Montag, 3. April 2017

Brief 234 vom 29./30./31.3.1942


Mein liebes Mädel !                                                         29.3.42                                                 

Gestern erhielt ich gleich 3 Briefe von Dir. Unter anderem auch den Brief vom 18.3., der erst an die Feldpostnummer 38243 gegangen ist. Er ist jedenfalls nicht verloren gegangen.
Obwohl ich nun nicht wußte, daß Du Sämereien brauchst, habe ich schon versucht, einige Sachen zu kaufen, was ich bekommen konnte. Auch hier stößt es auf gewisse Schwierigkeiten, weil hier jeder ein Stückchen Land bekommen kann, der sich etwas anbaut. Dadurch ist natürlich auch ein erhöhter Bedarf  für diese Sachen eingetreten.  Möhren und Weißkrautsamen habe ich schon, auch Selleriesamen hat mir der Bertreffende mitgebracht. Wenn Du ihn nicht haben willst, dann kannst Du ihn ja weiterverkaufen, aber unter 30 Pfennig verkaufst Du ihn dann nicht. 
Daß ich in dem einen Brief etwas vergessen habe, zeugt wohl von einer gewissen Flüchtigkeit, ich bitte Dich aber, dies entschuldigen zu wollen. Für den Brief von Siegfried, den Du beigefügt hattest, danke ich Dir ebenfalls. Die darin aufgestellten Fragen hast Du ihm ja mehr oder weniger beantwortet, so daß ich nicht näher darauf einzugehen brauche.  Trotz meines Sonntagsbesuchs beim Tommi hast Du sicherlich nicht länger auf Post warten müssen wie sonst auch.
Daß Du mein Briefmarkenalbum so vornehm versorgt hast, war ja nicht unbedingt notwendig, es freut mich aber trotzdem und es ist mir im Moment auch so recht. Daß Du mir zu Ostern nichts senden kannst, ist mir ja durchaus klar und ich bin davon überzeugt, daß Du mir eine Kleinigkeit gesandt hättest, wenn ich noch länger hier geblieben wäre und Du die Gewißheit gehabt hättest, ich sei noch hier, wenn das Päckchen ankommt. Man weiß ja nie genau, wie lang so ein Päckchen unter Umständen braucht.
Daß Helga so ungeheuer wächst, ist ja beängstigend für Dich, denn da kommst Du ja nicht mehr nach im Kleidermachen. Daß sich die Kürzungen und die anderen Änderungen in der Versorgung nicht ganz so schlimm auswirken, freut mich sehr, denn das was Euch zusteht ist ja nicht so reichlich, als daß man große Sprünge damit machen könnte. 
Heute seid Ihr nun zum Tag der Wehrmacht gegangen, das wird für die Kinder sicher ein Vergnügen gewesen sein. Zu den Tauchern habt Ihr ja nicht mehr gehen brauchen, denn das haben die Kinder ja reichlich gesehen, dagegen wird Jörg seine Schlauchbootfahrt schon hinter sich haben, die ihm zu allerlei Entdeckungen Gelegenheit gegeben haben wird. Doch darüber wirst Du mir schon noch schreiben.
In einer Woche ist nun Ostern und in wenigen Tagen schon wieder April. Die Zeit vergeht ja in Windeseile. Daß unserem Jungen nichts fehlt und daß die Nachuntersuchung auch nichts ergeben hat, ist auch für mich beruhigend.  Daß Du mit den Gartenarbeiten noch bis Anfang April zuwartest, ist schon in Ordnung, denn vorher hat alles doch keinen Wert. Denn die Rückschläge sind dann immer noch stark und man muß immer damit rechnen, daß starke Fröste auftreten. Es ist nur schade, daß ich Dich nicht dabei entsprechend unterstützen kann.  Herzlich grüße ich Dich und die Kinder. Ich sende Dir aber auch heute wieder viele Küsse und bitte, den Schlawanzern auch jedem einen aufzudrücken. Dein Ernst.

Meine liebe Annie !                                                              30.3.42             

