Mittwoch, 13. Juni 2018

Brief 427 vom 04.06.1943


Mein liebstes Mädel !                                                                         4.6.43  
         
Ich muß direkt schaffen, um alle die zurückgebliebene Post noch zu erledigen, weil ja laufend von Dir weitere Briefe eingehen. Zwar gestern ist keiner eingegangen, dagegen liegt der von vorgestern und die anderen alle unbeantwortet da.  Aber soweit nicht dabei vordringlich ist, werde ich sie der Reihe nach beantworten.  Daß die Kinder ein Verlangen nach einem Tief haben, finde ich sehr schön, denn das halte ich für eine schöne Veranlagung. Aber wie ich Dir schon einmal mitteilte, liegt es ja im wesentlichen daran, daß unsere Wohnung das nicht ermöglicht. Du weißt ja selbst, daß ich einen Hund gern leiden möchte. Wenn sich unser Junge eine Katze halten will, dann ist das so eine Sache. Bei einer Katze muß man damit rechnen, daß sie doch verschiedenen Schaden anrichten kann, solange sie sich in der Wohnung ausschließlich aufhält. Das liegt nun einmal in der Natur dieser Tiere und da kann man nichts daran ändern. Ich würde ihm gerne diesen Wunsch erfüllen, denn wenn Kinder mit Tieren aufwachsen, dann kann ihnen das nie etwas schaden. Diesen Hund kann ich insofern auch nicht mitnehmen, weil ich ja hier nicht weiß, was mit uns wird, und dann habe ich das Tier bei mir und muß es dann womöglich seinem Schicksal überlassen. Es ist eine Art russischer Schäferhund. Man trifft sie bei uns selten an, aber ich habe schon bei meiner alten Kommandantur einen solchen gesehen, und ich weiß, der war sehr treu und anhänglich. _ Unsere Wasserratte möchte ich jetzt gern einmal im Wasser herumtummeln sehen. Da sieht man erst wieder, was es bedeutet, wenn ein Mensch das Gefühl der Sicherung gewonnen hat, was anzustellen er in der Lage ist. Ich sehe sie noch bei meinem letzten Urlaub neben mir stehen und wie ich ihr zeige, sie soll ins Wasser springen. Wie sie mich immer wieder fragt: “Vaterle soll ich?“ Als ich dies bejahte, wie sie am Anfang zurückschreckte und dann, als ich nicht hinsah, hat sie es doch gewagt. Ich glaube, daß sie seither allerhand Fortschritte gemacht hat. Das ist schön, daß sie sich da so austollen kann. Ich denke, daß es unser Junge ab er auch noch schaffen wird. Er ist eben doch zwei Jahre jünger wie sie. Wenn er fleißig weitermacht, wird es schon zum Klappen kommen. Wenn er dann das Sicherheitsgefühl erlangt hat, dann wird er auch auf den Geschmack kommen und Freude daran haben. Das Bild an Deinen Vater habe ich ja bereits abgesandt. Das andere Bild für Vater werde ich in diesen Tagen für Vater abziehen und Dir dann mit zugehen lassen. Vielleicht kaufst Du einen Rahmen, denn sonst liegt es bei ihm erst herum.  Ich dachte  an solche einfachen Rahmen, denn es soll ja nur aufgehängt werden. Ich weiß zwar nicht, ob es noch sowas zu kaufen gibt. Daß ich die freie Zeit genießen soll, wie Du schreibst, das ist schon recht. Aber ich sagte Dir ja, daß ich mir eben doch Gedanken gemacht habe, daß ich daheim nützlicher gewesen wäre, um dort zu helfen, als hier herumzubummeln. Es ist eben nicht so einfach, und ich kann mich nicht über solche Dinge so leicht hinwegsetzen. Allerdings kann ich es nicht ändern, denn ich muß eben doch herumsitzen, wenn es befohlen wird. Lieb finde ich es von den Kindern, daß sie immer so schön an Dich denken. Diese kleinen Blumensträuße sind doch schöne Zeichen der Aufmerksamkeit. Ich weiß nicht, ob es andere Kinder auch tun, das spielt dabei ja auch keine Rolle, aber man sieht doch, daß sie an ihr Mutterle denken und sie gern haben. Mit dem Garten hast du auch insoweit Sorgen, daß der Regen nicht so kommt, wie er nötig wäre. Ja, wenn man nicht auf diese Weise interessiert daran wäre, würde man das nicht einmal so beachten und vielleicht manchmal dies nur feststellen, wenn es zu warm wird. Klagen würde man dann, daß man so schwitzen muß. Aber so ist das doch anders, da geht es einem ja um den Erfolg der Arbeit. Wie ich aber aus den späteren Briefen sehe, hat es erst ein wenig geregnet und dann ist es doch noch richtig zum Regnen gekommen. Das Gießen ersetzt eben den Regen bei weitem noch nicht. Das sieht man schon daran, wenn Du schreibst, daß die Stachelbeeren trotz allem abgefallen sind. Ich denke aber, daß noch genügend daran hängen. Wenn die Johannisbeeren schön tragen, dann hast Du ja ganz schön Obst für Euch. Das ist eben auch etwas. Was den Rundbrief Deines Vaters anbelangt, so teilte ich Dir schon mit, daß ich ihn nicht erhalten habe. Wie ich nun weiter von Dir lese, hat er nun direkt bei Dir angefragt, ob Du ihn aufnehmen kannst. Aus Deinem Durchschlag habe ich auch Deine Antwort daraufhin ersehen.  Mit dem Mittagessenkochen muß das schon so gemacht werden, daß diese Frau sich in irgendeiner Form an der Arbeit mit beteiligt. Ich dulde es jedenfalls nicht, daß Du Dich als Bedienung hergibst und diese Frau sich dann auf Kosten Deiner Gesundheit von „ihren großen Strapazen“ erholt. Diese Frau hat nur den Mann zu versorgen und nichts weiter daheim zu tun. Dann geht das auf keinen Fall an, daß Du neben Deinen vielen Arbeiten auch noch diese dazu übernimmst. Wie ich aus Siegfrieds Brief ersehen konnte, soll sie nach seinen Beobachtungen nicht gerade sehr kinderlieb sein und die Kinder, die sich im Hause dort befinden, würden schon von sich aus ihr alle aus dem Wege gehen. Sollte dies zutreffen, dann sehe ich allerdings schwarz, denn wir sind nicht darauf angewiesen, diese Frau kennen zulernen. Ich hoffe nicht, daß es zu irgendwelchen Komplikationen kommen wird. Denn es liegt größte Veranlassung vor, daß Du Dich nicht noch extra ärgerst und daß Du jede  unnötige Aufregung von Dir fernhältst.  Die Art und Weise, wie Du ihm das mitgeteilt hast, ist richtig, und er soll sich daran halten. Wenn ihm etwas nicht passt, dann muß er sich ganz und gar selbst verpflegen, denn Du bist nicht in der Lage, ihnen dort ?   zu bieten, die Ihr alle selbst sehr nötig hättet. Das mag wohl sehr egoistisch klingen, aber in der gegenwärtigen Zeit ist das Notwehr, weiter nichts. Vor allem ist Dein Vater auch nicht so schüchtern, um in dieser Hinsicht seiner Meinung Ausdruck zu verleihen. Wenn er auch einmal schrieb, daß seine Frau die ganze Zeit keine Erholung gehabt hätte. Wer fragt denn danach, ob du welche hast, und Du bist doch bestimmt mehr angestrengt, wie diese Frau. Du kennst ja nun meine Meinung in dieser Richtung und weißt, wie Du Dich in der Hinsicht zu verhalten hast. Jetzt habe ich meinen Briefwechsel, wie Du schon festgestellt hast, wieder auf Handbetrieb umgestellt. Aus dem vorhergehenden Schreiben wird Dir aufgefallen sein, daß ich meine Unterschrift jetzt vollständig in Langschrift ausschreibe. Ich halte es doch für vernünftiger, denn ich denke, daß das doch persönlicher wirkt. Das sind also nur noch kleine Erklärungen zu meinen jetzigen Briefen. _ Bleibt mir gesund, meine Lieben. Ich grüße und herze Euch alle und bin mit vielen Küssen in Liebe Dein Ernst.

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