Mein liebes Mädel !
Auf der Weiterfahrt
22.4.42
Gestern Abend 9 Uhr ging es von Lemberg weiter. Am späten Nachmittag hieß es, daß ein Transport weitergeht. Wir wurden schnell zusammengestellt. Als wir auf dem Bahnhof ankamen, war erst eine große Drängelei, aber Platz hat dann jeder bekommen. Jetzt liegen wir auf einer Bahnstation und warten bis der Zug weitergeht. Die Bevölkerung kommt an den Zug heran und versucht den Soldaten Eier anzudrehen. Alles geht im Tauschhandel. Für eine Schachtel Streichhölzer oder für eine Zigarette gibt es ein Ei. Obwohl Posten mit der Peitsche oder mit aufgepflanztem Gewehr vorbeilaufen, um die Leute davon abzuhalten, läßt sich doch immer wieder ein Geschäft machen. Sämtliche Bahnhöfe, die wir bis jetzt passierten, waren zerstört. Meist ausgebrannt. Die Häuser machen alle einen ärmlichen Eindruck. Dachziegel sind eine Seltenheit, die Leute sehen zerlumpt und verdreckt aus. In Lemberg war es noch eine Stadt, da sah es schon schlimm aus, aber hier ist es noch schlimmer. Die Straßen sehen verschlammt und verwahrlost aus, die Felder sind noch nicht bestellt, alles macht einen trostlosen Eindruck. Man wird sich mit der Zeit an diesen Anblick gewöhnen müssen, wie man sich als Soldat in den zwei Jahren schon an so vieles gewöhnt hat. In Lemberg kamen wir gestern zufällig auf einen Markt. Der Eindruck, den man da gewinnen konnte war der, daß die Leute auf dem Standpunkt stehen, lieber etwas gehandelt als gearbeitet. Man wundert sich, was da alles verkauft wird. Etwas erinnerte mich dieser gesamte Markt an den Flohmarkt, den ich seinerzeit in Lille sah. Alte, wieder gerade gebogene Nägel, alte Wecker, Kleider, die schon etliche Jahre getragen waren, Sämereien, Farben, Stoffreste usw. Man könnte da eine lange Liste aufstellen, dazwischen sieht man immer wieder Juden, Juden und immer wieder Juden. Daß man die bald in ein Ghetto tut, wird nichts schaden.
Übrigens fällt mir da ein, daß mir Erna sagte, daß ein Mädchen aus dem Elternverein auch Jüdin sei, von der man es bis jetzt nicht gewußt hatte. Mir ist nur der Name entfallen, Du kennst sie aber gut, denn sie war etwa in Deinem Alter. Mit Vornamen hieß sie Marianne und der Familienname fing glaub ich mit W an. Man sieht es auch hier vielen nicht gleich an, daß sie Juden sind, darum ist es gut, daß man sie kennzeichnet. Wir sind nun wieder fast 19 Stunden unterwegs immer durch weite Felder, die jetzt teilweise umgepflügt werden. Mit Gespannen von 5 bis 6 Pferden geht es über den Acker. Wenn da auch große Massen eingesetzt werden, man kann sich gar nicht vorstellen, daß das alles einmal bearbeitet wird. Dazwischen gibt es einmal Bilder, die auch eine große Ausdehnung haben. Manchmal bemerkt man Obstplantagen, die auch wieder riesige Ausmaße haben. Es geht hier alles im Großen.
23.4.42 Guten Morgen liebes Mädel.
Wieder sind wir eine Nacht gefahren und noch sieht man kein Ende dieser Fahrt. Jetzt richtet man sich bald im Zuge hier ein und an das Schlafen gewöhnt man sich schon. Die letzte Nacht war es zwar ziemlich kühl, aber der Schnee ist ja hier soweit überall weg, nur wo die Schneezäune standen, da befinden sich noch kleine Schneehalden. Aber wir fahren immer weiter durch die Gegend. Wir sind schon soweit nach Süden gefahren, daß wir in Richtung Odessa nur wenige hundert Kilometer entfernt sind. An den Stationen geht der Handel lustig weiter. Man wundert sich, wie sie sich an diesen Handel gewöhnen und wie sie die Preise in die Höhe schrauben. Mit unglaublicher Frechheit verlangen sie immer mehr. Die Soldaten sind aber auch selbst daran schuld, denn sie zahlen das was verlangt wird, weil sie es meistens zahlen.
