Sonntag, 30. Juli 2017

Brief 297 vom 30./31.7.1942


Meine liebe Annie !                                                                     30.7.42   
   
Seit wir hier sind, bin ich schon dreimal umgezogen. Das vierte Mal steht schon wieder in Aussicht. Diese ewige Umzieherei wird einem mit der Zeit unangenehm. Bei diesen komischen Verhältnissen, die hier herrschen, braucht man sich eigentlich über nichts mehr wundern. Obwohl die Möglichkeiten für das Unterkommen größerer Einheiten sehr gering ist, stehen anscheinend doch immer noch zu viele Häuser da, um innerhalb kurzer Zeit diese dauernden Änderungen vorzunehmen. Ab heute ist nun bei uns offiziell der schriftliche Betrieb aufgenommen worden. Es ist aber so rege, daß man nicht weiß, was man machen soll. Die meisten Kameraden schreiben Briefe nach hause, damit sie überhaupt eine Beschäftigung haben. Auf die Dauer ist das natürlich kein Zustand. Ich für mein Teil bin jedenfalls nicht damit zufrieden. Ich muß ein Tätigkeitsgebiet haben, damit ich weiß, weshalb ich hier bin. Ich kann es nicht so machen, daß ich tagelang herumsitze und nicht zu tun habe. Nur mit Briefeschreiben kann man den Tag nicht allein herumbringen. Ich bin auch, seit ich mich hier befinde, nicht in der richtigen Stimmung dazu. Es trägt auch vieles dazu bei, einem das Leben hier ungemütlicher zu machen, wie es notwendig ist.  Wenn die Möglichkeit besteht, werde ich versuchen, auch wieder zu meinem alten Chef zurückzukommen. Sollte das nicht durchführbar sein, dann muß ich mich vorerst mit dem abfinden, was hier gespielt wird.  Wenn alles geklappt hat, dann ist ja Erna gegenwärtig bei Dir. Ich bin gespannt, was sie Dir von Leipzig zu berichten hat. Ich für meinen Teil werde wohl nicht mehr viel Sache machen. Es kann ja sein, daß mit der Post, die noch aussteht, neue Nachrichten eintreffen. Ganz auf die Haltung Deines Vaters wird es ankommen, wie er sich verhält und wie er sich anstellt. Ich werde mich entsprechend einzurichten wissen. Die ganzen Tage habe ich wenig Zeit gehabt, darüber nachzudenken und ich kann Dir auch sagen, daß ich darüber froh war, denn das, was ich in der vergangenen Zeit wieder erlebt habe, hat mir wieder einmal für einige Zeit gelangt. Du mußt nicht etwas denken, daß es Dinge sind, die mich rein persönlich betreffen, oder daß ich persönlich angegriffen wurde, sondern es sind Dinge allgemeiner Natur, die einem aber allen Anlaß geben, sich darüber seine besondere Meinung zu bilden.  Nächste Woche hat unser Junge nun seinen Geburtstag. Die Jahre vergehen und man kommt dann später einmal wieder heim, und die Kinder sind groß. Wie viel versäumt man in den Entwicklungsjahren. Man kann fast sagen, daß man mit die schönste Zeit seines Lebens im Krieg zugebracht hat. Hoffen wir, daß wir alle alles gesund überstehen und noch verschiedene Jahre miteinander zusammen sein würden. Ich denke, daß man dann diesen Zustand, wie er jetzt herrscht, schneller überwindet. Die Anstrengungen und die unangenehmen Sachen wird man dann eher vergessen. Ich weiß wohl, daß es jetzt nicht anders geht, aber das Landsknechtleben bekommt man auf die Dauer so satt. Abgesehen davon, hat man schließlich noch eine Familie, die Rechte gegen einen hat.  Von hier kann und will ich Dir nicht viel berichten.  Wie Du aus meinen vorhergehenden Briefen gelesen hast, ist hier so wenige Angenehmes. Ich will Dir gern etwas zuversichtliche Briefe schreiben und Dir nicht nur etwas vorjammern, aber ich habe keine Post von Dir, auf die ich eingehen könnte. Ganz belanglose Sachen möchte ich nicht schreiben und nur Erfreuliches berichten will ich auch nicht, denn wenn es hier auch nicht gerade schön ist, so kann man es im Kreis von Kameraden immer noch ertragen.  Ich hoffe, daß Du durch die Veränderung nicht allzu lange hast auf Post warten müssen. Ich hatte zwar einige Tage nicht schreiben können, doch ich denke, daß ich jetzt wieder regelmäßig schreiben kann. Auf den Abend kann man sich hier nicht einrichten, denn bald ist es im Zimmer dunkel. Wenn man sich noch eine Weile ins Freie setzt, kann man gerade noch bis ½ 9 Uhr lesen, dann ist es aber für uns schon Schlafenszeit. Herzliche Grüße und wiederum viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.
Urlaubskarten gibt es zwar nicht, aber wenn man sich eine Fahrkarte nach Kursk besorgt, wie sie beiliegt, müßte man einmal versuchen, ob man weiter damit kommt.
 
Mein liebes Mädel !                                                         31.7.42       

Von etwas soll ich Dir heute berichten. Von unserer Sommervilla „Luftig“? Also wie ich Dir schon öfter mitgeteilt hatte, sind wir mit Fensterscheiben sehr sparsam umgegangen. Dafür haben wir uns mit Sperrholzplatten versehen. Die Zimmer waren uns etwas dunkel, weil wir fast mitten im Wals stehen. Wals ist vielleicht etwas übertrieben, aber 20 Bäume stehen etwa vor unserem Haus. Gestern Abend war es gegen 7 Uhr schon so dunkel, daß man kaum mehr richtig essen konnte. Wenn man durch die jahrelange Gewöhnung nicht wüßte, wo der Mund ist, hätten wir das Essen einstellen müssen. Das war also ein Glück, daß man sich nun schon daran gewöhnt hatte. Aber immerhin, wir haben uns gesagt, es ist doch besser, wir schaffen etwas Licht und haben uns darüber hergemacht, einen Baum umzulegen. Das sah erst leichter aus, als es getan war. Damit der Baum auch richtig fällt, wollten wir fachmännisch  zu Werke gehen. Das notwendige Handwerkszeug war zwar nicht vollständig, aber mit einem Beil kann man doch schon allerhand anfangen. Das Werk schritt auch erst ganz gut fort, nur nahm es einen anderen Verlauf, wie wir es uns vorgestellt hatten.  Erstens war der Baum doch an der verkehrten Seite eingeschlagen, und dann drückte ein starker Wind in die Krone des Baumes, so daß der erwartete Erfolg ausblieb. Als seine Zeit gekommen war, fiel der Baum nicht zwischen den anderen Bäumen durch, sondern auf unser Hausdache. Erst hatte ich gedacht, das Haus sei beschädigt.  Du mußt nicht denken, daß hier die Sachen so zivil sind wie bei uns in Deutschland. Ich kann Dir nur noch sagen, daß wir schließlich mit vieler Mühe den Baum, der sich so stark an unser Haus anlehnte, doch noch zum Umfallen bewegen konnten. Wäre uns das nicht gelungen, so wären wir sicher ins Narrenblatt gekommen. Das haben wir schließlich noch abgewendet und unsere Ehre ist wieder makellos und rein. Heute muß aber noch einer fallen. Ich hoffe, daß uns das Glück oder besser gesagt unser Geschick gnädiger ist wie gestern. Wenn man hier keine Arbeit hat, dann muß man sich eben welche machen.  Gestern hatte ich noch an Nannie geschrieben. Vorgestern an den Tommi und an Wittenburg. Von dem letzteren habe ich noch keine Nachricht überhaupt erhalten, ich weiß nicht, was da eigentlich los ist. Annehmen muß ich, daß die Einheit noch an ihrem Platz ist, denn ein Schreiben, das von hier an die Zahlmeisterei ging, kam dieser Tage beantwortet zurück. Heute will ich noch an Siegfried schreiben. Durchschläge kann ich Dir nicht senden, weil ich augenblicklich keine Maschine hier zur Verfügung habe. Ich schreibe nur ganz kurz, damit sie weiß, wo ich jetzt stecke. An Deinen Vater schreibe ich nicht eher, bis ich von ihm wieder Nachricht bekomme, weil ich erst sehen will, wie er sich zu allem einstellt. Ich hoffe, daß morgen mit unserem Restkommando aus Mirgorod noch die inzwischen aufgelaufene Post eintrifft. Hoffentlich läuft sie dann bald bei unserem neuen Postamt ein, damit wir wieder laufend versorgt werden.  Zu schreiben wüßte ich heute nichts besonderes weiter. Ich bitte Dich darum, schließen zu dürfen. Nimm recht viele Grüße und Küsse entgegen von Deinem oft an Dich und die Kinder denkenden Ernst.
Eine Luftpostmarke für Deinen Gebrauch sende ich Dir heute noch mit zu.


Brief 296 vom 28./29.7.1942


Mein liebes Mädel !                                                      28.7.42  
     
So langsam beginnt unsere Einrichtung Gesicht zu bekommen. Wenn sie auch mit dem , was wir vorher hatten , nicht verglichen werden kann, freut man sich doch um jeden Schritt, den man vorwärts kommt. Gestern habe ich mir mit einem Kameraden ein Bett zusammengezimmert, heute wollen wir uns Heu oder Stroh besorgen, damit man nicht so hart liegt. Jetzt bin ich doch wenigstens erst einmal vom Fußboden weg. Man fühlt sich immer so unsauber, solange man sich nicht richtig waschen kann und die Wäsche nicht vom Leib herunterbekommt, fühlt man sich immer nur als halber Mensch.  Es wird zwar noch viele Mühe kosten, bis wir es einigermaßen so eingerichtet haben daß es etwas wohnlich ist. Ich glaube, man wird sich erst nicht mehr richtig hineinfinden, wenn man wieder einmal in ordentliche Verhältnisse kommt. Es wird einem alles fremd erscheinen, doch darüber werde ich mir wohl wenig Sorgen machen brauchen, denn das Wort Urlaub steht in weiter Ferne. Wenn ich zwar höre, sind die Verhältnisse bei Euch in der Heimat auch nicht mehr rosig und die Stimmung sei nicht gerade glänzend. Ich kann mir denken, daß die Ernährungslage nicht gut ist, aber ich würde gern meinen Platz hier hergeben, wenn ist sonst meine Ordnung daheim hätte. Ich gebe zu, daß unsere Verpflegung auch nach dem Wechsel immer noch als gut bis jetzt angesprochen werden kann. Aber die meisten Kameraden und ich auch würden gern auf sie verzichten, wenn das Leben sich etwas leichter gestalten ließe.  Man findet sich wohl damit ab und hofft auf eine Änderung. Doch wenn wir uns hier auf den Winter einrichten sollen, dann wäre die Aussicht auf eine Änderung sehr gering. Wenn wir erst wieder Licht und etwas Radio im Bau hätten, dann ginge es schon. Aber so muß man sich bei Einbruch der Nacht ins Bett legen, denn bei Kerzenbeleuchtung kann man nicht gut Briefe schreiben oder lesen.  Man spürt bald die Augen und das hat keinen Wert. Solange wir aber mit unserer Einrichtung zu tun haben, sind wir froh, wenn wir uns in die Falle legen können. Später wird man sich wohl wieder mehr aufs Lesen verlegen, damit man sich in der Freizeit etwas ablenkt. Wie ich schon schrieb, ist man von der Außenwelt ziemlich abgetrennt, und man muß sich mehr oder weniger auf das beschränken, was man von den hier durchfahrenden Kameraden erfährt, die entweder von der Front kommen oder die von der Heimat wieder zur Front wollen. Du brauchst Dir aber um mich keine Sorge zu machen, ich denke, wenn ich mich hier eingewöhnt habe, daß es dann auch wieder erträglich ist.  Wenn hier wieder Feldpostpäckchen angenommen werden, habe ich verschiedene Kleinigkeiten, die ich Euch mit zugehen lassen kann. Vorerst muß ich sie aber noch aufheben. Heute grüße und küsse ich Euch alle, Ihr Lieben und hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Dein Ernst.

