Montag, 25. Juni 2018

Brief 433 vom 16./17.6.1943


Mein liebes Mädel !                                                                          16.6.43  
        
Aber heute habe ich wieder einen Brief von Dir erhalten. Wie es scheint, sind verschiedene  Briefe wo hängen geblieben. Denn der letzte, den ich erhielt, datiert vom 1.6. und Dein heutiger Brief ist vom 6.6. Ich höre aber auch von den anderen Kameraden, daß sie schon lange auf Post warten. Dann wird wohl meine Vermutung zutreffen, daß die Post an einer Stelle hängegeblieben ist. Wie dem auch sei, ich bin froh, daß ich wieder Nachricht von Dir erhalten habe. Und vor allem, daß ich sehe, daß Ihr gesund seid. Du berichtest mir in Deinem Brief von einem Kinobesuch. Ich finde es ganz in der Ordnung, daß Du Dir dadurch etwas Abwechslung verschaffst. Ich hatte mir auch verschiedene Filme jetzt angesehen und jedes mal bin ich halb verärgert wieder nach hause gegangen. Heute war ich im Film „Diesel“. Ich weiß nun nicht, bin ich jetzt nur so kritisch veranlagt oder ist es tatsächlich so, daß die gegenwärtigen Filme nicht soviel wert sind. Mir hat es jedenfalls nicht gefallen, und ich hatte mehr erwartet. Daß man das Lebensschicksal eines solchen großen Erfinders so lax behandelt, das will mir nicht in den Kopf. Alles geht so bruchstückhaft und hat recht wenig Verbindung miteinander. Ich war eben nicht zufrieden mit dem, was geboten wurde. Nach Deinem Bericht geht es nun im Garten schön vorwärts. Das macht ja viel Freude, wenn man seine Bemühungen so belohnt sieht. Hier herrscht auch richtiges Wachs wetter. Die Luft ist schwül wie in einem Treibhaus. Ich habe noch nie so viel geschwitzt wie in diesem Jahr. Ich glaube, das mit Fug und Recht behaupten zu können. Früh stehe ich auf, da nehme ich es sowieso recht gründlich mit der Wascherei. Aber bald wird es einem zu warm und man möchte sich gern abkühlen. Nach dem Mittagessen ist es mir erst recht heiß. Geht man hier ein Stück spazieren, dann schwitzt man recht bald, weil man hier kaum eine kurze Strecke laufen kann, ohne daß man einen Buckel steigen muß. Wenn Du dabei berücksichtigst, daß ich meine schöne dicke Rüstung anhabe, dann brauche ich wohl keine Worte mehr darüber verlieren. Da fällt mir im Zusammenhang mit unserem Jungen und dem Brief über die Ausübung der Neigung unserer beiden Lauser etwas ein, auf das ich hier noch einmal etwas eingehen möchte. Wie ich immer wieder lesen muß, hat unser Jörg keine große Freude am Turnen, und nur auf Befehl läßt er sich dazu herbei. Ich will erst einmal erwähnen, daß ich von ihm nicht mehr verlange, was ich nicht selbst zu tun gewillt bin. Seit einiger Zeit beteilige ich mich hier am Frühsport und springe hier mit einem Stubenkameraden jeden Morgen hinüber ins Stadion. Erst machen wir einen Lauf. Dann haben wir uns Zutritt zur Turnhalle verschafft. Erst mit Gewalt und später mit Genehmigung. Ich kann Dir nur berichten, daß ich die erste Zeit restlos fertig war, wenn ich wieder zur ückkam. Ich kann aber in diesem Zusammenhang verraten, daß ich es heute erst richtig merke, was es heißt, daß man von früher her nicht richtig dazu angehalten wurde, zum Turnen zu gehen. Ich weiß, daß ich genügend Kräfte habe, und daß ich nicht unge schickt bin. Aber die Beherrschung des Körpers verlangt eben doch einige Übung. Mein Kamerad brachte von seinem letzten Einsatz ein Gewicht mit, das stellte er mir gleich bei meiner Ankunft vor. Es ist ein russisches und wiegt 64 Pfund. Ich habe es gestemmt und jetzt, nach einiger Übung, geht es sogar ganz gut. Ich will damit nur sagen, daß man mit etwas Willen, Energie und etwas Selbstzucht schon etwas erreichen kann. Ich stelle dies vor allem hier dar, um zu zeigen, daß ich als alter Vater heute noch mit Dingen anfange, die für einen Jungen in diesem Alter eine Leich tigkeit sind, wenn er sich nur einmal damit befasst. Ich kann aber nochmals wiederholen, daß es mir lieber gewesen wäre, wenn ich in dieser Hinsicht etwas strenger drange nommen worden wäre. , denn dann fiele mir manches leichter. Ich muß eben dafür die Zähne mehr zusammenbeißen,  dann geht es auch. _ Lasse mich bitte wieder schließen und bleibt gesund und lieb. Nehmt mir alle zusammen recht viele Grüße entgegen und seid  recht herzlich geküßt  von Deinem Ernst. 