Vorhin kamen aber Soldaten, die schon lange auf dem Transport sind und nichts zu rauchen hatten, die boten für eine Zigarette Fünfzig Pfennig. Ich bot ihm 3 Stück, dafür wollte er mir 5, geben. Ich habe sie aber nicht genommen. Dafür brachte er mir aber 3 Eier. Der Tauschhandel treibt hier seine tollsten Blüten. Über diese Riesenentfernungen von einem Ort zum anderen und über diese Riesenflächen kann man sich immer nur wieder wundern. Wenn man das alles richtig landschaftlich nutzen könnte, so wäre für ganz Europa allein Brot vorhanden. Abgesehen von den vielen anderen Möglichkeiten. Doch beim Arbeiten sieht man meistens nur Frauen, im Übrigen machen mir alle einen reichlich faulen Eindruck. Stellenweise sind die Bahnhöfe und verschiedene Ortschaften zerstört, meist aber scheint es mir als hätten das die Russen selbst angezündet. Brücken oder sonstwelche Kunstbauten sind hier nicht viele vorhanden, bis jetzt haben wir erst eine große Brücke passiert, die ist aber schon ganz schön instandgesetzt. Kriegsgefangene waren mit an der Arbeit. Das sind aber schon die reinsten Mongolen. Einen vertierten Eindruck machen sie einem.
Obwohl man aus dem Lande so viel herausholen könnte, machen die Leute einen verarmten Eindruck, erstens weil sie nichts arbeiten wollen und dann weil man sie mit Absicht unten gehalten hat. Mit der Wascherei auf der Fahrt hat das so seine Schwierigkeiten. Auf den Bahnhöfen hat man Leitungsrohre gelegt, in die man Löcher gebohrt hat, aus denen das Wasser dann herausläuft.
In dieser Beziehung, was also die Reinlichkeit anbelangt,, habe ich verschiedenes nicht bei mir. Ein richtiger Spiegel zum Rasieren fehlt mir. Man muß sich eben auf das Geradewohl rasieren und hinterher muß man sich befühlen, ob man alles wegbekommen hat. Das wird dann noch nachgeschafft. Es geht alles, nur macht es etwas mehr Umstand. Mit dem Eßbesteck ist es bis jetzt auch so. Ich hoffe, daß ich an meinem Bestimmungsort etwas bekomme, sonst sitze ich auf. Froh bin ich nur, daß ich mein Taschenmesser bei mir habe.
Mit der Zahnpasta und mit den Briefumschlägen wird es auch hapern. Einen Ausweg werde ich aber auch da finden. Du brauchst Dir deshalb keine Gedanken zu machen. Mit dem Briefpapier habe ich mich in Frankreich noch etwas eingedeckt gehabt, weil ich schon gedacht hatte, daß das Schererei machen wird. Im Tauschhandel wird man schon etwas bekommen und da hoffe ich auf die Zigaretten, die ich ja doch nicht rauche.
Wenn ich nachher Gelegenheit habe, den Brief mit aufzugeben, geht er zur Post, denn jetzt wirst Du wohl länger warten müssen und sicherlich nicht so laufend Post bekommen wie früher. Soweit es aber möglich ist, werde ich immer in altgewohnter Weise weiter schreiben. Dagegen werde ich noch eine ganze Weile warten müssen bis ich etwas bekomme. Jetzt kann ich wieder Post aufgeben, darum will ich für heute schließen. Ich grüße Dich und die Kinder wieder recht herzlich und oft und sende auch recht viele Küsse Dein Ernst.
