Mittwoch, 13. Juni 2018

Brief 428 vom 05./06.06.1943


Mein liebster Schatz !                                                                            5.6.43  
      
Vor lauter Trubel und Änderungen und rückliegender Arbeit, die noch erledigt werden muß, weil ich doch die ganze Zeit weg war, habe ich ganz vergessen, daß ja die Pfingsttage herankommen. Ich hätte es bald übersehen. An solchen Tagen will ich Dich und die Kinder nicht ohne Gruß lassen. Darum wünsche ich Dir und den Kindern einige schöne und ruhige Tage, an denen Du Dich erholen kannst. Läßt es sich dann nicht ermöglichen, daß Ihr einmal wegfahrt und unterwegs irgendwo esst? Das macht doch nichts aus, wenn das auch etwas kostet. Dann wäre doch für Dich einmal Feiertag. Sollte Dich mein Schreiben noch rechtzeitig erreichen, dann überlege Dir das einmal. Ich glaube aber schon, daß Du allerhand gewichtige Gründe entgegenzusetzen hast. Entspanne Dich und wenn es das Wetter nicht zulassen sollte, dann ruhe Dich schön aus. Ich kann Euch heute leider nichts weiter dazusenden, was ich aufrichtig bedauere. Verlebt die Tage so schön wie möglich und bleibt mir immer gesund, das ist mein oberster Wunsch, den ich für Euch immer habe. Auf Deine weiteren Schreiben eingehend kann ich heute erst mich einmal zu Deinen Bemerkungen über den Garten und den Baum äußern. Das mit den Blättern wird auch durch Ungeziefer hervorgerufen. Man sollte wohl dagegen spritzen, aber wie ich gelesen habe, gibt es nur Ersatzspritzmittel, und diese in beschränktem Maße. Dieses Erscheinen des Viehzeugs ist aber durch die Witterung bedingt und wird entweder gefördert oder nicht. Gegenwärtig kann man also nicht weiter viel dagegen machen. Über die Brombeeren kann man sich dann wieder freuen. Es hat vielleicht doch etwas genutzt, daß man sie in diesem Jahr kürzer gehalten hat. Denn wenn sie Jahr für Jahr so lange Schösslinge treiben, dann werden sie nicht die Kraft haben, diese auch noch zur Blüte zu bringen. Also weiter guten Erfolg. Die Anzeige in der Zeitung habe ich gelesen. Ich schließe mich auch ganz Deiner Meinung an, daß man sie vielleicht später einmal wiederholen kann, falls sich kein Erfolg zeigen sollte. Für Helga wäre es entschieden günstiger, wenn sie eines hätte, denn sie könnte sich viel Zeit ersparen. Wenn es sich jetzt nicht ermöglichen läßt, dann ist das doch nicht so schlimm. Wie ich aus Deinen verschiedenen Briefen feststellen kann, ist sie doch ziemlich durch den HJ-Dienst in Anspruch genommen. Das ist eine der Eigenarten , die unser Junge an sich hat, dieses abends Herumbummeln beim Ausziehen. Wenn er später einmal zum Militär kommt, da wird ihm das aber gründlich abgewöhnt werden. Da wird es manchen Sonderdienst hageln, wenn er sich nicht an die Zeiten hält, die verlangt werden. Das ist nicht so einfach für ihn, wenn er das nicht kann. Ich werde ihn einmal zur HJ stecken, daß er das schon früher lernt. Ich glaube jedenfalls nicht, daß ihm das behagen wird, wenn er dort gehänselt wird. Da muß er sich schon noch tüchtig aus die Hosen setzen. Früher