Sonntag, 16. Juni 2019

Brief 545 vom 16.06.1944


Du mein liebster Schatz !                                         ohne Datum, vermutlich 16.6.    

Das ist doch nahe zu toll mit dem Wetter. Gestern konnte ich Dir doch berichten, daß wir schönes und Sonntagswetter hatte. Über Nacht hat sich das geändert. Auf unserer Streife, die gleich nach Mitternacht anfing, bekamen wir schon das erste Nass ab. Heute über die Mittagszeit waren wir wieder auf Streife, da sind wir so richtig zugedeckt worden. Auch jetzt, in den Nachmittagsstunden, sieht es noch nicht sehr verheißungsvoll aus. Heute Abend get es wieder auf Streife bis gegen Mitternacht und dann morgen am Tage sind wir auch zweimal dran. Die Strecke, die wir immer zu begehen haben, kenne ich nun schon in und auswendig. Das ist aber im Interesse der Aufrechterhaltung der Transportwege notwendig und darum findet man sich auch ohne weiteres hinein. Seit gestern hat sich bei uns eine starke Umstellung des Dienstbetriebs ergeben. Unsere Ausbildung ist für einige Zeit an den Nagel gehängt worden, weil jetzt aufgrund besonderer Umstände verstärkt Streifendienst gegangen werden muß. Mit der Tageseinteilung kommt man dabei ganz aus dem Konzept.  Frühstück haben wir nach 10 Uhr eingenommen und Mittag essen konnten wir gegen 15 Uhr. Das Abendessen ist für uns zur normalen zeit und wie sich das am folgenden Tag gestaltet, das ist immer ungewiss. Das sind aber Sachen, die man vorerst aushalten kann. Wenn sie sich zu einem Dauerzustand entwickeln sollten, dann wird man sich auch daran gewöhnen.
Vorgestern bekam ich meine in Griechenland liegegebliebene Post. Unter anderem die Antwort auf mein Schreiben an Kurts frühere Einheit, die ich Dir gleich beifüge. Nachdem aus seinem Wehrpass hervorgeht, daß er die Ostmedaille verliehen bekommen hat, ist gegenwärtig eine weitere Verfolgung der Angelegenheit nicht erforderlich. Die Stadtverwaltung hat mir auf mein letztes Gesuch hin auch geantwortet. Ich habe nur den ersten und den letzten Satz einer langatmigen Ausführung meines Freundes Lang gelesen, aus der die Ablehnung zu entnehmen ist. Wenn ich einmal mehr Zeit habe, werde ich auch den anderen Teil studieren. Es sind Auszüge aus Bestimmungen des Reichsinnenministers, die mir schon zum Hals heraushängen, wenn ich diesen Mist nur von Weitem sehe. Das ganze hat ja so ziemlich meinen Erwartungen entsprochen, so daß ich nicht weiter überrascht bin. Außer einigen Zeitungen von Deinem Vater und einer Karte von Alfred erhielt ich noch einige Briefe von Dir, die Du noch dorthin gesandt hattest. Damit ist dieser Tisch auch abgeräumt. _ Aus Deinen Briefen, die ich in der letzten Zeit erhielt, konnte ich ersehen, daß Du auch immer Nachtschicht machtest. Du mußt schon an Dich halten und schon täglich mehr Schlaf einschalten, denn sonst kommst Du mir noch ganz herunter. Ich hoffe, daß das kein Dauerzustand bei Dir ist, und daß Du Dich am Tag öfter einmal ausruhst. Also bitte, beachte meine Meinung und übernimm Dich nicht. Unser Gasmaskendienst wurde vor einigen Tagen wieder einmal aufgenommen. Wir mußten bei sonnigem Wetter längere Zeit erst marschieren und dann Sprünge mache, wobei man japsen mußte wie ein alter Hund. Wenn man das nicht gewohnt ist, dieses in Stellung gehen und dann Sprung auf, dann bleibt einem schon manchmal die Luft weg. Weniger schön dabei ist, daß man den Stahlhelm dabei auf haben muß. Mit der Maske sieht man schon fast nichts und unter dem Helm hört man fast nichts. Da kommt man sich ganz hilflos vor.
Eines ist mir in letzter Zeit aufgefallen. Du schreibst sämtliche Post mit der Hand,. Wenn es Dir eine Erleichterung ist, dann benutze doch die Maschine, denn mir macht das bestimmt nichts aus. Das äußere Kleid ist doch nicht maßgebend, wesentlich und von Bedeutung ist der Inhalt. Mit der Zusendung von Feldpostbriefen bitte ich Dich erst einmal zu warten, denn ich habe jetzt einen genügend großen Vorrat, der mir über die nächste Zeit hinweghilft.
Hast Du eigentlich Bilder von Deinem Vater erhalten, die während unseres Aufenthalts gemacht worden sind. Ich würde mich jedenfalls dafür interessieren, wenn sie etwas geworden sind. Deine Frage wegen der Fotoplatten will ich Dir dahingehend beantworten, daß Du die Platten , denen Du weniger Bedeutung zumisst, ruhig wegtun kannst. Andere, von denen Du meinst, daß man sie vielleicht noch einmal verwenden kann, kannst Du ja aufheben. Da werden sicherlich nicht viel mehr zurückbleiben.  Wenn etwas passieren würde, dann hätten wir schließlich auch nicht mehr davon.
Ich grüße Dich heute recht herzlich. Ich gebe jedem von Euch einen lieben und festen Kuss. In Gedanken bin ich sowieso immer bei Euch. Dein Ernst. 

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