Sonntag, 30. September 2018

Brief 462 vom 30.09.1943


Meine liebe Annie !                                                                           30.9.43   
     
Schon sind wieder fünf Wochen vergangen, seit ich meinen Dienst nach dem Urlaub antrat. Ich saß zu jener Zeit in München und überlegt, wie ich es anstelle, Dich noch einige Tage bei mir zu haben. Daß mir das gelungen ist, freut mich noch heute, wenn ich daran denke, wie nett und schön die Tage unseres Zusammen seins waren. Vor einer Woche kam ich hier an und ich war froh, daß ich es für eine Zeit wieder geschafft hatte. Wie sich nun hier langsam heraus kristallisierte, werde ich nicht für dauernd hier bleiben. Durch die Herausnahme der Italiener aus diesem Raum, haben sich doch manche Änderungen ergeben. Die Kommandanturen sind aber zum Teil noch nicht eingetroffen, so daß noch keine richtiges Betätigungsfeld für mich besteht. Ich bin nun so Quasi als Lückenbüßer tätig und bringe so schlecht und recht den Tag herum. Der Kollege, ein Oberinspektor, ist, wie man sagt, ein ruhiger Beamter. Das aber im wahrsten Sinn des Wortes. Bei dieser Sachlage ist mein Interesse an dem Betrieb hier nicht sonderlich groß, das läßt sich ja denken. Aber da kann ja kommen, was da will, ich lasse mich so leicht durch nichts mehr erschrecken. Es kommt so manches den Tag über, daß man sich wundern könnte, aber da mache ich mir schon nichts weiter draus. Doch wenn ich das erklären soll, da muß ich schon etwas weiter ausholen. Die Bekleidung der einzelnen Männer treibt ja tolle Blüten. Man kann hier aller hand Sachen sehen,  die in der Bekleidungsordnung nicht vorgesehen sind. Eines ist wohl statthaft und das gefällt mir auch besonders, das sind die Pumphosen. Ein Teil der Soldaten läuft hier mit kurzen Hosen herum und da bin ich schon seit meinem Eintreffen hier scharf darauf. Geglückt ist es mir zwar noch nicht, eine davon zu erwischen. Nun kann man manchmal Trupps sehen, da sind Männer mit althergebrachten langen Hosen, dann welche mit Sommerhosen, dann wieder andere mit Hosen, wie sie die Fallschirmjäger tragen und dann trägt ein großer Teil diese kurzen Hosen. Das sieht dann sehr bunt aus, wenn solch ein Haufen anmarschiert kommt. Da stört sich auch niemand daran. Genau so wenig, wenn einer zu seinen weißen Socken Tennisschuhe oder sogar Riemensandalen trägt. Das macht alles nichts aus. Wenn man aber vorschriftsmäßig angezogen ist, wie ich, dann erregt man doch immer wieder Aufsehen. Kannst Du Dir vorstellen, daß ich ein Panzerknacker bin oder kannst Du Dir vorstellen, daß ich ein Ausländer bin, der als Hilfswilliger in der deutschen Armee dient? Ja, hier trägt jeder zu seiner Sommerbekleidung die Schulterstücke, wie das bisher immer üblich war. Ganz selten siehst Du hier jemand einmal mit Ärmelstreifen. Geht man hier durch die Straßen, so wird man immer ganz groß angesehen und keiner weiß so richtig etwas anzufangen. Mir macht es Spaß und es freut mich vor allem immer wieder, wenn mich Offiziere daraufhin ansprechen. Sie entschuldigen sich dann mit allerhand Ausreden, wie viele Dienstgrade usw. aber sie fühlen sich doch immer etwas blamiert. Wie gesagt, darum macht mir es Spaß. Für solche ausgefallene Sachen war ich ja schon immer zu haben. Aber wenn einem etwas passiert, wie ich es eben schon erwähnte, dann könnte man leicht aus der Fassung kommen. Diese Fragen spiegeln aber so richtig das wieder, was ich auf der St raße immer beobachte. Ja, ja, jetzt bin ich schon Panzerknacker oder Hilfswilliger. Welche Ehre mir damit widerfährt. Lassen wir das und die Leute lasse ich ruhig weiterraten. Vielleicht kommen sie mit der Zeit doch noch dahinter. Zwar die, die es wissen, und das ist schon ein gewisser Teil, die muß ich schon hervorheben, die haben wahrscheinlich doch einmal die Verordnungsblätter gelesen, wo dies mitgeteilt worden ist. Etwas hat mir auch immer ein bisschen Kummer gemacht, das sind die Sämereien für Deinen Garten. In Serbien hatte ich mich schon darum gekümmert, aber dort gab es noch nichts. Hier habe ich aber einen Stand angetroffen , wo es diese gibt. Heute früh habe ich Zwiebelsamen, Möhren und Radieschen erstanden. Wenn Do noch etwas anderes brauchst und ich kann es hier bekommen, dann will ich mich darum bemühen.  Ich schicke Dir diese Sachen bald mit zu. Ich denken, daß Du darum auch froh sein wirst. Du weißt ja, daß ich mich schon immer gleich danach umtue, um solche Mangelartikel zu erhalten, damit Du Dir wieder helfen kannst. _ Bleibt mir gesund und munter. Ich hoffe, daß Du nun schon Post von mir bekommen hast, die ich hier abgeschickt habe. Dann weißt Du ja wieder über vieles schon Bescheid. Recht herzliche Grüße und viele, viele Küsse sende ich Dir und den Kindern. Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                      1.10.43 
       
Wenn so Woche um Woche vergeht und man hat immer noch keine Post, dann kann man mit der Zeit ungeduldig werden. Wenn es aber so ist, daß unsere Post mit dem Flugzeug transportiert wird, dann müsstest Du ja schon Briefe von mir, die ich hier geschrieben hat, schon erhalten haben und ich werde wohl auch am Anfang der kommenden Woche damit rechnen können, daß von Dir etwas ankommt. Die andere Post fährt ja auch noch in der Weltgeschichte herum. Aber auch mit deren Eingang werde ich wohl einmal rechnen können. Wenn Du Briefe an mich richtest, so brauchst Du keine Luftpostmarke verwenden, weil wir an dem offiziellen Luftverkehr nicht angeschlossen sind. Du kannst sie ja noch aufheben, soweit Du sie nicht schon verwendet hast. Ich hatte das immer vergessen, Dir mitzuteilen. Eines freut mich ja, daß ich Dir immer noch regelmäßig habe schreiben können von den Reisetagen abgesehen, weil man dort so schlecht dazukommt. Was sagst Du zu dem Bild von der Akropolis? Ist das nicht schnell gegangen?   Von der Reise habe ich noch Brot hier, es war aber noch nicht ganz trocken. Ich will nicht, daß es sonst auf dem Transport dann verschimmelt. Heute habe ich zwei kleine Päckchen an Dich wieder abgeschickt, das sind die Abschnitte vom dem Brot. Die kleinen Päckchen rechnen ja nicht auf das Kontingent, das einem mit monatlich mit zwei Päckchen zusteht. Ich will aber doch diese Sachen mit loswerden. Mit den Päckchen werde ich sowieso Schwierigkeiten bekommen, denn ich habe allerhand an Euch abzusenden. Ich habe mich hier umgesehen nach den verschiedenen Dingen, die man alle kaufen kann. Ich habe Kleider gesehen und Handtaschen, die ich evtl.  für Dich kaufen wollte, aber wenn ich mein Bargeld in einheimischer Währung übersehe, dann kam ich immer zu dem Ergebnis, daß das Geld kaum oder knapp reicht. Dann würde ich mich restlos verausgaben. Auch Schuhe könnte man wohl kaufen, aber dazu reichen die wenigen Drachmen nicht aus. Ich habe mir gedacht, daß Ihr so einigermaßen mit Euren Sachen auskommen werdet. Aber mit dem Essen ist das schon eine andere Sache. Ich habe mich hier auch da umgesehen. Recht gute Teigwaren könnte ich hier kaufen. 1 ½ kg kosten 18000 Drachmen. Bei einem Umrechnungskurs von 2400 wären das 7,50 RM. Das ist doch zu teuer, um dann damit etwas zwei oder drei Mittagessen zu bestreiten. Für das gleiche Geld bekomme ich etwa das Zweieinhalbfache an Rosinen oder Korinthen. Ich denke, daß Du damit schon eher etwas anfangen kannst. Man kann sie ja auch so essen, wenn man zuviel davon hat. Ich denke, daß Dir auf diese Weise mehr gedient ist. Hülsenfrüchte habe ich hier leider noch nicht gesehen, sonst hätte ich mich schon Raum angenommen. Ich denke, daß Du auch meine Ansicht teilst. Ich möchte eben das Geld recht nutzbringend anwenden, damit Ihr auch etwas davon habt.
Gestern war ich über Mittag wieder im olympischen Bad und heute will ich auch wieder gehen, denn bei der großen Hitze ist es eine recht angenehme Erfrischung. Wenn man eine Weile dort in der Sonne sitzt, dann fängt man wohl auch an zu schwitzen, aber man kann ja dort ungehindert ins Wasser springen, um sich die nötige Abkühlung zu verschaffen. Ich mache es dann immer so, daß ich, bevor ich gehe, mich nochmals ins Wasser stürze und dann unabgetrocknet meine Sachen anziehe.  Das bringt einem dann noch hinterher eine ganze Zeit große Erfrischung. Nach geraumer Zeit fängt ja das Schwitzen wieder an, aber dieses Baden kommt einem vor wie eine Oase in der Wüste. Am Sonntag werde ich dann in das Seestrandbad fahren und mich dort den Nachmittag über vergnügen. Mein Wässerungsbedarf ist sehr groß, denn das Abbrausen früh und abends halte ich regelmäßig ein.
Zwei Artikel aus der hiesigen Zeitung lege ich Dir heute mit bei. Der eine behandelt eine Parade, die ich hier auch gesehen habe und der andere spricht so etwas über die Verhältnisse. Ich denke, daß Dich das interessieren wird, dann brauche ich auch nichts weiter groß von diesen Dingen zu schreiben. Mit den Panzern habe ich bis jetzt noch geringe Bekanntschaft gemacht, aber das reicht mir eigentlich schon.
Lasse Dich und die Kinder recht herzlich grüßen. Einen festen Kuß bekommst Du wieder von Deinem Ernst.

Samstag, 29. September 2018

Brief 461 vom 28./29.09.43


Meine liebe Frau !                                                                             28.9.43         

Ich habe mich wieder mächtig gefreut, als ich heute an Dich ein Päckchen abschicken konnte. Es wird zwar den Neid unserer Briefträgers und unserer Nachbarn erregen, aber das hilft nun einmal nichts. Solange ich das Geld und die Gelegenheit dazu habe, etwas für Euch zu erwerben, dann mache ich das, denn diese kleinen Sachen helfen Euch doch immer noch mit. Ich habe hier Rosinen gekauft, denn die kannst Du doch gut zum Kuchenbacken brauchen. Mit diesen Sachen kommt doch etwas in den Kuchen hinein und dann denken ich, daß Du mit dem Zucker beim Backen etwas sparsamer umgehen kannst, denn sie enthalten ja auch Zucker. Ich habe das gemerkt, als ich hier welche gegessen habe, wie süß sie sind. Du musst sie zwar noch aussuchen, aber das ist ja eine Kleinigkeit. Korinthen gibt es hier auch. Ich weiß nicht, was davon besser zu verwenden ist. Vorsichtshalber habe ich davon auch ein Oka gekauft. Die Rosinen kosten das Oka 5000 Drachmen und die Rosinen kosten das Oka 6ooo Drachmen. Ist das viel Geld? Das sind Zahlen, die an eine tolle Zeit bei uns früher erinnern. Ja, hier herrscht Inflation. Unsere Mark wird jetzt zu 2400 Dramen eingetauscht. Bis noch vor wenigen bekam man noch für eine Mark 1200 Drachmen. Wenn das so weitergeht, dann wird der Umrechnungskurs schon wieder gestiegen sein. Man muß sein Geld bald umsetzen, denn sonst bekommt man nichts mehr dafür. Zur weiteren Erläuterung muß ich Dir noch mitteilen, daß Oka das einheimische Gewichtsmaß ist.  Dies stammt noch aus der Zeit, als das Land von den Türken beherrscht wurde. Da galt dieses Maß und es ist etwa 1 ¼ kg. Man kann zwar auch nach kg kaufen, aber dies ist seltener. Du würdest Dich wundern, wenn Du hierher kämst, was Du noch alles hier kaufen kannst. Es gibt nur wenige Artikel, die hier unter Bewirtschaftung stehen. Sämtliche Lebensmittel und Bekleidungsstücke wie auch Leder und Genusswaren sind frei. Das Angebot kann auch in Friedenszeiten nicht größer gewesen sein.  Doch ganz so spurlos geht der Krieg in diesem Land auch nicht vorüber, denn auf dem Land wird man schon teilweise um Brot angegangen, weil diese Sachen doch seltener sind. Hier in der Stadt kannst du ganz weiße Brötchen bekommen. da würdest Du staunen, daß es noch sowas gibt. Torte und Kuchen ist in reichlichem Maße vorhanden. Nach den Preisen darf man allerdings nicht fragen, denn die sind gesalzen. Aber was mich hier wundert, das sind die vielen Geschäfte und der Handel, der auf den Straßen in ganz großem Ausmaß betrieben wird. Jeder will etwas verkaufen. Nur nicht arbeiten.  Ich glaube, hier steht man auch auf dem Standpunkt, das Handeln zum guten Ton gehört. Die Händler sehen eigentlich nicht alle wohlhabend aus. Zwar die meisten Jungens, die hier sich als Ausschreier von allen möglichen Sachen betätigen, laufen nicht gerade extra prima herum, denn die Lumpen, die sie als Bekleidung ansprechen, sind wirklich meist keine Kleidungsstücke mehr. Sie fühlen sich zwar nich unglücklich, aber jeder hat das Bestreben, mit etwas zu handeln. Wenn man sagt, daß ein Grieche sieben Juden aufwiegt, dann kann ich mir aus dieser geschäftlichen Tüchtigkeit dieser Leute nur den Reichtum dieses kleinen Landes daraus erklären. Man kann es nicht schildern, mit was hier alles gehandelt wird. Daß man auf den Bedarf der Soldaten gewisse Rücksichten nimmt, das ist ja erklärlich. Wenn dann der Landser anfängt, zu handeln, dann scheitert er meist kläglich und muß einsehen, daß die Griechen ihm doch weit über sind. Ich glaube, jede Familie hier muß irgendwie mit dem Handel in Beziehung stehen, denn wo sollen sonst die vielen Händler herkommen. Es ist ein buntbewegtes Bild, das hier auf den Straßen herrscht, aber das Tollste ist doch die Schreierei, die dabei herrscht. Jeder preist seine Ware an und schreit so laut er kann, da kannst Du Dir einmal vorstellen, was das für ein Durcheinander gibt. Es ist überhaupt ein sonderbares Geschäftsleben hier. Ich bin wieder kräftig müde, denn die Hitze macht schon ziemlich schlapp. Sei recht herzlich gegrüßt und nimm viele liebe Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Mein lieber, guter Schatz !                                                                    29.9.43 
         