war das ja mit dem Essen bei ihm auch so. Ist das eigentlich besser geworden? Sollte das der Fall sein, dann gebe ich das andere noch nicht auf und hoffe, daß er auch dafür noch das notwendige Verständnis bekommt. Er ist ja in anderen Dingen nicht gerade bummlig, so daß man die Hoffnung nicht ganz aufzugeben braucht. Mit Vater bist Du wieder einmal wegen eines kleinen nichtssagenden Meinungsunterschieds hintereinander geraten. Das kann ich mir denken, wenn Vater da anderer Auffassung ist, wenn es sich gerade um Dinge handelt, die das Land anbetreffen. Aber es ist ja so, daß wir uns jetzt noch nicht darum zu sorgen brauchen, ob Helga zum Landdienst geht oder nicht. Das ist ja nicht das Ausschlaggebende, daß ein Kind einmal Heimweh bekommt, wenn es einmal für eine kurze Zeit aus dem Haus kommt, dann kann es nichts schaden, denn dann lernt es erst, das Elternhaus und das, was damit zusammenhängt, zu schätzen. Wie Du auch ganz richtig schreibst, kommt für ein Kind und für die Eltern doch einmal der Zeitpunkt der Trennung. Wenn dann ein Kind diesen Zustand schon einmal kennen gelernt hat, dann wird es ihn umso leichter ertragen können. Man soll und muß ein Kind zur Härte erziehen, umso besser wird es den Lebenskampf dann bestehen. Eine verweichlichte Pflanze, die dann dem Sturmwind der Zeit ausgesetzt wird, kann diesen dann nicht so leicht wider stehen. Aber lasse Dich nur nicht ärgern, denn Du weißt ja, daß wir die gleichen Grundsätze in der Erziehung unserer Kinder haben. Mit einem Erholungsaufenthalt von Helga wäre ich an sich einverstanden, wenn wir sie irgendwo unterbringen könnten. Ih dachte, ich würde einmal an Nannie schreiben. Es wäre für Helga einmal eine andere Umgebung und sie könnte dann auch manche Eindrücke sammeln. Ich habe Nannie zwar lange nicht gesehen, aber ich sage mir immer wieder, sie ist nicht Paula. Du mußt Dich nun nicht darüber ärgern, wenn ich mit dieser Anregung komme, aber ich kenne niemand weiter und habe sonst auch keinen Bekannten, wo wir sie hintun könnten. Wenn Du anderer Ansicht bist, dann teile mir das umgehend mit. Für Dich wäre das evtl. auch für einige Wochen eine kleine Entlastung, aber wie gesagt, teile mir Deine Ansicht mit und ich werde dann sagen, was wir dann machen. Ich sehe, mit Alice geht es also wieder in Ordnung. Meine Befürchtungen sind also nicht eingetroffen. Geantwortet habe ich ihr ja bereits wieder, so daß alles glatt ist von meiner Seite aus. Was Vaters weitere Tätigkeit anbelangt, so muß er schon selbst wissen, was er zu tun gewillt ist. Man kann ihm ja nur zu dem oder jenem raten. Entscheiden muß er sich selbst. Wenn er sich noch die Urlaubstage verdienen will, dann soll er es machen. Ich denke, daß ich von Dir schon wieder hören werde. Aber ich denke, daß er nicht so auf den Pfennig angewiesen ist, und bei der halben Tagesarbeit auch noch auf seine Kosten kommt. _Für diesmal soll es nun wieder genug sein. Ich bitte Dich, recht viele herzliche Grüße und Küsse entgegen zunehmen. Es denkt in Liebe an Dich und die Kinder immer Dein Ernst.

