Meine
liebste Annie !
7.6.43
Als Neuerung ist heute zu verzeichnen, daß wir nicht mehr Kriegsverwaltungsbeamte sondern Militärverwaltungsbeamte geworden sind. Es ist mir noch nicht ganz klar, ich glaube aber, daß diese Änderung eine Stärkung unserer Verhältnisses bedeutet. Die ganze Veränderung stellt jetzt einmal ziemlich klar fest, was wir sind und welche Dienststellung wir einnehmen. Eines ist zwar immer noch nicht geklärt und das ist das, ob wir bei dieser Tätigkeit Kriegsdienst leisten wie die anderen Soldaten oder nicht. Diese Entscheidung hat sich der Führer vorbehalten bis zum Kriegsende. Warum dieser Unterschied gemacht wird, ist mir noch nicht ganz klar, denn sonst ein Unteroffizier oder Mann , der während des ganzen Krieges auf einer Heimatdienststelle tätig ist, für den steht das klar und eindeutig fest, daß er Kriegsdienst leistet. Wir, die wir uns nun schon jahrelang in aller Herren Länder herumdrücken, wir sollten nun nicht die gleichen Rechte haben, das kann ich kaum glauben. Es hat aber jetzt keinen Zweck, wenn man sich um des Kaisers Bart streitet, aber es ist unvermeidlich, daß einem in diesem Zusammenhang sich unwillkürlich derartige Gedanken aufdrängen. Du kommst noch einmal auf die Antwort von Dr. Bundschuh zurück, die er Dir auf Deinen Frage gegeben hat, wegen der Gesichtsflecken. Das mag wohl sein, daß der Ton die Musik macht. Aber trotz allem , oder gerade deshalb, weil wir nicht so zufällig zu ihm hinkommen, hätte ich eine andere Antwort von ihm erwartet. Er hätte Dir klipp und klar sagen können, daß Dir dies nicht zuträglich ist oder was sonst der Fall ist. Wenn Du schreibst, daß der eine Fleck sich verringert, dann ist es eben so, daß sich auch ein Arzt irren kann. Also ist mein Einwand nicht ganz unbegründet. Aber ich habe ja bestimmt nicht die Absicht, deshalb einen Streit vom Zaune zu brechen. Was Deine Klage wegen der Päckchenmarke anbelangt, so ist dieser Schmerz inzwischen wohl beseitigt, weil wir diese ja doppelt bekommen haben. Andererseits gibt es ja doch nicht soviel zu schicken, so daß Du damit wieder reichlich auskommen wirst. Du fragst bei mir an, wie man eine Dichtung an den Wasserhahn anbringt. Das ist an sich nicht schwierig. Erst muß man einmal im Keller abstellen. Dann schraubt man oben auf und nachdem unten die Mutter gelöst ist, hebet man den ganzen Teil heraus. Ich weiß aber, daß ich damit kein großes Glück hatte, denn bei der einen Schraube hatte sich so viel Rost angesetzt, daß mir die Schraube zum Teil wegbracht. Ich halte es daher für sehr zweckmäßig, wenn da ein Fachmann kommt und dies richtig in Ordnung bringt. Er hat das richtige Handwerkszeug dabei und kennt sich zudem besser aus. Außerdem hat er alle Ersatzteile bei sich, die wir ja erst kaufen müssen. Darum lasse deshalb die Finger davon und mache es, wie ich Dir rate. Ja, mit dem Durchmarsch, das ist eine unangenehme Geschichte. Ich kenne da. Daß Du aber nun den Ehrgeiz besitzt, um auch gleich fotografiert zu werden, das grenzt doch an Eitelkeit. Musst Du denn auch alles haben, was mit wiederfahren ist? Ich hoffe aber, daß alles auch ohne Fotografieren vorübergegangen ist. Ich kann Dir verraten, daß das auch nicht dagegen hilft. Aber ich kann mir denken, wie Du gesprungen bist. Die Geldangelegenheit geht nun vollkommen in Ordnung. Ich denke, daß Vater nun befriedigt ist. Ich konnte es mir ja denken, aber nun hat Vater wenigstens die Bestätigung und seine Ruhe auch wieder. Mit war das deshalb unverständlich, weil ich mir sagte, daß man doch von dortiger Seite damit rechnen muß, daß die Angehörigen sicherlich genau darauf achten, daß alles in Ordnung geht. Daß Du auf die Zeitungsanzeige keine Antwort bekommen hast, ist nicht so schlimm. Man hat diesen Versuch unternommen, und man kann sich dann mit ruhigem Gewissen sagen, daß man das getan hat, was zu tun möglich war. Sonst hätte man sich im Stillen immer wieder gesagt, hätte man doch eine Anzeige aufgegeben. Nun geht alles wieder klar. Vielleicht kann sie dann auch ab und zu mit dem Omnibus fahren, wenn es notwendig ist. Recht viele liebe Grüße und herzliche Küsse Dir und unseren beiden Stromern. Dein Ernst.
Mein
lieber Schatz !
