weil im Frühjahr von den Bolschewisten hier nicht weitergemacht worden ist. Die ganze Nacht hat sich die ganze Horde auf freiem Feld aufgehalten. Doch schon gegen Morgen sind sie unruhig geworden und haben wieder an den umliegenden Hütten abgebrochen, daß man schon damit rechnen mußte, daß einem das eigene Haus über dem Kopf abgebrochen wird. Mit Zufriedenheit hat es mich erfüllt, daß dies bis jetzt immer von Euch abgehalten werden konnte, denn wenn ich mir vorstellen müßte, daß Ihr so von einem Ort zum anderen geschoben werdet, so wäre ich in großer Sorge. Ganz abgesehen davon, habt Ihr immer noch soviel zu essen, daß es Euch gerade reicht. Flüchtlingselend ist ein großes Elend, das habe ich hier wieder einmal feststellen müssen. Hier sieht das nun noch besonders kraß aus, bei diesen verlumpten Menschen.  Vor mir habe ich heute nichts weiter zu berichten. Ich hoffe Euch alle gesund.  Herzliche und viele Grüße sendet Euch verbunden mit vielen Küssen Dein Ernst.
An Alfred habe ich gestern noch geschrieben. Ein Brief liegt heute mit bei.



Mein liebes Mädel !                                                                8.8.42       

Schon wieder habe ich Post erhalten. Gestern erhielt ich Deinen Brief vom 13.7. Das ist der Anfang der umgeleiteten Post. Dann erhielt ich noch eine Flut Zeitungen. Ich fühlte mich anfänglich überschwemmt. Ich glaube aber, daß ich mich aber bald durchgelesen haben werde. Aber dann bekam ich noch einen Brief, den ich schon lange nicht mehr erwartet hatte. Gleich Anfang Mai hatte ich an den Hugo Michel in Nixdorf geschrieben, von dem ich gestern ebenfalls eine Antwort erhielt. Ich hatte mic ebenfalls sehr darüber gefreut. So wie Dein Vater gesagt hatte, daß dieser Mann bis werweißwieweit alles beieinander hätte, scheint mit nach dem Schreiben, was ich bekommen habe, nicht zu stimmen. Der Mann schreibt mir von einem Stammbaum, während ich mehr Wert auf die Sippen lege. Aber mir soll das ja gleich sein. Ich lasse Dir demnächst diesen Brief mit zugehen, vielleicht kannst Du mir außerdem gesandten Auszug einmal noch diese Zusammenstellung, wie sie seinerzeit Dein Onkle Kurt erhielt, kurz wieder geben.  Anhand dieser Unterlagen könnte ich mich dann eher mit diesem Mann unterhalten.  Über Deinen Brief habe ich mich wieder gefreut. Die Dinge, die Du über Helga und die Schule geschrieben hast, haben mich sehr interessiert. Ich sehe daraus, wie sie sich hält und wie sie mitmacht. Was nun vorteilhafter ist, sie in die Höhere oder in die Hauptschule zu schicken, wird sich herausstellen. Wenn das Lehrziel das gleiche ist, dann braucht man keine Höhere Schule mehr. Was die Kinder einmal machen werden, wenn sie soweit sind, kann man jetzt noch nicht ahnen. Ich sage mir aber, wenn sie es geistig verarbeiten können, bringen sie doch ein ziemliches Rüstzeug für ihr späteres Leben mit. Ich kann wiederum verstehen, daß es möglich ist, daß Schüler in der Höheren Schule angenommen werden, die die Hauptschule ablehnt. Ich denke, daß es gut sein wird, wenn Du Dir die Mühe nimmst und einmal mit dem neuen Lehrer sprichst, wenn sie in die andere Klasse kommt. Daß Resi immer solche Räubergeschichten auftischt, ist ja schon von früher her bekannt. hast Du sie einmal wieder getroffen. Ich hatte mich schon gewundert, als Du an Kurt schriebst, daß Fritz bei den Granatwerfern sei. Das Zeug ist ja für das Männchen viel zu schwer. Es ist schon besser, wenn sie ihn dann als Melder verwenden Daß Gerhard bei den Kämpfen am Don dabei war, hat mich ebenfalls interessiert. Es kann ja einmal sein, daß man ihn trifft, wenn man dort hinunterkommt. DAß er das Bedürfnis nach Wasser hat, ist mir vollkommen verständlich, denn auch bei uns ist dies hier ein Artikel, der sehr eingeteilt werden muß. Wenn Kurts Einheit im Raum von Moskau eingesetzt war, dann kann es sein, daß sie sich auch noch weiterhin im Mittelabschnitt befindet. Da wird wohl weniger die Möglichkeit bestehen, ihn einmal zu treffen.  Heute will ich Dir noch ein nettes Ereignis schildern, was sich so bei uns im Laufe der Zeit zugetragen hat, vor allem gestern.  