Gestern Abend 9 Uhr ging es von Lemberg weiter. Am späten Nachmittag hieß es, daß ein Transport weitergeht. Wir wurden schnell zusammengestellt. Als wir auf dem Bahnhof ankamen, war erst eine große Drängelei, aber Platz hat dann jeder bekommen. Jetzt liegen wir auf einer Bahnstation und warten bis der Zug weitergeht. Die Bevölkerung kommt an den Zug heran und versucht den Soldaten Eier anzudrehen. Alles geht im Tauschhandel. Für eine Schachtel Streichhölzer oder für eine Zigarette gibt es ein Ei. Obwohl Posten mit der Peitsche oder mit aufgepflanztem Gewehr vorbeilaufen, um die Leute davon abzuhalten, läßt sich doch immer wieder ein Geschäft machen. Sämtliche Bahnhöfe, die wir bis jetzt passierten, waren zerstört. Meist ausgebrannt. Die Häuser machen alle einen ärmlichen Eindruck. Dachziegel sind eine Seltenheit, die Leute sehen zerlumpt und verdreckt aus. In Lemberg war es noch eine Stadt, da sah es schon schlimm aus, aber hier ist es noch schlimmer. Die Straßen sehen verschlammt und verwahrlost aus, die Felder sind noch nicht bestellt, alles macht einen trostlosen Eindruck. Man wird sich mit der Zeit an diesen Anblick gewöhnen müssen, wie man sich als Soldat in den zwei Jahren schon an so vieles gewöhnt hat. In Lemberg kamen wir gestern zufällig auf einen Markt. Der Eindruck, den man da gewinnen konnte war der, daß die Leute auf dem Standpunkt stehen, lieber etwas gehandelt als gearbeitet. Man wundert sich, was da alles verkauft wird. Etwas erinnerte mich dieser gesamte Markt an den Flohmarkt, den ich seinerzeit in Lille sah. Alte, wieder gerade gebogene Nägel, alte Wecker, Kleider, die schon etliche Jahre getragen waren, Sämereien, Farben, Stoffreste usw. Man könnte da eine lange Liste aufstellen, dazwischen sieht man immer wieder Juden, Juden und immer wieder Juden. Daß man die bald in ein Ghetto tut, wird nichts schaden.
Übrigens fällt mir da ein, daß mir Erna sagte, daß ein Mädchen aus dem Elternverein auch Jüdin sei, von der man es bis jetzt nicht gewußt hatte. Mir ist nur der Name entfallen, Du kennst sie aber gut, denn sie war etwa in Deinem Alter. Mit Vornamen hieß sie Marianne und der Familienname fing glaub ich mit W an. Man sieht es auch hier vielen nicht gleich an, daß sie Juden sind, darum ist es gut, daß man sie kennzeichnet. Wir sind nun wieder fast 19 Stunden unterwegs immer durch weite Felder, die jetzt teilweise umgepflügt werden. Mit Gespannen von 5 bis 6 Pferden geht es über den Acker. Wenn da auch große Massen eingesetzt werden, man kann sich gar nicht vorstellen, daß das alles einmal bearbeitet wird. Dazwischen gibt es einmal Bilder, die auch eine große Ausdehnung haben. Manchmal bemerkt man Obstplantagen, die auch wieder riesige Ausmaße haben. Es geht hier alles im Großen.
23.4.42 Guten Morgen liebes Mädel.
Wieder sind wir eine Nacht gefahren und noch sieht man kein Ende dieser Fahrt. Jetzt richtet man sich bald im Zuge hier ein und an das Schlafen gewöhnt man sich schon. Die letzte Nacht war es zwar ziemlich kühl, aber der Schnee ist ja hier soweit überall weg, nur wo die Schneezäune standen, da befinden sich noch kleine Schneehalden. Aber wir fahren immer weiter durch die Gegend. Wir sind schon soweit nach Süden gefahren, daß wir in Richtung Odessa nur wenige hundert Kilometer entfernt sind. An den Stationen geht der Handel lustig weiter. Man wundert sich, wie sie sich an diesen Handel gewöhnen und wie sie die Preise in die Höhe schrauben. Mit unglaublicher Frechheit verlangen sie immer mehr. Die Soldaten sind aber auch selbst daran schuld, denn sie zahlen das was verlangt wird, weil sie es meistens zahlen.
