Mittwoch, 13. Juni 2018

Brief 431 vom 11./12.06.1943


Mein liebster Schatz !                                                                         11.6.43    
        
 

Bei Deinem Streuselkuchen wäre ich ganz gern dabei gewesen. Daß man das normalerweise in der gegenwärtigen Zeit nicht machen kann, ist ja klar. Ich kann mir auch vorstellen, daß es Dich eine kleine Überwindung gekostet hat, Dich zu diesem Entschluss durchzuringen. Daß Du aber nicht verschwendest, das ist mir bewusst, und weil man jetzt von solchen Ausnahmen zehrt, dann ist das nicht gerade schwerwiegend, wenn Ihr Euch diesen Genuss bereitet habt. Dafür müßt Ihr eben wieder einmal eine Weile warten, bis ihr Euch dieses erlauben könnt. Einmal soll man schon etwas besonde res haben. Wie aus Deinem Schreiben zu entnehmen ist, hat er ja allgemeinen Anklang gefunden. Auch ich werde wohl Gelegenheit haben, wieder einmal an einem solchen Genuss teilzunehmen. Ich für meinen Teil will dabei zusehen, daß Deine Butter- oder Fettreserven nicht gar zu sehr angegriffen werden. _  Günstig ist es für Dich, daß die Kinder jetzt schon allein zum Baden gehen können, denn es ist doch schon etwas wert, wenn man sich sagen kann, sie sind den Dingen soweit gewachsen, daß ihnen unter normalen Umständen nicht zustoßen kann. Und daß sie vorsichtig sind, das glaube ich wohl annehmen zu dürfen. Aber sage einmal, das läßt sich doch machen, wenn Ihr mit dem Omnibus bis Staad fahrt, dann ist es doch nicht so weit zum Laufen.  Überlege Dir das einmal. Praktischer wäre es allerdings, wenn Ihr alle Räder hättet, dann könntet Ihr zusammen hinausfahren. Ich denke aber, daß das schon eine ziemliche Er leichterung bedeutet, wenn Ihr bis dorthin fahren könnt. Zudem habt Ihr dann ganz schön Zeit für Euch. Das war für die Kinder wohl ärgerlich, daß Ingrid hat auf sich warten lassen. Vielleicht wird sie aber nichts dafr gekonnt haben. Du hast sie aber durch begießen vom Fenster aus entschädigt. Das hat ihnen sicherlich auch Freude gemacht. Da fällt mir gerade ein, daß Ihr schon bis zum Tannenhof ein schönes Stück Weges gespart habt, wenn Ihr bis dorthin fahren wollt. Das mußt Du aber selbst genau wissen, was Ihr machen könnt und wollt. Ich kann in diesen Fällen ja nur raten, denn die Ausführung von Entschlüssen liegt ja ganz und gar in Deinen Händen, weil Du Dich immer nach den jeweiligen Umständen richten musst. Das Geld spielt doch keine entscheidende Rolle und diese Kosten sind ja auch nicht so groß, daß man sie scheuen müßte. Ich denke gerade jetzt daran. Ich halte es für günstig, wenn unsere beiden Stromer sich einmal ans Radfahren lernen machen würden. Es ist ja nicht nötig, daß sie nun jeden kleinen Weg mit dem Rad zurücklegen müssen, aber es kann ihnen nichts schaden. Ich bin der Ansicht, daß ihnen ein späteres Lernen die Sache schwieriger macht. Besser wäre  es zwar, ich könnte mich mit dahinterklemmen. Das soll von mir nur eine Anregung sein, die nun nicht gleich durchgeführt werden muß. Wie die Sportwettkämpfe im Stadion verlaufen sind, hast Du mir noch nicht mitgeteilt. Die würden mich interessieren, wie unser Mädel dabei abgeschnitten hat. Was Helgas Wunsch anbelangt, ein Instrument zu erlernen, so habe ich ja schon bereits meine Zustimmung in meinem Wunsch dazu gegeben. Vielleicht bekommst Du irgendwie eine Blockflöte oder eine Harmonika. Da sie sich beim Mundharmonikaspielen schon ganz anstellig gezeigt hat, glaube ich, daß sie schon etwas Geschick dazu hat. Mit unserem Jungen mache ich mir so meine Gedanken. Ich glaube, daß er bei einiger Anleitung zum Malen und Zeichnen schon etwas Talent entwickeln würde. Ich habe auch grundsätzlich nichts dagegen.  Aber der Junge muß einen Ausgleich haben. Ich kann ihn nicht nur allein seinen Neigungen leben lassen, denn er braucht etwas Härte. Die kann er in diesen Jahren nur durch Turnen oder etwas Sport erwerben. Versuche doch einmal, ihm das Turnen in Verbindung mit dem Zeichenunterricht schmackhaft zu machen. Daß er jetzt ein Instru ment erlernen soll, ist nicht ganz so wichtig. Ich will nur, daß er etwas erfüllt bekommt, was er schon gerne tut, damit er sieht, daß wir Verständnis für seine Wünsche haben. Wir wollen da elastisch genug sein, denn verweichlichen soll er uns ja nicht. Es dreht sich schließlich nicht um uns, denn er hat ja das Leben vor sich und soll doch von uns so viel wie möglich mitbekommen. Wir wollen uns auch nicht eines Tages sagen lassen, daß wir dies oder jenes versäumt hätten. Welche Entwicklung er nun endg ültig nehmen wird, das stellt sich ja erst in einigen Jahren heraus, denn seine eigentlichen Stärken kenne ich noch zu wenig. Ich hoffe, daß ich Dir mit meiner Darstellung die Dinge etwas klarer gemacht habe, und daß Du in der Lage bist, unseren beiden Stromern damit auch weiter zu helfen. Nimm Du mein liebes Mädel viele herzli che Grüße und Küsse entgegen und sei versichert, es denkt an Euch Drei immer Dein Ernst. 

