Mein
liebster Schatz !
11.6.43
Bei
Deinem Streuselkuchen wäre ich ganz gern dabei gewesen. Daß man das
normalerweise in der gegenwärtigen Zeit nicht machen kann, ist ja klar. Ich
kann mir auch vorstellen, daß es Dich eine kleine Überwindung gekostet hat,
Dich zu diesem Entschluss durchzuringen. Daß Du aber nicht verschwendest, das
ist mir bewusst, und weil man jetzt von solchen Ausnahmen zehrt, dann ist das
nicht gerade schwerwiegend, wenn Ihr Euch diesen Genuss bereitet habt. Dafür
müßt Ihr eben wieder einmal eine Weile warten, bis ihr Euch dieses erlauben
könnt. Einmal soll man schon etwas besonde Günstig ist es für Dich, daß
die Kinder jetzt schon allein zum Baden gehen können, denn es ist doch schon
etwas wert, wenn man sich sagen kann, sie sind den Dingen soweit gewachsen, daß
ihnen unter normalen Umständen nicht zustoßen kann. Und daß sie vorsichtig
sind, das glaube ich wohl annehmen zu dürfen. Aber sage einmal, das läßt sich doch
machen, wenn Ihr mit dem Omnibus bis Staad fahrt, dann ist es doch nicht so
weit zum Laufen. Überlege Dir das
einmal. Praktischer wäre es allerdings, wenn Ihr alle Räder hättet, dann
könntet Ihr zusammen hinausfahren. Ich denke aber, daß das schon eine ziemliche
Er leichterung bedeutet, wenn
Ihr bis dorthin fahren könnt. Zudem habt Ihr dann ganz schön Zeit für Euch. Das
war für die Kinder wohl ärgerlich, daß Ingrid hat auf sich warten lassen.
Vielleicht wird sie aber nichts dafr gekonnt haben. Du hast sie aber durch
begießen vom Fenster aus entschädigt. Das hat ihnen sicherlich auch Freude
gemacht. Da fällt mir gerade ein, daß Ihr schon bis zum Tannenhof ein schönes
Stück Weges gespart habt, wenn Ihr bis dorthin fahren wollt. Das mußt Du aber
selbst genau wissen, was Ihr machen könnt und wollt. Ich kann in diesen Fällen
ja nur raten, denn die Ausführung von Entschlüssen liegt ja ganz und gar in
Deinen Händen, weil Du Dich immer nach den jeweiligen Umständen richten musst.
Das Geld spielt doch keine entscheidende Rolle und diese Kosten sind ja auch
nicht so groß, daß man sie scheuen müßte. Ich denke gerade jetzt daran. Ich
halte es für günstig, wenn unsere beiden Stromer sich einmal ans Radfahren
lernen machen würden. Es ist ja nicht nötig, daß sie nun jeden kleinen Weg mit
dem Rad zurücklegen müssen, aber es kann ihnen nichts schaden. Ich bin der
Ansicht, daß ihnen ein späteres Lernen die Sache schwieriger macht. Besser wäre
es zwar, ich könnte mich mit dahinterklemmen. Das soll von
mir nur eine Anregung sein, die nun nicht gleich durchgeführt werden muß. Wie
die Sportwettkämpfe im Stadion verlaufen sind, hast Du mir noch nicht
mitgeteilt. Die würden mich interessieren, wie unser Mädel dabei abgeschnitten
hat. Was Helgas Wunsch anbelangt, ein Instrument zu erlernen, so habe ich ja
schon bereits meine Zustimmung in meinem Wunsch dazu gegeben. Vielleicht
bekommst Du irgendwie eine Blockflöte oder eine Harmonika. Da sie sich beim
Mundharmonikaspielen schon ganz anstellig gezeigt hat, glaube ich, daß sie schon
etwas Geschick dazu hat. Mit unserem Jungen mache ich mir so meine Gedanken.
Ich glaube, daß er bei einiger Anleitung zum Malen und Zeichnen schon etwas
Talent entwickeln würde. Ich habe auch grundsätzlich nichts dagegen. Aber der Junge muß einen Ausgleich haben.
Ich kann ihn nicht nur allein seinen Neigungen leben lassen, denn er braucht
etwas Härte. Die kann er in diesen Jahren nur durch Turnen oder etwas Sport
erwerben. Versuche doch einmal, ihm das Turnen in Verbindung mit dem
Zeichenunterricht schmackhaft zu machen. Daß er jetzt ein Instru ment erlernen soll, ist nicht ganz so
wichtig. Ich will nur, daß er etwas erfüllt bekommt, was er schon gerne tut,
damit er sieht, daß wir Verständnis für seine Wünsche haben. Wir wollen da
elastisch genug sein, denn verweichlichen soll er uns ja nicht. Es dreht sich
schließlich nicht um uns, denn er hat ja das Leben vor sich und soll doch von
uns so viel wie möglich mitbekommen. Wir wollen uns auch nicht eines Tages
sagen lassen, daß wir dies oder jenes versäumt hätten. Welche Entwicklung er
nun endg ültig nehmen wird, das
stellt sich ja erst in einigen Jahren heraus, denn seine eigentlichen Stärken
kenne ich noch zu wenig. Ich hoffe, daß ich Dir mit meiner Darstellung die
Dinge etwas klarer gemacht habe, und daß Du in der Lage bist, unseren beiden
Stromern damit auch weiter zu helfen. Nimm Du mein liebes Mädel viele herzli che Grüße und Küsse entgegen und sei
versichert, es denkt an Euch Drei immer Dein Ernst. res haben. Wie aus Deinem Schreiben zu entnehmen ist, hat er ja
allgemeinen Anklang gefunden. Auch ich werde wohl Gelegenheit haben, wieder
einmal an einem solchen Genuss teilzunehmen. Ich für meinen Teil will dabei
zusehen, daß Deine Butter- oder Fettreserven nicht gar zu sehr angegriffen
werden. _
Mein
liebes, gutes Mädel !
