Montag, 25. Juni 2018

Brief 435 vom 21./22.6.1943


Mein liebstes Mädel!                                                                       21.6.43  
             
 

Seit wir nicht mehr bei der früheren Feldposteinheit angeschlos sen sind, ist es aus mit der ordentlichen Postversorgung. Seit Tagen bekomme ich schon wieder keine Post und die anderen Briefe, die zwischendurch fehlen, sind auch noch nicht angekommen. Ich hoffe nicht, daß es in umgekehrter Richtung genau so geht, was mir aufrichtig leid tun würde. Aber im großen und ganzen habe ich leider keinen Einfluss  darauf, und ich muß diesen Dingen ihren Lauf lassen. Sollte die Änderung, die hier beabsichtigt ist, eintreten, dann wird sich dieser Zustand auch ändern. Ich bin aber zu vorsichtig geworden, um mich irgendwelchen Illusionen hinzugeben. Ich kann mich eben nur noch mit Tatsachen abfinden, die aber zur Zeit noch nicht handgreif lich sind. Daß ich Dir kürzlich in einem meiner Briefe schrieb, ich hätte Dir „befo hlen“, das ist Dir wohl etwas aufgestoßen? Ich glaube aber, daß es nicht allzu tief gegangen ist, daß ich mich in „Deine Belange“ eingemischt habe, denn ich lese, daß Du selbst empfindest, daß es Dir zum Besten gereicht, daß Du meinen „Anordnungen“ folgst. Denke aber nur nicht, daß ich mich etwa durch Deine Anpöbelung eingeschüch tert oder in die Enge gedrängt fühle. Im Gegenteil, ich merke, daß Deine Verselb ständigung noch nicht soweit fortgeschritten ist, daß Du nicht mehr auf ein Wort von mir hörst. Aber Du weißt ja selbst, wie schwer ich zu fuchsen bin. Daß mich persön liche Anwürfe aus der Fassung bringen können, das ist ja eine klare Angelegenheit, aber andere Dinge müssen schon schwieriger gelagert sein, als daß sie mich über haupt erschüttern können. Es tut mir direkt im Innersten weh, wenn ich so daran denke, daß Dein Schmunzeln, das ich leider nicht sehen konnte, direkt so nutzlos verpufft ist. Du wirst nun sagen, ist das ein alter grober Sack, aber Du weißt ja, daß es nicht böse gemeint ist. Da nun unser Junge, nach Deiner Schilderung, auch so etwas an sich hat, der andere Leute  immer ein bisschen hänselt, das ist mir nicht erklärlich. Nicht erklärlich deshalb, weil ich mir nicht vorstellen kann, von wem er das geerbt hat. Bei uns in der Familie hat doch keiner solche Neigungen. Es freut mich, daß er sich von den gleichaltrigen Jungens nichts gefallen läßt, und daß er einmal reinhaut, wenn es ihm zu bunt wird. Das muß ich schon sagen, das gefällt mir an ihm. Er soll ein richtiger Junge sein und vor allem nicht zimperlich. Du weißt ja, daß ich das nicht leiden kann. Mit meinem weißen Halstuch versuche ich jetzt hier Eindruck zu schin den. Ich bin doch jetzt ganz schön braungebrannt, und wenn ich dann das weiße Tuch um den Hals lege, dann gibt es einen netten Kontrast. Du wirst denken, der alte Esel fängt nun doch noch langsam an, eitel zu werden. Ganz so schlecht, wie das aussieht, ist es nun zwar nicht, aber schließlich muß ich es doch verwenden, wenn Du es mir gesandt hast. Wenn Du einmal etwas anderes hast, dann schickst Du mir eben davon. Es ist nicht unbedingt erforderlich, daß Du einen der Dir aus Frankreich gesandten Schals zerschneidest. Ja, Deine Pfingstgrüße sind etwas spät gekommen.  Ich weiß zwar nicht, ob meine noch rechtzeitig Dich erreichten. Immerhin entschuldigst Du Dich, daß es kein so wichtiges Fest sei, dann will ich das einmal glauben. Ja, ich bin nun einmal so ein böser Kerl und kann meine Randbemerkungen nicht unterlas sen. Du kannst es mir ja bei Gelegenheit wieder entgelten lassen. Du bist mir die Richtige, wenn Du die Meinung hast, daß es putzig sei, wenn Du so „brav“ auf Deinen Mann hörst, wenn er Dir etwas befiehlt. Das muß ich noch ans Ende meines Briefes setzen, weil ich schon anfänglich davon sprechen mußte, und damit Du es nicht vergißt. Denn die anderen Dinge, die dazwischen liegen, könnten Dich ja schon wieder abge lenkt haben und mein ganzer Erziehungserfolg wäre dann zum Teufel. _ Lasse mich nun bitte zum Schluß übergehen, sonst bringe ich noch verschiedene dieser Grobheiten an. Darum ist es gut, daß dieser Briefbogen zuende ist. Du kannst doch in diesem Fall direkt von Glück reden, daß es so ist. Bist Du etwa anderer Meinung? Bleibt mir alle schön gesund und laßt Euch alle recht herzlich grüßen und vielmals küssen.  Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                             22.6.43  
           
Ich hoffe, diesen Brief dem gestrigen, den ich zurückgehalten habe, einem Kameraden mitgeben zu können. Da es nach meinem Gefühl mit der Beförderung doch nicht so klappt, wie es wünschenswert wäre, ist eine solche Verbindung doch immerhin günstig. Post für mich ist seit dem 18. keine wieder eingegangen. Viel leicht klappt es heute. Ich habe gestern für Dich eine kleine Kiste mit Eiern fertig gemacht. Sie trägt die Nummer 16. Ich werde in diesen Tage wieder soviel zusammenhaben, daß es zu zwei Päckchen langen wird. Die kommen dann auch gleich an Dich auf den Weg. Hoffentlich kommen sie alle ganz in Deine Hände. Wenn Du sie bald verwendest, denke ich, daß sie noch verwertbar sind. Daß sich Jörg beim Einmachen nützlich macht, das ist ganz in Ordnung. Ein Mann muß eine Hausfrau nicht vertreten, aber immerhin soll er einen Einblick in die tägliche Arbeit der Hausfrau haben. Dann schadet es nichts, wenn er schon als Kind das eine oder andere mithilft, damit er sieht, daß es im Haushalt allerhand zu tun gibt. Zudem ist es ja auch eine Erleichterung für Dich, wenn Du Dich mit zwar nicht schwieriger Arbeit abgeben mußt, die aber doch ihre Zeit in Anspruch nähme. Das ist wirklich Vaters Einstellung. Sie ist typisch für ihn. Wenn er eine Weisheit anbringen kann, dann macht er es. Mir macht die Ausbildung unserer Kinder keine Sorge. Das kann ich Dir ehrlich versichern, weil ich das Gefühl habe und der  Ansicht bin, daß wir es schaffen werden. Bis jetzt hat es immer geklappt, und vor allem auch gestimmt, was ich durchsetzen wollte. Das eine braucht wohl etwas mehr Zeit und das andere geht reibungslos. Das tut aber nichts zur Sache. Aber sieh Dir doch einmal an, das war doch damals sicherlich für ihn möglich, uns etwas mehr in dieser Beziehung zukommen zu lassen. Er hat aber sein Geld gespart, und es war sein ganzer Stolz, daß er soviel zusammengebracht hatte. Er konnte nicht wissen, daß eine Inflation ihm alles zerstört. Aber ich sage mir so, warum soll ich mir schätze ansammeln, von denen ich nicht weiß, kann ich sie einmal so verwerten, wie ich es gern wünschte. Darum gebe ich unseren Kindern zunächst erst einmal die Möglichkeit, etwas zu lernen. Schließlich ist man doch auch aus den Schlägen, die uns die letzte Nachkriegszeit gegeben hat, etwas gewitzter geworden. Daß wir nun Angst vor der Zukunft hätten, das war noch nie unsere Art. Ich denke eben immer wieder daran zurück, wie wir angefangen hatten. Es war ein Nichts und die Aussicht auf eine Betätigung und ein Vorwärtskommen war auch einem Nichts gleich. Aber wir habe es gewagt. Ich werde darum nie kleinmütig werden, solange ich mich gesund fühle. Das ist noch der Fall, und deshalb mache ich mir auch keine Sorge und sage womöglich, daß mir Kinder zu kostspielig sind. Es ist die höchste Aufgabe einer Familie, Kinder zu haben, Daß Du den Willen zu einem weiteren Kind hast, das kann ich wohl verstehen und nachfühlen, und ich werde nie so töricht sein, ihn Dir zu nehmen oder zu zerstören. Du weißt, daß wir uns auch in dieser Beziehung immer einig waren, und daß es da keine Punkte gibt, die noch ungeklärt sind. Ich weiß, daß ich Vater nicht von seiner Meinung abbringen kann. Ich kann ihn in dieser Beziehung immer nur wieder so kennzeichnen, wenn ich die Worte anführe, als ich ihm erklärte, daß ich beab sichtige, Dich zu heiraten und er mir darauf antwortete: „Da hast Du aber einen schönen Bock geschossen.“ Ich kann und werde das wohl nicht vergessen. Du kennst mich ja, daß ich umso härter werde, je mehr man mir in meinen Dingen Widerstand entgegensetzt.  Ich habe Dich geheiratet, wir haben unsere Kinder, und jedes mal, wenn ich dann Vater sehe, muß ich sehen, daß er mir zwar nicht nach außen hin, aber durch sein Wesen immer wieder recht geben muuß, was ich getan habe. Er hat die Kinder sehr gern und Dich hat er zwar erst nach später Erkenntnis schätzen gelernt. Das genügt mir und bestätigt mir, die Richtigkeit meiner Handlung. Ich weiß, daß Du mir wieder in meiner Meinung zustimmen wirst, oder bist Du anderer Ansicht? Lasse mich mein Schreiben bitte abschließen und bleibt mir alle gesund. Grüße Vater von mir herzlich und seid Ihr, meine Lieben alle, recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von Deinem Ernst.

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