8.6.43
Regelmäßig
treffen von Dir die Briefe ein. Heute bekam ich die vom 28. und 30.5. Vielmals
danke ich Dir dafür. Ich bin zwar mit den anderen noch nicht ganz auf dem
Laufenden. Ich hoffe aber, daß ich es heute schaffen werde. Darum nehme ich
auch gleich die Anregung auf, die Du
mir wegen unserer Helga gegeben hast. Ich kann Dir nur zustimmen, wenn
Du Ihr ohne weiteres behilflich ist und ihr sagst, daß sie mit ihrer
übertriebenen Wahrheitsliebe sich selbst ins Unrecht setzt. Es handelt sich
doch darum, daß sie nun tatsächlich am betreffenden Tag diese oder jene Aufgabe
gelernt hat. Es kommt doch in diesem Fall darauf an, daß sie das beherrscht,
was von ihr verlangt wird. Sie lügt ja dann auch nicht, denn es ist doch nicht
notwendig, daß sie eine Sache, die sie kann, nochmals intensiv lernt. Wenn sie
sich gewiss ist, daß sie das kann, braucht sie ja nur nochmals darüber hinwegsehen,
dann hat sie ihrer Pflicht unbedingt genügt. Sie muß deshalb ihr Vertrauen zu
sich selbst nicht verlieren, dann klappt es schon. Das ist sogar sehr
wesentlich. Vielleicht noch wichtiger ist dies als das übermäßige Lernen, denn
davon paukt man sich nur den Kopf voll und man verliert die Klarheit. Sage ihr
das nur einmal, wie ich darüber denke. Ich will ihr doch nach Kräften nur
behilflich sein. Interessant finde ich den Ausspruch von Ingrid, daß sie es
nicht nötig hätte, aufs Land zu gehen, denn sie ginge ja auf die Höhere
Töchterschule. Du wirst da wohl ja recht haben, daß sie das von ihrer
Großmutter abbekommen hat. Unserem Mädel hast Du ja gleich einen ordentlichen
Dämpfer aufgesetzt. Ich glaube aber
auch so, daß sie uns in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten bereitet. Ich
halte das bei ihrer sonstigen Veranlagung für ausgeschlossen. Aber ein solcher
Aufenthalt könnte ihr nichts schaden. Du kannst aber immer noch in Erwägung
ziehen, was ich wegen Nannie vorgeschlagen habe. Aber man sieht aus der ganzen
Art, wie man ein Kind zu ganz falschen Anschauungen verhilft, denn dieser
Einfluss ist doch nicht geeignet, ihr das Leben nahe zu bringen, wie es sich
für einen Erziehungsberechtigten gehört. Ob da Fritz damit einverstanden sein
wird? Aber ich glaube, daß er gegen die Schwiegermutter nicht viel sagen wird,
weil er deshalb nicht mit ihr in Zwist kommen will. Mit der Schwächlichkeit von
Ingrid ist es doch halb so schlimm. Das ist doch nur eine Finte. Aber die
Ansicht von unserem Mädel ist gesund und ich freue mich darüber. Sie wird es
darum auch schaffen, da habe ich keine Bedenken. Im übrigen soll sich die
Lehrerin nicht so aufblasen. Denn das
„In-die-Schule-Bestellen“ ist nicht so einfach. Sie muß nämlich damit rechnen,
daß die Eltern auch noch ein kleines Wort mitreden. Schließlich kennen wir ja
unser Kind und dessen Veranlagungen besser. Im allgemeinen soll sie sich aber
zusammennehmen, damit sie keine Anstände hat. Heute habe ich mir eine große
Ausgabe erlaubt, rein für mich persönlich. Ich habe mir bei uns hier eine
Brieftasche gekauft. Was sagst Du dazu? Sie ist aus Leder und schwarz. Ich
halte sie für zweckmäßig und ordentlich. Der Preis ist den gegenwärtigen
Preisen entsprechend. Ich habe 17,-RM
dafür bezahlen müssen. Aber das ist ja nicht so schlimm. Ich habe bestimmt
meine Freude daran, denn bisher habe ich solch Instrument noch nicht besessen.
Es ist zu schade, daß man das Boot nicht verwenden kann, denn die Lagerung ist
doch auf die Dauer auch nichts. Man müsste es wieder einmal einwachsen. Aber diese Sachen bekommt man ja jetzt nicht
mehr. Ganz abgesehen davon, kann man jetzt auch schlecht auf dem See fahren.
Meines Wissens kann man ja nur den Überlinger See benutzen. Aber zu einem
Verkauf kann ich mich auch nicht entschließen. Die paar Mark könne uns auch
nichts nutzen, denn darauf sind wir bestimmt nicht angewiesen. Ob sich das
machen läßt in der gegenwärtigen Zeit weitere Abzüge zu fertigen. Du wirst ja
sehen. Welches Bild beabsichtigst Du dann hinzugeben? Man sollte aber doch
einmal hinsehen, ob das Boot noch an Ort und Stelle ist und daß es nicht von
anderen Leuten benutzt wird. Man hat so gar keine Ahnung. Es wäre ja äußerst
zweckmäßig, wenn Man hat so gar keine Ahnung. Es wäre ja äußerst zweckmäßig,
wenn ich mir das einmal selbst ansehen könnte. Du wirst mir ja schon schreiben,
was inzwischen geschehen ist. Recht viele herzliche Grüße und Küsse sende ich
Dir und den Kindern und bin immer Dein Ernst.
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