12.6.43
Heute
haben wir nun Pfingstsamstag und ich muß so an die Zeit in Das ist für
mich in mancher Hinsicht eine Beruhigung, denn wenn es einmal notwen dig wäre, dann kann sie Dir doch zur
Hand gehen. Ich muß ihr mein aufrichtiges Lob aussprechen. Wenn sie schon
Strümpfe stopfen erlernt hat, dann kann sie mich einmal besuchen und sich ab
und zu darüber hermachen. Ich selbst habe es zwar noch nicht machen brauchen,
aber hier haben die Leute ihre eigene Methode. Noch interessanter war es zwar
auf dem Land. Ich kann Euch nur sagen, daß Ihr diesen gegenüber noch weit im
Nachteil seid. Man macht es hier viel geschickter. Stopfen ist gar nicht
notwendig, man schneidet einfach die Löcher heraus und schon ist der Strumpf
wieder ganz. Ich glaube mich entsinnen
zu können, einen Strumpf mit Hacken gesehen zu haben, die sind gleich
herausgeschnitten. Das sieht sehr vorteilhaft aus und kann nicht mehr
kaputtgehen. Ja, das staunst Du. Ich hatte aber doch einige Bedenken, meine
Strümpfe dort in Arbeit zu geben. Die Leute haben dafür kein Verständnis. Mit
mühe und Not können sie höchstens ein Stück darüber nähen oder das ganze Loch
zusammennähen. Das klingt unglaublich, aber es ist so. Die Angelegenheit mit
dem Bett hat also auch ihre Erledigung gefunden. Aber mein Trick ist mir
gelungen und Du bist darauf hereingefal len. Mehr wollte ich ja auch nicht. Du wirst sagen, das ist doch ein
schadenfroher Kerl. Ist halb so schlimm. Was macht denn das
„Leistungsabzeichen“ von unserem Jungen? Hat er es denn nun erworben? Es
schadet nichts, wenn sich die Jungen mit solchen Dingen beschäftigen. Ich finde
es ganz nett, wenn sich die Jungen gegenseitig kamerad schaftlich helfen. Das hat alles für unseren Jörg
auch den Rahmen der Freiwillig keit,
darum ist er sicher auch ganz gerne dabei. Freude macht es mir vor allem, weil
sie sich etwas mit Sport beschäftigen. Das Laufen und Weitspringen soll er nur
fest mitma chen. Gegen diese
Dinge habe ich nichts dagegen, denn sie sind noch rein kindlich und solange sie
sich in diesem Rahmen beschäftigen, ist er keinen anderen Gefahren ausgesetzt.
Der andere Speck und der Zucker ist also auch eingetroffen. Dann sind alle
Päckchen, die ich vom Land geschickt hatte in Deinen Besitz gelangt. Ich weiß,
daß Du für alles Verwendung hast und daß alles seinem Zweck zugeführt wird. Es
ist mir immer eine Genugtuung, Euch diese kleinen Freuden zu bereiten. Bleibt
mir, meine Lieben, alle gesund und verlebt die Pfingsttage froh und gesund, wie
ich es Euch bereits gewünscht habe. In Gedanken bin ich bei euch. In Liebe mit
vielen Grüßen und Küssen bin ich Dein Ernst. Friedensjahren
denken. Was hat man da alles für Vorbereitungen getroffen,
um über die Feiertage ins Freie zu kommen. Seit Ausbruch des
Krieges sind wir nie an diesem Feiertag beieinander gewesen.
Wir gaben aber die Hoffnung nicht auf, daß uns dieses Glück wieder
einmal beschieden wird. Aber legen wir diese Gedanken beiseite und
hoffen weiterhin auf eine Besserung der Lage
zu unseren Gunsten. Gestern traf mit reich licher Verspätung der letzte Rundbrief Deines Vaters bei
mir ein. Ich war etwas in Schreibstimmung und
habe ihn darum gleich beantwortet. Es ist etwas reichlicher ausgefallen, als
ich mir vorgenommen hatte. Ich hoffe darum, daß er damit zufrieden sein wird.
Was sein Schreiben an Dich anbelangt, so wundere ich mich ja nicht, wel chen Ton er anwendet um seiner Lotte
die herrliche Gegend zu zeigen und sich an ihrer Freude zu erfreuen. Was zwar
die Anfrage wegen des Kochens anbelangt, so muß ich nochmals auf meinem
Standpunkt bestehen bleiben. Es geht nicht, daß Du nun die Kochfrau machst,
damit die Frau Lotte spazieren gehen kann. Ich kann das nicht dulden, daß Du
Deine Freizeit und vor allem Deine Gesundheit noch stärker beanspruchst. Ich
warte nur Deine Antwort ab auf meinen letzten Hinweis. Wenn er selbst etwas auf
Deine Antwort schreibt, was mir nicht paßt, dann werde ich ihm ganz unverblümt
schreiben, was ich als Mann die Pflicht habe. Du wirst verstehen, daß ich eine
Verantwortung habe, die ich nicht übersehen darf. Gefreut hat mich die Fürsorge
von Helga für Dich. Daß sie sich schon mit der Zubereitung des Essens
als so geschickt erweist.
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