Meine liebe Frau !                                                                     29.7.42      

Tag um Tag vergeht und wir sind schon wieder eine Woche hier in diesem elenden Nest. In dieser Nacht hatte ich wieder Wache.  Ortsstreife. Es läßt sich nicht vermeiden, solange unsere Einheit so schwach besetzt ist. Ich denke, daß wir im Laufe einer Woche vollständig sein werden. Bis jetzt haben wir noch trockenes Wetter gehabt, wenn es aber einmal regnet, dann wird es ungemütlich werden bei diesen Wegeverhältnissen. In den Straßen sind Schlaglöcher, das sind die reinsten Schützenlöcher, in denen man in Deckung gehen kann. Mit Hilfe der Einwohner werden die Straßen in Ordnung gebracht werden. Männer sind keine vorhanden. Höchstens Jungens oder ganz alte Männer, die zum Kriegsdienst nicht mehr tauglich sind. So wird man sich hauptsächlich auf die Frauen beschränken müssen. Die waren hier auch erst beim Eisenbahnbau eingesetzt. Man wundert sich, daß es bei den primitiven Werkzeugen, die diese Leute mitbringen, noch vorwärts geht. Das Wichtigste ist der Spaten. Mit dem wird alles gemacht. Damit wurde bei der Eisenbahn das Bett für die Schienen geschaufelt, bei uns wurde der Hof eingeebnet. Unkraut beseitigt und die Räume, die voller Schutt waren, wieder soweit hergerichtet, daß man erst einmal die Dielen sah. Besen kennt man hier offenbar nicht. Von dem hochgewachsenen Unkraut, wie Beifuß oder Kamille, wird ein ordentlicher Strauß gemacht und damit wird ausgekehrt. Ich habe mir schon Gedanken gemacht, wie das im Winter wird, wenn das Unkraut nicht mehr wächst. Wenn wir tatsächlich im kommenden Winter noch hier sein müssen, dann werde ich es ja erleben. Ich bin zwar nicht so neugierig und würde gern  auf diese Wissen verzichten. So wie man allgemein erzählt und wie es auch in der Heimat bekannt ist, soll ja der Winkel hier bei Woronesch bleiben. Die Operationen sollen wahrscheinlich erst im Südabschnitt abgeschlossen werden. Wenn dem so sein sollte, dann können wir schwer mit einer Ablösung hier rechnen. Es wird aber auch am besten sei, wenn wir wieder abwarten, denn wir leicht kann es anders kommen. Unsere Einrichtung zeigt langsam aber stetig Front. Ich fürchte, daß es passieren kann, daß wir auch, wenn wir alle, oder besser gesagt, das schlimmste beseitigt haben, wieder wegkommen. Gestern haben wir Heu gemacht, damit wir endlich einmal ein anderes Lager bekamen. Wir haben einen Wagen losgeschickt, der uns Gras geholt hat. Das muß man hier alles selbst in die Wege leiten, denn sonst würde dieser Zustand noch wochenlang so fortgesetzt. Das haben wir am Tage ein paarmal gewendet und jetzt dient es uns als Unterlage. Seit unserer Versetzung habe ich jetzt das erste Mal wieder richtig geschlafen. Bisher waren einem die Glieder wie zerschlagen. Alle Knochen taten einem weh. Es ist doch ein anderes Gefühl, wenn man wieder ausgeruht ist. Seit unserer Abreise habe ich auch das erste Mal wieder die Uniform ausziehen können. Das war auch eine Wohltat. Das war vorher nicht möglich, weil man sonst gefroren hätte. Man kommt sich ja vor wie ein Schwein, wenn man die Sachen nicht mehr vom Leib herunterbekommt. Ich vergesse nicht, daß es wohl den meisten Kameraden so geht, die im direkten Einsatz stehen. Bei uns ist es aber doch so, daß wir uns für längere Zeit an einem Ort einrichten müssen und arbeiten sollen. In diesem Punkte unterscheiden wir uns eben wesentlich. Ich will dabei schon ganz und gar vergessen haben, wie es die Kameraden im Westen haben. Wir sind ja nun wieder so weit beim Kampfgebiet, daß wir jetzt wieder für berechtigt angesehen werden, Frontzulage zu empfangen. Du brauchst aber deshalb keine Angst zu haben, dadß wir , abgesehen von den Dingen, die ich Dir bis jetzt geschildert habe, mehr vom Krieg merken wie bisher. Wenn ich ehrlich sein soll, dann kann ich sagen, daß mir das zwar schon reicht. Was nutzt aber das ganze Geld, wenn man zwar gesund ist, aber wenig Aussicht hat, wenigstens einmal in Urlaub zu kommen. Ich weiß nicht, ob man auf ein größeres Wunder warten soll, oder ob man realistisch weiterdenken soll.  Recht herzliche und viele Grüße sende ich Dir und den Kindern. Bleibt mir gesund und nimm besonders herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Dienstag, 25. Juli 2017

Brief 295 vom 25./26./27.7.1942


Meine liebe gute Annie !                                                    25. 7. 42 
        
Ich bin wahrhaftig nicht dazu gekommen, Dir eher wieder zu schreiben, denn in den letzten Tagen sind wir so in Anspruch genommen worden, daß ich erst heute wieder mich hinsetzen kann, Dir unsere veränderte Lage zu schildern.  Heute vor einer Woche sind wir in Mirgorod weggefahren. Am Abend vorher hatte und das Soldatenheim einen Abschiedsabend bereitet, der sehr schön aufgezogen worden war. Es gab belegte Brote in ausreichender  Menge, dazu schwarzen Tee, hinterher Wodka und später Kaffee und Kuchen.  Es war alles sehr nett gemacht, so daß man das als einen schönen Abschluß in diesem Ort betrachten konnte. Am folgenden Morgen war 4 Uhr Wecken und um 5 Uhr mußte alles marschbereit stehen. Unser Gepäck hatten wir ja schon vorbereitet, so daß von uns aus alles planmäßig klappte. Unsere Karawane setzte sich zusammen aus 5 PKW , 4 Krafträder und 5 LKW. Es war immerhin ein ganz ansehnlicher Zug. Die Bevölkerung stand trotz der frühen Morgenstunde an der Straße und brachte uns Blumensträuße und winkte uns zum Abschied.  Ich war verwundert, daß die Leute sich dazu hergefunden hatten.  Man kann dafür betrachten, daß wir unsere Sache dort ordentlich gemacht hatten.  Wir sind dann mit unserem Tross losgezogen. Die Wege, die uns schon anfänglich so schlecht erschienen, weil die schwer beladenen Wagen nur so durch die Gegend schaukelten, gingen immerhin noch. Ich saß in einem erbeuteten russischen Lastkraftwagen, der für 3 ½ t berechnet war. Ich glaube, daß aber ziemlich mehr darauf war. Teilweise sind wir mit mehr oder weniger großen Pannen durch die Gegend gezockelt. Man glaubt ja nicht, wie weit das russische Land ist. Bis zur Ankunft in diesem elenden Kaff haben wir rund 500 km zurückgelegt. Erst den Rest, der uns noch in der Ukraine blieb bis wir ins eigentliche Rußland hineinkamen. 

Meine liebe Frau !                                                               26.7.42 

Es tut mir leid, daß ich gestern nicht fertig schreiben konnte, aber bei dem Betrieb, der jetzt hier herrscht, war es mir gänzlich unmöglich, fertig zu schreiben. Ich hatte erst die Absicht, Dir unsere Fahrt zu beschreiben, aber ich glaube nicht, daß ich gleich alles vollständig schreiben kann, darum möchte ich erst vom Gegenwärtigen berichten, damit dieser Brief wieder weggehen kann.  Wir kamen hierher und fanden alles zerstört vor. Dächer abgedeckt.  die Fensterscheiben kaputt, zum Teil die Fensterrahmen herausgerissen, die Zimmer ohne Putz, der Schutt in den Zimmern, die wir bewohnen, soll teilweise eine halben Meter hoch sein. Ein Bild, nicht zu beschreiben. Unsere erste Notunterkunft war mehr als primitiv. Wir haben schon auf unserer Herfahrtgemerkt, daß es mit der Kultur immer mehr nachgelassen hat. Dies vor allem in Bezug auf die Unterkunft. Einmal bekamen wir wohl Matratzen, doch ohne irgendwelche Unterlage, das andere Mal kamen wir in einem sogenannten russischen Hotel unter. Da gab es sogar noch einen Strohsack, aber dann hörte es auf. die anderen Male wurde uns Heu aufgeschüttet und dann fanden wir das letzte Mal in einem Speicher einer Güterhalle noch etwas Stroh. Hier aber finden wir nichts, aber auch rein gar nichts vor. Hier legten wir unsere Zeltbahn unter, die Decke diente uns dazu, daß wir nichtgerade frieren sollten. Die Sachen haben wir aber seit unserer Abfahrt bis heute noch nicht vom Körper herunterbekommen, weil wir es in der Nacht nicht aushalten würden. Inzwischen haben wir eine Notunterkunft bezogen, weil in der ersten Büroräume a eingerichtet worden sind. Gestern nacht hat es nun geregnet. Ich kann Dir sagen, mitten im Schlaf hörte ich immer ein Klatschen bis ich richtig munter wurde, merkte ich, daß es frisch auf meine Decke tropfte, so daß ich schleunigst das Feld räumen mußte. Bis jetzt liegen wir immer noch auf den Dielen. Die Knochen liegen sich schon ganz und gar durch. Nachts weiß man nicht, wie und wo man sich legen soll. An Ausruhen ist nicht zu denken. Zu allem kommt noch, daß wir hier Abbruch und Aufräumungsarbeiten durchführen müssen, damit wir uns das Notwendigste an Einrichtungsgegenständen für unsere Arbeitsräume schaffen können, denn es ist überhaupt nichts vorhanden. Aus einer Apotheke haben wir einen Ladentisch ausgeräumt. Sämtliche Kästen und die Platten fehlten.  Jetzt haben wir diese Tische auseinandergesägt, das gibt fünf Schreibtische. Tischplatten sollen wieder wo anders hergenommen werden. Aus einer Druckerei haben wir von Setzkästen einige Platten herausgeholt, die werden dazu verwendet werden, soweit sie dazu ausreichen. Stühle sind keine vorhanden. In der ganzen Umgegend wird alles unsicher gemacht und jedes Haus, das nicht bewohnt ist und wo etwas Brauchbares zu finden ist, wird organisiert. Früher habe ich immer über die Franzosen gelacht oder besser gesagt vermaledeit, wenn sie sich aus altem Gerümpel und aus der Asche noch einigermaßen verwertbare Sachen herausgefischt hatten. Hier sind wir direkt auf eine derartige Arbeitsweise angewiesen, denn sonst müßten wir auf dem Fußboden weiter hausen.  Fensterscheiben sind weit und breit keine aufzutreiben. Aus einem Magazin haben wir sämtliche Sperrholzplatten, mit denen dieser Laden verkleidet war, herausgerissen, damit wir etwas vor die Fenster bekommen haben, damit es nicht ga zu sehr zieht. Von dem Dreck, der hinter diesen Platten war, will ich nicht erst viel reden. Sagen kann ich aber noch, daß wir hinterher wie die Schweine ausgesehen haben. Wenn ich von Laden usw. schreibe, so mußt Du dies nicht mit deutschen Maßstäben betrachten. Wenn wir bei uns solche Läden eröffnen wollten, so würde die Gewerbepolizei dies schon in der nächsten Stunde schließen. In der Ukraine war es schon trostlos, aber die Zustände, wie sie hier herrschen, sind schon nicht mehr zu beschreiben. Dort hatte ich immer gemeint, daß unsere Propaganda etwas übertreibt, denn immerhin ließ es sich dort noch leben. Hier haben wir aber erst die richtigen paradiesischen Verhältnisse angetroffen. Unser Dolmetscher sagte zwar, daß diese Gegend schon in der Zarenzeit keinen guten Ruf hatte. Da kannst Du erst ermessen, wie es sich jetzt hier „verbessert „ hat. Wie ich Dir schon schrieb, liegt dieses Kaff zwischen Woronesch und Kursk. Auf der einen Landkarte, die ich hier habe, ist Schgry verzeichnet. Bis dorthin kann man mit der Bahn in wenigen Stunden sein. Das ist also der nächste größere Ort. Was ich hier vom Dienst geschrieben habe, so besteht er in erster Linie erst einmal im Aufräumen und Zusammenbasteln. In Deutschland würde sich keiner in ein derartig eingerichtetes Büro setzen, aber hier muß es gehen. Wie uns zu unserem Trost schon gesagt wurde, sollen wir uns auf den Winter hier einrichten. Das sind nette Aussichten. Vorgestern Nacht mußte ich mit Wache schieben. Das ist ja weniger angenehm, aber dei den wenigen Leuten läßt sich das nicht ganz vermeiden. Da bin ich auch die halbe Nacht draußen rumgestiegen. Tagsüber haben wir dann ½ 6 Uhr wecken, 7 Uhr Antreten zum Befehlsempfang, dann geht der Dienst bis mittags ein Uhr und um drei Uhr fangen wir wieder an.  6 Uhr ist dann der Dienst beendet. Du kannst Dir vorstellen, daß das ziemlich reichlich ist. Das geht wieder Wochen wie Sonntag.  Zum Schreiben konnte ich dabei noch nicht viel kommen, denn nach dem Dienst müssen wir dann unseren Kram zusammensuchen, den wir für uns brauchen. Ich denke aber, daß wir in wenigen Tagen das Gröbste geschafft haben. Dann komme ich auch wieder mehr zum Schreiben wie bisher.  Trotz aller Strapazen verlieren wir , wie ich Dir schon schrieb, den Humor nicht. Unsere Kommandantur befindet sich direkt am Bahnhof, so daß schon festgestellt wurde, daß wir wahrscheinlich die einzige Kommandantur mit Gleisanschluß seien. Daß wir keine Fenster in unserem Zimmer besitzen, hat auch seine Vorteile, man braucht nicht erst aufzumachen und hat dauernd frische Luft. Wenn einem etwas im Wege ist, wirft man es zum Fenster hinaus, denn im Hof ist noch mehr Unrat. Als Kameraden an unserem Zimmer vorbeikamen, haben wir ihnen anfänglich hinterhergerufen, sie sollten doch einmal die Türe zumachen. Die haben erst gesucht, fanden aber dann, daß sich keine mehr daran befindet. Daß sich unsere Herren Offiziere erst mit Betten, also mit Matratzen eingedeckt haben, hat für diese Herren auch so manche Freude mit sich gebracht. Als ich neulich Dienst hatte, konnte ich beobachten, wie einer nach dem anderen in seinem Zimmer Licht machte, um die kleinen niedlichen Maikäfer zu suchen, die sich mit diesen Bettgestellen gleichzeitig angeheuert hatten. Lieber will ich auf dem blanken Fußboden schlafen, als mich mit diesem Viehzeug herumzuärgern. Mir wäre diese Sache nicht gleich eingefallen, aber auf meinem Schreibtisch bemüht sich krampfhaft eine Wanze, wieder auf die Beine zu kommen.  Solche und ähnliche nette Geschichten könnte ich noch massenhaft erzählen, doch das werde ich nach und nach tun. Für heute möchte ich abschließen, damit endlich dieser Brief herauskommt. Sei Du mein liebes Mädel recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt. Ich will versuchen, nun wieder regelmäßig zu schreiben. Nochmals viele Küsse von Deinem Ernst.

Mein liebes Mädel !                                                                27.7.42        
 
Gestern hatte ich Dir einen langen Brief geschrieben, hatte aber nicht bemerkt, daß ich noch eine Luftpostmarke habe. Ich will daher diesen Brief möglichst beschleunigen, damit Du nicht zu lange auf Nachricht warten mußt.  Unser Dienst erstreckt sich immer noch im wesentlichen, wie ich Dir gestern schon mitteilte, mit Abreißen uns Zusammensetzen und Aufbau. Nebenher machen sich schon leise Anzeichen bemerkbar, was es hier zu tun gibt. Es wird nach und nach hier sich einspielen. Vorgestern haben wir einen Partisanen erschossen. Der wurde bei uns eingeliefert und sollte zur Vernehmung am nächsten Tage in Gewahrsam genommen werden. Bei der Überführung in das Gewahrsam sollte er uns durch die Lappen gehen. Verschiedene Schüsse, die ihm hinterhergejagt wurden, verletzten ihn wohl leicht, aber doch nicht so, daß er nicht mehr weiter konnte. Ein Kamerad, der Wache hatte, hat dann mit dem Gewehr im den Rest gegeben. Am nächsten Morgen habe ich ihn mir angesehen. Das geht hier schnell bis jemand umgelegt ist. Ein Jude wurde auch schon eingeliefert. Wahrscheinlich wird es hier nicht viel Juden geben, wie in den Gebieten vorher. Dort sind ja alle „umgesiedelt „ worden. Es kann ja sein, daß diese Brüder den Braten gerochen haben und gleich mit getürmt sind. Aber wenn wir schon aufräumen, dann müssen wir gleich gründlich sauber machen, denn sonst hat es keinen Zweck. Es mag wohl sein, daß wir jetzt erst die Kleinen erwischen, aber die Großen bleiben uns immer noch sicher.  Was sonst noch in der großen Welt passiert, erfahren wir kaum, denn wir sind sozusagen von der Außenwelt abgeschnitten. Radio habe ich schon seit bald 14 Tagen nicht mehr gehört. Wir sehen nur, wie in rauen Mengen die Flieger von früh bis spät in der Nacht über uns wegrauschen. Ab und zu verirrt sich einmal russischer Aufklärer. Vielleicht läßt er auch einmal einige kleine Bomben fallen, das bringt uns aber nicht aus dem Gleichgewicht. Höchstens die Arbeitskräfte suchen sofort das Weite, wenn es auch nur annähernd dein Anschein hat, als könnte es ein Russe sein. Daß die Leute vor den Fliegern Respekt haben, ist mir ja erklärlich, denn wenn ich bedenke, daß allein im Umkreis von 50 m bei unserer Unterkunft etwa 20 Bomben gefallen sind, da kann ich mir vorstellen, wie das gerappelt haben mag.  Gestern hatte ich mich geärgert. Da ist ein Leichtkrankenzug hier durchgefahren, Ich erfuhr dies aber erst, als er gerade wegfuhr.  Es ist nicht ausgeschlossen, daß Siegfried damit gefahren ist. Ich hätte mich wenigstens danach erkundigen können. Mit dem Datum bin ich seit unserer Abreise ganz durcheinander. Heute habe ich es auch verschrieben. Für die Briefe von Dir und von Helga, die ich vor unserer Weiterfahrt noch erhielt, danke ich Dir nochmals. Es hat mich sehr gefreut, daß die Kinder so brav waren, als Du im Kino Dir den Film „Dorf im roten Sturm“ angesehen hattest. Diesen Film hatte ich ja in Frankreich gesehen, in finde, daß er sehr packend war. Daß Dir die Kinder aber diese Überraschung bereitet hatten. Ich kann mir vorstellen, wie das die Kinder nett gemacht hatten. Daß sie sich schon so dichterisch betätigen, finde ich sehr lieb von ihnen.  Daß das nicht so einerlei ist, wenn man einige Tage keine Post bekommt, das weiß ich nur zu gut. Gegenwärtig werde ich von allem hier noch so in Anspruch genommen, daß ich gerade froh bin, wenn ich abends mich hinlegen kann. Wenn ich nicht so sehr müde wäre, könnte ich bei dem Lager kaum schlafen.  So merkt man erst das gegen morgen, wie hart und unbequem es ist.  Froh bin ich nur, daß ich bis jetzt noch vom Ungeziefer verschont worden bin. Ich hatte zwar vor einigen Tagen schon Bedenken, daß ich vielleicht Läuse aufgegabelt hätte, zu meiner Beruhigung war dies aber nicht der Fall. Ich würde mich höchst unglücklich fühlen mit Ungeziefer.  Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und bitte Dich recht viele Küsse entgegenzunehmen von Deinem Ernst.

Brief 294 vom 19./22.7.1942


Mein liebes Mädel !                                                           19.7.42    
Gestern zu schreiben  war mir nicht möglich, denn wir sind den ganzen Tag gefahren. Als wir bei Einbruch der Dämmerung ins Quartier kamen, da war ich wie die anderen Kameraden auch alle, sehr müde. Heute früh sind wir wieder zeitig aufgebrochen, hatten aber verschiedentlich Maschinenschaden mit unseren alten Wagen, so daß wir heute mit unserer Karawane nur etwas über 50 km weitergerückt sind. Wir sind an einem Ort, in dem fast europäischen Verhältnisse sind. Es nennt sich Hotel, in dem wir zu 2 Kameraden in einem Zimmer untergebracht sind. Es gibt sogar fließendes Wasser. Wir sind ganz überrascht. Der Weg war landschaftlich ganz schön. Das Land ist hügelig, so daß man teilweise einen schönen Blick über die Gegend hatte. Viele Wälder mußten wir durchfahren.  Der Weg war wohl nicht immer einfache, denn die ausgefahrenen Straßen und der viele Sand, andermal der ausgefahrene Lehmboden, das ist kein leichtes Fahren. Unsere Kolonne hat 5 LKW und 5 PKW sowie 6 Krafträder. Bis dann alles beieinander ist, das geht nicht immer so leicht, weil teilweise die Wagen alt sind und das Material verbraucht. Ich habe einen russischen LKW, der einigermaßen in Ordnung ist. Der Fahrer ist ein Ukrainer, der mit den schlechten Wegen verhältnismäßig vertraut ist, doch sogar dem ist es manchmal zuviel. Das Leben unterwegs ist entschieden schöner wie jeden Tag zur gewohnten Zeit an den Schreibtisch zu gehen. Es ist so ein richtiges Landsknechtleben. Wenn man den Krieg auf diese Weise herumbringen könnte, ginge es so einigermaßen. Es kann aber auch sein, daß einem das mit der Zeit langweilig würde.  Wir sehen wenigstens wieder einmal etwas, wenn es auch manchmal abseits der Landstraßen weitergeht. Der Weg von Mirgorod ging jetzt über Albadin nach Sumi. Morgen fahren wir weiter und übermorgen werden wir in Kursk sein.  Mich zum Schreiben eines ordentlichen Briefes zu sammeln, ist mir heute nicht möglich.  Denn diese Fahrerei macht müde und man schreibt nur ohne Gedanken und Überlegung gerade das, was einem so in die Hand kommt.  Sei Du vielmals gegrüßt und geküßt von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.

Mein liebes Mädel !                                                           22.7.42     

Nun ist es geschehen. Wir sind gestern Abend gelandet. Der Ort, wo wir sind, spricht sich so ähnlich, nur mit K statt mit G. Stell Dir vor, Du wärst mitten in die Wüste gestellt und solltest Dich einrichten. Wir sind dorthin gekommen, wo wir nicht gern sein wollten. Wir sind in die  Plage geraten, wo die Heuschrecken gehaust haben. Ich hatte mir das so ungefähr vorgestellt, doch jetzt, wo ich vor der Tatsache stehe, bin ich doch erschüttert. Wir liegen auf der Strecke Kursk - Woronesch. Das Nest selbst wird sich wohl nicht auf einer unserer Karten, die wir zuhause haben, verzeichnet sein. Es ist einfach nicht zu beschreiben, wie es hier aussieht. Ich will es aber doch versuchen. Ich hatte doch schon gedacht, als ich nach Mirgorod kam, es ist eine schlechte Gegend, aber das gütige Schicksal läßt mich erst langsam an die trüben Verhältnisse gewöhnen. Die Straßen von Kursk nach hier sind ja so, daß sie jeder Beschreibung spotten. Was wir auf diesen hundert Kilometern durchgeschüttelt worden sind, das ist schon nicht mehr schön. Als wir hier eintrafen, fanden wir hier vor einen Ort, der bei den Operationen von deutschen Fliegern bombardiert worden ist. Die Gebäude , die uns zur Verfügung stehen, sind alle stark beschädigt. Fensterscheiben sind in keinem Haus vorhanden.  Teilweise sind die Rahmen weggerissen. Verputz ist so gut wie nicht mehr vorhanden. Türen gibt es nur noch teilweise. In ein Haus ist eine Bombe gefallen, daß es nur noch aus zwei Hälften besteht. Einige Tote hat es auch dabei gegeben, die sind aber nicht beerdigt worden, sondern die hat man liegen gelassen. Außer den Knochen und den Kleidern ist nicht mehr viel vorhanden. Es ist ekelhaft, aber unter hiesigen Verhältnissen nicht einmal verwunderlich. Aber trotz allem, den Humor haben wir dabei noch nicht verloren. Mädel, nimm er mir bitte nicht übel, aber ich bringe heute trotz allem keinen richtigen Brief zusammen. Ich will, daß Du wenigstens erst einmal weißt, daß wir angekommen sind und damit Du nicht allzu lange ohne Nachricht bist.  Am Morgen, bevor wir wegfuhren, hatte ich noch einen Brief von Dir erhalten und zwar den vom 6.7.42 sowie den von Helga, über den ich mich ebenfalls gefreut hatte wie über Deinen. Wahrscheinlich werde ich in den nächsten Tagen nochmals Post erhalten, wenn noch der Rest unserer Einheit nachgezogen wird. denn die bringen noch einmal welche mit, dann wird es wieder eine Weile dauern, bis das umgeleitet ist. Mein liebes Mädel, sei recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.


Brief 293 vom 15./16./17.7.1942


 Mein liebes gutes Mädel !                                                     15.7.42      

Gerade erhielt ich den Brief, den Du zu meinem Geburtstag geschrieben hast. Ich danke Dir wieder bestens dafür. Wie ich lesen konnte, habt Ihr diesen Tag in besonders feierlicher Weise verbracht. Wo hast Du denn die Rosen herbekommen. Waren das welche aus dem Garten? Bei dem Johannisbeerkuchen wäre ich auch mit dabei gewesen, aber das kann man nur im Geiste miterleben. Es hat mich gefreut, daß Ihr mich auf so eine schöne Weise geehrt habt.  Du hast von mir ja nun auch den Brief erhalten, in dem ich Dir geschildert habe, wo ich meinen Geburtstag verlebt habe und wie ich ihn dann feierte. Das war auch nicht schlecht und man freut sich, wenn die Kameraden sich anständig zeigen. Aber wie ich wieder aus Deinem Brief sehe, daheim ist doch daheim. Man versucht sich über verschiedenes hinwegzusetzen, doch das geht vielleicht für einige Stunden, ja vielleicht für einen Tag, aber bald hat es einen dann wieder gepackt, und die Wirklichkeit zeigt einem dann immer wieder, daß man sich hier nur vorübergehend aufhält.  Deine verschiedenen kleinen Erlebnisse waren an diesem Tage nicht schlecht. Du meinst also, weil Du den Teller zerbrochen hast, darum hast Du Deinen Finderlohn bekommen. Ich glaube aber, daß es Dir trotzdem Spaß gemacht hat, daß Du das Geld erhalten hast. Wir sind ja nicht mehr so auf den Pfennig angewiesen. Aber wenn Du den Leuten damit wieder geholfen hast, denn in den heutigen Tagen ist doch jedes Bekleidungsstück ein Wertobjekt, dann haben die ebenso eine Freude gehabt, als sie ihre Jacke wiederbekommen haben. Es ist ja ärgerlich, vor allem deshalb, weil man doch so etwas nicht gleich so ohne weiteres ersetzen kann. Daß Du mit den Besorgungen jetzt viel Zeit verläufst, das kann ich mir an Deiner Zusammenstellung der Zeit ausrechnen, die Du mir mitgeteilt hast. Man merkt eben, daß die Kräfte ganz anders eingesetzt sind wie in normalen Zeiten. Doch wenn man etwas Abwechslung im Essen haben will, dann muß man jetzt laufen.  Vater käme  da mit seiner Zeit nicht zurecht, dann vor allem, wenn er abends von der Arbeit zurückkommt, ist das meiste doch schon ausverkauft. Daß er sich dann freut, wenn Du ihm diese Sache mit besorgst, kann ich mir gut vorstellen, weil ich mir denken kann, wie es mir an seiner Stelle ginge. Im allgemeinen kannst Du ja nicht klagen über Mangel an Obst. Daß wir zwar keinen Kirschbaum haben, ist wohl als ein Mangel zu bezeichnen.  Aber Du kommst ja jetzt schon kaum mit den geringen Zuckermengen zurecht bei so viel Anfall von Obst. Wieder hast Du 3 Pfund Johannisbeeren gepflückt. Das ist doch ein schöner Erfolg, und ich denke, daß Du mit der Pacht /?) herauskommst, denn es kostet doch alles viel Geld, was man kaufen muß. Ganz abgesehen davon, daß man nicht immer alles bekommt, was man sich selbst anpflanzen kann. Daß das alles viel Mühe und Arbeit macht, das weiß ich ja aus eigener Erfahrung. Ich muß Dir deshalb meine Anerkennung aussprechen, wie Du Dich in alles so gut hineingefunden hast. Daß der Kartoffelkäfer gerade im Heidelmoos so auftritt, scheint mir verwunderlich. Wieso muß er jetzt ausgerechnet dort so stark auftreten. Du hast recht, wenn Du aufpaßt, denn wenn die ganze Mühe dann umsonst gewesen wäre, könnte man sich schon ärgern. Hoffentlich ist es nicht so schlimm wie es anfänglich erschien.  Das Marmeladekochen macht schon viel Arbeit, aber man weiß noch nicht, was man im Winter wieder hat, dann ist man froh um alles, was man zum Ausgleichen verwenden kann. Schade ist nur, daß man nicht die genügenden Zuckermengen zur Verfügung hat, damit man möglichst alles aufbewahren könnte. Das Unkraut wächst immer am besten und man kann noch soviel ausrotten, es hört und hört nicht auf.  Daß immer wieder für Bevölkerungsnachwuchs gesorgt wird, ist ja gut. Wenn man aber dann wieder liest, daß sich auch hier in erster Linie das Kroppzeug mit so vermehrt, dann könnte man manchmal Bedenken haben. Daß diese Hausgenossen so fromme Tugenden an den Tag legen, entspricht ja durchaus ihrer frommen Vernagelung. Es war schon immer gut, wenn wir etwas Abstand gehalten haben, denn mit diesen Leuten möchte ich nichts weiter zu tun haben. Das sich der „Schwanenhals“ wieder verheiratet hatte, war mir nicht bekannt. Nun ist auch er wieder Vater geworden. 
 
Mein lieben Mädel !                                                          16.7.42 

Gestern bin ich nicht dazu gekommen, Dir fertig zu schreiben. Wir sind teilweise im Dienst und teilweise beim Verpacken. Es geht jetzt ziemlich durcheinander. Es gibt doch allerhand Zeug, das geordnet werden muß. Wie wir das alles wegbekommen, ist mir noch ein Rätsel. Es wird aber schließlich gehen. Ich habe wenigstens nicht zu viel persönliche Sachen. Das meiste hatte ich ja schon Dir zugeschickt, als ich von Frankreich zurückkam. Ich bin froh, daß ich nicht zu viel zu verpacken habe, denn es ist doch ziemlich Zeug, was man trotzdem transportieren muß. Unser Vorkommando sollte ja gestern schon wegfahren, doch wegen zu schlechten Wetters, das die Straßen wieder aufgeweicht hatte, so daß ein Fahren unmöglich war, mußte die verschoben werden. Die Staffel mit den Pferden ist aber heute früh abgerückt, und das Vorkommando wird wahrscheinlich morgen abziehen. Wir werden ja am Samstag fahren, wenn das Wetter einigermaßen bleibt. Wir haben heute Abend hier an einer Feier teilzunehmen die uns die Ukraine erstellt. Unser Abteilungschef und mein Kamerad und ich werden als Vertreter der Kommandantur teilnehmen. Wahrscheinlich wird noch ein Essen gegeben, das aber nur in kleinem Kreis gehalten wird, damit nicht der Eindruck großen Feierns und Schlemmens entsteht. Wir wollen nicht, daß dann darüber gesprochen wird, die Deutschen würden mit den Bonzen große Feste feiern. Morgen verabschiedet uns das Soldatenheim. Dort soll es sicher Torte und Kaffee geben. Es ist immer etwas los in den letzten Tagen. Vorgestern Abend haben wir in unser Abteilung unseren Oberrat in einem kleinen Zusammensein verabschiedet. Bei der ganzen Sache ist nur schade, das es mir nicht so ganz richtig zumute ist. Ich habe wieder einmal den Schnupfen und der Magen ist auch nicht ganz in Ordnung. Ich hoffe, daß sich das bald wieder gibt. Für die Fahrt ist das weniger angenehm. Ich hoffe aber, daß sich das bald legt. Gestern Abend bekam ich eine Karte von Siegfried aus Wiesbaden. Er teile mir darin mit, daß er Dir die Verhältnisse zu Deinem Vater erklärt hat. Sonst schreibt er ziemlich inhaltslos. Er rechnet jetzt nun auch damit, daß er demnächst ausgetauscht wird. Ich habe verschiedene kleine Sachen noch fertiggemacht. Ein paar Stumpen und Brisago, die Du meinem Vater mitgeben kannst.  Dann och etwas Schokolade und einige Bonbons. Briefe, die ich hier nicht mehr brauchen kann, habe ich auch verpackt und zurückgesandt.  Wie das unterwegs mit dem Briefeschreiben klappt, das weiß ich noch nicht. Wenn es irgend geht, schreibe ich weiterhin täglich. Ich will Dich aber darauf vorbereiten, daß es möglich sein könnte, daß wir nicht in der Lage sind, die Post weiter zu befördern. Du brauchst Dir deshalb keine Sorge zu machen, wenn es dann nicht  mehr so oft, wie es bisher gegangen ist.  Heute sende ich Dir und den Kindern recht viele herzliche Grüße und Küsse und bin in Gedanken immer wieder bei Euch in der Heimat und bei Dir. Dein Ernst.

Mein liebes Mädel !                                                     17.7.42        
   
Außer Zeitungen bekam ich keine Post weiter von Dir. Ich bin zwar nicht in der richtigen Briefschreibstimmung, denn man sitzt jetzt wieder auf dem Sprung, denn morgen früh um 6 Uhr geht es hier weg. Ich bin ja noch nicht lange hier, doch man wundert sich, wie man sich auch hier wieder eingewöhnt hat. Es ist aber die Spannung vor dem Unbekannten. Man weiß noch nicht, was man antrifft.  Vorerst sind wir etwa 5 - 6 Tage auf Achse, bis wir unser erstes Ziel erreicht haben. Wie lange wir dort noch warten müssen, stellt sich dann erst wieder an Ort und Stelle heraus. Denn von hier aus läßt sich das noch nicht überblicken. Heute früh ist das Vorkommando abgefahren. zur Bei uns ist schon eine große Kolonne.  Wir haben allein 4 LKW. Die Gegend wahrscheinlich zur   ? Zone gehören. Am besten ist es aber wieder, ich halte es mit meiner alten bewährten Parole: abwarten. Vorhin war ich nochmals baden, das war hier das letzte Mal. Wenn wir wieder eine passende Gelegenheit haben, das weiß man noch nicht. Das Bad ist sogar inzwischen von den verschiedenen Wassergewächsen abgefischt worden, so daß man jetzt etwas mehr von der Badefläche sieht. Das nützt uns aber nicht mehr viel, denn wir reisen ja doch weg.  Gestern hatten wir, wie ich Dir schon schrieb, Abschiedskonzert bei den Ukrainern. Anschließend wurde uns zu Ehren ein Abschiedsessen gegeben. Es ist ja schön. Aber daß man dabei immer so viele Verbindlichkeiten sagen muß, das hängt mir langsam zum Hals heraus.  Die landesübliche Art des Essens entspricht ja in keiner Weise den Gepflogenheiten, wie wir sie daheim gewohnt sind, aber schließlich findet man sich damit ab. Es wurde verhältnismäßig spät, nachdem das Konzert schon bis gegen 10 Uhr gedauert hat.  Die Leute wollten uns gern mit Alkohol fertig machen, das ihnen zu meiner Befriedigung nicht gelungen ist. Teilweise hat sich das bei den Gastgebern bemerkbar gemacht.  Das Konzert war sehr nett. Ein Chor von Männern und Frauen. Alle in Nationaltrachten.  Die als erstes ein Hymnus auf den Führer sangen, der sich anhören ließ. Die Musik entspricht zwar nicht dem Volksempfinden. Die übrigen Gesänge sind uns wohl fremd, doch teilweise sehr melodisch. An diese Dinge muß man sich erst gewöhnen.  Wann ich jetzt wieder zum Schreiben komme, weiß ich nicht genau. Ich werde aber so bald als möglich wieder von mir hören lassen. Darum sende ich Dir für heute besonders herzliche Grüße und recht viele Küsse. Das gleiche gilt auch für die Kinder. Dein immer an Dich denkender Ernst.

Donnerstag, 13. Juli 2017

Brief 292 vom 13./14.7.1942


Mein liebes Mädel !                                                              13.7.42          
 
Herzlich danke ich Dir wieder für Deine beiden Briefe vom 1. und 2., die ich gestern Abend erhielt. Wie ich lesen konnte, hast Du auch laufend Post. Die Unterschiede in der Beförderungsdauer sind so verschieden. Manche Briefe brauchen so lange und andere gehen ziemlich schnell. Wenn Dir die Geschichte mit dem Radio wieder gefallen hat, dann freut es mich. Es geht mir manchmal so, da drängt es mich geradezu, sowas zu schreiben. Wenn ich es dann geschrieben habe, dann bin ich nicht mehr damit zufrieden, weil ich dann vieles für änderungsbedürftig finde. Es fehlt mir dann immer wieder die Zeit, diese Änderung vorzunehmen. Es bleibt mir dann nichts anderes übrig, als das Schreiben so wegzuschicken.  Wenn es Dir dann trotzdem zusagte, dann bin ich beruhigt. Ich wundere mich nur, wie Du diese Sachen so gut behalten hast.  Daß ich viel an Dich und die Kinder denke, kann ich Dir nur immer wieder damit beweisen, daß ich regelmäßig an Dich schreibe. Daß dies keine Gewohnheit ist, wird Dir auch wohl daran klar sein, daß ich nicht immer dasselbe schreibe, sondern mich bemühe, Dir immer etwas von dem zu übersenden, was etwas Persönliches von mir ist. Denn abgegriffene Sprüche und Phrasen, das war schon von je her nicht mein Fall. Daher mag auch unser gutes Verhältnis zueinander herkommen. Daß mir aber auch die Verbindung zu den Kindern am Herz liegt, und daß sie mir nicht entfremden durch mein eigenes Verschulden, indem ich ihnen nie etwas Persönliches schreiben würde, das ist uns Beiden ebenso klar wie eine Notwendigkeit.  Nichtssagende Dinge einander zu schreiben, das ist zwecklos und entspricht nicht unserer charakterlichen Veranlagung. Das liegt uns nicht, und wenn es notwendig sein sollte, daß wir noch länger nur im brieflichen Verkehr bleiben, dann glaube ich, daß sich da nicht viel ändern wird.  Ja öffentliche Hinrichtunen und besonders solche durch den Strang gibt es bei uns in Deutschland nicht mehr. Ich habe mir dies auch deshalb angesehen. Das macht aber den Leuten, die da zusahen, nicht viel aus, wie ich Dir schon beim ersten Mal geschrieben hatte. Auch derjenige, der sich die Schlinge um den Hals legen muß, geht hier meist mit einer geradezu stoischen Ruhe vor sich. Das macht den Menschen nichts aus, denn davor haben sie keine Angst. Angst haben sie nur vor Schläge. Damit kann man noch etwas erreichen. Das sind andere Menschen wie wir, das liegt in dem Volke drin. In diesem Fall war noch zu berücksichtigen, daß dieser Mann ein halber Asiate war.  Gestern hatte ich ja an Kurt geschrieben. Heute erfahre ich nun, daß er zur Landhilfe eingesetzt ist und daß er meine Adresse wieder verlegt hat. Hoffentlich hat er es in Bezug auf die Verpflegung gut getroffen. In der Landarbeit kennt er sich ja etwas aus, da wird es ihm nicht ganz so schwer fallen.  An alice hatte ich ja in diesen Tagen geschrieben. Da hätte Dein Vater wissen müssen, daß ihr Vater in Leipzig war. Der wäre imstande gewesen und hätte dort den großen Krach vollführt. Ich finde das ein etwas komisches Verhältnis. Wenn es vielleicht von Alices Standpunkt aus richtig ist, so hat sich dieser Mann doch die ganzen Jahre vorher sehr wenig um Deine Mutter gekümmert und nicht danach gefragt, wie sie durchkommt und was ihr Kinder macht. Wenn er dann jetzt kommt und Sprüche klopft, wie hart es Mama in ihrer Jugend gehabt hat, dann kann er damit nicht mehr viel gutmachen. Der Zeitpunkt, wenn Erna ankommt, steht nunmehr fest. Sie hält sich dann nicht so lange auf, wie es erst vorgesehen war. Mit den Beeren hast Du sicher eine gute Hilfe. Ich muß mich nur wundern, wie viel die wenigen Sträucher hergeben. Mit den 15 Pfund Johannisbeeren ist es wohl dann alles gewesen. Aber mit den Stachelbeeren muß es ja wieder ganz toll sein. Ich bin froh, daß ich diese seinerzeit gekauft hatte. Ich weiß noch, wie der Zahn immer sagte, das sind ja alte Bäume, die tragen ja nichts mehr. Jedes Jahr danken sie es uns wieder mit einem reichen Erntesegen. Im nächsten Jahr wird es wohl auch die doppelte Menge Johannisbeeren geben. Ich weiß, wie wir früher, als wir nach Konstanz kamen, uns immer Beeren auf dem Markt gekauft hatten, damit wir Marmelade kochen konnten. Jetzt haben wir auch eigene.  Wenn Du von Vater noch einmal ein Pfund Zucker bekommen hast, dann hast Du ja wieder etwas damit einkochen können. Wenn Du etwas Mehl noch von ihm bekommen hast, dann ist es Dir leichter, zu Jörgs Geburtstag etwas zu backen. Man kann sich immer wieder dadurch etwas helfen.  Herzliche Grüße und viele Küsse sende ich Dir und den Kindern. Bitte gleichzeitig an Vater herzliche Grüße auszurichten. Dein Ernst.

Mein lieber Schatz !                                                              14.7.42     

Deinen lieben Brief vom 30.6. erhielt ich gestern, für den ich Dir recht danke. Als ich diesen Brief las, da habe ich lachen müssen.  Früher hattest Du einmal geschrieben, daß Du für Jörg Holzkläpperle gekauft hattest. Da dachte ich erst, das sind solche, wie man sie zu Fastnacht hat. In diesem letzten Brief las ich nun , daß das ein Fußbekleidungsstück ist, denn Du schreibst von Oberteilen und wieder anziehen. Da wurde mir das erst richtig klar, was eigentlich Holzkläpperle sind. So geht es nun, man wird alt und kommt mit der Zeit nicht mehr mit. Alles Modische wird einem schon fremd. Da merkt man wieder, daß man sich in den Gebräuchen nicht mehr auskennt, die in der Heimat herrschen. Ich will versuchen, mich wieder zu bessern.  Interessiert hat mich das fleißige Arbeiten der Kinder beim Beerenpflücken. Das kann ich mir vorstellen, daß sie tüchtig reingehauen haben, als Du zu ihnen gesagt hast, sie sollen sich nur einmal satt essen. Aber der Jörg, der Lauser, er hat sich wieder zu helfen gewußt. Das wird ein Vergnügen für sie gewesen sein. Ich glaube, daß sie sich nicht lange gedrückt haben. Es ist ja schön, wenn man sowas hat und nicht so Obacht geben muß, daß jede Beere auch verwendet wird. Es gibt ja auch nichts Schöneres, wie so frisch vom Strauch herunteressen. Das hätten wir früher auch manchmal gern gemacht.  Wir mußten aber zusehen, daß wir irgendwo etwas klauen konnten.  Dies vor allem während der Kriegszeit und dann die späteren folgenden Jahre. Wir dachten uns jedenfalls nichts dabei. Daheim gab es nicht viel Sachen und Hunger hat man auch immer gehabt.  Das haben Unsere wenigstens nicht nötig, wenn man selbst etwas zur Verfügung hat. Das kommt ja auch nicht oft vor, daß sie eine solche Gelegenheit haben. Wenn ich aber so zusammenrechne, hast Du doch so alles in allem bis jetzt einen Zentner Beerenobst gehabt. Das hätte wieder eine ganz schöne Stange Geld gekostet.  An den Stachelbeeren hast Du in diesem Jahr keinen Mehltau gehabt? Daß das kleine Bäumchen bald zwei Pfund getragen hat, das kann ich mir fast nicht vorstellen. Es macht aber auch viel aus, wenn man die Sträucher immer wieder zustutzt.  Bei dem Felchenessen wäre ich auch gern dabei gewesen. Das ist doch etwas Gutes. Am Sonntag hatten wir zwar auch Fische. Die waren so klein, daß der Abfall viel größer war, wie das, was man essen konnte. Einen Pudding mit viel Erdbeeren gab es auch. Das wird wohl auch für längere Zeit das letzte Mal gewesen sein, daß wir sowas bekommen haben. Wir sagen uns aber immer wieder den inhaltsvollen Satz: „Nach dieser Zeit kommt eine andere.“ Irgendetwas werden wir schon wieder finden. Solange man mit dem gleichen Haufen zusammen ist, läßt es sich wieder aushalten. Es ist nur immer wieder, bis man sich bei einem neuen Verein eingelebt hat.  Hier ist das aber jetzt nicht notwendig. Jetzt fahren wir erst nach Kunsak und von dort geht es weiter. Bis Dich dieser Brief erreicht, werden wir wohl auch dort sein. Gegenwärtig macht erst einmal die Verpackung aller Sachen, die sich im Laufe der Zeit zusammengefunden haben, uns Sorge. Schließlich  bis alles soweit ist, werden wir doch alles aufladen können. Ich habe noch verschiedene kleine Sachen zusammengepackt. Gestern abend habe ich noch einmal ein Brot zusammengepackt und zwei kleine Päckchen fertiggemacht. Nummer 20 bis 22. Ob Du das  Brot noch verwenden kannst, bis es dort ist, erscheint mir zwar als fraglich, aber wenn es sich doch verwenden ließe, dann wäre es mir ärgerlich, wenn ich dann nichts weitergeschickt hätte. Das bißchen Porto kann man deshalb ruhig dranhängen.  Heute haben wir die Übernahme gemacht. Unsre Nachfolger haben alle unsere Sachen übernommen.  Gegenwärtig regnet es, sodaß wir Bedenken haben, ob morgen das Vorkommando wegfährt. Dann würde sich die ganze Angelegenheit verzögern. Wir hoffen nur, daß unser Kommandant wegfährt. Wir können dann schon warten, bis wieder besseres Wetter eintritt.  Für heute herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Brief 291 vom 11./12.7.1942


Meine liebe Annie !                                                                11.7.42     
 