Die Gelegenheit, Dir schon heute Vormittag zu schreiben, will ich gleich benutzen, denn man kann ja schließlich nicht hier sitzen, ohne etwas zu tun. Ich kann Dir mitteilen, daß ich wieder ein Päckchen mit Seife an Dich abgesandt habe. Sie ist nicht gerade billig, aber das Geld kann man ja nicht entwerten lassen. Andere Sachen, wie Nahrungsmittel oder Gebrauchsartikel kann man ja nicht kaufen, weil die Preise im Vergleich zu früher unsinnig hoch sind. Wenn man sein Geld hier voll bekommen würde, dann ginge es noch an, aber wir bekommen unseren Wehrsold nur zur Hälfte in griechischer Währung ausbezahlt und die andere Hälfte in Behelfs- oder Kantinengeld. Man könnte noch Schuhe oder Kleider kaufen, aber soviel bekommt man wieder nicht in heimischer Währung ausbezahlt. Ich fühle mich im Augenblick zwar noch als Großkapitalist, denn ich habe noch 130 000 Drachmen. Das sieht wohl nach viel aus, doch wenn Du zum Vergleich ziehst, was ich Dir gestern an Preisen mitteilte, dann will das nichts heißen. So ein Paar Schuhe für Damen kosten schon 80 000 und mehr Drachmen. Ein Füllfederhalter genau soviel. Große Sprünge kann man, wie Du schon daran erkennen kannst, mit dem Geld was einem zur Verfügung steht, nicht machen. Ich bin daher bestrebt, es so nutzbringend wie nur möglich anzuwenden, damit Ihr auch etwas davon habt. Das Päckchen, das ich heute absende, trägt die Nummer 43. Mit dem Verpackungsmaterial wird es bald für mich Schwierigkeiten geben. Ich hoffe aber, daß die von Dir abgesandten Sachen hier bald eintreffen werden, denn meine neue Anschrift habe ich gleich anfangs an die mir falsch aufgegebene  Adresse mitgeteilt.  Wenn ich schon wieder vom Kaufen und Handeln erzählt habe, so muß ich noch dazu erwähnen, daß der Handel dem deutschen Landser gegenüber von dem Begriff „Extra prima“ beherrscht wird. Als wir hier nach Griechenland hereinkamen, wurden uns im Zug Tabak und auch Früchte angeboten. Um die Güte der Qualität zu kennzeichnen, hieß es immer; Kamerad, extra prima.“ Manche haben sich aber damit noch nicht begnügt und erweiterten diesen Begriff. Sie sagten dann: „Extra prima Stuka.“ Ja, Du hast schon richtig gelesen. Richtig Stuka wie ein Stuka. Als ich diese zum ersten Male hörte, musste ich lachen, denn das unsere Stukas auf diese Weise noch eine besondere Würdigung erhalten, das hat man sich gewiss nicht träumen lassen, als man auf diese Abkürzung für diese Waffengattung kam. Die Schuhputzer sind ja eine besondere Gilde für sich. Sie können einem auf die Nerven fallen und hängen sich manchmal an wie Kletten. Neulich lief uns auch einer hinterher. Er pries seine Tätigkeit auch mit „extra prima“ an. Als wir dies hörten, fragten wir, ob er auch „extra prima Stuka“ hätte, sagte er ja und fügte  mit der Miene eines großen Geschäftsmanns hinzu: “und mit Musik“. Das ist also die größte Steigerung, die ich bis jetzt erfahren habe. Wenn ich also etwas Gutes habe, werde ich mich von jetzt ab an diese Qualitätsbezeichnung mit den entsprechenden Steigerungen halten.
Heute will ich über Mittag versuchen, ins Bad zu gehen.  Zum Stadion, das für die Ausführung der 1. Olympischen  Spiele gebaut wurde, gehört ja auch ein Schwimmbad. Dorthin will ich mit noch einem Kameraden gehen. Das Wetter ist ja so warm, daß man abends um 11 Uhr noch mit der Sporthose bekleidet auf dem Balkon stehen kann, ohne daß man dabei friert. Man muß aber sonst vorsichtig sein, weil man zu leicht sich eine Erkältung zuzieht. Nicht etwa deshalb, weil es zu kalt ist, sondern darum, weil man doch tagsüber viel schwitzen muß. Kommt man dann in Durchzug, was es auch manchmal gibt  denn meist ist es ja windstill  dann hat man schon etwas weg. Auch wenn man kaltes Bier oder  Wasser trinkt, kann einem das passieren.  Wunderbar erfrischt komme ich gerade von Baden zurück. Ich kann Dir sagen, daß es das schönste gemauerte Bad ist, in dem ich je gewesen bin.  Alles mit schönen hellen Kacheln ausgemauert und ein herrliches klares Wasser. Wie ich feststellte, wird dauernd frisches Wasser hinein gepresst, so daß sich nichts ansetzen kann, wie in dem Bad, in dem ich in Serbien war. Doch war ich dort froh, als ich dort etwas schwimmen konnte. Was denkst Du, was das kostet ? In deutsches Geld umgerechnet 2 Pfennig. Das ist doch bestimmt nicht viel. Alles ist sehr reinlich, so daß es eine wahre Lust ist, dort hineinzuspringen. Die Temperatur wäre auch Deinem Geschmack entsprechend mit 23 Grad. Um diese Jahreszeit habe ich noch nie im Freien so warm gebadet. Das war wirklich fein. Es ist entschieden besser, wie das Abbrausen unter der Dusche und das ist hier bestimmt auch etwas wert.
So, lasse mich bitte wieder schließen mit recht herzlichen und vielen Grüßen an Euch alle. Auch an Vater richte bitte herzliche Grüße aus. Was macht er? Dir und den anderen gebe ich recht viele Küsse in diesem Brief mit und bin immer Dein Ernst.

Donnerstag, 27. September 2018

Brief 460 vom 26./27.9.1943


Mein liebes, gutes Mädel !                                                                 26.9.43  
      
Heute hatte ich einen recht erlebnisreichen Tag, denn er war von früh bis zum Abend reichlich ausgenutzt. Doch als erstes wirst Du Dir wohl das Bild zur Hand nehmen. Ich will nur gleich dazu sagen, daß ich auch mit drauf bin, denn sonst hätte ich es nicht genommen. Der Rechte von links in der Mitte. Siehst Du es genau? Ich will also doch lieber der Reihe nach erzählen und nicht das Mittlere nach vorne kehren. Der Kriegsverwaltungsrat, der mit bei unserer Reisegemeinschaft von Belgrad her dabei war, verlässt uns nun morgen, darum hatten wir vereinbart, daß wir heute zusammen uns hier noch etwas von der Stadt  und der Umgebung ansehen. Ich hatte mich freigefragt, was mir anstandslos gewährt wurde. Wir sind nun am Vormittag zur Akropolis gegangen. Ich war einfach überwältigt von dem Eindruck, den die ganze Anlage auf mich gemacht hat. Es ist nur sehr bedauerlich, daß der Barbarismus der Türkenherrschaft über das Land und dann einige Herren Engländer diese Zeugnisse der klassischen Kunst teils zerstört und soweit dann noch Reste, die einigermaßen brauchbar waren, verschleppt haben. Ich habe meine wenigen Kenntnisse der griechischen Geschichte wieder ausgekramt. Teilweise musst ich feststellen, daß ich jämmerlich damit Schiffbruch erlitt, aber dadurch daß uns ein Führer diese Dinge im Zusammenhang mit der Geschichte erklärte, bekam dies alles etwas Leben. Ich denke nur daran, was wir für eine Freude hatten, als wir zusammen München uns ansehen konnte. Es war doch für uns beide auch ein Erlebnis, das uns dauernd haften bleiben wird. Ich habe es aufrichtig bedauert, daß Du hier nicht mit dabei sein konntest. Diese Eindrücke alle nieder zu schreiben, fällt mir wirklich schwer. Wenn ich einmal wieder nach haus komme, so kann ich wohl am besten darüber reden. Es ist erstaunlich, was für prächtige Bauten man zu damaliger Zeit aufführte, wo den Menschen doch die technischen Mittel, die wir heute wissen, noch nicht bekannt waren. Gewaltige Hallen sind errichtet worden in einer Zeit, die man nicht für möglich hält. Den Tempel der Athene oder die genauere Bezeichnung Parthenon, wurde im Zeitraum von 9 Jahren errichtet. Man kann sich das kaum vorstellen. Auch die anderen Tempel , die teilweise wieder hergestellt sind oder nur noch in Trümmern vorhanden sind, machen auch in diesen Bruchstücken auf den Beschauer noch einen großen Eindruck. Ich habe früher immer gesagt, was geht mich das alles an, ob die alten Griechen das oder jenes gemacht haben. Solange man keine Gelegenheit hat, das selbst in Augenschein zu nehmen, da mag diese Ansicht wohl berechtigt sein. Aber hat man das gesehen, dann bekommt das alles ein anderes Bild. Diese Dinge sind jedenfalls Zeugen einer sehr, sehr hohen Kultur. Das läßt sich nicht bestreiten. Als wir den Tempel besichtigten, kam ein Fotograf und stellte sich auf, um uns aufzunehmen. Ich dachte aber, daß er nur bluffen wollte. Als er sich dann aber wieder verzog, dachte ich, daß er wohl selbst die Aussichtslosigkeit seines Unternehmens ansieht. Als wir dann mit unserer Besichtigung fertig waren, kommt er auf einmal auf uns zu und legt uns die fertigen Bilder vor. Da war ich dann doch etwas überrascht und damit auch bald überrumpelt. Es kostete ja 80 Pfennig, so daß ich mir diesen Spaß erlaubt habe. Ich denke aber, daß auch Ihr damit eine Freude habt. An sich ist es ja auch ein Andenken an diesen Besuch. Wenn ich es am kommenden Sonntag möglich machen kann, da pilgere ich nochmals hinauf, um das alles nochmals in Ruhe und allein anzusehen. Ich muß sagen, daß dies wirklich ein Erlebnis ist, wenn man sich das ansehen kann.
Am Nachmittag wollten wir zum Hafen von Piräus. Wir erfuhren aber von einer Möglichkeit, nach der Insel Salamis zu fahren. Diese Gelegenheit haben wir gleich benutzt. Erst sind wir hier ½ Stunde mit der Untergrundbahn gefahren und eine weitere ½ Stunde mit der Straßenbahn. Das Schiff, das uns übersetzen sollte, war uns vor der Nase weggeschwommen. So daß wir bald eine Stunde warten mussten. Wir haben diese Wartezeit benutzt und haben uns in das Ägäische Meer gestürzt. Ich kann Dir sagen, daß das ein herrliches Baden war. Ein wunderbares klares Wasser. Das Schwimmen war direkt eine Lust. Man spürt nichts von Anstrengung; denn das Wasser ist sehr salzhaltig. Da muß man sich sehr vorsehen, daß man kein Wasser schluckt. Das ist eine Sache, an die man sich wohl nicht mit der Zeit gewöhnt. Ich kann Dir aber sagen, daß das wirklich eine Freude war, wie man sich da im Wasser tummeln konnte. Das wäre auch etwas für Dich gewesen. Eine Müdigkeit spürte man im Moment überhaupt nicht. Aber heute Abend merke ich es schon. Zwar der Tag hat uns die ganze Zeit in Anspruch gesehen, aber ich führe dies wohl mehr auf das Baden zurück. Anschließend nach unserem Bad sind wir dann zur Insel Salamis mit einem Motorboot hinübergefahren. Das dauert nicht gerade lange, denn die Wasserstraße ist nicht viel breite wie bei uns die Entfernung von Meersburg nach Staad ist. Das ist doch die Insel, wo die Salamiwürste wachsen. Das glaubst Du mir wohl wieder nicht? Das finde ich weniger nett von Dir. Nein.  aber das wirst Du wohl auch noch aus der Schule wissen, daß hier die Perser von der griechischen Flotte geschlagen wurden. Das herrliche blaue Wasser war sehr schön. Etwas ernüchternd wirken nur immer wieder die abgeholzten kahlen Felsen. Fort bei dieser Fahrt konnte ich Schnellboote in Fahrt sehen und ein U-Boot habe ich auch gesehen. Hingehen durfte man zwar nicht, aber schon der Eindruck selbst und das Gefühl, daß man diese dinge einmal persönlich gesehen hat, macht einem Freude. War das nicht ein Tag mit recht vielen Eindrücken? Ich glaube es wohl auch. Wir sind dann am Abend mit der Bahn auf dem gleichen Weg nach hause gefahren. Die Untergrundbahn hält unmittelbar nahe unserer Hotels, so daß wir dann nicht mehr weit laufen mussten. Von unserem Hotel bis zum Kasino ist zwar noch ein Weg von ¼ Stunde, das war aber dann nicht mehr so schlimm.
Ich will meinen heutigen Brief mit recht herzlichen vielen Grüßen für Euch alle und mit lieben Küssen für Dich und die Kinder abschließen. Dein Ernst. 