Als wir unsere neue Bude bezogen, sagte unser dritter Genosse, der Ofen, der sich bei uns in der Behausung befindet, muß instandgesetzt werden, damit man sich auch einmal abends etwas zu essen zurecht machen könnte. Einen Ofensetzer haben wir nun vor einigen Tagen gefunden. Den haben wir gleich angestellt, damit das Ding in Ordnung kommt. Der Mann hat sich nun schlecht und recht die Mühe gegeben und hat ihn wieder zusammengebaut. Dreck gibt es ja hier überall. Als der Mann soweit war, hatte er noch einige Steine übrig, aber ich dachte mir, das schadet nichts, dann wird er besser stehen. Ja Kuchen. Der Mann sagte, man muß erst einen Stein herausnehmen, ehe man ihn anheizt, damit der Luftzug richtig geht. Gestern Mittag fängt nun unser Kamerad an zu erzählen, wir könnten eigentlich uns Kartoffeln besorgen und rohe Plätz machen. Ich wollte nicht dümmer erscheinen, wie ich schon bin und sagte nichts dazu. Bald fing er davon wieder an und sagte, daß man da ein paar Eier darüber schlagen würde, dann schmecken sie besser. Ich wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen und antwortete nur mit ja. Mit der Zeit setzte er nun auseinander, was man alles dazu gebrauchen würde, bis die rohen Plätze richtig sind. Ich ließ ihn ruhig gewähren, wußte aber immer noch nicht, was er eigentlich mit diesen Dingern meinte. Obwohl er aus Thüringen stammt, konnte ich mir nicht erklären, was er wollte.  Als er dann erzählte, daß er ein Reibeisen braucht und die Kartoffeln reiben würde und das Ganze dann braten, dann ging mir langsam ein Licht auf. Bei uns sagt man dazu rohe Kartoffelpuffer. So klein ist Deutschland an Ausdehnung, aber sprachlich gehen die Menschen oft aneinander vorbei. Ich erhielt den Auftrag für das Feuer zu sorgen. Ich ließ mich nochmals in die Geheimnisse einweihen und fing dann an. Erst den Stein am Ofen herausnehmen. Papier angezündet. Schön alles durchziehen lassen. Froh darüber, daß das schon soweit geklappt hat, will ich mein Glück weiter versuchen. Also Papier und schönes ausgetrocknetes Holz hineingelegt. Angezündet. Ich denke, für den Anfang ist das nicht so schlimm, wenn es etwas qualmt, der Rauch wird mit der Zeit schon seinen richtigen Abzug finden. Je mehr ich aber feuerte, desto fester entwickelte sich der Qualm. Es war bald nicht mehr zum Aushalten so gingen uns die Augen über. Weil nebenan noch ein anderer Ofen war, haben wir den auch noch versucht, das allerdings war noch verheerender. Das zweite Feuer haben wir nach diesem misslungenen Versuch bald wieder ausgehen lassen. Inzwischen briet unser Puffer und briet. Es war eine wahre Freude, das mit anzusehen. Doch vor Rauch war fast nicht mehr zu sehen. Von Heizen konnte keine Rede sein. Aus ein Ausflug auf das Dach, ob der Schornstein in Ordnung war, war von keinem Erfolg gekrönt. Der Ofen qualmte und qualmte und der Puffer wurde nicht braun aber schön ausgetrocknet. Wir hatten schon die Absicht, im Freien ein Feuer zu machen, damit das ganze Zeug was wir uns zubereitet hatten, nicht kaputt geht. Denn Kartoffeln sind hier rar. Unsereneigenen Garten, den wir vor dem Haus haben, müssen wir immer streng bewachen, denn dort befinden sich Kartoffeln drin, die die Zivilbevölkerung sich vor uns angepflanzt hatte.  Sie haben zwar noch geblüht, aber ernten müssen wir sie schon, denn sonst bekommen wir nichts. Aber nun wieder zu unserem Ofen.  Denke nur nicht, daß das so weite gegangen ist. Wir haben es tatsächlich herausgebracht, daß er nicht mehr so raucht und daß er sogar Pfannen heizte. Wir haben das Feuer obern aus dem Loch hinausschlagen lassen, wo sonst die Ringe darauf liegen. Haben ein paar Steine neben das Loch gelegt und haben dann feste eingeheizt. Es qualmte zwar auch noch, aber es heizte wenigstens. Auf diese Weise haben wir dann unsere Plätze oder besser Puffer doch noch fertig gebracht. Die Kameraden sagten, das müßten unsere Frauen sehen, wie wir uns hier behelfen. Sie würden womöglich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber eins muß man hier haben, Geduld. Heute früh kam nun unser Ofensetzer wieder , den wir uns gleich geschnappt haben. Er meinte „karosch“, während wir behaupteten „ne karosch“, das soll gut und nicht gut heißen. Mit dem Feuermachen fing er das gleiche an wie ich auch. Erst Stein herausnehmen, anmachen, oben anmachen usw. Am Ende mußten wir feststellen, daß er genau so wenig konnte wie wir, obwohl er lachend von sich behauptete „Spezialiste“ und erklärte, daß sich der Ofen nur erwärmen müßte, dann ginge er. Ja gequalmt hat er genau wie bei uns auch. So geht es uns hier in Rußland.  Für heute genug damit. Ich grüße und küsse Dich und die Kinder und sende Euch allen recht herzliche Küsse. Dein Ernst.