Mein liebster
Schatz ! 15.5.44
Mit dem heutigen Tag habe ich ein neues Jahr meinr
Soldatenzeitbegonnen. Aber das ist nicht nur ein Tag der Erinnerung, sondern
das macht sich auch nach aussen hin bemerkbar. Heute früh ½ 6 Uhr war Wecken
und vorhin 18 Uhr ist Dienstschluß. Mittags wird der Dienst 12 Uhr abgebrochen.
Bis 14 Uhr war dann dienstfrei. Ich muß schon feststellen, dass das einen
langen Tag gibt. Aber es hilft alles nichts, ich muß mich hineinfinden, wenn
auch die Kameraden keine Stimmung dazu machen. Ich darf mich aber nicht so sehr
darum scheren, denn sonst mache ich mir das Leben schwerer. Die Anfeindungen
sind selbstverständlich größer wie in früherer Zeit, denn es ist ja hier nich
nur am Tage Dienst zu machen, sondern nachts muß Streife gegangen werden.
Morgen früh bezw. über Nacht habe ich 2 Stunden Wache, die auf den normalen
Dienst keinen Einfluß haben. Mit der Zeit werde ich hier in den Apparat
eingeschaltet sein, ohne daß ich dass ich da ernstlich mich dagegegn wehren
kann und ohne daß ich etwas machen kann,. Man muß alles wieder von Anfang an
lernen, denn die vielen Jahre, die dazwischenliegen haben fast alles in
Vergessenehti geraten lassen. Ich glaube aber, daß ich es schaffen werde, wenn
ich dabei aufpasse. Wenn ich heute noch schreiben kann, so bin ich wirklich froh,
denn ich hoffe, ihn etwas länger gestalten zu können, wie es während der
meisten Zeit nicht möglich sein wird. Aber Du wirst schon so zzfrieden sein,
wenn Du hin und wieder von mir Nachricht erhältst, denn Du weißtja, daß ich
schreibe, sobald ich irgendwie Gelegenheit dazu habe. Ich hoffe zwar, daß das
Dein Briefschreiben nicht beeinträchtigt und Du mir auch weiterhin Deine
Nachrichten zukommen läßt. Wenn ich auch nicht immer gleich zum Lesen kommen
werde, ich werde mich so oder so schon dazu schlängeln. Für mich ist es hier ja
auch in dieser Hinsicht nich so einfach, denn wir sind zu 8 Kameraden auf einer
Stube, die etwas größer und höher ist wie unser Schlafzimmer. Schränke usw.
sind nicht vorhanden. Alles ist äußerst primitiv. Dann sitzt alles um den Tisch
herum, zum Teil essend und dann spricht alles durcheinander. Man kann sich
nicht sammeln, um einen richtigen Gedanken zu fassen. Ich sage ja, Umstellung
auf der ganzen Linie. _ Vor einer Woche
haben wir uns nun bald trennen müssen. Wie schön waren doch diese Tage, die wir
beieinander waren. Ich wünschte mir nur, daß ich sie bald wieder erleben
könnte, denn es ist doch merklich anders, daheim zu leben auch unter heute
nicht so einfachen Umständen, als hier diesen Rummel mitzumachen. Unsere
Spaziergänge, waren sie auch nicht immer von so schönem Wetter begünstigt, sie
haben doch manche alte Erinnerung wachgerufen. Ausserdem konnten wir wieder
einmal die Gräber unserer Lieben besuchen, was mir wieder eine innere
Beruhigung war. Ich glaube auch, daß Dein Vater sich gefreut hat, daß wir mit
ihm zusammen waren. Er ist manchmal nicht einfach zu verstehen aber ich glaube,
daß ihn die letzten Jahre etwas weicher gemacht haben, ich habe das auch an
seinem letzten Brief gemerkt, den er uns beiden geschrieben hat. Ich habe ihm
gestern gleich geschrieben. Einen langen Brief kann ich ja nicht schreiben,
denn sonst komme ich nicht herum. Auch an meine alte Dienststelle, damit ich
evtl. dort eingegangene Post hierher
kommen lassen kann. _ Hast Du den Ölkanister abgesandt? Auch die Marken sind
wohl an den Kameraden abgegangen. Ich werde von hier aus noch kurz schreiben,
damit diese Sachen in Ordnung gehen. Aber allzuviel darf ich mir nicht
vornehmen. Ich muß eben eins nach dem anderen tun, je nachdem, wie ich dazu
komme. _ Gestern war gleich nach meiner Ankunft Kinobesuch. Die Räume sind hier
nun wenig prunkvoll. Zum wiederholten Male sah ich den Fihlm „Hab mich lieb“,
der auch während meines Urlaubs daheim lief. Dieser Filmbesuch wurd aber als
Dienst angesehen, da kann man nichts dagegen machen. Eine Wochenschau lief
dazu, die vom Sommer vergangenen Jahres stammte. Sie ist zwar nicht mehr aktu
ell, aber für die Soldaten geht ja so etwas. Für die besten Soldaten der Welt
müssen auch die besten Filme sein.Mich stört das ja nicht weiter, ich denke,
daß ich ein dickes Fell mit der Zeit bekommen werde. _ Mein liebes Mädel!
Herzlich will ich Dir, wie ich schon in meinem Brief nach dem ersten Abschied
von Konstanz erwähnte, für all die Liebe danken, die Dur mir während der Urlaubstage
zukommen ließest. Heute will ich die schönen Tage von Leipzig nich mit
einschließen. Ich hoffe, daß wowohl Du als auch die Kinder mit allem zufrieden
waren. Ich von mir aus habe versucht, alls das zu tun, was mit möglich war, um
Euch eine kleine Freude zu bereiten. Wenn ich auch unserem Mädel einmal etwas
näher treten mußte, wie ich es sonst nicht beabsich tigt hatte, so glaube ich,
daß sie es mir nicht nachtragen wird. Grüße sie alle Beide von mir, unsere
beiden lieben Stromer. Du selbst nim ware viele liebe Grüße und Küsse entgegen.
Es ist jetzt 21 Uhr und wir müssen ins Bett gehen, denn es ist für uns Zap
fenstreich. Schlaf auch Du schön und lasse Dich herzlich küssen von Deinem im
Geiste immer bei Euch weilenden Ernst. _ Luftpostbriefe senden hat hier wenig
Zweck nach Aussagen der Kameraden, weil die Post nicht schneller geht wie die
übrige Post. Einige Marken lege ich wieder mit bei.
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