Meine Liebste, meine Annie !                                                                      27.9.43  
     
Es vergeht ein Tag nach dem anderen und immer erhalte ich noch keine Post. Das ist schon eine kleine Anstrengung für die Nerven. Ich hoffe aber, daß es auf dem jetzigen Weg nicht solange mehr dauern wird, denn unsere Post soll ja in beiden Richtungen mit Luftpost befördert werden. Ich habe zwar noch viel zu erzählen nach den vielen neuen Eindrücken, die ich hier gewonnen habe, aber manchmal fehlt einem jetzt so die richtige Stimmung zum Schreiben. Aber ganz ohne eine Zeile an Dich zu schreiben, kann ich auch wieder nicht zu bett gehen, denn da fehlt mir sonst etwas. Ich will erst kurz vom heutigen Tag berichten. Gleich nach Dienstanfang hieß es, daß heute Schießen sei. Das ist ja im allgemeinen nicht meine Passion. Wir sind ein ganzes Stück durch die Stadt mit dem Kraftwagen gefahren. Dadurch habe ich wieder einen Teil der Stadt kennen gelernt. Ich muß nur immer wieder sagen, welch ein Unterschied zwischen Belgrad und hier. Belgrad hat einige wenige neue Gebäude, die repräsentieren sollen. Sie sehen nicht schlecht aus, aber sie verlieren sich im Stadtgebiet. Hier dagegen sind ganze Straßen mit sehr schönen Bauten eingerahmt und, was hier noch besonders hinzukommt, es ist hier alles sehr sauber. Doch auf diese Dinge werde ich einmal in einem späteren Brief eingehen. Beim Schießen habe ich mich erst ganz gut angelassen, doch mit einem einzigen Schuss nur habe ich dann alles verpatzt. Beim Pistolenschießen dagegen mussten wir in 5 Sekunden 3 Schuss auf eine Figur abgeben, die 25 m entfernt war. Wenn man einen Treffer erzielt hatte, war die Bedingung erfüllt. Hier hatte ich etwas mehr Glück, denn ich hatte 2 Treffer erzielt. Das hat mir insofern eine Befriedigung gegeben, daß ich wenigstens nicht ganz umsonst hinausgefahren bin. Durch dieses Schießen war der Vormittag schon sehr eingeengt. Über die Mittagszeit habe ich nach dem Abbrausen gleich ein Päckchen für Dich fertiggemacht. Es hat die Nummer 41 und enthält einen Teil der von der Fahrt aufgesparten Marschverpflegung von meiner Herreise. Sie enthält eine Büchse Ölsardinen und die runde Dose enthält Fleisch. Es ist zwar nicht übermäßig viel, aber ein Essen kannst Du damit schon noch strecken. Als wir durch Serbien fuhren, entdeckte ich in einem Geschäft Backpulver . Ich hatte schon wiederholt gehört, daß Du schon lange Zeit so wenig zugeteilt erhältst. Es sind zwar auch nur einige, aber Dur wirst sie schon verwenden können. Auch für den Zimt, der kein Ersatz ist, wirst Du schon eine Verwertung haben. Wenn das von der Reise aufgehobene Brot trocken genug ist, dann werde ich dies auch noch abschicken. Wenn ich genügend Packmaterial hier hätte, dann könnte ich Dir noch einige andere Päckchen absenden. Hier ist dies zwar nicht so einfach, denn es sind im Monat nur zwei Päckchen für jeden Wehrmachtsangehörigen zugelassen. Ich hoffe aber, daß ich auch so noch etwas abschicken kann. Einige Kleinigkeiten habe ich schon erstanden, die ich dann absenden werde.
Vorhin war ich noch im Kino. Es war ein sehr billiger Film; er hieß „Der Hochtourist“. Aber etwas ablenken muß man sich, sonst wird man so einseitig und stumpf. Jetzt bin ich aber wieder reichlich müde, denn es geht schon wieder auf ½ 12 Uhr zu.  Ich übermittle Dir und den Kindern recht viele liebe Grüße und Dir sende ich einen recht herzhaften Schmatz. Dein Ernst. . Nachsatz: Schicke mir doch bitte 3 bis 4 kleine Leinensäckchen ungefähr vom Format dieses Bogens. Viel größer jedenfalls nicht. Wenn möglich, dann kannst Du sie ja einzeln oder zu zwei Stück zusammenpacken. Ich hätte verschiedene Kleinigkeiten wegzuschicken, so daß ich dafür diese Säckchen gut verwenden könnte, zudem könnte ich einiges Verpackungsmaterial sparen. Recht vielen Dank dafür und einen ordentlich kräftigen Kuss dazu von Deinem Ernst.


Samstag, 22. September 2018

Brief 459 vom 22./23./24./25.09.1943


Mein liebster Schatz !                                                                            22.9.43 
       
Gestern erst hatte ich einen Brief an Dich geschrieben und heute in Saloniki aufgegeben. Doch die durch das öftere Halten des Zuge sich bietende Gelegenheit will ich benutzen , um Dir immer wieder einige Zeilen niederzuschreiben, denn ich weiß ja, wie Du Dich freust, wenn Du immer wieder Nachricht von mir bekommst. Die große Hitze wirkt zwar sehr lähmend, doch ich kann es nicht leiden, wenn Du warten solltest und wo es ja nicht nötig ist. Gestern sind wir über das Balkangebirge geklettert und heute gegen 3 Uhr Mitternacht erreichten wir diese letzte große Station vor Athen, Saloniki. Wir fuhren verhältnismäßig schnell von dort weiter und hatten stellenweise eine sehr schöne Fahrt, die uns an der Bucht von Saloniki entlang führte. Als der Zug einmal längere Zeit hielt, benutzten einige die Gelegenheit, um in dem herrlichen Wasser zu baden. Im Gegensatz zu dem unendlich vielen Schmutz, der im Land herrscht, was das Wasser wunderbar klar. Klarer wie bei uns der See. Heute morgen wurde ich wirklich an unseren See so erinnert. Das weite blaue Wasser, im Hinter grund die Berge und darüber ein klarer blauer Himmel. Man konnte meinen, den Blick nach Richtung Bregenz vor sich zu haben.  

                                                                                                              23.9.43 

Eine weitere Nacht haben wir im Zuge hinter uns. Athen sollen wir heute doch noch erreichen. Glatte 4 Tage und 4 Nächte sind darauf gegangen. Ich muß schon sagen, daß ich einigermaßen von dem Lande etwas erschüttert bin. Wenn jemand vom schönen Griechenland erzählt, der übertreibt aber gewaltig. Dies ist mein Gesamteindruck. Die Berge erinnern an eine Mondlandschaft. Kahl, leer und grau.  Stellenweise sieht man einige Büsche, doch meist tritt nur der nackte Fels hervor. Der Regen und der Wind haben die Erdkrume von früher weggeschwemmt oder weggeweht. Die Sonne brennt unbarmherzig und am Himmel steht kein Wölkchen. Nur am Olymp, an dem wir vorbeifuhren, da hingen einige Wolken. 

                                                                                                             24. 9.43 

Selten habe ich so viele Tage gebraucht, um dieses kleine Blatt voll zu schreiben. Doch zuerst will ich Dir melden, daß ich gestern wohlbehalten in Athen angekommen bin. Ganze 100 Stunden haben wir nicht vollbekommen, aber es fehlten nur 2, das ist ja nicht viel. Ich will auch gleich am Anfang bemerken, daß ich hier bleibe. Wie sich das alles ergeben hat, das werde ich Dir nach und nach in den nächsten Tagen erzählen. Ich will das Wichtigste erst kurz zusammenfassen, damit Du wieder im Bild bist. Was dann für mich das Eiligste ist, das ist, daß ich auch wieder einmal bei Gelegenheit Post erhalte. Die Nummer, die uns in Belgrad aufgegeben wurde, die stimmt schon lange nicht mehr, so daß es passiert, daß die gesamte Post wieder zurückgeht. Ich habe heute mit der gleichen Post an die vorhergehende Dienststelle meine neue Nummer angegeben, vielleicht kann ich es dann so erreichen, daß mir diese Post dann doch noch zugeht. Die neue Anschrift wahrscheinlich für die nächste Zeit lautet L 40359 Luftgaupostamt Wien und wie es auf dem Umschlag steht. Ich hätte gestern wohl noch geschrieben, aber es gab hier recht viele Lauferei, bis wir alles beieinander hatten. Nach dr langen Bahnfahrt und dem vielen Schwitzen in der uns bis jetzt noch nicht gewohnten Umgebung war ich froh, daß ich mich wieder einmal lang ausstrecken konnte. Wir hatten erst ein recht primitives Hotel erwischt. Dort wurde ich mit noch einem Inspektor in einem kleinen Zimmer untergebracht. Den haben dann die Wanzen heute Nacht heimgesucht, so daß ich in dieser Nacht nicht schlafen konnte. Für die nächste Zeit habe ich mir in einem besseren Hotel ein nettes Zimmer gesucht. Morgen werde ich wohl nun den Dienst anfangen, aber von diesen Dingen werde ich Dir so nach und nach erzählen. Denn auch heute waren viele Sachen zu erledigen. Dazu die große Wärme, die einem viel zu schaffen macht. Allzu gern hätte ich wieder einmal Post von Dir. Ich hoffe, daß das nicht gar zu lange dauern wird, weil sie verhältnismäßig schnell hierher befördert wird.
Seid Ihr meine Lieben recht lieb gegrüßt und vielmals und herzlich geküsst von Deinem soviel in Gedanken bei Euch weilenden Ernst. 

