Meine
liebste Annie !
9.6.43
Zuerst
vielen Dank für Deine beiden Briefe vom 28. und 30.5., die mir gestern
zugingen. Meine Post vom Land trifft also nach und nach bei Dir ein. Das freut
mich. Du mußt zwar immer etwas länger warten, aber ich hatte Dir ja geschrie änderst. Gefreut hat mich Deine Nachricht,
daß wieder zwei Päckchen eingegangen sind. Es ist täglich immer eine kleine
Sorge: Mit Schokolade von hier hatte ich ja noch kein großes Glück. Umso mehr
hat es mich deshalb gefreut, daß diese eine Sendung richtig eingetroffen ist.
Daß die Kinder Abnehmer für die gefüllte sind, das konnte ich mir denken, denn
von der anderen waren sie von je nicht groß einge nommen. Es hat mich gefreut, Euch damit eine kleine
Abwechslung zu bieten, und ich lese, daß alles bei Euch auch vollen Anklang
gefunden hat. Die Tabakwaren verwende dann so, wie Du es mit mitgeteilt hast. _
Was macht Ihr denn nur für Sachen. Wenn man nicht daheim ist und auf Euch
obachtgibt, dann klappt es nicht. Das kann man wieder einmal ganz klar ersehen.
Früher, wo ich daheim war, hat bei uns doch die Erde nie gewackelt. Jetzt fangt
Ihr nun mit solchen Mätzchen an. Ist das notwendig? Ich glaube wohl nicht, daß
Ihr Euch aber innerhalb so kurzer Zeit gleich zwei Erdbeben leistet, das ist
doch zuviel. Wichtig ist nur, daß kein Schaden dabei entstanden ist. Aber das
ist bei uns dort unten für Deutschland ein Gebiet, was darunter zu leiden hat.
Vor allem in der Gegend des Untersees und dann das ganze Gebiet
hinunter bis nach Heidelberg. Voreilige Leute werden und wieder Gelegenheit
haben, dies als bestimmtes Vorzeichen zu werten. Mich würde es jedenfalls nicht
wundern. Ich grüße Euch, meine Lieben, alle recht herzlich und bin mit vielen
Küssen an Dich und die Kinder Dein Ernst. ben, daß es unzweckmäßig wäre, wenn
ich jeden Tag meinen Brief abgesandt hätte. Sie wäre doch zur gleichen Zeit in
Deinen Besitz gekommen. Jetzt ist es ja wieder anders, und ich hoffe, daß Dich
nun wieder laufend meine Briefe erreichen. Die Verpackung der Eier hat mir
diesmal einige Schwierigkeiten gemacht, weil ich kein geeignetes Packmaterial
da hatte. Ich habe sie aber heute an Dich abgesandt. Glücklicherweise hatte ich
noch zwei Kartons von Dir, die habe ich dazu verwendet. Ich will hoffen, daß
sie alle gesund in Deine Hände kommen. Die Päckchen tragen die Nummern 12 und
13. Für die nächsten Eier habe ich wahrscheinlich wieder Kisten, so daß es
etwas einfacher ist. Man muß sich immer erst die Sachen besorgen, aber das ist
ja nicht so schlimm. In den letzten Tagen war ich ziemlich mit Dienst in
Anspruch genommen, so daß ich nicht einmal dazu gekommen bin, an Siegfried zu
schreiben. Ich will aber versuchen, es heute noch nachzuholen. Seit ich vom
Land zurück bin, war ich dienstlich ziemlich in Anspruch genommen.
Wahrscheinlich wird sich das nun bald ganz geben, denn über unserem Einsatz
liegt noch tiefes Dunkel, obwohl die verschiedensten Parolen herumgehen. Danach
werden wir vom Mittelmeer bis nach Norwegen eingesetzt. Das sind ja weiter
keine Entfernungen. Aber nicht nur die vertikale sondern auch die horizontale
Richtung erfreut sich großer Beliebtheit. Vom Atlantik bis zum Osten ist kein
Ort sicher, an dem wir verwendet werden sollen. Ich mache mir vorerst keine
Gedanken, denn ich muß mich schließlich doch mit dem abfinden, was sich ergibt.
