Mein liebstes Mädel ! Leipzig, 17.4.42
Ich stelle mir vor, daß Du heute große Augen gemacht haben wirst, als ich Dir das Telegramm von Leipzig aus sandte. Also gestern erhielt ich die Mitteilung, daß ich mich vorerst in Krakau zur Entgegennahme weiterer Weisung zu melden hätte. Ich bleibe wie ich Dir schon mitteilte, bei der Verwaltung im gleichen Rang, nur daß sich jetzt die Dienststelle ändert. Eins kann ich Dir sagen, jetzt, wo ich nun weiß, was wird, bin ich auch wieder ganz anderer Stimmung wie vorher, wo noch alles im Ungewissen lag. Nicht aber etwa deshalb, weil ich nicht zur Truppe zurückkomme, sondern weil ich jetzt weiß, was nun etwa kommen wird, denn vor dem Truppendienst habe ich keine Angst, das weißt Du, wenn es auch für mich am Anfang eine Umstellung bedeutet hätte. Ich hatte um Beurlaubung für wenige Tage nach Konstanz nachgesucht. Der Major glaubte das aber nicht verantworten zu können. Ich hatte meinen Antrag damit begründet, daß ich so viel Gepäck bei mir hätte, das ich zum großen Teil hier lassen müßte. Auch als ich ihm sagte, er sollte es als Dienstreise bezeichnen. Aber, wie gesagt, er hat alles abgelehnt. Da es nun nicht so geht, bin ich jetzt hier in Leipzig einen Tag abgestiegen, weil mich mein Weg hierher führte.
Heute früh bin ich gegen ½ 6 Uhr angekommen, nachdem ich gestern in Marburg ½ 9 Uhr abends wegfuhr. Dort wäre ich nicht mehr lange geblieben, denn man hatte mich mit noch einem Kameraden wegen Quartiermangel in der Kaserne untergebracht. Wie die Nacht vorher, war wieder Fliegeralarm. Diesmal mußte ich aber aus der Falle heraus und in den Keller gehen. Dort konnte man auf einer Holzpritsche weiterschlafen, soweit man eben dazu in der Lage war.
Ich fuhr also über Erfurt, Naumburg nach Halle, dort mußte ich auf einen Anschlußzug nach Leipzig warten. Meine Geburtsstadt hat mich aus Freude des Wiedersehens auch ganz gut bewirtet. Ich ging zum Roten Kreuz und bekam da Bratkartoffeln und Sauerkraut. In dem Sauerkraut war sogar Fleisch drin. Das hat mir ganz gut getan. Vor allem, wenn man die Kofferschleiferei hinter sich hat. Als ich hier nun ankam, bin ich dann gleich mit der Straßenbahn hinausgefahren. Dein Vater war nicht schlecht verwundert ebenso Erna. Ich glaube aber, daß sich beide gefreut haben, daß ich mit vorgesprochen habe. Meine Koffer hatte ich vorsichtshalber auf der Bahn gelassen, denn ich wußte ja noch nicht, wie sich Dein Vater nach unseren Briefen zu uns eingestellt hat. Ich denke aber, daß es richtiger sein wird, wir sprechen über die Dinge und ich hoffe, daß ich mit ihm schon zu Recht kommen werde. Bis heute früh ist er noch nicht darauf zurückgekommen. Ich habe mit Erna darüber gesprochen, denn ich halte es für meine Pflicht, diese Sache anzurühren. Erstens teilt sie vollkommen unsere Ansicht, was ja schließlich nach der Äußerung von Siegfried nicht anders zu erwarten war. Sie sagte mir nun, als sie von Karlsruhe zurückkam, daß er in einer ganz veränderten Stimmung war. Siegfried hat sich dann mit ihm offenbar ausgesprochen über die ganze Angelegenheit.
Erna ist der Ansicht, daß das Fräulein aus seinem früheren Geschäft sicherlich gehetzt habe, daß er sich so was bieten ließe, daß seine Schwiegertochter so herumreise, während er im kalten Zimmer sitzt. Ebenso hat die Frau Böhler noch mit dazu beigetragen, seine Stimmung in dieser Richtung zu beeinflussen. Wie die Dinge sich nun weiter entwickeln, muß man abwarten, was ich noch erfahre. Ich werde Dir aber dann noch berichten.
Nachdem Dein Vater weggegangen ist, bin ich nochmals in die Stadt gefahren um mein Gepäck zu holen um das umzupacken, was ich nicht mitnehmen will. Ich hatte mich dann umgezogen und bin dann mit Erna in die Stadt gefahren, um Alice zu besuchen. Die hat mir dann erst Vorhaltungen gemacht, daß ich nicht geschrieben habe. Ich habe ihr dann gesagt, daß es besser sei, ich käme selbst. Dann sind wir noch ein wenig durch die Stadt gebummelt und sind ins Cafe Genant gegangen. Ich mußte doch meine Schwägerin auch einmal ausführen. Doch hier muß ich etwas einflechten. Das Geld habe ich mir dazu geborgt. Ich habe mir von Erna ebenfalls 20,-RM geben lassen, die Du ihr bitte überweisen willst, denn ich hatte fast kein Geld mehr in der Hand. Ganz schäbig konnte ich mich auch nicht zeigen. Vorhin sind wir nun nach hause gekommen. Ich muß sagen, daß Erna sich sehr viel Mühe gibt, um mir unter den Verhältnissen der Lebensmittelbewirtschaftung etwas vorzustellen. Sie ist sehr freundlich zu mir. Wir haben uns über alle Familiendinge unterhalten, die uns nun einmal alle angehen. Ich habe sie nun auf diesem Wege auch kennen gelernt, was mir doch bisher immer noch als Mangel für einen vollständigen Menschen anhing. Vorhin hat sie noch Mittagessen fertiggemacht, in der Zwischenzeit kam Herr Wigram und hat mich gleich begrüßt, was sehr nett von diesem Mann war. Eines kann ich ihm nur nicht vergessen, daß er mich immer mit „Kroschel“ angesprochen hat.
Heute Abend haben wir Alice und Paul hergebeten, die gegen 6 Uhr kommen werden. Ich fahre morgen weiter nach Krakau. Mein Zug fährt um 19 Uhr, so daß ich dann am anderen Morgen 8,30 Uhr dort sein werde. Ich müßte eigentlich heute schon fahren, aber ich bin bis jetzt immer zu zeitig gekommen, so daß ich sehen muß, was ich sage, wenn ich einmal etwas später komme. Ich werde es diesmal auf mich nehmen. Du brauchst Dir deshalb keine Sorgen zu machen. Die Sachen, die ich an Dich zurückschicken will, mache ich noch fertig. Hoffentlich kommen sie gut an.
Meine neue Anschrift wird sicherlich 12960 lauten, sobald das feststeht, gebe ich Dir genaueren Bescheid. Jetzt möchte ich aber schließen und sende Dir sowie auch den Kindern recht viele herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst. Dein Geld für den Kranz ist auch schon eingegangen. Abschrift eines Briefes an Kurt, den ich vor Tagen schon geschrieben hatte, lege ich bei. Ebenfalls eine Abschrift eines Briefes an Siegfried, den ich heute schrieb.
Ich stelle mir vor, daß Du heute große Augen gemacht haben wirst, als ich Dir das Telegramm von Leipzig aus sandte. Also gestern erhielt ich die Mitteilung, daß ich mich vorerst in Krakau zur Entgegennahme weiterer Weisung zu melden hätte. Ich bleibe wie ich Dir schon mitteilte, bei der Verwaltung im gleichen Rang, nur daß sich jetzt die Dienststelle ändert. Eins kann ich Dir sagen, jetzt, wo ich nun weiß, was wird, bin ich auch wieder ganz anderer Stimmung wie vorher, wo noch alles im Ungewissen lag. Nicht aber etwa deshalb, weil ich nicht zur Truppe zurückkomme, sondern weil ich jetzt weiß, was nun etwa kommen wird, denn vor dem Truppendienst habe ich keine Angst, das weißt Du, wenn es auch für mich am Anfang eine Umstellung bedeutet hätte. Ich hatte um Beurlaubung für wenige Tage nach Konstanz nachgesucht. Der Major glaubte das aber nicht verantworten zu können. Ich hatte meinen Antrag damit begründet, daß ich so viel Gepäck bei mir hätte, das ich zum großen Teil hier lassen müßte. Auch als ich ihm sagte, er sollte es als Dienstreise bezeichnen. Aber, wie gesagt, er hat alles abgelehnt. Da es nun nicht so geht, bin ich jetzt hier in Leipzig einen Tag abgestiegen, weil mich mein Weg hierher führte.
Heute früh bin ich gegen ½ 6 Uhr angekommen, nachdem ich gestern in Marburg ½ 9 Uhr abends wegfuhr. Dort wäre ich nicht mehr lange geblieben, denn man hatte mich mit noch einem Kameraden wegen Quartiermangel in der Kaserne untergebracht. Wie die Nacht vorher, war wieder Fliegeralarm. Diesmal mußte ich aber aus der Falle heraus und in den Keller gehen. Dort konnte man auf einer Holzpritsche weiterschlafen, soweit man eben dazu in der Lage war.