Mein liebes, gutes Mädel !                                                                    25.9.43  
     
Schon ist wieder ein Monat verstrichen, seit ich Euch Lebewohl sagte. Vor einem Monat war es, als wir noch gemeinsam nach Lindau fuhren. Was haben wir aber noch für so nette und harmonische Tage in München zusammen verbringen können. Sie waren so schön, daß sie mir unauslöschlich im Gedächtnis haften bleiben werden. Was haben wir auch in dieser kurzen Zeitspanne alles wieder erlebt und gesehen. Zuerst werde ich diesmal von meiner neuen Umgebung sprechen und dann langsam zurückgehend von den Tagen der Fahrt und den Eindrücken erzählen, die ich gewonnen habe.
Wie ich Dir schon bekannt gab, bin ich hier wieder bei der für diesen Raum obersten Dienststelle gelandet. Irgendeine Fürsprache habe ich nicht gehabt, und ich muß es daher als einen Zufall ansehen, daß ich, nachdem ich im Osten bei einer solchen Stelle eingesetzt war, hier auch wieder mit einer ähnlichen Aufgabe betraut worden bin. Wir kamen hier an und haben uns 5 Mann hoch vorgestellt. Die anderen vier Leute waren alles höhere Dienstgrade wie ich. Es ist dann ja ohne weiteres klar, daß ich dann der Letzte bin, der gefragt wird. Der hiesige Gruppenleiter erkundigte sich dann, was ich bisher getrieben habe. Als ich ihm dann das alles erzählt hatte, meinte er, ich sei wohl schon ein alter Krieger in der MV. Er fragte dann weiter, ob ich denn auch Maschine schreiben könnte. Ich erwiderte daraufhin, daß ich alles kann, was man verlangt. Er meinte dann, daß das ein stolzes Wort sei. Die hiesige Gruppe würde mich darum vorerst vereinnahmen. Wie lange ich endgültig bleibe, steht wohl noch nicht fest, aber voraussichtlich geht es schon einige Monate, wenn es nicht so kommt, daß ich für immer hier bleibe. Das sind aber noch Dinge, um die ich mit den Kopf nicht zu zerbrechen brauche. Ich werde hier in erster Linie in persönlichen Sachen beschäftigt. Da hier noch alles im Aufbau begriffen ist, kann ich mich wohl tüchtig hinein knien.  Eins ist wieder ulkig. Während man allgemeine sonst nicht weiß, was man in den nächsten Tagen mit den hier eintreffenden Leuten anstellen soll, so ist wegen mir schon bei der letzten Dienststelle wieder angefragt worden, wo ich stecke. Als ich zur Heeresgruppe kam, da war das doch genau so. Die Leute machen bis jetzt einen ganz netten Eindruck. Ich hoffe, daß dieser Eindruck sich nicht ändert. Ich freue mich, daß ich nun wieder eine feste Tätigkeit bekomme. Freude macht mir vor allem, daß das Unterfangen des Oberinspektors, der doch bei der Heeresgruppe geblieben war, misslungen ist. Er dachte doch, damit eine wesentliche Änderung für mich herbeizuführen, als ich von dort wegkam. Ich war ihm doch nicht ganz grün, weil ich nicht immer so tanzte, wie er sich das immer einbildete. Was sich für mich später ergibt, das ist ja unbedeutend, denn ich kann ja doch nur mit der Gegenwart rechnen. Für die Zukunft kann man sich in den jetzt herrschenden Zeiten nicht viel Illusionen machen. Offiziell habe ich nun heute früh meinen Dienst angetreten. Es geht nun erst einige Tage, bis man sich in den Geschäftsgang eingefügt hat und bis man seine umgrenzte Tätigkeit ausübt.  Morgen ist Sonntag, da werde ich wohl mit den Herren, mit denen ich die Herreise angetreten hatte, nochmals zusammen sein. Ein Teil bleibt noch hier, aber zwei gehen davon wieder weiter. Wir wollen darum morgen nach dem Hafen zusammen fahren und dann auf die Akropolis gehen. Das bildet so gewissermaßen den Abschluss unseres Zusammenseins. Es waren sehr nette Männer, die mir wirklich sehr entgegengekommen sind.  Mich freut jedenfalls, wenn ich Leute treffe, mit denen man sich auch einmal unterhalten kann und die nicht so beamtendünkelhaft sind. Solcher Leute erinnert man sich dann gern wieder.
Hier bin ich, nachdem ich erst nicht so gut untergekommen war, in einem ordentlichen Hotel untergebracht. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe des Zentrums. Ich habe im zweiten Stock ein Zimmer mit kleinem Balkon. Ein schönes großes Bett, das so richtig zum Ausruhen einlädt. Fließendes Wasser. Große Lampe, Nachttischlampe und eine Lampe über dem Waschtischspiegel. Ein geräumiger Schrank ist auch vorhanden. Nachttisch und ein Tisch mit zwei Stühlen fehlen auch nicht. Welcher Unterschied zwischen Serbien und hier. Dort war alles sehr einfach und unsauber und hier für Hotelverhältnisse geschmackvoll und sauber und sehr modern. Ich für mein Teil kann bestimmt nicht klagen. Aber auch die anderen Kameraden sind in dieser Hinsicht zufrieden. Für die hiesige heiße Witterung ist es sehr günstig, wenn eine Badeeinrichtung vorhanden ist. Für das Hotel, in dem ich untergebracht bin, trifft das zu.  Dreimal am Tag mache ich davon Gebrauch. Ist das etwa zuviel? Ich sehe schon zu, daß die Haut nicht zu sehr zerschlissen wird. Man sagt doch, daß vom vielen Waschen die Haut kaputt ginge. Das Wasserpantschen liegt bei uns allen wohl ein bisschen drin. Früh, wenn ich aufstehe, rasiere ich mich, mache vorher meine Schuhe in Ordnung und putze mir die Zähne und dann geht es unter die Brause. Wenn ich über Mittag nach hause komme, dann ist der erste Weg unter die Dusche. Vor dem Schlafengehen versäume ich es dann nicht, mich noch einmal tüchtig abzubrausen. Wenn ich das nicht machen würde, dann würde ich mich nicht richtig wohl fühlen. Das Abwaschen im Becken bewirkt nicht eine derartige Erfrischung, wie wenn man sich von oben bis unten mit kaltem Wasser überlaufen lassen kann. Vor allem, wenn man dazu die Möglichkeit hat, dann muß man sie benutzen. Ich denke mir, es kann immer noch einmal anders kommen. Dann würde man sich  ärgern, wenn man nicht so gehandelt hätte. In einigen Wochen ist ja auch mit dem Eintritt der Regenzeit zu rechnen, dann wird es allgemein etwas kühler werden. Die Kameraden, die im vergangenen Winter hier waren, haben davon erzählt, daß sie sehr gefroren hätten, weil es mit der Beheizung der Wohnräume schlecht bestellt ist. Öfen und Heizkörper sind meist nicht vorgesehen.  Aber auch das würde nicht viel nutzen, weil es keine Kohle gibt. Ich für meinen Teil habe ja keine Bedenken, denn in der Nacht werde ich wohl kaum frieren brauchen, denn der Schlafsack wird mir gute dienste leisten. Auch sonst bin ich mit meiner Bekleidung so gestellt, daß ich mich darauf einrichten kann. Meine Dienstzeit wird Dich nun auch  noch interessieren. Wir haben hier im Südostraum ziemlich einheitliche Dienstzeit, die auch hier eingehalten wird. Früh beginnen wir um 8 Uhr und arbeiten bis 12 ½. Nachmittags wird dann von 4 bis 7 Uhr gearbeitet. Am Samstag dagegen nur von 5 bis 7 und sonntags fangen wir um 9 an und dann geht es bis 12 Uhr. Das ist eine ganz ordentliche Dienstzeit. Ob sie hier immer pünktlich eingehalten wird, das kann ich noch nicht beurteilen. Aber das wird wohl auch keinen Beinbruch geben, denn ich habe auch in dieser Beziehung schon mancherlei erlebt. _ Die Postbeförderung geht, wie ich gehört habe, mit Flugzeug, so daß sie schneller in Deine Hände kommen wird wie bisher aus Serbien. Ich hoffe, daß es so ist. Denn durch die Angabe der verkehrten Nummer ist ja eine Fehlleitung zustande gekommen, so daß mich vorerst diese Post, die für mich noch irgendwo gesammelt wurde, auch nicht erreicht. Ich denke aber, daß sie dann wieder zurückgehen wird und nachdem ich schon überall meine neue Nummer angegeben habe, vielleicht doch noch hierher kommt. Doch erst wünsche ich mir einmal dann die neue Nachricht von Dir, das andere wird sich dann schon einrenken. Es ist ja immerhin allerhand Zeit vergangen, seit ich ohne Nachricht von irgendeiner Seite bin.  Für heute will ich es einmal genug sein lassen. Ich grüße Dich sowohl als auch unsere beiden großen Stromer recht, recht herzlich und küsse Dich recht liebe. Dein viel an Dich denkender Ernst.

Brief 458 vom 18./21.09.1943


Du mein liebster Schatz !                                                                           18.9.43   
         
Wieder einmal stehe ich vor der Abreise. Zum wievielten Male das nun schon der Fall ist, das kann ich bald nicht mehr nachzählen. Ich habe heute der Marschbefehl nach Athen erhalten. Dort werde ich aller Aussicht nach auch noch nicht bleiben. Wahrscheinlich werde ich nach Mazedonien gehen, weil doch dort gewisse Gebiete von den Italienern geräumt wurden. Am Sonntagmittag 13 Uhr werde ich hier von Belgrad abrollen. Die Fahrt wird voraussichtlich zwei Tage dauern. Ob dieser Fahrplan genau eingehalten wird, das zeigt ja einem erst die Praxis. Ich bin ja jetzt froh, daß ich einmal eine Versetzung in der Tasche habe. Diese Kommandierungen sind meist von kurzer Dauer, so daß man nie in den Besitz von Post kommt. Ich habe gestern bei der letzten Kommandantur angerufen und nachgefragt, ob Post für mich eingegangen sei. Wie ich hören musste, war immer noch nichts angekommen. Ich habe meine neue Zwischenadresse bekannt gegeben, damit die Post wenigstens erst nach Griechenland herunterkommt.  von dort aus kann sie mir dann durch Kurier zugestellt werden. Ich denke, wenn sie dort unten ist, dann kann es nur noch 2 - 3 Tage dauern, bis ich sie dann erhalte. Ich will also das beste hoffen. Es ist ein quälender Zustand, wenn man gern Nachricht von daheim hätte und man muß immer und immer wieder warten. Aber was hilft das alles, wenn man daran nichts ändern kann. Wenn man dann immer nur aus sich heraus schreiben muß, so verleidet einem da mit der Zeit. Du mußt aber keine Angst haben, daß ich jetzt aufhören würde mit Schreiben. Es kann aber sein, daß ich während der Bahnfahrt wieder etwas kurz trete. Sobald mir meine neue Anschrift bekannt ist, schreibe ich Dir mit Luftpost, die von dort unten aus wieder läuft. Du kannst dann auf dem gleichen Wege antworten. Marken hast Du ja meines Wissens noch daheim.
Bis zum Erhalt dieser neuen Anschrift kannst Du diese Sachen an die Nummer 06439 senden. Das ist die stelle, an die ich die andere Post auch weiterleiten lasse.
Ich habe, als ich diesen Befehl bekam an den Mann der Wollmatingerin denken müssen, der doch auch nach Griechenland fahren mußte. Damals dachte ich, als ich diese Mitteilung von Dir erhielt, der hat seinen Standort. Ich muß nun noch den gleichen Weg machen. Wenn das so weitergeht, dann bildet man sich doch noch zum Weltreisenden heraus. Zu anderer Zeit ist das wohl ganz nett, aber so bekommt man das Reisen langsam satt.
Wie geht es denn Euch? Was machen unsere beiden Lausekerle. Hält sich Helga in der Schule auch richtig ran? Wenn bei Euch das Wetter so anhaltend schön ist, dann könnt Ihr das Baden im Freien noch schön ausnutzen. Ich bin wirklich gespannt auf Deine Briefe, denn Du hast ja schon Verschiedenes mitzuteilen. Gern wüsste ich, wie Du von München nach hause gekommen bist und wie Du alles angetroffen hast. Wie die Bilder geworden sind, wie Du mit den Dir noch bevorstehenden vielen Gartenarbeiten fertig wirst. Aber resigniert muß man immer wieder feststellen, daß nur Abwarten hilft. Ich will erst froh sein, wenn ich den berühmten griechischen Ausspruch tun kann: „Talhatta, Talhatta“. Ich will damit sagen, wenn ich das Meer sehe, denke ich, daß ich mein Ziel bald erreicht haben werde.
Den heutigen Tag habe ich mich nach Möglichkeit unterhalten. Ich war gleich nach dem Essen im Soldatenkino und habe mir den Film angesehen: „Wir machen Musik“. Am Abend war ich hier in der KdF-Bühne, die einen Bauernschwank aufführte, der wirklich ganz nett war. Anschließend habe ich im Soldatenheim noch ein Bier getrunken und nun bin ich zuhause. Ist das nicht bald zuviel der Genüsse? Vielleicht dauert es länger, bis ich zu solchen Sachen komme. Man weiß ja nie, was einem bevorsteht.
Meine Lieben, bleibt alle recht hübsch gesund und lasst Euch recht schön grüßen. Viele liebe Küsse übermittle ich Dir und den Kindern und bin immer Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                           21.9.43   
        
Wenn Du jetzt auf den Balkan reisen wolltest, dann wappne Dich mit Geduld und nochmals mit Geduld. In Belgrad fuhren wir schon mit einer Stunde Verspätung ab. Die gesamte Reise sollte erst, wie ich Dir schrieb, zwei Tage dauern. Im Zuge wurde uns schon ein Dämpfer aufgesetzt, als es hieß, wir bräuchten 8o Stunden. Schließlich fanden wir uns auch damit ab. aber die Gemütlichkeit hörte dann auf, als wir gestern auf einem Bahnhof 14 Stunden aufgehalten hatten. Das ist dann doch ein wenig zuviel. Die planmäßige Fahrzeit haben wir überschritten, und die Zeit, die uns hier mitgeteilt wurde, werden wir auch bald erreicht haben. Dabei haben wir etwas über ein Drittel der Fahrtstrecke erst hinter uns. Hinzu kommt noch, daß es die Sonne wirklich sehr gut meint. Du kannst Dir dann vorstellen, wie das in einem Abteil eines Schnellzugwagens ist, der mit 8 Personen besetzt ist. Das geht wohl, wenn man 10 oder 12 Stunden beieinander sitzt, aber wenn man sich auf eine solche Dauer einrichten muß, dann ist das schon wesentlich anders. Unsere Fahrt ging bis jetzt grob gesagt über Lajaroo, Nisch, Skopje. Jetzt haben wir als nächstes größeres Ziel Saloniki vor uns. Von dort aus geht es durch den Terniopylenpaß nach Athen. Schwieriger ist es schon über den Balkan zu reisen als etwa nach Rußland. Hier kommt man aller naselang in ein anderes Land und da braucht man dann auch wieder anderes Geld. Erst hatten wir serbische Währung, dann bulgarische und jetzt brauchen wir schon griechische. Das geht aber nun nicht so wie man das gern will oder wie man es seinem Geldbeutel nach kann. Es sind immer nur gewisse Beträge statthaft, die man erwerben kann. In Bulgarien sind die Preise bei weitem niedriger, so daß man dort ziemlich billig einkaufen könnte. Dem wir aber durch diese Beschränkung ein Riegel vorgeschoben.  Wie oft haben wir früher bei den Zigarettenreklamen gelesen: Unter der Sonne Mazedoniens gereift. Durch dieses Land geht jetzt unsere Reise. Wenn der Tabak seine Güte unter der Sonnenbestrahlung herleitet, dann muß er hier schon ordentlich werden. Die Dörfer machen einen recht südlichen Eindruck. Die Berge sind kahl und reichen bis an den Fluss, an dem die Bahn entlang fährt. Nachdem auch die Bevölkerung uns gegenüber mit Abstand begegnet ist, so kann man hier feststellen, daß sie uns freundlicher gesinnt sind. Sie winken uns und unserem Zug nach. Ob das nun die Freude darüber ist, daß die Italiener abrücken und wir kommen? Man kann es nicht genau sagen sondern nur vermuten. Seit Tagen rollt Transport um Transport von Italienern, die von uns demobilisiert wurden, an uns vorbei. Sie machen nun den Eindruck als wären sie froh, daß der Krieg für sie beendet sei. Hoffentlich gelingt es Mussolini, diese Schlawiner noch nützlich einzusetzen. Alle italienischen  Verbände werden hier aus den von ihnen besetzten Ländern herausgezogen. Die Schwarzhemden verbleiben vorerst. Ich werde dann noch ausführlicher dazu schreiben, wenn ich mehr Zeit dazu habe.
Gesund bin ich noch, nur wegen der vielen Wärme kommt man nicht aus dem Schwitzen heraus. Die Kleider riechen schon ganz sauer, aber es hilft nichts, denn ein Wechseln der Wäsche auf der Bahnfahrt ist vollkommen zwecklos. Ich will Dich nicht ganz solange ohne Nachricht lassen, darum schreibe ich wieder auf der Bahnfahrt. Daß ich in der nächsten Zeit Post erhalte, damit rechne ich schon gleich gar nicht mehr.   Recht viele Grüße und herzliche Küsse sende ich Dir von unterwegs und meiner Fahrt nach Griechenland. Bleibt alle meine Lieben gesund und denke Du an Deinen Ernst.

Brief 457 vom 16./17.09.1943


Mein herzig liebes Mädel !                                                                 16.9.43   
         
Ehe ich nun den heutigen Tag abschließe, will ich Dir noch meinen Gruß niederschreiben.  denn ich weiß ja nicht, wann ich wieder Gelegenheit dazu haben werde. Ich reise morgen früh schon hier ab. Mein Gastspiel ist also für hier beendet. Es geht erst nach Belgrad, wo ich weitere Order bekomme. Ich habe noch einige Lauferei gehabt, aber vor allem habe ich die Gelegenheit nochmals ausgenutzt, die sich mir bot und habe die Sachen gekauft, die ich für Euch noch beschaffen konnte. Es hat 5 Päckchen gegeben, die ich heute und morgen früh auf den Weg gebracht habe. Sie haben die Nummern 36/40. Ich konnte nochmals Butter bekommen. Dann befindet sich in einem Päckchen getrocknetes Brot. Ein Päckchen enthält eine Dose Fisch und 3 Eier. Weitere 9 Eier habe ich in zwei Kartons verpackt, die ich noch mit Brot soweit Platz vorhanden war, ausgefüllt habe. Es sind wohl alles Kleinigkeiten, aber sie werden Euch schon nützen. Hoffentlich kommt alles gut in Deine Hände. Die Butter wird wohl nicht mehr frisch sein, aber die kannst Du ja noch gut auslassen. Damit hast Du doch wieder einige kleine Reserven. Die Päckchen musste ich heute doch noch fertig machen. Nach der gestrigen schmutzigen Arbeit  wollte ich doch noch einmal baden gehen. Das habe ich bei dem Wetter, das so wie im August ist, fein machen können. Es war kolossal heiß, aber das Baden hat recht gut getan. Es ist ja günstig, wenn man nur einen Weg von etwa 10 Minuten hat. Wie Du aus dem beiliegenden Durchschlag siehst, habe ich an Nannie noch einen Gruß zum Geburtstag gesandt. Einige alte Rasierklingen habe ich Dir zur Verwendung für Deine Schneiderarbeiten beigelegt. Du kannst sie doch brauchen. Ich erinnere mich jedenfalls, daß Du keine mehr da hattest, als ich jetzt daheim war.
Ist das nicht allerhand, spaziert mir doch ein Floh am Bein herauf und herunter, während ich hier schreibe. Das waren Raritäten vor dem Krieg bei uns und hier bekommt man das gratis geliefert. Ich muß sonst sagen, daß das Quartier ziemlich sauber ist. Die Leute sind auch nicht gerade erfreut, daß ich hier wieder abrücke. Das läßt sich nun nicht ändern. Dadurch, daß man hier immer einmal eine Kleinigkeit bekommt, ist es ja ganz schön Aber ich hoffe, daß sich auch woanders etwas auftut.
Als ich mich vor Dienstschluss verabschiedete, waren 6 Hauptmänner sehr nett zu mir. Etwas hat mich gefreut. Der eine sagte, er habe sich gefreut über meine vernünftigen, mannhaften Worte, die ich gehabt hätte, als es sich um meine Verwendung hier bei der Kommandantur und darum handelte, daß man mich hier anders einsetzte, als ich es mir gedacht hatte. Er hätte keine Bedenken um mein Fortkommen, wenn ich immer so auftreten würde. Man sieht daran wieder, daß man sich wehren muß und auch kann, wenn man im Recht ist. Ich kann mich ja nicht beklagen über allzu große Beanspruchung, denn ich habe mich hier nicht totgearbeitet. In den letzten Tagen habe ich mir die einschlägigen Dinge etwas angesehen, so daß ich doch einen kleinen Einblick über die Tätigkeit von bisher bekommen habe.
Es ist nun reichlich spät geworden, aber bevor ich hier abreiste, wollte ich Dir doch noch meinen Gruß senden und Dich eben auch mit dieser Nachricht noch bekannt machen. Ob ich morgen gleich dazukomme, ist ja sehr fraglich. Ich bedauere nur, daß ich noch keine Post von Dir erhalten habe, denn jetzt geht es ja geraume Zeit, bis mir diese nachgesandt werden wird und bis Du meine neue endgültige Nummer hast. Aber das ist nun nicht zu ändern.
Bleibt mir alle hübsch gesund und lasst Euch recht vielmals grüßen. Grüße bitte ebenfalls Vater von mir.  Unseren Borzels gib einen herzhaften Kuss wie ich Dir in Liebe besonders  gern einige davon aufdrücken würde. Dein Ernst.

Mein liebes, gutes Mädel !                                                                      17.9.43     
    
Recht behelfsmäßig geht es jetzt zu, aber zum Abschluss dieses Tages will ich Dir doch noch gleich Bescheid zukommen lassen, wie es mir nun heute ergangen ist. 8,40 Uhr sollte wir in unserem Kaff dort abfahren. Mit einer Verspätung von nur einer Stunde hat es dann auch geklappt. Ein Oberinspektor, der auch nach dem Ort kommandiert war, hat die Herfahrt mit mir angetreten. Gegen  6 Uhr sind wir nun wieder in Belgrad gelandet. Wie ich schon schrieb, war es ein kurzes Gastspiel, was ich dort gegeben hatte. Aber das war ja schon von Anfang an bekannt, daß es nur für kurze Zeit sein sollte. Ich hatte mich gestern bei allen in Frage kommenden Stellen verabschiedet. Ich wusste, daß das dort so üblich ist, daß jedem, der von der Einheit dort weggeht, eine Rede gehalten wird. Dem bin ich dadurch aus dem Weg gegangen, daß ich vor dem Appell mich wegbegeben habe. Dem anderen Kameraden ist nun der ganze Segen überantwortet worden. Ich bin nun einmal kein Freund von solcher Rederei. Misstrauisch muß man immer sein; darum weiß man doch nicht, ob es ehrlich gemeint ist. Hier trafen wir auf dem Bahnhof noch einen Kollegen , der auch für den neuen Einsatz mitbestimmt ist. Er war nun der Ansicht, daß es besser sein, wenn man sich heute nicht mehr auf der Dienststelle sehen läßt. Der  Kamerad, der mit mir gekommen ist, und ich, wir waren anderer Meinung, weil wir uns im klaren sein wollten. Wir haben uns gleich gemeldet. Der Kollege von mir, er kommt nach Albanien und ich werden am Sonntag nach Griechenland abrollen. Nächstes Marschziel wird wohl Athen oder Saloniki sein. Dort erhalte ich dann weitere Befehle. Die Fahrt wird wieder einige Tage in Anspruch nehmen. Wie lange es nun genau dauert, das ist mir zwar nicht bekannt. Ich werde mir den Laden dort einmal ansehen. Gefällt es mir nicht, dann werde ich zu meiner alten Einheit zurückschreiben und kann versuchen, daß man mich nach den jetzt eingetretenen Verhältnissen nach dort holt. Das muß sich aber erst zeigen, wie der Laden bei dem neuen Haufen läuft. Morgen werde ich versuchen, bei der Einheit 17090 anzurufen, um evtl. dort eingegangene Post für mich hierher zu beordern. Denn ich habe ja immer noch keine Nachricht von Dir. Deine Sendungen an diese Feldpostnummer stelle doch bitte jetzt ein. Ich halte es für ratsam, daß Du die Post an die hiesige Dienststelle gehen läßt. Diese wird mir diese Briefe dann nach senden. Die Nummer : 18937. Sobald ich dann neunen Bescheid habe, bekommst Du sofort meine neue Anschrift.
Hier in Belgrad bin ich in einem Hotel untergekommen. Mit dem Kollegen habe ich ein Zimmer mit zwei Betten  bekommen. Hier werden wir während des kurzen Zwischenaufenthalts nächtigen und uns aufhalten. Mit der Fahrt nach Griechenland ist das anscheinend nicht so einfach, weil da erst Platzkarten besorgt werden müssen, sonst kommt man nicht mit. Das soll aber meine Sorge nicht sein, denn dafür ist schließlich die Dienststelle hier da.
Mein lieber Schatz! Lasse Dich ganz herzhaft küssen.  Recht schöne Grüße widme ich Dir und den Kindern und bin immer in Liebe Dein Ernst. 
Schreibe bitte an die letzte Nummer weiter, weil dies dann schon bei der richtigen Stelle vermerkt worden ist.

Brief 456 vom 14./15.09.1943


Meine liebe Annie !                                                                               14.9.43 
    
Gestern nach Feierabend habe ich mir wieder einmal Deinen lieben Brief vorgenommen, den Du mir schriebst, als ich wieder von daheim wegfuhr. Er fällt mir immer wieder, wenn ich ihn lese und jedes mal habe ich meine Freude daran. Immer wieder tritt dann jede einzelne Episode mir plastisch vor Augen, denn Du hast das alles so lieb geschildert. Sei es die Ankunft in Stuttgart oder der morgendliche Spaziergang. Die Heimfahrt nach Konstanz und die dann folgenden schönen Tage. Das Baden, das wir ziemlich fleißig ausgenutzt haben wie auch die anderen kleinen Abwechslungen, die wir uns geleistet haben. Als ich mir dann später wieder einmal die Fotos vornahm, die ich immer mit mir führe, da kamen mir auch die Bilder von den anderen Urlauben in die Hände. Mir kam dann so der Gedanke, weshalb sich dieser Urlaub von den andren so unterscheidet. Ich kam zu der Feststellung, daß wohl jeder Urlaub bis jetzt schön gewesen ist. Sei es nun der, als ich Weihnachten daheim war oder die Urlaube im zeitigen Frühjahr oder im späten Herbst. Dieser kam mir nun besonders schön vor, weil er durch seine Besonderheit einmal in eine andere Jahreszeit gefallen ist. Für Freizeit ist aber auch die warme Jahreszeit das angenehmere. Man kann sich unabhängiger bewegen, und wenn dann so klares Wetter herrscht, wie es während dieser Tage der Fall war entgegen den früheren abweichend vom Üblichen und auch der Ausklang in München gab diesen schönen Tagen einen recht schönen Abschluss. Alles in allem hatte diesmal einen anderen Rahmen und gab dadurch dieser Zeit einen besonderes Gepräge. Betonen will ich noch, daß auch die Kinder sich sehr ordentlich benommen haben. Helga ist eben manchmal noch so ein Dummerle und der Dickkopf unserer Jungen hat sich diesmal nicht in besonderem Maße bemerkbar gemacht. Ich muß nur noch daran denken, wie er im Bad sein erstes Dauerschwimmen machte und mir gleich eine Probe vorlegte, die mich tatsächlich in Erstaunen versetzte.  Der Bengel kann nämlich, wenn er will. Wenn man ihn dann lobt, dann ist er sehr stolz. Auf diese Leistung kann er wirklich auch stolz sein, wenn man bedenkt, daß er noch nicht solange schwimmen kann und dadurch noch nicht die Übung hat. Ich muß noch jetzt im Stillen lachen, wie er an dem Steg immer wieder wendete und sich nochmals die Strecke vornahm. Das sind alles so nette Erinnerungen, von denen ich die ganze Zeit meiner Abwesenheit von zuhause zehren werde.
Bis Dich diese Schreiben erreicht, werde ich wohl schon auf dem Wege zu meiner neuen Einheit sein. Der Oberrat,  der mit mir von Belgrad herüberkam, hat heute Bescheid erhalten, daß er sich nach Belgrad zurückzubegeben hat, um dort die Versetzung an seinen neuen Einsatzort entgegenzunehmen. Für die anderen Leute, die hierher kommandiert sind, ist der Bescheid ergangen, daß wir uns marschbereit zu halten hätten. Wenn mein Gefühl mich nicht täuscht, dann werden wir in die von den Italienern bisher besetzten Gebiete abrücken.  Mutmaßlich Albanien oder so ähnlich. Du erfährst es dann genau, wenn ich darüber Bescheid weiß. Ich hoffe nur, daß ich von Dir vorher wenigstens noch Post erhalte, um wieder ein Lebenszeichen von Dir zu bekommen.
Weitere Neuigkeiten habe ich heute nicht für Dich. Ich werde deshalb mein Schreiben wie immer wieder beenden mit recht vielen lieben und herzlichen Grüßen und Küssen. Dein Ernst.