Mein liebes, gutes Mädel !                                                                     12.6.43
        


Heute haben wir nun Pfingstsamstag und ich muß so an die Zeit in  Friedensjahren  denken. Was hat man da alles für Vorbereitungen getroffen, um  über die Feiertage  ins Freie zu kommen. Seit Ausbruch des Krieges sind wir nie an  diesem Feiertag beieinander  gewesen. Wir gaben aber die Hoffnung nicht auf, daß uns dieses  Glück wieder einmal  beschieden wird. Aber legen wir diese Gedanken beiseite und  hoffen weiterhin auf eine  Besserung der Lage zu unseren Gunsten. Gestern traf mit reich licher Verspätung  der letzte Rundbrief Deines Vaters bei mir ein. Ich war etwas in  Schreibstimmung  und habe ihn darum gleich beantwortet. Es ist etwas reichlicher ausgefallen, als ich mir vorgenommen hatte. Ich hoffe darum, daß er damit zufrieden sein wird. Was sein Schreiben an Dich anbelangt, so wundere ich mich ja nicht, wel chen Ton er anwendet um seiner Lotte die herrliche Gegend zu zeigen und sich an ihrer Freude zu erfreuen. Was zwar die Anfrage wegen des Kochens anbelangt, so muß ich nochmals auf meinem Standpunkt bestehen bleiben. Es geht nicht, daß Du nun die Kochfrau machst, damit die Frau Lotte spazieren gehen kann. Ich kann das nicht dulden, daß Du Deine Freizeit und vor allem Deine Gesundheit noch stärker beanspruchst. Ich warte nur Deine Antwort ab auf meinen letzten Hinweis. Wenn er selbst etwas auf Deine Antwort schreibt, was mir nicht paßt, dann werde ich ihm ganz unverblümt schreiben, was ich als Mann die Pflicht habe. Du wirst verstehen, daß ich eine Verantwortung habe, die ich nicht übersehen darf. Gefreut hat mich die Fürsorge von Helga für Dich. Daß sie sich  schon mit der Zubereitung des Essens als so geschickt erweist.  Das ist für mich in mancher Hinsicht eine Beruhigung, denn wenn es einmal notwen dig wäre, dann kann sie Dir doch zur Hand gehen. Ich muß ihr mein aufrichtiges Lob aussprechen. Wenn sie schon Strümpfe stopfen erlernt hat, dann kann sie mich einmal besuchen und sich ab und zu darüber hermachen. Ich selbst habe es zwar noch nicht machen brauchen, aber hier haben die Leute ihre eigene Methode. Noch interessanter war es zwar auf dem Land. Ich kann Euch nur sagen, daß Ihr diesen gegenüber noch weit im Nachteil seid. Man macht es hier viel geschickter. Stopfen ist gar nicht notwendig, man schneidet einfach die Löcher heraus und schon ist der Strumpf wieder ganz.  Ich glaube mich entsinnen zu können, einen Strumpf mit Hacken gesehen zu haben, die sind gleich herausgeschnitten. Das sieht sehr vorteilhaft aus und kann nicht mehr kaputtgehen. Ja, das staunst Du. Ich hatte aber doch einige Bedenken, meine Strümpfe dort in Arbeit zu geben. Die Leute haben dafür kein Verständnis. Mit mühe und Not können sie höchstens ein Stück darüber nähen oder das ganze Loch zusammennähen. Das klingt unglaublich, aber es ist so. Die Angelegenheit mit dem Bett hat also auch ihre Erledigung gefunden. Aber mein Trick ist mir gelungen und Du bist darauf hereingefal len. Mehr wollte ich ja auch nicht. Du wirst sagen, das ist doch ein schadenfroher Kerl. Ist halb so schlimm. Was macht denn das „Leistungsabzeichen“ von unserem Jungen? Hat er es denn nun erworben? Es schadet nichts, wenn sich die Jungen mit solchen Dingen beschäftigen. Ich finde es ganz nett, wenn sich die Jungen gegenseitig kamerad schaftlich helfen. Das hat alles für unseren Jörg auch den Rahmen der Freiwillig keit, darum ist er sicher auch ganz gerne dabei. Freude macht es mir vor allem, weil sie sich etwas mit Sport beschäftigen. Das Laufen und Weitspringen soll er nur fest mitma chen. Gegen diese Dinge habe ich nichts dagegen, denn sie sind noch rein kindlich und solange sie sich in diesem Rahmen beschäftigen, ist er keinen anderen Gefahren ausgesetzt. Der andere Speck und der Zucker ist also auch eingetroffen. Dann sind alle Päckchen, die ich vom Land geschickt hatte in Deinen Besitz gelangt. Ich weiß, daß Du für alles Verwendung hast und daß alles seinem Zweck zugeführt wird. Es ist mir immer eine Genugtuung, Euch diese kleinen Freuden zu bereiten. Bleibt mir, meine Lieben, alle gesund und verlebt die Pfingsttage froh und gesund, wie ich es Euch bereits gewünscht habe. In Gedanken bin ich bei euch. In Liebe mit vielen Grüßen und Küssen bin ich Dein Ernst.

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