Montag, 25. Juni 2018

Brief 434 vom 18./19.6.1943





Mein liebes, bestes Mädel !                                                             18.6.43 
        
 

Recht vielen Dank für Deine lieben Briefe vom 7., 9. und 10.6.,  die ich heute erhielt  und über die ich mich sehr gefreut habe. Von Frau Frick erhielt  ich ebenfalls einen  Brief und von Deinem Vater ein größeres Päckchen mit Büchern und  ein gesondertes  Päckchen , das vom Elternverein kommt mit Zahnputzpulver. Es ist  alles sehr nett  und es hat mir auch alles viel Freude gemacht, Bei den gesandten  Büchern befinden  sich einige Abenteuerromane dabei, für die ich ja nicht viel  übrig habe. Du kennst  ja meine Einstellung in dieser Beziehung, aber die anderen Sachen  sind nach meiner  Durchsicht anscheinend ganz in Ordnung. Von Dir kamen noch die  Zeitungssendungen  alle an, so daß ich regelrecht eingedeckt worden bin. Habe noch mals für alles vielen  herzlichen Dank. Auf Deine Zeilen will ich gleich eingehen,  aber vorher habe ich  Dir noch etwas mitzuteilen, was zwar mit Vorbehalt aufzunehmen  ist, was Dich aber  trotzdem interessieren wird. Mit unserem weiteren Einsatz kommt  es allem Anschein  nach so, daß wir hier aus dem Osten herausgezogen werden. Wie ich  die Dinge übersehe,  wird wohl in acht bis vierzehn Tagen hier alles erledigt sein und  wir werden nach  Deutschland rollen. Ich schrieb ja schon kürzlich von den vielen  Mutmaßungen, die  sich hier über alles ergeben haben. Meist hieß es, daß wir als  Verwaltungsabteilung  hier bleiben würden. Ich habe daher mit Absicht nicht weiter davon geschrieben, weil ich erst abwarten wollte, was sich am wahrscheinlichen ergibt.  Wie ich die Dinge jetzt übersehe, ist auch für uns der Fall ziemlich glatt. Wenn die weiteren Erzählungen zutreffen, dann geht es vielleicht nach Wien. Das wäre ja nicht allzu weit von uns. Ich teile dir dies aber alles nur unter großen Vorbehalten mit und weiß nicht einmal, ob es richtig ist, wenn ich Dir damit Hoffnung mache, die dann nicht eintreffen. Wie dem auch sei, ich will nur, daß Du unterrichtet bist und auch weißt, was mit mir vorgeht. Sollte ich noch genaueres erfahren oder Änderungen eintreten, dann erhältst Du wieder von mir Bescheid. Mit unserem Jungen habe ich mich schon vor einigen Tagen befassen müssen. Dein heutiges Schreiben gibt mir wieder Veranlassung, mit ihm, zwar im Wege für Dich, ein Hühnchen zu rupfen. Es ist ja eine Angelegenheit, die noch nicht spruchreif ist, aber immerhin muß man jetzt schon auf ihn Einfluss nehmen. Es handelt sich um seine Neigung. Vor längerer Zeit sagte er schon, daß er zum Handwerker und zum Basteln mehr Lust habe, als eine Höhere Schule zu besuchen. Ich habe volles Verständnis für seine Ansicht und seinem Hang etwas Handwerkliches zu leisten. Ich will das, soweit ich das verantworten kann, respektieren. Es ist aber doch so. Wenn unser Junge regelrecht ein Handwerker werden würde, dann müsste man ihm später soviel mitgeben können, daß er in der Lage wäre, sich selbstständig zu machen. Daß das nicht möglich ist, ist ganz klar. Da nun ein Junge sich durch Erheiratung in diese Lage versetzen muß, das ist für ihn von Anfang eine Bindung, und die man nicht in Erwägung ziehen kann. Also geben wir ihm die Möglichkeit,  soviel zu lernen, daß er sich eine eigene Existenz schaffen kann und lassen ihn eine Schule besuchen, die ihm ein Hochschulstudium offen lassen. Er ist nicht dumm und kann das auch schaffen. Wie ich schon einmal schrieb wegen der Gärtnerei, so muß man erst abwarten, was ihn stärker treibt. Sollte sein handwerk liches Interesse überwiegen, dann kann er einmal Ingenieur werden oder sich sonst wie dann betätigen. Es gibt ja dann soviel Möglichkeiten. Aber das soll er sich ganz und gar aus dem Kopf schlagen, daß ich meine Zustimmung dazu gebe, daß er hier kneifen kann aus gewissen Bequemlichkeitsgründen. Ich hätte es in vieler Hinsicht viel leichter gehabt, wenn ich von zuhause aus ausbildungsmäßig etwas mehr mitbekommen hätte. Ich werde mich zwar auch durchzu setzen wissen, aber trotz der Härte, die ich dadurch mitbekommen habe, wären viele Dinge leichter gewesen. Sprich bei Gelegenheit mit ihm darüber. Ganz abgesehen davon, hat ja das Ding noch Weile. Aber immerhin will ich Dir meine Ansicht darüber nicht vorenthalten. Wir leben schließlich im Kriege, und man weiß ja nie, was einem das Schick sal noch vorbehalten hat. das braucht man nicht gleich tragisch zu nehmen, aber wir wollen doch sachlich bleiben und die Dinge sehen, wie sie sind. Nimm Du mit den Kindern recht viele und herzliche Grüße entgegen und sei Du selbst oft geküßt von Deinem Ernst.
Vergessen habe ich, daß ich heute 18 Eier in zwei Päckchen an Dich abge sandt habe. Hoffentlich kommen sie ordentlich in Deine Hände. Vielleicht hebst Du die Kistchen auf, da man sie wieder verwenden kann. Die Päckchen haben die Nummern 14 und 15. Guten Appetit! 