Heute ist wieder Wochenende und bis zum Montag muß alles marschbereit sein. Es ist zwar noch nicht gesagt, ob wir dann abrücken werden, doch lang wird es hier nicht mehr dauern. Es wird heiße Tage geben, die aber auch im wahrsten Sinn des Wortes. Auf der Landstraße, oder wie wir auch weiterziehen werden. Auf der Landstraße werden wir viel Staub schlucken müssen. Es geht uns zwar nicht allein so, denn wie viele Einheiten liegen auf der Landstraße und müssen es auch mitmachen. Wir nutzen jetzt noch die Badegelegenheit aus, denn man weiß ja nicht, wo man hinkommt. Vor allem die heißen Tage fordern direkt dazu auf. Wir sind die letzten Tage früh ½ 6 Uhr schon aufgestanden und waren kurze Zeit später im Wasser. Gestern Mittag waren wir nochmals zusätzlich baden und heute gehen wir nochmals am Abend. Das schöne Bodenseewasser ist es ja nicht, aber man wird ja anspruchslos und ist schon zufrieden, wenn es richtig naß ist. Wann wird es sein, daß ich einmal wieder im schönen See baden kann. Man merkt aber, daß man das Bad nicht mehr gewöhnt ist. Ich habe einen Muskelkater, das ist schon fast nicht mehr schön. Schnaufen muß ich wie eine alte Lokomotive, wenn ich aus dem Wasser komme. Eine Besserung tritt aber schon ein, denn es geht schon wieder bedeutend besser, wie am Anfang. Man merkt da erst wieder, wie einseitig man tätig ist.  Gestern erhielt ich von Alice eine Geburtstagskarte Ich muß ihr nun auch wieder einmal schreiben, denn sonst denkt sie, ich hätte etwas gegen sie. Sie ist ja so empfindlich.  Viel kann ich ja nicht schreiben und dann belanglose Sachen, das kann ich aber nicht ändern. Inzwischen habe ich jetzt gleich an Alice geschrieben, den Durchschlag habe ich beigefügt.  Gerade habe ich Deine beiden Briefe vom 28. und 29. / 30.6. erhalten.  Für beide danke ich Dir sehr. Du schreibst, daß Ihr erst baden gehen wolltet, dann seid Ihr aber zur Mainau spazieren gegangen.  Man wundert sich, daß trotzdem so viele Leute unterwegs sind. Daß die Leute Geld haben, das ist mir erklärlich, aber daß noch so viele Menschen in der Heimat sind, die alles so übervölkern, das will man fast nicht glauben. Aber wenn man weiß, was wir hier allein für Leute nach Deutschland getan haben, dann wird einem das schon verständlich. Wir haben hier in unserem Abschnitt Süd 35 000 Arbeitskräfte nach Deutschland verfrachtet. Das ist aber noch nicht alles, denn die Werbeaktion geht noch weiter. Aus den übrigen ukrainischen Ländern kommen auch noch so viele Menschen. Dann kann man sich schon vorstellen, daß sich das bemerkbar macht.  Ich habe mich gefreut, daß Ihr auf der Mainau gewesen seid, denn da ist es ja immer so schön. Ich erinnere mich noch gut, wo wir zusammen das erste Mal auf der Insel waren. Da sind wir noch mit der Gondel hinübergefahren. Es war ein schöner sonniger Tag. Das eine Bild, was wir im Fotoalbum haben , stammt noch con diesem Tage. Es kann aber sein, daß wir früher nochmals zu Fuß hinübergegangen sind. Ja und manchmal sind wir dorthin spazieren gegangen, mit oder ohne Besuch. Daß Du bei der Abfahrt 1. Klasse genommen hast, das ist recht. Es wundert mich zwar, daß Du sowas aus Dir selbst machst. Ich bin sichtlich erstaunt. Nimm es bitte nicht als Kritik auf  sondern als Anerkennung, denn es freut mich, daß Du soviel Selbständigkeit hast und dann danach handelst. Über die Beeren, die Du Vater gegeben hast, wird er sich sicherlich gefreut haben, denn wir ich schon schrieb, wird er seine Erdbeeren schwer vermissen. Daß er nun den Garten nicht mehr hat, ist ja gut, denn das kann er doch nicht mehr schaffen.  Für Dich wäre das doch nicht möglich, auch dies noch zu schaffen. Wenn Du reichlich hast, dann kannst Du ihm ja auch etwas abgeben. Daß die Kinder jetzt mit dem lauten Radio besser einschlafen wie mit dem alten Apparat, ist ja auch interessant. Ja, solche Gewohnheiten haben sie nun . Früher hatten sie ihre „Musik“, mit der sie einschlafen sollten aber nicht konnten. Nun geht es aber mit Radio.  Daß Ihr immer Beeren habt, das verdankt Ihr doch nicht mir. Das ist doch der Erfolg Deiner Arbeit. Du hast ja die Mühe damit. Ich bin jedenfalls froh, daß Ihr jetzt etwas habt, wie ich gestern ebenfalls schon schrieb, denn wie Du mir mitteiltest, ist es schwierig, immer genügend zu bekommen. Zum Einkochen würde es jedenfalls nicht reichen.  Es ist recht, wenn Du Dir etwas Geld zurückgelegt hast für die Tage, wenn Du Besuch da hast. Vielleicht könnt Ihr nach dem Hohentwiel fahren, denn meines Wissens waren die Kinder noch nicht oben. Auch unseren lieben Haldenhof könnt Ihr aufsuchen. Wenn Ihr aber mehr unternehmen wollt, dann fahrt einmal nach Bregenz oder Lindau. Das überlasse ich vollkommen Deinem Ermessen.  Vorhin habe ich erfahren, daß ich bei unserer Abreise beim LKW als Beifahrer sitze. Die anderen Männer werden dann hinten drauf verfrachtet.  Dann habe ich ja nicht den schlechtesten Platz, wenn es so geht. Vielleicht kann ich diesen Brief auch wieder einem Kameraden mitgeben, der in die Heimat fährt. Das habe ich gestern schon machen können. Dann erreicht Dich dieser Brief wieder eher.  Wenn es wieder weitergeht, dann hört es auf mit der Verpflegung von jetzt. Dann müssen wir von Konserven leben. Das bedeutet eine Umstellung gegen bisher. Aber das gibt sich alles wieder, vielleicht sind wir in einigen Wochen an Ort und Stelle. Mit der Post wird es auch so gehen. Denn da bekommen wir nicht sobald welche. Herzliche Grüße sende ich Auch allen. Ich hoffe immer, daß Ihr gesund bleibt, daß wir uns später gesund wiedersehen können.  Herzliche und viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Mein liebstes und bestes Mädel !                                                  12.7. 42   
 
Zum intensiven Arbeiten haben die meisten Kameraden keine große Lust mehr. Morgen sollen die Sachen, die hier bleiben, an unsere Nachfolger übergeben werden. Vielleicht haben wir dann noch ein paar Tage Ruhe, es kann aber auch sein, daß es bald weitergeht.  Alles ist gespannt, wo wir hinkommen. Ich muß auch langsam anfangen, meine Sachen zu packen, denn auf die letzte Minute erst anfangen, das hat keinen Zweck. Ich muß sehen, wie ich meine Sachen alle unterbringe. Diesmal habe ich ja noch das Gewehr und den Stahlhelm dabei und anderen verschiedenen Kram wie Zeltausrüstung. Es ist nur gut, daß man das Zeug nicht schleppen braucht, denn wenn man das nicht mehr gewohnt ist, dann kann man leicht damit fertiggemacht werden.  Heute früh und gestern Abend war ich wieder baden. Let zte Woche sagte mein Stubenkamerad, es ist schade, daß wir das schöne Wetter nicht ausnutzen. Hier wird es doch so zeitig hell und dann stimmt das mit unserer Uhrzeit nicht mehr überein. Man kann deshalb ganz gut zeitiger aufstehen, denn hier sind wir gegen bei uns zuhause fast zwei Stunden voraus. Er sagte dann weiter, daß er nur jemand brauche, der ihn aus dem Bett herauswirft. Ich habe ihm zugesichert, daß ich das machen werde. Das Aufstehen macht mir keinen Kummer, denn das ist mir noch nie sehr schwer gefallen. Die ersten Tage ist es mit ihm auch ganz gut gegangen. Heute wollte er schon nicht mehr mitmachen. Da habe ich ihm aber mit Gesang nachgeholfen. Als wir dann wieder zurückkamen, war er froh, daß er mitgegangen war, denn das ist immer eine angenehme Erfrischung. Wenn ich heute Nachmittag frei habe, werde ich mich wieder etwas in die Sonne und ins Wasser legen. Ich habe es bis jetzt sehr entbehrt. Mit dem Schwimmen geht es schon bedeutend besser. Gestern wollten wir dem Flußbett nach etwa eine Strecke von 500 m schwimmen. Es war aber alles so verwachsen, daß wir wieder zurück mußten.  Heute habe ich verschiedene andere Sachen noch geschrieben. Auf diese Weise kommst Du etwas kurz. Unserem Jungen hebst Du den Brief solange auf bis sein Geburtstag ist. Dann kannst Du ihn ja mit auf den Tisch legen. Für Kurt habe ich auch geschrieben. Leite doch bitte diesen Brief weiter. An den „Sturm“ mußte ich auch wieder einmal schreiben. Durchschlag liegt ebenfalls bei. Viel habe ich dann nicht mehr zu erledigen.  Herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Brief 290 vom 10.7.1942


Mein liebes gutes Mädel !                                                     10.7.42       