Vorhin kamen aber Soldaten, die schon lange auf dem Transport sind und nichts zu rauchen hatten, die boten für eine Zigarette Fünfzig Pfennig. Ich bot ihm 3 Stück, dafür wollte er mir 5, geben. Ich habe sie aber nicht genommen. Dafür brachte er mir aber 3 Eier. Der Tauschhandel treibt hier seine tollsten Blüten. Über diese Riesenentfernungen von einem Ort zum anderen und über diese Riesenflächen kann man sich immer nur wieder wundern. Wenn man das alles richtig landschaftlich nutzen könnte, so wäre für ganz Europa allein Brot vorhanden. Abgesehen von den vielen anderen Möglichkeiten. Doch beim Arbeiten sieht man meistens nur Frauen, im Übrigen machen mir alle einen reichlich faulen Eindruck. Stellenweise sind die Bahnhöfe und verschiedene Ortschaften zerstört, meist aber scheint es mir als hätten das die Russen selbst angezündet. Brücken oder sonstwelche Kunstbauten sind hier nicht viele vorhanden, bis jetzt haben wir erst eine große Brücke passiert, die ist aber schon ganz schön instandgesetzt. Kriegsgefangene waren mit an der Arbeit. Das sind aber schon die reinsten Mongolen. Einen vertierten Eindruck machen sie einem.
Obwohl man aus dem Lande so viel herausholen könnte, machen die Leute einen verarmten Eindruck, erstens weil sie nichts arbeiten wollen und dann weil man sie mit Absicht unten gehalten hat. Mit der Wascherei auf der Fahrt hat das so seine Schwierigkeiten. Auf den Bahnhöfen hat man Leitungsrohre gelegt, in die man Löcher gebohrt hat, aus denen das Wasser dann herausläuft.
In dieser Beziehung, was also die Reinlichkeit anbelangt,, habe ich verschiedenes nicht bei mir. Ein richtiger Spiegel zum Rasieren fehlt mir. Man muß sich eben auf das Geradewohl rasieren und hinterher muß man sich befühlen, ob man alles wegbekommen hat. Das wird dann noch nachgeschafft. Es geht alles, nur macht es etwas mehr Umstand. Mit dem Eßbesteck ist es bis jetzt auch so. Ich hoffe, daß ich an meinem Bestimmungsort etwas bekomme, sonst sitze ich auf. Froh bin ich nur, daß ich mein Taschenmesser bei mir habe.
Mit der Zahnpasta und mit den Briefumschlägen wird es auch hapern. Einen Ausweg werde ich aber auch da finden. Du brauchst Dir deshalb keine Gedanken zu machen. Mit dem Briefpapier habe ich mich in Frankreich noch etwas eingedeckt gehabt, weil ich schon gedacht hatte, daß das Schererei machen wird. Im Tauschhandel wird man schon etwas bekommen und da hoffe ich auf die Zigaretten, die ich ja doch nicht rauche.
Wenn ich nachher Gelegenheit habe, den Brief mit aufzugeben, geht er zur Post, denn jetzt wirst Du wohl länger warten müssen und sicherlich nicht so laufend Post bekommen wie früher. Soweit es aber möglich ist, werde ich immer in altgewohnter Weise weiter schreiben. Dagegen werde ich noch eine ganze Weile warten müssen bis ich etwas bekomme. Jetzt kann ich wieder Post aufgeben, darum will ich für heute schließen. Ich grüße Dich und die Kinder wieder recht herzlich und oft und sende auch recht viele Küsse Dein Ernst.
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