Montag, 3. April 2017

Brief 236 vom 2./3./5.4.1942


Mein bestes, liebstes Mädel !                                         2.4.42                                                          

So nach und nach habe ich jetzt nun alles weggeschickt. Ich habe jetzt nun ziemlich sämtliche Briefschaften zurückgesandt. Wenn man so auf dem Absprung steht, dann hat man gern diese Sachen aus der Hand. In diesen Tagen konnte ich so wenige Sachen kaufen, daß mir für die morgigen Päckchenpost nichts verbleibt zum Wegschicken. Ich bedauere das aufrichtig, vor allem wenn ich bedenke, daß man mir letzte Woche noch einige Kekse angeboten hatte, wie ich sie letzthin mitbrachte und daß ich sie nicht gleich mitnahm, weil ich dachte, ich könnte das diese Woche besser erledigen. Inzwischen sind aber diese Leute wegen irgendwelchen Machenschaften eingesperrt worden, so daß ich also nichts mehr kaufen kann.
Ändern kann ich es nun leider nicht mehr und ärgern darf ich mich nicht mehr, weil Du mir den Spruch geschickt hast, daß ich mich nur wundern soll. Ich weiß nur nicht, ob ich mich über meine Dummheit und meine Ungeschicklichkeit wundern soll. In meinem Zwiebackladen ist es im Augenblick auch leer, ich glaube aber, daß die wieder etwas hereinbekommen. 
Dein lieber Brief vom 27.3. ging heute bei mir ein. Vielen herzlichen Dank dafür. Wenn ich Dir in einem meiner Briefe schreibe, daß ich zum letzten Male OvD hatte, so ist das eine Mutmaßung, denn ich bin einfach der Ansicht, daß man mich zur Truppe zurückschickt. Da ich dann zu solchen Ehren nicht mehr gelange, ist ja ohne  weiteres klar. Aber das macht ja alles nichts. Es wird schon werden. Über die Filme habe ich mich ja nun geäußert, da weißt Du ja Bescheid. Der Brief Deines Vaters macht mir auch Sorge. Ich werde morgen, da habe ich ja Feiertag, gleich an ihn schreiben. Ich will das nicht länger hinausziehen. 

Meine liebe Annie !                                                         3.4.42

Den Brief habe ich an Deinen Vater nun geschrieben. Abschrift davon lege ich Dir bei. Hoffentlich ist es auch so geschrieben, daß er in Deinem Sinn geschrieben ist. Ich habe ihm das mitgeteilt, was ich für richtig gefunden habe. Er soll tun und antworten, was er für richtig hält. Ich bin der Meinung, daß wir diesen Standpunkt, wie ich ihn niedergelegt habe, Deiner Mutter schuldig sind, ganz gleich, was Dein Vater ins Auge gefaßt hat. Einen Brief an Kurt habe ich auch gleich geschrieben, den ich in Abschrift beifüge.  Sei Du nun recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von Deinem Ernst.

Mein liebstes Mädel !                                                        5.4.42        

Gestern und auch vorgestern bin ich nicht dazu gekommen, Dir zu schreiben. Ich hatte telefonisch bei dem Bekannten angerufen, von dem ich Dir schon erzählte, der Reichsdeutscher ist. Er hat mir dann auch zugesagt, daß er mich mit dem Auto abholt. Das hat er dann auch am Mittag gemacht. Ich bin dann bis gestern bei ihm geblieben. Dort habe ich mir ein paar schöne Stunden gemacht. Ich hatte erst die Absicht, am Freitag wieder hier zurückzukommen, was ich mir aber nachher auf Bitten dieser Leute aus dem Kopf schlagen mußte. Erstens habe ich mich wieder einmal richtig satt gegessen und das Richtige zu Trinken habe ich auch noch dazugegeben. Dort habe ich aber auch gesehen, wie man schon mit einem kleinen Geschäft Geld machen kann. Die Leute müssen zwar arbeiten dafür, aber da habe ich gesehen, daß es auf nichts ankommt. Ich habe mir deshalb auch keine Gedanken gemacht, daß ich bei diesen Leuten vielleicht in der Schuld stünde, denn er rechnete mir einen Verdienst von etwa eintausend Mark vor, den er in der letzten Woche gehabt hat. Das sieht man diesem Laden nicht an. Wir haben uns dann lang unterhalten.
Ich bin dann auch nochmals mit dem Wagen über Land gefahren. Wir kamen dann zu einem Bauern. Dort wurden offenbar Soldaten sehr selten gesehen. Die Kinder hatten Angst und dachten, ich wollte ihren Vater holen.  Als sie sich dann von meiner Harmlosigkeit überzeugt hatten, wurden sie zutraulicher, Ich wurde aber doch immer noch mit einer gewissen Scheu beobachtet. Auch da hat man wieder gesehen, daß sich noch allerhand auf dem Land kaufen läßt, wenn die Bauern merken. daß es ihnen nicht an den Kragen geht. Gestern bin ich nun wieder mit dem Wagen hergebracht worden. Das geht alles bequemer und schneller und ist dabei angenehmer als die Bahnfahrerei, zwar auch nur solange als der Wagen in Ordnung ist.
Als ich heimkam, erhielt ich Deinen lieben Brief vom 29., in dem Du mir Eure Erlebnisse vom vergangenen Sonntag schilderst. Ich habe daraus gesehen, daß Ihr Euch gut unterhalten habt. Ihr werdet da wieder allerhand gesehen und erlebt haben und für die Kinder war das sicher auch wieder etwas. Das sie nun ihre Schlauchbootfahrt hinter sich haben, die sogar zweimal hin und hergegangen ist, wird auch nach ihrem Geschmack gewesen sein. Euer Besuch war also ziemlich ausgiebig.  Daß Dir der Radioapparat immer wieder gefällt, freut mich sehr. Nun werde ich den Rest noch bezahlen. Ich hatte das Geld schon zurückgelegt, doch ich wollte erst abwarten, ob er nun wenigstens läuft. Das scheint nach Deiner Schilderung der Fall zu sein. 
Den ersten Osterfeiertag habe ich nun auch noch hinter mir. Ich bin diesmal daheim geblieben, auch morgen werde ich daheim bleiben. Ich habe keine Lust gehabt, nach Lille zu fahren. Ich habe heute so daran denken müssen, wie wir früher mit den Kindern Ostern immer verlebt haben und auch das letzte Ostern. Im Wals haben sie dann immer noch Eier suchen dürfen. Ja so vieles muß man jetzt hintanstellen. Aber diese Erinnerung ist immer so schön. Nimm aber viele Grüße und herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.

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