Gestern war es mir nicht mehr möglich, Dir zu schreiben. Doch heute kann und darf ich es nicht aufschieben, denn ich will Dir erstens einmal Deine Briefe beantworten. Dann muß ich Dir die Andeutung, die ich im letzten Brief aussprach, bestätigen, daß es weitergeht. Wahrscheinlich Anfang der kommenden Woche, doch der Abmarschtag steht noch nicht genau fest. Ziel ist zwar noch unbekannt, aber es wird angenommen, daß wir in die Gegend kommen, die in einem der letzten Wehrmachtsberichte erwähnt wurde. Wenn wir in diese Industriestadt kommen, kann es möglich sein, daß dort alles ziemlich tot ist durch die Zerstörungen. Doch wir warten ab. Wie es dann mit der Post wird, kann ich noch nicht sagen.  Wahrscheinlich werden auch in Richtung Heimat dann Verzögerungen eintreten. Daß wir einige Wochen warten müssen, das ist mir jetzt schon klar. Das Warten habe ich schon inzwischen gelernt, seit ich von daheim weg bin. Sobald ich wieder mehr erfahre, lasse ich es Dich wissen.  Die Zeitung „Das Reich“ habe ich ja bei Deinem Vater nicht bestellt, und Du kannst sie mir deshalb weiter zusenden. Wenn sie auch etwas später eintrifft, so macht das nichts, denn die Artikel sind immer noch zeitgemäß. Daß Du mit den Kindern wieder baden gewesen bist, hat mich gefreut. Wenn es sich nur irgendwie einrichten läßt, nutzt nur die schöne Badezeit aus.  Wie bald kommt wieder der Winter und dann ist es aus. Ich gehe seit gestern mit meinem Zimmerkameraden früh baden. Von unserer Unterkunft haben wir etwa 5 Minuten zu laufen. Wir machen immer noch einen kurzen Lauf dazwischen, dann lange es in der Zeit.  Dann kann man ganz schnell baden. Das Wasser ist doch schön. Es ist zwar etwas schwarz, nicht so klar wie bei uns, aber man kann drin schwimmen. Das ist schon viel wert. Dann ist man, bei der gegenwärtigen Hitze, am Vormittag wenigstens frisch. Heute wollen wir auch über die Mittagszeit gehen.  Wenn Du Vater von Deinen Erdbeeren gebracht hast, dann wird er sich sicher gefreut haben. Ich glaube auch, daß er sie vermissen wird. Früher hat es sich doch erst nicht viel daraus gemacht. Wenn Ihr nach Helgas Geburtstag etwas mehr Brot bekommen würdet, dann ginge es ein bißchen leichter für Dich. Ich kann mir denken, daß es manchmal streng durchgeht. Ich wünschte nur, daß die wenigen Brote, die ich schicken konnte, richtig ankamen, so daß Du sie noch verwenden konntest.  Der Rickert ist also auch schon wieder  daheim im Urlaub gewesen. Diese Herrschaften sind doch bei diesen S achen immer vorne dran. Der Brief von ihm hat Dir also auch so ausnehmend gut gefallen, den er geschrieben hat. Die Menschen können aber nicht aus ihrer Haut.  Die Erfolge in Afrika sind schon gewaltig. Hoffen wir, daß dies zum Endsieg wieder ein schönes Stück beigetragen hat.  Ich freue mich auch für Euch, daß sich im Garten alles so schön herausmacht. Gurken und Tomaten kann man immer gut verwenden. Auch für die anderen Erzeugnissen wirst Du immer gute Verwendung haben, denn man braucht doch jetzt diese Sachen mehr denn je. Wir waren früher darum froh, weil wir aus Gründen der Sparsamkeit darauf sehen mußten, daß wir uns etwas anbauten.
Darum freut es mich, daß auch jetzt wieder, wo die Notwendigkeit zum Anbau besteht, wir diesen Garten so günstig beim Haus haben, denn so kannst Du doch immer gleich danach sehen und sparst Dir viel Zeit und der Nutzen ist dadurch entsprechend größer.  Mit der Schokolade hat es sich leider nicht so einrichten lassen, daß ich sie selbst gegessen habe. Bist mir hoffentlich nicht böse und ich bitte Dich darum, nicht gleich zu schimpfen. Für Jörgs Geburtstag war die eine bestimmt und damit die eine nicht so zerbrochen ankommt, habe ich die andere mit dran gelegt. Heute schicke ich ein Päckchen mit einigen Stumpen, die Du für Vaters Geburtstag aufheben kannst. Es sind nicht viele, aber ich kann Dir bei dieser Gelegenheit wieder einen Karton zugehen lassen. Wenn Du einmal nicht so zum Schreiben kommst, dann nehme ich Dir das nicht übel, denn ich will, daß Du Dich nicht überarbeitest und Dir dann auch etwas Ruhe gönnst. Ich freue mich zwar über jeden Brief, den ich von Dir bekomme.  Aber wenn Du durch andere Arbeit behindert bist, dann geht es eben einmal nicht.  Das Päckchen Ur. 4 hat Dich also auch erreicht.  Wenn alles gut angekommen ist, dann bin ich erst befriedigt. Denn vorher freut man ich wohl, daß man wieder hat etwas fertig machen können, doch es ist eben noch nicht am Bestimmungsort. Einige weitere Urkunden habe ich wieder erhalten. Wir hatten doch daheim einen immerwährenden Kalender, vielleicht kann man anhand dieses Kalenders feststellen, um welche Tage es sich handelt. die darin aufgeführt sind, denn es sind keine genauen Daten verzeichnet.  Daß die Kinder aus böser Absicht nicht schreiben, das ist mir verständlich, doch ich würde mich freuen, wenn ich wieder einmal einen Brief von ihnen erhielte. An Jörg muß ich noch jetzt gleich zum Geburtstag schreiben, damit dieser Brief noch rechtzeitig ankommt, denn man weiß nicht, wie es dann geht, wenn wir unterwegs sind. Du kannst ihm ja diesen Brief aufheben und ihm auf den Geburtstagtisch legen. Vater hat Dir nun auch noch verschiedene Sachen gebracht, die Du verwenden sollst. Hoffentlich sind keine Motten drin gewesen, denn da muß man bei ihm so Obacht geben.  Wenn Du diese Sachen aber alle verwenden kannst, dann ist es ja gut.  Daß wir mit der Sache wegen Deines Vaters nicht so gleich fertig sein werden, da hast du wohlleider recht. Auch Deine Ansicht über den schönen Satz, den Dein Vater geschrieben hat, wegen den Sachen, die man normalerweise mit in die Ehe bringt, stimmt. Ich könnte ja heute nochmals meine Ansprüche in dieser Richtung geltend machen. Da würde er vielleicht bis an die Decke springen, wenn er das lesen würde. Denn auch da hätte er sicher wieder Ausreden auf Lager gehabt. Aber es ist gut, daß Du seinem schwachen Gedächtnis etwas nachgeholfen hast. Daß ich mich über den einen Brief con Dir besonders gefreut habe, das hatte ich Dir schon geschrieben. Man merkt direkt daraus, daß Dir das eine Erleichterung gewesen ist. Wie sich Siegfried zu seinem großzügigen Angebot verhält, ist ja vollkommen seine Sache. Da brauchen wir uns nicht dazwischenzumischen. Die verschiedenen Sachen, die uns berühren, haben wir ihm deutlich  klar gesagt. Daß er dies noch nicht begreifen wird, liegt wohl im wesentlichen daran, daß ihm seine Angebetete immer wieder auf ein anderes Gleis bringt.  Doch das kann uns wenig kümmern. Nachdem Du ihm Deinen Brief gesandt hast, ist nun noch meiner angekommen, das wird ihm womöglich auch noch auf die Nieren gegangen sein. Ich wünschte mir, daß der Eiercognac aus Wodka richtig ankam. Denn ich lese da eine Neuigkeit, daß Du früher schon welchen daheim getrunken hast.  Wenn er richtig ankommt hoffe ich, daß er Dir auch schmeckt. Du wirst mir ja demnächst darüber schreiben.  Wie Dur Dich an das Güllen des Gartens gemacht hast, hat mich gewundert. Denn das ist doch allerhand Arbeit gewesen. Ich verstehe, daß der Garten im vergangenen Herbst nicht zu viel Dünger bekommen hat. Wenn es sich einrichten läßt, wäre es vielleicht gut, daß Du in diesem Jahr wieder etwas aufstapelst, denn das ist immer noch besser wie diese Düngerzeug.  Aber wenn Du es so gemacht hast, ist es immer noch besser, wie nichts. Du rauchst Dich auch nicht entschuldigen, daß Du im vergangenen Jahr keinen Mist hast holen können, denn ich weiß ja, wie Du herunter warst.  Daß Jörg öfter Nasenbluten hat, das ist ein Erbfehler von mir, der aus der Linie meiner Mutter übertragen ist. Denn soviel ich weiß, hat Paula auch darunter zu leiden gehabt. Mir geht es ja auch manchmal so, daß ganz unvermittelt die Nase anfängt zu bluten. Hoffentlich nimmt das nicht größere Ausmaße an, denn man müßte sonst zum Arzt gehen.  Nach Deiner Schilderung scheint die Beerenernte, mit Ausnahme der Brombeeren, ganz gut zu sein. Die Johannisbeeren werden jetzt auch schon ganz gut ausgeben. Ja wenn diese Sachen nicht so auf den Markt gebracht werden, dann ist einem das doppelt wichtig. Der kleine Strauch, den ich im vergangenen Jahr gesetzt hatte, hat wohl auch einige Beeren. Was sind das für welche, die er trägt?  Die Chromlederschuhe sind nun auf Jörg übergegangen. Ich denke auch, daß sie dann die längste Zeit gehalten haben, denn das ist für ihn doch keine große Leistung.  Ich weiß aber, daß mir das als Kind genau so ging. Das läßt sich nun nicht ändern. Deine Änderung in der Wohnung, war ja eigentlich schon lange fällig. Ich wundere mich, daß Du so lange ausgehalten hast.  Dir und den Kindern sende ich recht herzliche Grüße und viele Küsse. Dein Ernst.
An meinen Vater und an Siegfried habe ich heute geschrieben.
Die Durchschläge habe ich beigefügt.

Brief 289 vom 8.7.1942


Meine liebste Frau !                                                       8.7.42        

Gestern mußte ich mein Schreiben abbrechen, bevor ich von unserer Reise fertig berichtet hatte. Wir sind dann am Sonntag Nachmittag wieder nach hause gefahren. In dem Ort unserer Abreise herrschte schönes Wetter und alles deutete auf eine Rückfahrt ohne Überraschungen hin. Wir sind die ersten 30 km ganz glatt gefahren. Die Straßen wurden weich und es war interessant, wie unser Wagen sich in Schlangenbewegungen auf der Landstraßefortbewegte. Das war anfänglich direkt belustigend. Die Straßen sind zwar stark überhöht, damit das Wasser schneller abfließt, doch durch die starke Wölbung besteht dann die Gefahr, daß bei nassem Wetter der Kraftwagen bis in die Abflussrinne wegrutscht. Das erste Mal, als uns das passierte, kam der Wagen aus eigener Kraft wieder heraus.  Beim nächsten Mal hatten wir zufällig von einem nahen Dorf Hilfskräfte heranrufen können. Doch die übrigen zehn Mal mußten wir aussteigen und selbst den Karren wieder aus dem Dreck schieben, denn die Straße war bis nach hause zu aufgeweicht. Der ganze Boden ist so fettig wie Schmierseife und die Räder können einfach nicht mehr fassen. Zu all dem sahen wir in der Ferne ein Gewitter herankommen, so daß wir Bedenken hatten, ob es uns nicht noch erwischen würde. Wenn das noch passiert wäre, so wären wir nicht viel weitergekommen. Schließlich haben wir doch noch unseren Heimatstandort erreicht, aber wir waren kaum unter Dach, da fing auch schon ein wolkenbruchartiger Regen an. Ich kann Dir sagen, daß wir heilfroh waren, daß er und nicht schon auf der Landstraße erwischt hat. Zusammenfassend kann ich sagen, daß wir überall freundlich aufgenommen wurden und daß die Bevölkerung uns mit Achtung entgegengetreten ist. Es ist zwar dabei zu beachten, daß wir als Vertreter der Macht kommen, aber allgemein waren die Menschen sehr anständig. Dienstlich habe ich wieder verschiedenes dazugelernt und mein Chef war mit mir wieder zufrieden. Das ist mir immer wesentlich. Ich bitte, das aber nicht so betrachten zu wollen, als wenn ich nun immer den untertänigen Diener mache.  Aber mein Chef kam mir immer anständig entgegen, darum kann ich das dann auch sein. Am Montag haben wir abends meinen Geburtstag gefeiert. Von dem Spanferkel hatten wir nur eine Hälfte essen können. Die andere Hälfte hatten wir uns mitgeben lassen. Ich will dabei noch betonen, daß wir unsere ganze Verpflegung selbst bezahlt haben, denn wir haben es nicht notwendig, uns von den Leuten unser Essen bezahlen zu lassen. Ich war schon sehr erfreut, daß uns das alles geboten wurde. Ja zu meiner Geburtstagsfeier hatte ich mir den Chef, dann meinen Zimmerkameraden, der auvh zu unserer Abteilung gehört und unseren Inspektor eingeladne. Mein Zimmergenosse hatte mir eine Flasche Pernod gestiftet, die ich dieser Feier zur Verfügung gestellt hatte.  Weiter hatte ich noch Eiercognac gemacht, damit etwas „Stoff“ da war. Eine Flasche Sekt sollte den Abschluß bilden. Wir hatte also vorher gegessen, dann hatten wir uns an das Trinken gemacht. Das ging auch erst ganz gut, bis es dann hieß, unser Chef sollte sofort ins Kasino kommen, denn ein neuer Kriegsverwaltungsrat sei angekommen. Da wußten wir gleich, was es geschlagen hatte. Als unser Chef wieder zurückkam, brachte er dann auch die Mitteilung mit, daß er versetzt sei. Ich kann Dir sagen, daß mir das, diesmal mit einem egoistischen Hintergedanken, wehgetan hat. Denn ich hatte in dem Mann eine Stütze in jeder Beziehung. Wenn ich also etwas weiterkommen wollte, würde er mir sicherlich behilflich sein. Das wird sich nun leider wieder ändern. Ich kann aber nichts dagegen machen. Wie sich der Neue anlassen wird, muß man erst wieder abwarten. Ich bin jedenfalls sehr vorsichtig, denn ich habe von meiner vorhergehenden Dienststelle immer noch die Nase voll. Mein Chef hat mich zwar schon wieder herausgelobt und ich habe immer so das Gefühl, ich versuche nicht abergläubig zu sein, daß das einesteils schon ein Plus sein kann, doch daß diese Herren manchmal mehr erwarten und der Ansicht sind, man schmeißt hier alles. Aber ich werde ja abwarten. Der anfänglich lustigen Stimmung bei dieser Feier folgte zwischenzeitlich eine etwas gedrückte Stille. Doch am Ende war dann alles doch zufriedengestellt, was bei den Soldaten nicht immer leicht ist. Am folgenden Tag erhielt meine Chef die Mitteilung, daß er vielleicht für eine neu aufzubauende Dienststelle vorgesehen sei, das ist zwar noch inoffiziell. Er frage mich, ob er mich anfordern soll, denn wenn es sich ermöglichen ließe, würde er dies gern tun, weil er mit meiner Arbeit sehr zufrieden gewesen sei. Ich würde das für meinen Dienstrang übliche Maß selbständig arbeiten. Ich habe ihm zugesagt, daß ich mich freuen würde, wenn ihm das gelingen würde.  Vor allem würde mir das besonders Spaß machen, wenn dies eine höhere Dienststelle wäre. Ich mache mir aber darüber noch keine Gedanken und warte ab, was sich ergibt.  Nun habe ich Dir sehr viel von mir geschrieben, möchte aber noch etwas auf Deine Briefe eingehen. Aber erst noch etwas. Als ich heimkam, hatte ich mich über die Päckchen gemacht und bevor ich abfuhr, hatte ich noch Euren lieben Geburtstagsbrief gelesen. Ich kann Euch nur sagen, daß Ihr mir ein große Freude bereitet habt. Für den Brief danke ich vielmals und ich hoffe zuversichtlich, daß all das sich erfüllen wird, was Du da zum Ausdruck gebracht hast. Die Bilder waren mir eine besondere Überraschung und ich kann Dir nur wieder mein Kompliment aussprechen. Helga sieht auf dem einen Bild aus wie ein junges Fräulein, so groß ist sie schon geworden. Die Badebilder gefallen mir sehr gut und auch das Bild vom letzten Urlaub ist gut getroffen. Das Gebäck hat wieder die bekannte und gewohnte Qualität. Ich kann Dir sagen, daß Ihr mir sehr viel Freude bereitet habt.  Ich möchte aber noch zwischendurch erwähnen, daß ich heute 4 Päckchen , und zwar die Nummer 15 bis 18 auf den Weg gebracht habe. Eine Büchse mit Wurstkonserven, die ich als Marschverpflegung für unsere Reise empfangen hatte, weiterhin eine Büchse mit Fisch. Ein Brot habe ich noch verpackt gehabt und die zwei Tafeln Schokolade. die ich noch hier hatte, sind ebenfalls dabei. Ich hoffe wieder fest, daß alles gut ankommt. Ich komme wieder nicht mehr viel weiter, denn ich habe noch allerhand Arbeit hier liegen, die ich erst noch wegschaffen muß. Man weiß nicht, ob es eines Tages einmal schnell heißt, es geht ab, dann will ich meinen Platz in Ordnung haben. Ich schreibe aber morgen gleich wieder, damit ich mit meinen Briefschulden wieder ins Gleichgewicht komme. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und sende Dir viele Küsse Dein Ernst.