Ich fuhr also über Erfurt, Naumburg nach Halle, dort mußte ich auf einen Anschlußzug nach Leipzig warten. Meine Geburtsstadt hat mich aus Freude des Wiedersehens auch ganz gut bewirtet. Ich ging zum Roten Kreuz und bekam da Bratkartoffeln und Sauerkraut. In dem Sauerkraut war sogar Fleisch drin. Das hat mir ganz gut getan. Vor allem, wenn man die Kofferschleiferei hinter sich hat. Als ich hier nun ankam, bin ich dann gleich mit der Straßenbahn hinausgefahren. Dein Vater war nicht schlecht verwundert ebenso Erna. Ich glaube aber, daß sich beide gefreut haben, daß ich mit vorgesprochen habe. Meine Koffer hatte ich vorsichtshalber auf der Bahn gelassen, denn ich wußte ja noch nicht, wie sich Dein Vater nach unseren Briefen zu uns eingestellt hat. Ich denke aber, daß es richtiger sein wird, wir sprechen über die Dinge und ich hoffe, daß ich mit ihm schon zu Recht kommen werde. Bis heute früh ist er noch nicht darauf zurückgekommen. Ich habe mit Erna darüber gesprochen, denn ich halte es für meine Pflicht, diese Sache anzurühren. Erstens teilt sie vollkommen unsere Ansicht, was ja schließlich nach der Äußerung von Siegfried nicht anders zu erwarten war. Sie sagte mir nun, als sie von Karlsruhe zurückkam, daß er in einer ganz veränderten Stimmung war. Siegfried hat sich dann mit ihm offenbar ausgesprochen über die ganze Angelegenheit.
Erna ist der Ansicht, daß das Fräulein aus seinem früheren Geschäft sicherlich gehetzt habe, daß er sich so was bieten ließe, daß seine Schwiegertochter so herumreise, während er im kalten Zimmer sitzt. Ebenso hat die Frau Böhler noch mit dazu beigetragen, seine Stimmung in dieser Richtung zu beeinflussen. Wie die Dinge sich nun weiter entwickeln, muß man abwarten, was ich noch erfahre. Ich werde Dir aber dann noch berichten.
Nachdem Dein Vater weggegangen ist, bin ich nochmals in die Stadt gefahren um mein Gepäck zu holen um das umzupacken, was ich nicht mitnehmen will. Ich hatte mich dann umgezogen und bin dann mit Erna in die Stadt gefahren, um Alice zu besuchen. Die hat mir dann erst Vorhaltungen gemacht, daß ich nicht geschrieben habe. Ich habe ihr dann gesagt, daß es besser sei, ich käme selbst. Dann sind wir noch ein wenig durch die Stadt gebummelt und sind ins Cafe Genant gegangen. Ich mußte doch meine Schwägerin auch einmal ausführen. Doch hier muß ich etwas einflechten. Das Geld habe ich mir dazu geborgt. Ich habe mir von Erna ebenfalls 20,-RM geben lassen, die Du ihr bitte überweisen willst, denn ich hatte fast kein Geld mehr in der Hand. Ganz schäbig konnte ich mich auch nicht zeigen. Vorhin sind wir nun nach hause gekommen. Ich muß sagen, daß Erna sich sehr viel Mühe gibt, um mir unter den Verhältnissen der Lebensmittelbewirtschaftung etwas vorzustellen. Sie ist sehr freundlich zu mir. Wir haben uns über alle Familiendinge unterhalten, die uns nun einmal alle angehen. Ich habe sie nun auf diesem Wege auch kennen gelernt, was mir doch bisher immer noch als Mangel für einen vollständigen Menschen anhing. Vorhin hat sie noch Mittagessen fertiggemacht, in der Zwischenzeit kam Herr Wigram und hat mich gleich begrüßt, was sehr nett von diesem Mann war. Eines kann ich ihm nur nicht vergessen, daß er mich immer mit „Kroschel“ angesprochen hat.
Heute Abend haben wir Alice und Paul hergebeten, die gegen 6 Uhr kommen werden. Ich fahre morgen weiter nach Krakau. Mein Zug fährt um 19 Uhr, so daß ich dann am anderen Morgen 8,30 Uhr dort sein werde. Ich müßte eigentlich heute schon fahren, aber ich bin bis jetzt immer zu zeitig gekommen, so daß ich sehen muß, was ich sage, wenn ich einmal etwas später komme. Ich werde es diesmal auf mich nehmen. Du brauchst Dir deshalb keine Sorgen zu machen. Die Sachen, die ich an Dich zurückschicken will, mache ich noch fertig. Hoffentlich kommen sie gut an.
Meine neue Anschrift wird sicherlich 12960 lauten, sobald das feststeht, gebe ich Dir genaueren Bescheid. Jetzt möchte ich aber schließen und sende Dir sowie auch den Kindern recht viele herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst. Dein Geld für den Kranz ist auch schon eingegangen. Abschrift eines Briefes an Kurt, den ich vor Tagen schon geschrieben hatte, lege ich bei. Ebenfalls eine Abschrift eines Briefes an Siegfried, den ich heute schrieb.
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