 (wieder keine Anrede, wie schon einige Briefe vorher)                                   15.9.43 
           
Leider musste ich auch heute vergeblich auf Post warten. Mit der Zeit fängt man nun wieder an zu fiebern und man glaubt, daß es jetzt sein muß. Aber man kann es doch nicht herzwingen. Es bleibt also weiter nichts übrig als abzuwarten. Das warme Wetter artet nahezu aus und man könnte meinen, die Hundstage wären nochmals angebrochen. Wir haben uns das zunutze gemacht und diesen recht heißen Herbsttag zur Maiernte verwendet. Die Einheit hier hat ein großes Stück Feld mit Mais bepflanzt, der jetzt nun reif ist. Er dient zur Verfütterung an die Schweine, die hier zur Verbesserung der Ernährung gehalten werden. Die ganze Einheit hat sich daran beteiligt. Ich kenne das noch nicht, so daß ich aus Interesse mitging. Ganz abgesehen davon, daß dies schließlich schon der Kameradschaft wegen eine Notwendigkeit ist.  Wir haben tüchtig dabei geschwitzt, denn die Sonne meinte es wirklich sehr gut. Wir haben auch einen mittleren Kraftwagen voll über die Mittagszeit geerntet. Auf diese Weise bin ich heute ums Baden gekommen. Wenn es das Wetter aber zulässt, kann ich es morgen ja wieder nachholen.
Heute konnte ich wieder zwei kleine Päckchen an Dich abschicken. Das eine enthält etwas Butter und das andere 6 Eier. Einige kleine getrocknete Brotstückchen habe ich dem einen Päckchen beigelegt. Ich habe noch mehr hier, das ich mit verpacken will und Dir zuschicken werde. Auf diese Weise kannst Du das Brot wohl noch verwenden, denn ich denke nicht, daß es unterwegs noch schimmlig werden wird. Die Päckchen haben die Nummern 34 und 35. Zwei Eier konnte ich nicht dazu packen, da mir die zur Verfügung stehenden Kartons zu klein sind. Ich werde sie aber schon noch mit irgendwo dazupacken. Hoffentlich kommt alles gut an.
Ich schrieb Dir ja schon einmal, daß es hier viel Obst gibt, doch daß recht hohe Preise dafür verlangt werden. Ich habe schon ein kleines Kapital verfressen. Meist habe ich mir Pflaumen gekauft, die noch am billigsten sind. Aber auch Weintrauben und Pfirsiche habe ich mir schon zu Gemüte geführt. Von meiner Herreise hatte ich noch Reisekosten zu beanspruchen, die mir heute mit etwas über 30,RM ausbezahlt wurde, somit werden diese außerordentlichen Kosten zum Teil gedeckt. Man muß immer wieder zusehen, daß man auf seine Rechnung kommt. Wenn man nicht aufpasst, dann rutscht einem manches daneben. Es ist nur schade, daß der Transport so lange ist, denn sonst würde ich Euch manchmal einige Pfirsiche zusenden. Ich befürchte nur, daß sie unterwegs verderben und das wäre dann schade für das viele Geld, was man dafür aufwenden muß. Solange ich aber noch in der Lage bin, kaufe ich mir hier diese Sachen. Sobald das aber über meine Verhältnisse geht, dann werde ich diese Käufe einstellen.
Meinen Abend werde ich heute wieder mit einem Kinobesuch abschließen. Es wird der Film „Heimkehr“ gespielt. Ich weiß nicht, ob ich ihn schon gesehen habe, aber das macht ja nichts.  Gestern Abend habe ich schon die ganze Zeit gelesen. Wenn sich dann solch eine Abwechslung bietet, dann nehme ich sie gern mit. Meine Beschäftigung am Tage ist ja nicht so anstrengend, so daß ich froh um jede Abwechslung bin.
Nun hoffe ich wieder fest auf den nächsten Tag, daß Post für mich eintrifft. Einmal wird meine Hoffnung doch belohnt werden, dessen bin ich mir gewiss, oder bist du anderer Meinung ? Hier gibt es bestimmt nicht zu widersprechen.
Recht herzlich grüße ich Di und unsere beiden Borzels. Dich küsse ich fest und bin immer Dein Ernst.

Brief 455 vom 12./13.09.1943


Meine liebe Annie!                                                                                        12.9.43

 Jetzt kann es ja nicht mehr lange dauern, bis ich von Dir Post erhalte. Ich freue mich schon sehr darauf, denn es ist einem doch erst wieder wohler, wenn man die Verbindung mit zuhause wieder hat. Auf die Dauer gesehen, ist es nicht immer leicht, so tagtäglich aus dem Gedächtnis zu schreiben, ohne daß einem ein Anstoß oder eine Anregung gegeben wird. Ich will Dir nichts vorlamentieren, denn dazu habe ich keine Veranlassung und mir fehlt ja sonst nichts.
Hast Du schon einmal etwas von Balkonhühnern gehört? Das glaube ich nicht. Ich habe sie schon gesehen. Das erste Mal sah ich sie in Charkow. Auf einem Balkon hielten sich die Besitzer der dazugehörigen Wohnung ein Huhn. Damit es ihnen nicht wegfliegt oder nicht vom Balkon herunterfällt, hat man ihnen ein Bindfaden an den Fuß gebunden. Ich habe das nirgends wiedergesehen. Ich dachte, daß diese Erscheinung einmalig sei. Als ich nach Belgrad kam, konnte ich auf den verschiedenen Balkons Balkonhühner wieder sehen. Diese Bezeichnung stammt von mir, ist aber vollkommen zutreffend. Entsprechend dem Aktionsradius des Bindfadens können sich diese Tiere nun bewegen. Futter bekommen sie wohl, aber sonst führen diese Viecher wirklich ein Dasein, daß für diese Tiere bestimmt nicht beneidenswert ist. Das schönste ist, daß sie auch noch Eier legen sollen. Da sieht man aber, auf welche Ideen die Leute verfallen, wenn ihnen die Lebensmittel zugemessen werden. Auf jedem nur freien Platz haben sich die Leute dort Hühner gehalten. Auf dem Platz beim Parlament habe ich Leute beobachtet, die ihre Hühner dort grasen und scharren lassen. Abends kommen sie und packen sie ein. Am anderen Morgen werden sie auf ihre Weide geführt. Es macht schon einen drolligen Eindruck. Aber die ganze Hühnerhaltung führt nun dazu, daß man, wenn man, wie ich, auf die Zeit achten muß und dadurch leicht schläft, daß diese Biester störend wirken. Früh um 4 Uhr kräht der erste und das geht dann solange, bis man aufsteht. Ich kann nicht sagen, daß ich besonders nervös sei, aber wenn man sich noch nicht daran gewöhnt hat, dann kann einem das schon auf die Nerven fallen. Aber nicht nur Hühner, sondern auch für die Ernährung andere nützliche Viecher halten sich die Leute. Im Balkon hat das Schwein wegen seiner Genügsamkeit und seiner Nützlichkeit eine ganz besondere Bedeutung. Jeder der irgendeinen Platz hat und es irgendwie machen kann, der hält sich ein Schwein. Zur Verbesserung seiner Ernährung ist das äußerst wichtig. Leute, die es früher nicht nötig gehabt haben, sich mit der Schweinefütterung zu befassen, widmen sich ihr. So tritt durch die Kriegsverhältnisse manche Änderung ein, an die manche Leute früher nicht gedacht haben.
Heute Nachmittag war ich beim baden. Das war mein Sonntagsvergnügen. Das schöne Sonnenwetter muß man ausnutzen, den der Winter ist dann wieder so lang. Ich hatte mir etwas zu lesen mitgenommen. Am Vormittag hatte ich mir Pflaumen gekauft, um mir den Sonntag auch etwas schmackhaft zu machen. Ich kann ja noch zufrieden sein, daß ich mir das hier so einrichten kann. Was man hier im Winter an solchen Tagen anstellt, das könnte ich mir noch nicht vorstellen. Es bleibt einem dann weiter nichts übrig, als die ganze Zeit zu lesen. Aber dafür ist noch nicht der Zeitpunkt gekommen, daß ich mir darüber Gedanken mache, denn alles zu seiner Zeit.
Hast du das Geld schon an Finnessen nach Posen geschickt? Wenn Dir die Adresse nicht mehr geläufig ist, dann schreibe ich sie Dir hiermit noch auf. Erika Finnessen, Posen, Friedensstraße 19, Wohnung 6. Das Geld mußt Du deshalb an die Frau senden, weil er selbst ja nicht daheim ist und das Geld womöglich wieder zurückkäme. Der Betrag lautet über 15,-RM. Weiteres habe ich heute nicht zu erledigen. Das genügt ja nun auch, was ich wieder von Dir alles verlangt habe. 
Nimm viele liebe Küsse entgegen und sei recht herzlich gegrüßt von Deinem Ernst.

  Mein liebes, gutes Mädel !                                                                         13.9.43 
        
Wenn ich Dir in der Pause, in der für mich keine Briefe ankommen, schreiben will, so muß ich mir jedesmal die Frage vorlegen, von was ich Dir dann eigentlich berichten soll. Recht gleichmäßig wickelt sich für mich das Leben hier ab.  Den Stundenplan ließ ich Dir ja schon zugehen. Mit ziemlicher Gleichmäßigkeit und ohne große Unterbrechung läuft dieses Leben hier nun Tag für Tag ab. Über die Mittagszeit werfe ich mich in die Schwemme, denn das Wetter ist immer noch gleichbleibend schön. Übermäßig ist der Besuch des Bades nicht. Unterhaltsam ist hier, daß verschiedene schwimmfähige Gegenstände sich im Wasser befinden. Unter anderem ist ein großer Holzdeckel von 1 ½ m Durchmesser. Auf den kann man sich legen, der trägt eine höchstens zwei Personen. Wie das nun bei Männern ist, so fängt man meistens gleich an, Unfug zu machen. Liegt man ganz friedlich darauf und lässt sich sonnen, dann kommt nach einiger Zeit einer und versucht, für sich auch noch einen Platz zu ergattern. Lässt man ihn friedlich darauf, und er zeigt sich auch friedlich, dann fängt man schon selbst an, ihn wieder loszubekommen. Bei einiger Gewichtsverlagerung kommt der Friedfertige bestimmt mit dem Kopf unter Wasser. Damit fängt es dann meist an. Es kann aber auch passieren, daß man von hinten ins Wasser gezogen wird. Dann fängt der Kampf eben auch an. Jeder versucht nun, seinen Platz zu behaupten, was sehr abwechslungsreich ist.
Als ich hier mein Gepäck von der Bahn in mein Quartier besorgte, da bekam ich den Fiaker der Kommandantur zugewiesen. Ich fuhr also damit zum Bahnhof. Der Wagen ist bespannt mit zwei Pferden. Dann hat er Gummibereifung. Fährt man nun durch den Ort, dann grüßen die Soldaten und auch die Leute ziehen den Hut. Als ich so das Pferdegetrappel hörte, mußte ich unwillkürlich an meine Kindheit denken. Wenn ich in Dessau zu Besuch war, dann hörten wir abends oft die Kutsche vom Großherzog durch die abendliche Straße fahren. Das Pferdegetrappel und die gummibereiften Räder ließen das immer erkennen. Wir machten uns dann als Kinder den Spaß und klatschten dann mit unseren Händen den Takt auf unseren Schenkeln mit, wenn wir im Bett lagen. Wenn es dann klappte, dann war uns das eine große Freude, kam der andere aus dem Takt, dann wurde er ausgelacht. Dieses Experiment wurde dann aber auch sonst geübt, wenn es uns einfiel. Durch solche Anregungen kommen einem dann die Erinnerungen an diese Dinge wieder.
Von den hiesigen Preisen habe ich schon einmal andeutungsweise geschrieben. Über alle die Länder, über die der Krieg hinweggegangen ist, hat sich das Bild wesentlich geändert gegenüber den Friedensjahren. Meist war es so, daß das Lohnniveau im Verhältnis zu den Preisen entsprechend war. Dadurch, daß die Soldaten Geld mit in das Land bringen und umsetzen, ändert sich das Bild zusehends. Die Soldaten fragen nicht nach dem Geld und geben es aus so wie sie es bekommen. Sie zahlen anstandslos das, was die Leute verlangen, und meistens sagen sie noch dazu, daß es billig sei. Das sind alles Momente, die mit preisbestimmend sind. Selbstverständlich spielt die Bewirtschaftung eine große Rolle und der damit verbundene Schwarzhandel, der diesen Preissteigerungen Tür und tor öffnet. Ich konnte in Belgrad eine Handtasche sehen, die Du hast. Die erste Überraschung erlebte ich, als ich in eine Wirtschaft ging und mir dort einen Wermutwein geben ließ. Ich verlangte die Rechnung und mußte 3,30 RM bezahlen. Ich war froh, daß ich nicht zwei verlangt hatte, denn das ist eine doch zu kostspielige Sache.  Recht schöne Grüße sende ich Dir für heute wieder und bin mit vielen Küssen wie immer Dein Ernst.