Brief 288 vom 6./7.7.1942


Mein liebes Mädel !                                                     6.7.42             

Von der Dienstreise zurück, möchte ich Dir erst kurz eine herzlichen Gruß übermitteln. Ich komme heute noch nicht richtig zum Schreiben, weil ich allerhand Arbeit vorliegen haben. Ich werde aber alles nachholen. Ich habe verschiedene nette Erlebnisse gehabt. Für die verschiedenen Briefe, die ich noch zu beantworten habe, danke ich Dir vielmals. Über den einen, den Du im Anschluß an den Brief an Deinen Vater geschrieben hast, habe ich herzerfrischend gefunden. Ich muß Dir mein Kompliment machen. Du hast begründete Aussicht beim „Schwarzen Corps“ als Schriftleiter angestellt zu werden. Ich habe aber daraus gelesen, daß Du Deinen alten Humor, den Du gerade etwas nach Überwindung solcher Beklemmungen hattest, noch nicht verloren hast. Ich freue mich darüber.  Ich finde aber, daß wir uns in der Betrachtungsweise über diese Dinge alle einig sind. Von der Karte, die Siegfried mit in dem gleichen Sinn gesandt hat wie Die, hatte ich Dir schon geschrieben. Ich fand, daß es verständig von ihm ist, daß er die Dinge etwas anders zu betrachten versucht, doch das er jetzt, wie es mir scheint, doch klein beigegeben hat. Denn uns gegenüber hat er doch in dem einen Brief eine gewisse Schärfe durchblicken lassen, wenn wir die Beziehungen aufrecht erhalten würden. Lassen wir aber diesen Dingen weiter ihren Lauf gehen.  Heute Abend feiere ich mit meinen Kameraden Geburtstag, da habe ich noch einiges zu tun. Ich bitte Dich, darum heute mit diesem kurzen Gruß zufrieden zu sein. Ich werde das Versäumte umgehend nachholen. Nimm viele herzliche Grüße und ebenso viele Küsse entgegen von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.

Meine liebe Annie !                                                       7.7.42      
     
Wie ich Dir in meinem letzten Brief, den ich gleich mit Luftpost gesandt hatte, schrieb, mußte ich ganz plötzlich auf Dienstreise gehen, weil durch unvorhergesehene Organisationsänderungen von uns neue Gebiete übernommen werden mußten. Wir waren nun drei Tage unterwegs und wie ich Dir gestern schon mitteilte, habe ich wieder verschiedenes gesehen und erlebt. Wir fuhren am Freitag früh hier weg zu einer etwa 100 km entfernt liegenden Kommandantur, die uns bisher unterstand. Deren Arbeitsgebiet ist jetzt aufgeteilt worden. Diesmal haben wir die Reise im Kraftwagen machen können, denn die Straße erlaubte es so einigermaßen. Wir konnten sogar teilweise 70 km fahren, was für die hiesigen Verhältnisse viel bedeutet. Wir haben dann am Abend bei einem Mann, bei uns würde das einem Landrat entsprechen, übernachtet. Die Verhältnisse sind ja bedeutend einfacher wie bei uns.  Wir wurden dort freundlich aufgenommen. Der Mann sprach ganz gut deutsch, so daß man sich ganz gut unterhalten konnte. Am anderen Tag war dann Versammlung sämtlicher Bürgermeister dieses Kreises, die dann Anweisungen bekamen, was sie zu tun haben und was von ihnen verlangt wird. Die Bewirtung war diesmal besser wie bei meiner ersten Reise, die ich mit dem Obersten gemacht hatte. Hier bekamen wir zum Abendbrot Fisch vorgesetzt, dann hinterher eine Pfanne mit Spiegeleiern. Für jeden so 6 Stück, das war dann genügend. Dazu wurde dann noch kräftig Wodka getrunken. Am anderen Morgen wurden wir dann gleich wieder mit Fischen bewirtet.  Das war dann des Guten zuviel, aber wir haben dann schließlich doch gegessen. Man muß bei diesen Menschen so Rücksicht nehmen, so daß man eben das Zeug verdrückt hat. Eier gehörten auch dazu.  Das war wieder soviel, daß man keine rechte Lust zum Arbeiten hatte. Es ist aber auch das vorüber gegangen. Du wirst denken, das war mehr oder weniger eine Fressfahrt, da ist es nicht notwendig, daß ich erst noch von Arbeiten rede. Im großen betrachtet war es aber auch fast so. Der  „Landrat“ bat uns noch, bis zum Abend zu bleiben, denn er hatte für uns extra eine Theaterveranstaltung angesetzt. Doch wir mußten noch zu einer anderen Versammlung fahren, die zum nächsten Tag einberufen war. Wir sind dann am Samstagmittag weitergefahren und kamen dann am Abend in unserem neuen Bestimmungsort an. Dort wurden wir bereits erwartet. Es war verhältnismäßig spät, denn für uns war eine Theatervorstellung angesetzt, Wir mußten uns dann schnell in unsrem Quartier einrichten und dann schon wieder zum Essen gehen. Hier erwartete uns wirklich eine Überraschung. Da waren Platten aufgefahren, fast an die Verhältnisse in Frankreich erinnernd. Alles war sehr schön garniert, so daß es sehr appetitlich anzusehen war. Es war alles für uns besonders gut hergerichtet, und ich kann nur immer wieder sagen, daß wir sehr aufmerksam betreut wurden. Die Vorstellung besuchten wir dann gleich, denn sie mußten wegen unserer verspäteten Ankunft auch später anfangen. Es war nun nicht so einfach, bei dieser Vorstellung mitzukommen, denn es wurde ukrainische gesprochen. Schließlich hat uns unser Dolmetscher immer etwas geholfen, dann ging es so einigermaßen. Entsprechend dem Volkscharakter sind auch die Theaterstücke, die wir als etwas eigenartig empfanden. Langweilig wirkte, daß so viele und lange Pausen gemacht wurden. Aber die Leute gaben sich wirklich sehr viel Mühe. Doch ehe ich wieder von Sonntag und vom Essen erzähle, will ich doch noch kurz schildern, wie die Versammlung verlaufen ist.  Ich weiß nicht, ob Du bei und daheim die Parteiveranstaltungen kennst. So ungefähr war das dort. Wir fuhren mit unserem Auto vor. Wir ließen erst den „Landrat“ hineingehen. Dann kam mein Chef und ich. Dazu gehörte noch der Dolmetscher. Als wir in den Saal eintraten, so konnte man folgendes Bild sehen. An der Stirnseite es Saales war ein ganz großes Führerbild. Darüber geschmackvoll eine Hakenkreuzfahne gelegt. Der Saal war in der Mitte geteilt, so daß zu beiden Seiten Bänke standen. Der Landrat   hat dann seine Bürgermeister und die sonst zur Versammlung Geladenen aufstehen lassen. bei unserem Auftritt fing eine Blaskapelle an zu spielen und die Leute grüßten uns mit erhobener Hand. Mein Oberrat und ich , wir erwiesen militärische Ehrenbezeugung, so daß schon von Anfang an das ganze eine feierliche Form erhielt. Nach einer kurzen Einführung fing dann mein Chef an zu sprechen. Als er einen Höhepunkt seiner Rede erreicht hatte, die immer wieder vom Dolmetscher übersetzt wurde, standen mit einem Male sämtliche Anwesenden auf und fingen an zu klatschen. Die Kapelle, die sich hinten im Saal befand, fing dann an zu spielen, daß es erst den Anschein hatte, als betrachteten die Geladenen die Versammlung für geschlossen. Wir waren jedenfalls so verblüfft, da wir meinten, wir müßten aufhören. Aber schließlich hat sich unser Chef dann wieder gefaßt und hat dann weitergesprochen. Dieses Schauspiel hat sich dann noch einige Male wiederholt. Doch beim nächsten Mall wußte man, was los war. Ich kann Dir jedenfalls sagen, daß uns beim ersten Mal ganz komisch zumute war. Bei Schluß der Versammlung erhob sich dann wieder alles und es spielte sich genau das gleiche ab, wie bei unserem „Einzug“. Nach einer längeren Besprechung in kleinerem Kreis ging es dann wieder zum Essen.  Ich kann aber schon nur noch sagen, das war eine Fresserei. Für uns war extra ein Spanferkel gemacht worden. Eine Sache, die ich bisher noch nicht kannte. Aber was sonst noch alles aufgefahren war, das hat uns für Euch daheim direkt geniert. Erst gab es Salat, der gemischt war mit Gurken und auch die Platten waren wieder sehr schön garniert. Dann gab es eine Suppe, die sehr gut und kräftig wart. Dann gebratenes Huhn und gebratener Fisch.  Dann das Spanferkel und eine Art Pastete. Alles war sehr gut zubereitet. Die Herren, die an der Besprechung mit teilgenommen hatten, waren auch beim Essen mit dabei. In der Mitte saß mein Chef und ihm zur Rechten der  Landrat  und ich zur Linken. Es fehlte zu allem nur noch der gute Wein und etwas Bier. Wir bekamen dafür Wodka, der es schließlich auch tat. Tischsitten sind hier auch etwas anders. Hier kann man den Arm aufstützen und den Kopf damit halten, wenn man die Suppe ißt, da findet niemand etwas dabei.  Dann muß man scheinbar feste schlürfen. Denn als wir die Suppe nach unseren Gewohnheit aßen und bei uns nichts zu hören war, fragte der   Landrat  „ne karascho“ ?. Wir fragten dann, warum es nicht gut sein sollte, da meinte er, das sei eine wirklich gute Suppe.  Dabei gab er einen tiefen Seufzer von sich, daß man merkte, daß es ihm leichter geworden sei. Offenbar gehört Schmatzen und Schnaufen zur Zufriedenheit dazu und man kann es wahrscheinlich nur auf diese Art und Weise kundtun. Nach diesem schönen Essen gab es dann noch Erdbeeren. Wir haben während dieser Tage wie die Fürsten gelebt, doch nun liegt das auch wieder hinter uns.  Die Post geht nun gleich wieder ab. Ich muß daher jetzt wieder meinen Brief abschließen. Den Schluß kann ich erst morgen mitschicken.  Sei Du vielmals herzlich gegrüßt und recht herzlich geküßt von Deinem Ernst.