Mein liebes, gutes Mädel !                                                             6.6.43   
        
 So nach und nach werde ich mit dem Beantworten meiner Post doch durchkommen, wenn ich mich daran halte. Aber ich will jetzt nicht von den Dingen erzählen, die hier so täglich passieren, wie ich das manchmal auf dem Dorf machen mußte, sondern ich habe ja noch reichlich Stoff, der erst verarbeitet werden muß. In gewissen Abständen erhältst Du auch Post, und ich denke, daß sich das jetzt wieder bessern wird, denn von hier aus geht ja die Post regelmäßig weg. Aus solch einem Ort spielen ja die Wegeverhältnisse keine wesentliche Rolle, denn ich denke nur an uns, was wir für Schwierigkeiten hatten nur aus diesem Kaff herauszukommen. Die Post wird ja meist mit diesen schweren Omnibussen befördert, und für die aufgeweichten Landstraßen sind sie nicht zugelassen, denn die Straßen würden sich durch ein Befahren in einem Zustand befinden, der soviel Arbeitsaufwand kostet, was wir uns hier nicht leisten können. Dann stellt man diese Fahrten solange ein, bis es das Wetter gestattet. Auf die Urlaubsangelegenheit Deines Vaters bin ich ja schon eingegangen.  Deine Antwort ist treffend und ich bitte Dich nochmals, bürde Dir nicht zuviel Arbeit auf, denn Du muß Dich schonen und und erhalten. Es geht nicht an, daß sich diese Frau auf Kosten Deiner Gesundheit erholt, denn Du bist viel notwendiger, weil Dir noch Aufgaben harren. Das Leben dieser Frau ist durch die Heirat ja bereits erfüllt, weil ja doch keine Kinder mehr zu erwarten sind. Das klingt vielleicht sehr nüchtern, aber es ist doch so. Wir können diese Angelegenheit aber nur so betrachten. Schließlich ist mir die Erhaltung Deiner Gesundheit wichtiger als die Erfüllung eines Vergnügens Deiner Verwandten oder dieser fremden Frau. Ich bitte Dich, dies immer so zu betrachten. Ich will von mir aus vorerst davon absehen, an Deinen Vater persönlich zu schreiben, solange dies nicht einen Rahmen annimmt, dr mich noch mehr stören würde. Mit unserer Verpflegung ist es hier jetzt so, daß ich es nicht alles schaffe, so reichlich ist es. Noch dazu jetzt in diesen heißen Tagen isst man doch nicht so viel. Darum brauche ich mit gewiss nichts abzusparen, wenn ich Dir Zucker oder die anderen Kleinigkeiten nach hause schicke. Du kannst dies alles getrost verwenden und Dir keine Gedanken zu machen, ob ich auch hier genügend zu essen hätte. Bis jetzt habe ich an meiner Sommerfarbe noch nichts eingebüßt; im Gegenteil, bei der gegenwärtigen Witterung lege ich mich in die Sonne, so oft es nur möglich ist. Das macht mir besonders Spaß. Heute war ich wieder zum Baden. Diesmal aber im Dnjepr. Ich kann Dir sagen, daß hier ein wunderbarer Strand ist. Herrlich feiner Sand, der sich überall dazwischensetzt. Zieht man sich die Hosen an, dann rieselt Sand heraus, nimmt man das Taschentuch in die Hand, dann ist gewiss Sand drin, beißt man die Zähne aufeinander, dann knirscht es bestimmt nach Sand. Kämmt man sich die Haare, dann spürt man, daß man Sand auf dem Kopf hat. Sand, nicht wie Sand. Sich aber dort hineinlegen ist wirklich sehr schön. Aber noch schöner war heute, daß ich den Fluss bezwungen habe. Ich habe ihn in beiden Richtungen durchquert. Ich kann Dir nur berichten, daß mir das wieder einmal ein richtiges Vergnügen war. Teilweise herrscht eine ziemliche Strömung, so daß man ziemlich abgetrieben wird. Ich schwamm mit noch einem Mann, der mir vorher sagte, daß er diese Strecke zurückgelegt hätte. Ich sagte ihm darauf, daß ich das auch können müßte. Als ich dann losschwamm, schloss er sich mir nochmals an. Das macht dann mehr Vergnügen. Du weißt ja, wie das bei uns früher immer war. Bei passender Gelegenheit muß ich das noch einmal probieren. Du brauchst wirklich keine Bedenken haben, denn das ist mich keine Gefahr, weil ich mich dem bestimmt gewachsen fühle. Das ist auch mit der einzige Sport, den ich mit großer Liebe ausübe. Aber jetzt will ich doch Schluss machen mit meiner Schwimmerei. Bleibt mir alle gesund und lieb. Seid recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von Deinem Ernst.

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