Brief 454 vom 10./11.09.1943


Meine liebste Frau !                                                                           10.9.43      
  
Wie es sich einmal nicht anderes einrichten läßt, so muß ich auf Post von Dir warten. Es ist ja schon sehr oft so gewesen, daß man meinen konnte, daß man sich daran gewöhnt hätte. Aber immer wieder fängt man an mit den Tagen an zu rechnen, wie lange es wohl noch dauern kann, bis die erste Nachricht von daheim eintrifft,. Die ersten Tage geht das ganz gut, denn dann weiß man ja, daß ein Bescheid noch nicht eintreffen kann. Je näher aber der Termin der mutmaßlichen Postankunft rückt, umso kribbliger wird man. Jetzt besonders nach dem Urlaub und den Tagen des Zusammenseins wäre mir eine Nachricht von daheim doppelt lieb. Aber es lässt sich nicht erzwingen und daher muß ich mich bescheiden, bis Deine ersten Briefe eintreffen.
Von meiner Fahrt bis nach Belgrad hatte ich Dir schon geschrieben, auch von den Eindrücken, die ich dort hatte. Daß ich mit meiner Weiterfahrt Pech hatte, weiß Du auch. Ich hatte dann gleich mein Gepäck versorgt. um dann am anderen Morgen ungehindert reisen zu können. Das ging dann auch ganz gut, denn ich hatte nur meinen Waschbeutel und den Schlafsack und die Gasmaske, die mir von der Aufbewahrung nicht angenommen wurde. Für die ersten Stationen war der Zug sehr besetzt. Nach und nach leerte es sich und bei der Umsteigestation, da hatten wir ganz schön Platz.  Das Wetter war ziemlich warm geworden. Die Tage vorher hatte es immer etwas geregnet. Aber auf den Feldern war es doch noch sehr trocken. Die Getreideernte ist ja nun schon eine zeitlang vorüber. Der Mais wurde abgeerntet, und die Leute sind auch teilweise dabei, die Kartoffeln zu roden. Die Landschaft ist ziemlich bergig und erinnert schon etwa an unsere Gegend. Teilweise sind die Hänge bewaldet und soweit keine Wiesenwirtschaft besteht, sind sie mit Obstbäumen oder Reben bepflanzt. Ich habe aber gefunden, daß die Abhänge sehr oft kahl sind, so daß darauf zu schließen ist, daß sie für die Bebauung nicht zu verwenden sind. Sonst gibt es aber allerhand Früchte, so daß man sich bei dem starken Angebot über die hohen Preise wundern muß. Ich hatte keine Verpflegung in Belgrad gefasst und dachte, bald nach dem Mittagessen an meinem Bestimmungsort zu sein. Dadurch, daß ein Zug ausfiel und der Anschluss erst am Abend möglich war, machte sich in meinem Magen ein Hungergefühl bemerkbar. Während der Fahrt wurden Trauben an den Bahnhöfen angeboten, das Gewicht stand nicht fest, nur die Preise. Es war eine große Traube, die kostete 40 Dinar = 2, RM. Als ich dann in den Ort ging, bekam ich dann 1 kg für 60 Dinar. Das war dann für die hiesigen Verhältnisse sehr preiswert, aber immerhin bedeutet das doch ein Kapital, was man dafür anlegen muß. Darüber hilft nicht einmal der Teuerungszuschlag hinweg, den wir hier erhalten. Es nimmt einem darum nicht wunder, wenn die Landser anfangen zu handeln und zwar entsprechend den hiesigen Preisen.
Ich habe wieder einen Badeplatz gefunden und von dort komme ich gerade her. Es ist für die Jahrezeit noch eine sehr warme Witterung und dazu ist das Wetter wirklich schön. Ich hatte gehört, daß hier ein Badebecken ist, das nur noch für die Wehrmachtsangehörigen da ist. Bei den kurzen Entfernungen hier am Ort hat man es ja bald geschafft. Es ist zwar keine überragende Angelegenheit, aber man freut sich. Ich hatte dazu ein nettes Buch zum Lesen, das ich hier in unserer Bücherei  fand. „Der liebe Augustin“ heißt es. Es ist der Roman vom Bodensee, so daß ich mich richtig unbeschwert fühlen konnte, denn der Kleider war ich ja ledig. Dabei konnte ich mich noch, angeregt durch das Buch, in die Tage des Urlaubs hinein träumen. Ich musste an unsere gemeinsamen Badetage denken und welche Freude wir dabei haben konnten. Speziell die letzten Tage, die wir im Bad zubrachten, waren doch recht lustig. Auch die Kinder bereiteten uns viel Freude während dieser Tage. Auch heute kann ich mich noch von der eingeheimsten Freude zehren. Wie fröhlich war es doch, als wir zum Balken hinausgeschwommen waren. Meist war unser Strolch als erster draußen oder die Helga. Er ließ es sich nicht nehmen, trotz des Bibberns oder Zitterns noch ein Stück zu schwimmen, wenn das Wasser etwas frischer war. Helga sprang unentwegt hinein und versuchte immer wieder ihren Startsprung, der ihr am Ende nicht schlecht gelang. Aber Du konntest bei einigermaßen annehmbarer Temperatur nicht mehr den Weg ans Ufer finden. So tauchen immer wieder die Erinnerungen an die so schön verbrachten Tage auf. Auch bei Euch wird wohl immer noch die Rede von dieser schönen Zeit sein.
Vor drei Tagen war hier Kino. Es lief der Film, den ich schon einmal gesehen hatte „Zwei in einer großen Stadt“. Ich hatte ihn mir noch einmal angesehen, weil er mir damals nicht schlecht gefiel. Heute läuft nun der Film „Harmonie“ Ich werde ihn mir ansehen, denn er wird wohl gut sein.  Im allgemeinen verlaufen hier die Tage ziemlich regelmäßig und bieten keine große Abwechslung. Es ist nur gut, daß wir eine umfangreiche Bücherei haben, die ich fleißig benutze. Wenn ich nichts weiter zu tun habe, dann lese ich bis 10 Uhr. Das, was ich noch an eigenen Heften habe, ist nicht mehr übermäßig viel, so daß ich mir das in Reserve halte, wenn ich dann die Gelegenheit habe, mir einige Sachen der Weltliteratur zu Gemüte zu führen, die ich noch nicht kenne, so nehme ich selbstverständlich diese Gelegenheit wahr.  Mit vieler Liebe denke in an Euch alle und grüße Euch recht herzlich. Auch an Vater wieder herzliche Grüße. Dich aber umarme ich und küsse Dich dabei recht oft, leider nur nicht persönlich. Dein Ernst.

Meine Liebste !                                                                                    11.9. 43   
        
Vor 3 Wochen war ich noch in Konstanz, vor 14 Tagen befand ich mich in München und wartete auf Dich, und vor einer Woche kam ich hier an, nachdem ich in Belgrad Gelegenheit hatte, über die Vergänglichkeit der schönen Tage nachzudenken. Ob ich noch in der nächsten Woche hier sitze, könnte fast fraglich sein, aber das überlasse ich dem Schicksal. Es ist ja doch zwecklos, sich Gedanken über eine Sache zu machen, die man nicht ändern kann. Am Samstag geht der Dienst hier bis 6 Uhr und morgen wird ja nur von 10 bis ½ 1 Uhr gearbeitet. Dadurch gibt es ja ziemlich Freizeit, die ich mit Lesen überbrücken werde. Der tägliche Schlaf kommt bei der „großen körperlichen Belastung“, die ich hier auszustehen habe, nicht zu kurz. Die Verpflegung ist hier ja nicht so, wie ich sie in letzter Zeit gewohnt war. Wir bekamen nun neulich einige Eier, die ich Dir restlos zugesandt habe. Auch die erste Butterzuteilung ließ ich Dir ganz zugehen. Gestern erhielten wir nochmals ein Quantum Butter, das ich nun zur Ergänzung meiner Verpflegung  verwende. Ich habe mir zwar Gedanken gemacht, daß ich das noch nicht an Euch abgesandt habe, aber zu meiner Beruhigung habe ich erfahren, daß wir nochmals welche bekommen sollen. Die erhältst Du dann wieder. Es würde mich interessieren, wie viel das gewesen ist, was ich Dir zuletzt gesandt habe, ich hoffe, daß das richtig in Deinen Besitz kommt.
Es fällt mir gerade ein, daß ich Dir wegen des Geldes noch eine Mitteilung geben wollte. Von dem Geld, das ich hinterlassen habe, bitte ich dich, wieder einmal 100,RM mit auf die Kasse zu tun. Auf welches Konto Du es legst, ist mir gleichgültig. Den Rest hebst Du auf, bis ich Dir wieder einmal Anweisung dazu gebe. Man kann ja nicht wissen, ob wir das Geld nicht noch einmal brauchen können. Die Uhren kannst Du wohl nun auch abholen. Ich bin gespannt, ob sie nun wieder laufen. Die eine Sportuhr, die ich mitgebracht hatte, kannst Du von mir aus tragen. Hoffentlich macht sie Dir Freude. Das Band muß etwas genäht werden, aber das ist ja keine Schwierigkeit für Dich. _ Und was mir außerdem auf dem Balkan aufgefallen ist, ist die Tatsache, daß wir vor dem Krieg einen ganz bedeutenden Export nach Jugoslawien gehabt haben müssen. Geht man an den Schaufenstern vorbei, so entdeckt man überall die Anpreisung von Waren, die ihren Ursprung in Deutschland haben. An erster Stelle sind die Medikamente zu nennen. Optische Erzeugnisse wie auch die Namen von Agfa usw. tauchen auf.  Aber man sieht auch alle möglichen anderen Sachen . Uhren von Junghans oder Kienzle werden angeboten, daneben gibt es Odol Zahnpasta und Mundwasser. Aber das war mir wieder ein Wink der Heimat. als ich ein Schild sah von Allweiler Pumpenfabrik Radolfzell. Es wären noch sehr viele zu nennen, die uns in Deutschland tagtäglich begegnen. Französisches Kapital war anscheinend stark investiert. Verschiedene Gebäude weisen schon aufgrund ihres Namens darauf hin. Ich habe aber auch hier schon gesehen, daß französisches Geld in der Wirtschaft steckte. Ein einziges Schild wies auf englische Artikel hin. Ich kann nur sagen, daß Deutschland am Import des Landes den größten Anteil gehabt haben muß. Daß die Einfuhr von Fertigwaren für ein Land, was als Agrarstaat aufgebaut ist, von nicht unerheblicher Bedeutung ist, das kann man hier sehr gut anhand dieser Beispiele feststellen. _ Über Mittag war ich wieder baden. Es war ganz schön. Es ist jedenfalls besser, wenn ich mich bei dieser passenden Witterung ins Freie lege, als daß ich mich zwei Stunden aufs Ohr lege. Man muß sich nur immer das nützlichere heraussuchen. Solange ich noch hier bin und das Wetter dazu angetan, werde ich dies immer so halten.
Recht viele und herzliche Grüße vom Wochenende sendet Dir und unseren lieben Kerlchen Dein immer an Euch denkender Ernst.