Liebster Schatz !                                                                              17.6.43 
        
Vorhin habe ich Deinen Brief vom 8.6., der erst als Luftpost brief abgehen sollte, aber Du vergaßest, die Marke aufzukleben. Von hier aus, das will ich gleich erwähnen, bekomme ich keine Marken mehr, weil wir in einem Gebiet liegen, das dafür nicht mehr zuständig ist. Dies hängt mit den Dingen zusammen, die ich Dir schon schrieb wegen der Änderung über den Postverkehr, die bei und hier eingetreten ist. Aber nun will ich doch erst auf die Dinge gleich eingehen, die Dich beklemmen und die ich auch klären will, soweit das notwendig ist. Nachdem ich Dir vor Monaten meine Ansicht über die Übernahme des Bausparvertrags mitgeteilt hatte, waren mir die Dinge , die Du ausführlich und treffend schilderst, vollkommen klar. Ich habe über diese Dinge reiflich nachgedacht Es waren nicht allein die Gründe der Pietät gegenüber Kurt und seinem Bestreben, sich ein eigenes Haus zu schaffen, wenn er eine Familie gründen würde. Es handelt sich schließlich darum, daß der einmal eingezahlte Betrag gehal ten wird, um die Anwartschaft auf eine spätere Zuteilung zu erhalten. Man hätte sich ja das Geld ebenso wieder zurückzahlen lassen können, um dann in ruhigeren Jahren damit anzufangen. Die Zeit, die nun verstrichen ist, verläuft ja nicht nutzlos. Wenn wir dabei auch daran denken müssen, daß unsere Kinder, wenn sie die Höhere Schule besuchen, uns erhöhte Kosten verursachen, die uns in anderem Fall nicht erwachsen würden, so ist dies vielleicht die vordringlichere Aufgabe für uns, daß die Kinder ihre Ordnung haben. Daß wir dies schaffen, darüber herrschen bei mir keine Zweifel. Ich stimme auch vollkommen mit Dir in der Ansicht überein, daß man in der Kleidung nicht sehr nachstehen darf, um dem Kinde von Anfang an nicht gleich Schwierigkeiten in dieser Form zu bereiten. Was die Erhöhung meines Einkommens anbelangt, das ja schließlich die Grundlage für diese Pläne bildet, so hoffe ich doch, daß es mir möglich sein wird, in dieser Richtung doch noch eine Steigerung zu erreichen. Wahrscheinlich werden keine Lehrgänge mehr abgehalten. Die eine Möglichkeit, die mir noch offen zu stehen scheint, habe ich noch nicht ausgenutzt, doch werde ich sie demnächst in Angriff nehmen.  Ich gebe den Kampf gegen die Stadt in dieser Hinsicht noch nicht auf und werde das Letzte versuchen, um etwas zu erreichen. Daß Dein Wirtschaftsgeld selbst bei spar samster Lebensweise keine Gelegenheit zu großen Sprüngen Anlass gibt, sehe ich ganz klar an den wenigen angegebenen Zahlen. Ich glaube aber trotz allem, zwar kann ich unter den gegenwärtigen Umständen keine präzisen Unterlagen geben, denn man weiß ja noch nicht, was sich noch alles ereignet. Wie sich aber auch alles entwickeln mag, eines erscheint nach meiner Ansicht kein Problem weiter zu sein, daß wir die Bauspar kasse, sofern sie uns zu sehr belasten sollte, von uns immer noch zu dem Zeitpunkt abgestoßen werden kann, wenn wir es nicht mehr schaffen sollten. Wir würden, zwar unter Abzug von Verwaltungskosten, aber auch, soviel ich unterrichtet bin, unter Hinzurechnung der aufgelaufenen Zinsen, unser Geld wieder kündigen können. Diese Lösung wäre zwar das letzte, aber es ist doch nicht so, daß wir uns dann mit einem solchen Vertrag den Hals zuschnüren lassen. Daß Vater sein Ersparnisgeld dazu gibt, ist nicht erforderlich, denn wenn wir das uns schon einmal vornehmen, dann machen wir das auch ganz. Aber das ist nicht nötig, daß Du ihm das in dieser Form sagst. Im übrigen bist Du  ja selbst so geschickt, als daß ich Dich erst auf diese Dinge aufmerksam machen muß. Daß Du nochmals darum geschrieben hast, ist ganz gar in Ordnung, und ich habe bestimmt keine Veranlassung, Dir da vielleicht etwas krumm zu nehmen. Das geht also richtig und in Ordnung. Ich habe mich heute also ausschließlich mit diesen Dingen befasst, aber das war eben notwendig. Lasse Dich mit den Kinder vielmals grüßen und herzlich küssen. Richte auch herzliche Grüße an Vater aus. Du selbst nimm aber noch viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.

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