Heute hat mich die Post vergessen. Ich habe von Dir keinen Brief erhalten. Dafür erhielt ich zwar, wie ich Dir ja schrieb, vorgestern gleich 3 Briefe. Einer war davon wohl älteren Datums, doch das macht ja nichts. Ich hatte eben doch 3 Briefe zu lesen.  Wahrscheinlich werde ich morgen wieder Post bekommen. Viele Päckchen habe ich diesmal nicht packen können, da ich in dieser Woche nichts zusammenbekommen habe. Ich hoffe aber, daß es mir gelingt, noch einige Kleinigkeiten zu erstehen, bevor ich hier weg muß. Lediglich ein Päckchen mit Zwiebeln habe ich fertig machen können, die ich morgen mit wegschicke. Ich habe sie noch bekommen können, doch ich wußte ja, daß Du sie ziemlich brauchst.  Wenn Du sie Dir einteilst, werden sie schon eine Weile reichen. 
Verschiedene Sämereien habe ich wohl erhalten, doch ob es ausreichend ist, kann ich nicht sagen, weil ich nicht weiß, wie viele Du von den einzelnen Sachen noch da hast. Immerhin sind es einige Sachen, die Du Dir zur Aushilfe mit hinziehen kannst. 
Bis jetzt habe ich noch keine Neuheiten erfahren über meine Versetzung.  Eines hat sich in der Zwischenzeit nun herausgestellt, daß sämtliche Jahrgänge bis zu einem bestimmten Datum herausgezogen werden. Das bedeutet, daß wir nun nicht allein hier wegmüssen, vielleicht unser ganze Haufen. Das kann ja heiter werden. Kümmern tut es mich zwar nicht mehr. Wahrscheinlich läßt man mich noch bis über die Osterfeiertage hier. Dann werde ich also gleich nach Ostern abrutschen.  Die Kinder werden nun auch diese Woche wieder Ferien bekommen, und ich nehme an, die Zeugnisse auch.  Zwischen Weihnachten und Ostern sind sie dann nicht viel in Anspruch genommen worden. Die Zeugnisse werden mir ja in Abschriften zugehen.  Heute habe ich so gar keinen Stoff zum Schreiben. Ich bitte Dich deshalb, mit diesem kurzen Brief vorlieb zu nehmen. Nimm viele herzliche Grüße und ebenso viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.


Meine liebe Frau !                                                       31.3.42         

Gegenwärtig ist die Versorgung mit Post etwas langweilig geworden. Auch heute kam wieder kein Brief von Dir an. Ich nehme natürlich an, daß Ihr alle gesund seid und daß diese Postverzögerung nur darauf zurückzuführen ist, weil irgendwelche Schwierigkeiten mit der Beförderung bestehen.  Ich habe nun so gut wie keine Arbeit hier. Mein Nachfolger soll zwar alles das übernehmen, was ich bis jetzt bearbeitet hatte. Als ich ihm alles erklärte, hat er erst einmal zu jedem gesagt: “Das kann ich nicht und das verstehe ich nicht usw. usw.“ Er hat nach jeder Richtung hin zu erkennen gegeben, daß er wenig Lust hat, etwas zu machen. 
Bei seiner Vorstellung beim Kommandanten hat er sich auch gleich in ähnlicher Weise geäußert. Auf diese Weise kann es ja möglich sein, daß man merkt, was ich hier für Arbeit geleistet habe. Es ist nur schade, daß dann alles, was man vorher gearbeitet hat, wieder verdorben wird. Froh bin ich nur, daß ich hier immer meine Pflicht getan habe und daß man mir in dieser Beziehung nichts nachsagen kann. Alles, was ich hier zu erledigen hatte, habe ich soweit getan. Jetzt bin ich sozusagen ohne besondere Beschäftigung. Man bringt so recht und schlecht den Tag herum. 
Von Kurt habe ich auch noch keine Nachricht. Ich bin gespannt, wie es ihm geht und wie die Heilung vonstatten geht. Hoffentlich macht er gute Fortschritte. Ich nehme an, daß er inzwischen an Dich wieder einmal geschrieben hat. 
Das Wetter ist der Jahreszeit entsprechend sehr wechselhaft. Man merkt aber schon an den Sträuchern, daß es dem Frühling stark entgegengeht. Teilweise gehen die Knospen auf und es liegt so ein Geruch nach frischem Grün in der Luft. Seit ich hier bin, trage ich ja schon keinen Mantel mehr, höchstens, wenn es regnerisches Wetter ist.
Bei uns im Haus sind schon die Palmen wieder aus dem Glashaus genommen und in den Hof gestellt worden. Heute sind es genau 11 Monate her, seit ich hier gelandet bin. Am Anfang meinte man, man könnte es  kaum 2 Tage aushalten, schließlich hat man sich unter dem Zwang der Verhältnisse eingelebt. Und nun, wo man hier weg muß und man weiß, daß man in Gebiete kommt, die noch trostloser sein werden, meint man, es sei doch nicht so schlecht, wie es einem am Anfang scheinen wollte. 
Was machen die Kinder. Ich denke, daß sie fest an Ostern denken werden. Im vergangenen Jahr war ich mit Euch zusammen. Jetzt sind wir schon Weihnachten  und nun auch an diesem Fest nicht beieinander. Ich hoffe, daß Ihr die Feiertage gesund verlebt. In Gedanken werde ich wieder bei Euch sein. Vielleicht geht Ihr in den Wald. Das würde unserer früheren Gewohnheit entsprechen.  Bleibt mir gesund und nimm viele Grüße und recht herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.

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