Brief 453 vom 08.09.1943


Mein liebstes Mädel !                                                                             8.9.43    
   
Mir schien es, als wären nun die Briefe an Siegfried und an Deinen Vater fällig. Ich habe sie mir gleich heute über die Mittagszeit vorgenommen. Die Durchschläge lege ich Dir wieder bei. Ich habe ja vor allem Wert daraufgelegt, daß meine neue Feldpostnummer bekannt wird und das ist ja damit geschehen. An meine alte Einheit hatte ich bereits vor einigen Tagen die neue Nummer aufgegeben. Falls dort Post eingegangen sein sollte, dann weiß man dort ja nun Bescheid. Von Dir werden ja noch einige Sachen dort angekommen sein, die ich ja auch gern hier hätte. An Nannie müßte ich in diesen Tagen auch schreiben, weil sie am 25. Geburtstag hat. Da habe ich noch eine Frage. Kannst Du mir mitteilen, wann Erna Geburtstag hat. Den Heiratstag habe ich mir wohl vorgemerkt, aber der Geburtstag ist mir nich geläufig. Ebenso der Geburtstag von der kleinen Ursula. Das waren wieder die Familienangelegenheiten, die aber auch einmal sein müssen.
Mit meinem Bericht von der Reise war ich wohl bis zu meiner Ankunft in Belgrad gekommen und auch darüber hatte ich schon geschrieben, wie ich untergebracht war. Ich hatte es dort ziemlich leicht mit der Verständigung, da die Frau sehr gut deutsch sprach. Ich war sehr verwundert, fand dort auch eine sehr umfangreiche Bücherei vor, aus der vor allem ersichtlich war, daß sie Bücher in einheimischer Sprache enthielten. Aber auch verschiedene Bücher in deutscher und einige in französischer Sprache. Wie ich dann hörte, stammten die Leute aus dem Banat, wo ja auch meines Wissens viel deutsch gesprochen wird. Das war natürlich sehr angenehm, wenn man mit der Verständigung wenig Schwierigkeiten hat. Das ist aber das erste Mal seit ich mich im Ausland herumtreibe, daß ich es so antreffe. Am Abend aß ich mit im Kasino. Die Dienststelle ist im Parlament untergebracht. Ich muß schon sagen, daß die Leute sich dort schon allein in diesen Zimmern wohlfühlen können. In den Gängen lagen Teppiche, da wird also niemand, wenn schon einmal einer über den Gang läuft, gestört. Außerdem hat jedes Zimmer Doppeltüren. Die einzelnen Herren leben dort eine beruhigte Zeit.  Ich glaube nicht, daß sie in der Heimat etwas mehr leisten müßten, wenn sie daheim wären. Die Anschauungen sind dort überhaupt etwas seltsam, über die ich mich manchmal wundern müßte. Als ich dann, nicht durch mein Verschulden, nicht an dem betreffenden Tag abreiste, da wollte man mich zwingen, daß ich noch am gleichen Tag wegfuhr und dann auf irgend so einem kleinen Kaff hier übernachtete, wo es keine Gelegenheit dazu gibt. Ich konnte das noch abbiegen und dadurch die Reise, wenigstens für hiesige Verhältnisse, normal antreten. Am Abend bin ich nach dem Essen nach hause. Als ich ins Freie kam, mußte ich zu meiner Verwunderung feststellen, daß die Straßen hell erleuchtet waren. Das war ein Bild wie im Frieden. Obwohl das bei uns ja auch noch ein Teil von diesem Friedensbegriff geblieben ist  Anmerkung: während des Kriegs war Konstanz-Stadt (linksrheinisch) nicht verdunkelt wegen der Grenze zur Schweiz; d.h. einfliegende Flugzeuge sollten nicht die Grenze ausmachen können  So habe ich noch einen kleinen Gang in die Stadt unternommen. Ich habe schon manchen Stadtbummel gesehen. In Konstanz auf der Kanzleistraße, in Leipzig auf der Petersstraße, in Lille auf der rue de Bethune, in Douai auf der rue Bellain, in Charkow auf Summskaja und in Mirgorod wie auch in Dnjepropetrowsk auf der Terasia. Überall war immer mächtiger Betrieb. Ich muß aber sagen, solch einen Aufmarsch von Menschen wie hier um die Abendzeit ist mir noch nicht vorgekommen. Das könnte ja an einem Tage eine Ausnahme sein. Dem war aber nicht so, denn wie ich mich am folgenden Abend davon überzeugen konnte, war da der gleiche Betrieb. Eine weitere Feststellung konnte ich treffen und bei der ich mir wünschte, daß ich Besitzer einer Farbenfabrik sei, denn da muß man ein mächtiges Geschäft machen können. Die Frauen sind hier angemalt in einem Maße, das das in Frankreich wohl noch übertrifft. Ich will damit nicht sagen, daß es so ungeschickt aussieht wie in Rußland. Da sahen die Frauen aus, als kämen sie aus der Mehlkiste, aber die Art ist doch etwas übertrieben. Es fällt aber angenehm auf, wenn man sieht wie die Leute hier alle ordentlich angezogen gehen. Das Bild vom Osten haftet noch zu sehr im Gedächtnis, so daß man glaubt, es gibt nur noch schlecht gekleidete Menschen. Aber ich habe immer wieder sehen müssen, daß der Unterschied zwischen arm und reich in Deutschland nie so weit auseinander liegt wie in all den Ländern, die ich bis jetzt gesehen habe. Dies einschließlich Rußland. Einen Mittel stand, wie wir ihn in Deutschland kennen, finden wir nirgends weiter ausgeprägt. Höchstens nur ganz leicht ist er angedeutet und tritt dadurch kaum in Erscheinung. Ich habe hier auf den Landgemeinden, durch die wir durchgefahren sind, malerische Gestalten gesehen. Ich weiß nicht, ob ich über sie noch lachen soll, wenn ich an diese Figuren denke oder soll man sie bedauern. Die Lumpen, die sie anhaben, sind mit anderen Lumpen geflickt. Es ist aber diesen Leuten nicht möglich, ihre Blößen damit zu decken. , denn überall sieht die Nacktheit wieder durch. Wie diese Sachen unter sich zusammenhalten, ist mir etwas rätselhaft. Die Leute leben und schaffen dabei. Du kannst daran erkennen, daß es hier nicht nur reiche Menschen gibt. Aber eines kann ich sagen, daß hier in diesem Agrarland das Leben vor dem Krieg wohl leichter gewesen ist wie bei uns. Was waren wir doch für arme Schlucker und haben es nie so gemerkt, weil wir nichts anderes gesehen haben. Wir brauchen dem wohl nicht weiter nachzutrauern, aber man sieht daran, daß wir wirklich Habenichtse waren. Trotz des leichteren Lebens, das hier wohl zweifellos bestand, ist eben Deutschland Deutschland. Ich kaufte mir hier die Zeitschrift „Die Woche“. In ihr ein Bild vom Hohentwiel. Das führt einem doch etwas ganz anderes vor Augen als was sich einem hier zeigt. Ich habe mich unseres letzten Besuchs dort oben gern dabei erinnert. Daß wir Vater mit dorthin bekommen hatten, hatte mich besonders gefreut. Ich glaube auch, daß ihm das ganz gut gefallen hat. Ich kann mich nur noch wundern, wie er alles so widerspruchslos hingenommen hatte. Nicht einmal beim Mittagessen hat er reklamiert. Daß er auch das Hemd gleich so annahm und anzog setzte mich in begreifliche Verwunderung, weil er doch früher immer in dieser Beziehung so anders war. Ja, der Urlaub war doch sehr schön.
Für heute lassen wir es wieder einmal genügen. Recht herzlich grüße ich Euch alle meine Lieben. Unseren beiden Lausern gib doch einen lieben Kuß. Du selbst sollst aber recht herzlich und fest geküßt sein von Deinem Ernst.

Mein gute, liebes Mädel !                                                                                   8.9.43     
      
Die heutigen Nachrichten haben nun das wahre Gesicht unserer Verbündeten gezeigt. Jetzt wissen wir nun, woran wir mit ihnen sind. Diese Haltung kommt ja einem Verrat gleich. Nach dem Rücktritt von Mussolini konnten wir ja keine Ehrlichkeit mehr von den Italienern mehr erwarten. Der König hat uns im letzten Krieg schon einmal so mitgespielt. Ganz unerwartet kam mir dieser Schritt nicht, daß aber diese feige Gesellschaft sich bedingungslos ergibt, das hätte ich doch nicht erwartet.  Hoffen wir trotz allem weiter, daß es sich für uns doch wieder zum Guten wendet. Es kann ja nun sein, daß ich jetzt wieder eine feste Tätigkeit bekomme. Aber abwarten ist immer das beste Mittel. _ Mein Fahrschein nach Belgrad liegt meinem heutigen Schreiben bei. Außerdem habe ich noch den Nachturlaubschein beigefügt, den ich mir für den Tag oder besser gesagt für die Nacht besorgt hatte, in der Du ankamst. Lege diese kleinen Dinge mit zu den anderen Sachen, die ich immer noch mit aufgehoben habe. Ich kann mich in Erinnerung an diese Tage immer wieder nur freuen und Dir recht herzlich danken für Deinen lieben Besuch. Es ist nur gut, daß die Kinder schon so verständig sind, daß man sie allein lassen kann. Ich danke Dir also nochmals für die schönen Stunden, die Du mir mit Deiner Anwesenheit bereitet hast. Wie ich Dir schon einmal schrieb, wird mir diese kurze Zeit immer in schöner Erinnerung bleiben.  Ich weiß ja, daß Du die gleichen Empfindungen gehabt hast und das freut mich umso mehr. Ich sagte Dir doch, als wir dort zusammen waren, daß man mir meine Rechnung für die gekauften Schulterstücke in München nicht bezahlen sollte. Das Geld habe ich schon in der Tasche. Ich habe hier gesagt, daß ich für meine neue Feldbluse diese neuen Schulterstücke gebraucht habe und da ich nicht Selbsteinkleider bin, ist das mir zu erstatten. In München hatte ich keine Gelegenheit, dies zu regeln und schon hat es geklappt. Die Gepäckaufbewahrungskosten, wie wir in München hatten, habe ich auch angefordert. Du hast sie ja bezahlt. Wenn ich sie ersetzt bekomme, dann muß ich Dir wohl das Geld zusenden. Ich weiß zwar nicht, was Du bezahlt hast, aber vorsichtshalber habe ich einschließlich Gepäckträger 2.20 RM verlangt. Das ist doch nicht zu wenig. Man muß eben zusehen, daß man nicht zu kurz kommt.
Froh ist man hier, daß man wieder jemand gefunden hat, der hier OvD mitmachen kann. Für heute bin ich dazu eingeteilt worden. Ich denke, daß aber nicht viel dabei zu tun sein wird, wie das meist üblich ist. Gleich nach meiner Ankunft bin ich auch schon hier geimpft worden. Diesmal wurde gleich von der Spritze jetzt die Hälfte genommen, so daß ich gegen Ruhr und Cholera wieder geeicht bin. Typhus kommt nun auch bald dran, so daß ich dann wieder komplettgeimpft bin. Das sind unsere Freuden, die uns immer vorbehalten bleiben. Bonbons gibt es zwar nicht, aber dafür erhalten wir immer wieder Atebrin-Tabletten, die vor Malaria schützen sollen. Damit es uns nicht zu wohl wird, so hat man diesen Tabletten einen gallebittren Geschmack geben. Aber man gewöhnt sich an so vieles.
Durch die Abreise der Italiener aus diesem Raum, die ich hier auf meiner Herfahrt beobachten konnte, wurde mir schon klar, daß sie nicht mehr lange mitmachen würden. Sie waren ja in diesem Raum hier ziemlich stark vertreten. Daß hier bulgarische Einheiten liegen, das war mir früher nicht bekannt. Ich war erstaunt, doch soviel Soldaten von den Bulgaren hier anzutreffen. Sie machen zwar auch einen billigen Eindruck. Wie sie sich sonst benehmen, wenn es einmal schießt? So wird man immer mit neuen Völkern auf diese Weise bekannt. Aber nicht nur das, auch Leute aus der früheren Heimat laufen einem über den Weg. Di Kommandantur hier besteht vorwiegend aus Sachsen. Das ist das erste Mal, daß ich mit ihnen in verstärktem Maße zusammentreffe. Ich kann aber nichts dafür, ich habe sie nicht in mein Herz geschlossen. Die Sprache ödet mich an und auch der Charakter dieser Leute sagt mir nicht zu. Unter sich sind sie sehr uneinig und mögen sich selbst nicht riechen. Einer schimpft auf den anderen. Von einer Gemeinschaft kann hier nicht die Rede sein. Es ist noch ein Wunder, daß man mich an den Zuteilungen, die hier den einzelnen Leuten zukommen, teilhaben lassen. Wenn ich mich nicht gerührt hätte und es dem Spieß persönlich wäre, hätte ich wahrscheinlich nichts bekommen. Ich bin aber trotzdem froh und dankbar für alles, was ich Euch zukommen lassen kann. Es sind zwar immer nur Kleinigkeiten, aber so kommt uns dann wenigstens nicht die Polizei ins Haus.  
(Anmerkung: Er bezieht sich wahrscheinlich auf das Ereignis, daß die Gestapo zu uns in die Wohnung kam, weil wir angezeigt worden waren wegen der vielen Pakete und Päckchen)  Nun wir brauchen wirklich keine Bedenken zu haben, denn das, was ich schicke, ist ehrlich erworben und wir können es nicht ändern, wenn sich andere Leute darüber ärgern. Lassen wir sie dabei und ich versuche weiterhin, das für Euch zu bekommen, was mir möglich ist. Recht liebe und herzliche Grüße und viele, viele Küsse sendet Dir und den anderen in Liebe Dein Ernst.