Mein lieber Schatz !                                                                          19.6.43 
    
 

Heute schreibe ich schon etwas eher, so daß ich noch nicht vom  evtl. Posteingang  berichte. Gestern bin ich ja im wesentlichen auf den Ausspruch  von unsrem Jungen  wegen seines späteren Lebens eingegangen. Ich will ihm bestimmt  keine Zwänge auferlegen,  aber ich habe die Meinung, daß man schon etwas hinterher sein  muß. Die Verantwortung  ist nicht klein, und ich glaube, daß wir das nicht auf die leich te Schulter nehmen  könne. Später wird er schon mehr Verständnis dafür haben, falls  er es jetzt noch  nicht aufbringen kann. Daß er nicht viel liest, das ist nicht  weiter schlimm. Auffallend  ist nur, daß er damit so ziemlich aus der Reihe fällt, aber wie  gesagt, das macht  nichts. Wenn ich so Deine Briefe lese, dann muß ich mich immer  wieder wundern,  wie Du Dich in die Gartenarbeit hineingefunden hast. Ganz selbst verständlich schreibst  Du davon, daß Du Kraut gesetzt hast, und daß Du ein weiteres Beet  fertiggemacht  hast. In alles hast Du dich doch durch viel Fleiß und Aufmerksam keit und mit viel Liebe in all diese Dinge hineingelebt. Man könnte sich da nicht denken, daß Du das so ganz ohne Anleitung gemacht hast, und ich freue mich jedes mal, wenn Du von Deiner Tätigkeit und Deinen Maßnahmen berichtest. In diesem Zusammenhang will ich Dir nochmals, wie schon früher, meinen Dank aussprechen für all Deine Mühe, die Du Dir gemacht hast bisher. Es ist ja auch nur zu verständlich, daß Dir dann wenig Gelegenheit bleibt, Dich noch um die ganze Näherei in dem Maß zu kümmern, wie Du es vielleicht gern haben willst. Komisch ist es schon, daß die frühen Kartof feln kleiner aussehen wie die eigenen. Wenn Ihr etwas knapp seid, so ist das doch vorwiegend auf die Verlagerung der Ernährung vom Mehl und Brot auf die Kartoffel zurückzuführen.  Schade ist auch, daß die Frau Leimenstoll ihren Anspruch nicht geltend gemacht hat. Es wäre auch für Dich bei dieser eingetretenen Knappheit eine Hilfe gewesen, aber es ist ja so, daß man dann nach der Blüte schon bald welche holen kann. Du machst ja dann doch nicht so viel heraus auf einmal. Aber du kannst Dir dann wenigstens helfen. Deine Ansicht über meine Sendungen ist vollkommen unrichtig. Ich spare mir bestimmt  nichts ab. Es hat doch bestimmt keinen Wert, wenn ich schon satt bin, noch mehr zu essen. Da hieltest Du doch auch nicht für richtig. Schimpfen ist also wirklich nicht nötig, denn ich habe mein volles Auskommen. Auch mit Keks werden wir jetzt gegenwärtig immer bedacht. Uns geht es auf keinen Fall schlecht, und Hunger müssen wir in keiner Weise leiden. Wenn wir ins Reich zurückkommen sollten, dann werden wir wohl kaum eine solche Verpflegung erhalten. Aber trotz allem freut es mich immer wieder, wenn ich Euch daheim eine kleine Freude bereiten kann, denn so wie wir hier versorgt werden, könnt Ihr bei Euren Zuteilungen nicht leben. Ich müßte mir zudem jedes mal Vorwürfe machen , wenn ich mich hier überfressen würde, und ich müßte dabei denken, Ihr lebt so knapp. Alles in allem, wir lassen es so. Die Sache mit der Bausparkasse haben wir ja nun nochmals besprochen. Ich denke, daß Du mit mir einig gehst und daß alles ziemlich klar ist. Wenn nicht, dann ist es doch so, daß die Leute erst einen Zwischenbescheid erhalten haben. Wir können dann immer wieder auf die Angelegenheit zurückkommen. _ Welche Bilder Du meinst, die von Kurt jetzt noch mal gemacht werden, weiß ich ja nicht genau. Du wirst aber schon das richtige genom men haben. Mit einer langen Wartezeit muß man jetzt schon rechnen. Erst hieß es ja einmal, daß es überhaupt keine Bilder mehr geben würde. Aber jetzt hat man eine Ausnahme gemacht und die Bestimmungen immerhin etwas gelockert, so daß in erster Linie Soldatenbilder bevorzugt werden. Ich habe sogar das Empfinden, daß es in Konstanz nicht immer so streng genommen wurde. Lasse mich wieder schließen und sei Du recht herzlich geküßt. Viele liebe Grüße füge ich hinzu und bin immer Dein Ernst. 

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