Deine Frage, ob mir es nicht langweilig wirkt, wenn du mir von Eurem
Tagesgeschehen erzählst kann ich nur dahingehend beantworten, daß ich mich
immer freue, wenn ich lese, was Ihr den Tag über angestellt habt. Du kannst mir
aber auch einmal speziell von den Kindern schreiben, was sie erzählt habe, wie
Du das schon oft getan hast. Nein, mache nur so weiter und es ist bestimmt
nicht am Platz, daß Du jetzt etwa Deinen Stil und Deine Art
Mein
liebstes Mädel ! 10.6.43
An
Post erhielt ich gestern Deinen Brief vom 31.5. und eine Karte von der Taufe
der kleinen Ursula. Ich muß schon sagen, daß ich etwas erstaunt war, nachdem
ich von der Einstellung Siegfrieds zu den kirchlichen Dingen glaubte, anderer
Meinung sein zu müssen. Überhaupt hat die Karte, so kurz wie sie ist, sehr
interessante Punkte. Da waren also alle beieinander. Dein Vater und Alice,
seine Frau und die Frau Kühn, sogar der Herr Pfarrer hat unterschrieben. Ich
muß nur feststel Ich
wünschte nur, daß ich ihnen auch dann immer noch so viel geben
könnte, um ihnen den richtigen Weg zu weisen. Meist ist es
ja so, daß die Kinder sich selbst durchbeißen müssen, um
zu den Erkenntnissen zu gelangen, die wir ihnen durch Erfah rung wohl mitteilen könnten,
die sie aber ihm Moment nicht als solche erkennen, sondern dies als
Schulmeisterei betrachten. Darum ist mein Wunsch,
ihnen in diesen Jahren später immer soviel Freund zu
sein, daß ich für ihre Belange genau so ein Verständnis habe, wie
sie auch erfahren müssen, da es im Leben nicht immer so
geht, wie man sich das immer erst so gern vorstellt.
Ihnen hierbei Helfer zu sein, ist wohl eine der schwierigsten
Aufgaben, die einem Erziehungsberechtigten auferlegt
wird. Das sind zwar Dinge, die jetzt noch nicht spruchreif
sind, aber wenn ich die anderen Jahre jetzt zurück blicke, dann sind diese so schnell
vergangen, so daß man sich jetzt schon bald langsam damit beschäftigen
muß. Ich bin heute auf ganz anderes Sachen gekommen, als ich
erst eigentlich beabsichtigt hatte. Aber es ist
kein schade, wenn man sich einmal darüber unterhält. Was Du nun
in dem einen Brief schreibst, daß es angenehmer sei, in der Sporthose
herumzulaufen als in dieser dicken Kluft, das ist
wohl wahr. Ich habe das jetzt besonders wieder gespürt,
denn bei uns herrscht jetzt eine Hitze wie in den Hunds tagen. Jeden Tag bin ich ein paar
mal durchgeschwitzt. Das ist schon nicht mehr schön. Wenn ich dann etwas freie
Zeit habe, dann greife ich gern auf die Sporthose zurück, denn das ist schon
wesentlich angenehmer. Die Speisezubereitung würde auch bei Dir weniger Anklang
finden. Das kann ich mir vorstellen. Aber für saure Gurken wärst Du zu haben.
Das wäre ja auch zu ertragen. Mit den Sonnenblumenkernen ist das so eine eigene
Sache. Diese werden doch etwas geröstet, und dann schmecken sie wie andere
Nüsse. Es ist zwar eine mühevolle Arbeit, aber immerhin, wenn man wie
dort keine Beschäftigung hat, dann kann man diese Betätigung sogar als
unterhaltsam und angenehm empfinden, vor allem, wenn man nichts anderes hat.
Das Spucken der Schalen macht ja den meisten Spaß. Aber das ist nicht so
einfach wie das aussieht. Ich bekenne ehrlich, daß ich mich noch zu den Laien
zähle und noch kein Spezialist geworden bin. Was nun Deinen Durchmarsch
anbelangt, so sehe ich schon, daß ich Dir für solche Fälle einige
Opiumtabletten beschaffen muß. Aber auch Kohletabletten , die in jeder Apotheke
erhältlich sind, helfen dagegen. Ich schreibe Dir das nur, damit Du Dir einmal
helfen kannst, wenn Du jetzt wieder in diese Verlegenheit kommen würdest. Wie
ich habe lesen können, hast Du so den richtigen Geschmack wegbekommen, wie
einem dabei zumute ist. Das kann einem schon ziemlich anhängen. Ich hoffe aber
fest, daß es Dir inzwischen wieder gut geht. Mit vielen herzlichen Grüßen und
Küssen für Dich und die Kinder und auch Vater bin ich immer Dein Ernst. len, daß wir
ganz schlechte Christen im Laufe der Jahre geworden sind. Was da für bewegende
Gründe vorliegen weiß ich ja nicht, und ich werde von mir aus nichts dazu
schrei ben. Ich will da keine
Kritik üben, denn wenn wir tatsächlich noch einmal in diese Lage kommen
sollten, dann könnten wir nicht viel anders handeln. Den christlichen Schliff
zu verabreichen müssten wir zwar in diesem Fall den Pfarrern überlassen, weil
wir von uns aus keinen so großen Wert darauf legen. Es steht zwar ziemlich
eindeutig bei uns fest, daß wir keine Heiden sind. Aber es ist ja genau so
klar, daß wir keine Kirchenchristen sind, wie sie sich die Pfarrer gern
wünschen. Lassen wir das, denn wir sind uns ja darüber einig, wie wir in dieser
Beziehung mit unseren Kindern vorgehen wollen, und wir glauben auch zu wissen,
was ihnen zuträglich ist. Denn unserer Verantwor tung, sie in diesen jungen Jahren zu leiten, sind wir uns
wohl bewusst. Später gehen sie doch ihre eigenen Wege, die wir dann nicht mehr
in diesem Maße beeinflussen können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen