Mein
liebstes Mädel !
14.6.43
Den
Pfingstsonntag hätte ich überstanden. Das Wetter war sehr schön, so daß ich
mich schon am Vormittag aufgemacht habe, um an den Strand zu kommen. Es war
großer Betrieb, das lässt sich ja denken, obwohl sich der Strand bald einen km
hinzieht. Es war doch alles schwarz vor Menschen. Da man nur mit Booten zum
anderen Ufer gelangen kann, denn die Brücken befinden sich zu weit unterhalb
des Badeplatzes, so waren die Boote überfüllt und die Kette der Menschen riss
nicht ab; als ich zur Übersetzstelle kam, war gerade ein Boot umgekippt. Du
weißt ja, wie das ist: alles will mitfahren und jeder denkt, er kommt zu spät.
Dann springt alles in das freie Boot.
Durch die einseitige oder übermäßige Belastung fängt dann das Boot an zu kippen
und aus ist der Traum. Du kannst Dir vorstellen, daß das ein schönes Bild war.
Wie die Frauen alle in ihren tropfenden Kleidern dastanden. die sahen aus wie
gebadete Katzen. Essen hatte ich mir etwas mitgenommen, so daß ich bald bis
zuletzt dort verbleiben konnte. Diesmal bin ich nicht durchgeschwommen,
denn zweimal habe ich es probiert und gesehen, daß man es gut schaffen kann.
Gern würde ich einmal eine lange Strecke mit dem Strom schwimmen, aber dazu
sollte man ein Boot haben, solange man den Strom nicht kennt. Dagegen zu
schwimmen ist kein Vergnü gen,
und auf die Dauer sehr langweilig. Ich habe mich sehr schön gesonnt und habe
auch wieder einige Farbe, die ich inzwischen verloren hatte, darauf bekommen.
Ich habe vielfach daran gedacht, was Ihr wohl die Feiertage über angestellt
habt. Seid Ihr nun meinem Rat gefolgt und habt Ihr Euch über die Feiertage nach
auswärts bege ben? Ich glaube
von Dir den Einwand zu hören, daß über Pfingsten zuviel Betrieb sei. Trotz allem hoffe ich aber, daß Ihr nicht
versauert seid. Wichtiger ist ja dabei, daß das Wetter Euch auch die
Gelegenheit gegeben hat. Ich werde ja von Euch darüber hören. Mit der Post geht
es jetzt etwas schmal zu. Ob wieder irgendwelche Transport schwierigkeiten bestehen. Es liegt
wohl auch daran, daß wir jetzt nicht mehr der Feldpost angeschlossen sind wie
früher. Sämtliche Briefe werden über die Dienstpost geleitet. Ob die Unregelmäßigkeit nun darauf
zurückzuführen ist, kann ich noch nicht sagen. Die Feldposteinheit, die vorher
bei uns im Hause untergebracht war, ist hier herausgezogen worden und kam nach
Deutschland. Es gibt eben überall Veränderungen. Nur bei uns steht alles noch
offen. Ob wir nun hier wegkommen oder bleiben wir hier, das ist noch nicht
geklärt. Zu den letzten Gerüchten kommen immer neue hinzu, und jede neue Parole
wirkt sensationeller wie die andere. Am besten ist, man lässt sich wie bisher
davon nicht beeindrucken. Es wird ja auch nun langsam Zeit, daß sich wieder
etwas auftut, denn jetzt hängen wir schon 4 Monate herum und haben nichts zu
tun. Das ist ja am Anfang ganz interessant, aber auf die Dauer ist es nicht
schön. Man kann sich wohl an das Nichtstun mit der Zeit gewöhnen, aber es ist
einem nicht wohl dabei. Unser Chef benimmt sich dabei noch so komisch und teilt
einem die unsinnigsten Arbeiten zu, weil er nicht sehen kann, daß man sich mit
etwas anderem beschäftigt als mit dem Dienst. Man bekommt fast den Eindruck,
als macht er einem einen Vorwurf daraus, daß keine Arbeit da ist. Dabei sind wir
doch bestimmt nicht schuld daran. Aber schließlich bekommt man da auch einen
kalten Rücken und macht sich nichts daraus.
Wenn er sich nicht hindurchfindet, dann ist es schließlich seine Schuld.
Wir müssen ja auch damit fertig werden. Hier war ich auch wieder einmal im
Kino. Es wurde gespielt „Fra uen
sind keine Engel“. Ich kann nur sagen, man muß sich wundern, was man den
Menschen zumutet, die solchen Quatsch für das teure Geld ansehen. Man geht
direkt unbefriedigt wieder nach hause, um nicht gleich zu sagen, man ist
verärgert. Aber etwas muß man sich schließlich ablenken. Ich will nur noch kurz
erwähnen, daß ich gestern einmal nicht geschrieben habe. Ich habe mir also
einmal Feiertag gemacht. Ich hoffe, Du bist mir deshalb nicht böse. Bleibe Du
mit den Kindern schön gesund. Euch Drei grüße und küsse ich vielmals und bin in
Liebe Dein Ernst.
Liebstes
Mädel ! 15.6.43
Auch heute erhielt ich keine Post von Dir. Da macht man sich doch Sorgen, weil man nicht weiß, wie es zuhause geht und weil ich doch gewohnt bin, regelmäßig Post von Dir zu erhalten. Ich hoffe, daß nichts ernstliches vorliegt und warte nun auf morgen, ob ich dann wohl etwas von Dir erhalten werde. Ich habe Deinen letzten Brief nochmals durchgelesen, und ich muß feststellen, daß man sich freuen kann, wenn man liest, wie sich unsere Helga schon aller Sachen annehmen kann. Es ist mir schon eine wesentliche Beruhigung, wenn ich weiß, daß sie schon einspringen kann, wenn es Dir einmal nicht so gehen sollte, wie Du es gern selbst wünschst. Ich glaube, daß sich Jörg auch mit nützlich machen wird, wenn er weiß, daß Du nicht ganz auf Deck bist. Ich kann ihr immer nur wieder mein Lob aussprechen für die gute Erfüllung ihrer Aufgabe. Ich meine, man muß doch berücksichtigen, daß sie noch ein Kind ist, und daß sie noch nicht alles kennt, aber ich habe immer den Eindruck, als gibt sie sich viel Mühe, etwas zu lernen und sich in eine solche Aufgabe hineinzuleben. _ Zu allen Buben haben Leimenstolls noch einen bekommen. Ob das wohl der Wunsch der Frau war. Ich glaube, daß das nicht der Fall ist. Aber es nutzt ja alles nichts, denn das Kind kann nichts dafür, und da muß man sich hineinschicken. Helga wird wohl ihren Spaß daran haben, wenn sie das Kind ausfahren kann, denn sie ist doch so ein Kindernarr. Das ist für sie ja einmal etwas anderes, als ihre Puppen. Es ist recht, wenn Du die von mir gesandten Bonbons aushebst, um sie den Kindern als Belohnung für irgendeine Tätigkeit zu geben. Sie sehen doch, daß man dann ihre Mithilfe anerkennt. Sie können zwar nicht jedes mal etwas bekommen, aber von Fall zu Fall hast Du dann doch immer eine Kleinigkeit bereit. Das macht ihnen dann sicherlich auch Freude. Ich hätte Dir gern mehr von dem Speck gesandt, aber das waren nun einmal nur die Zuteilungen. Ich hoffe, daß er so angekommen ist, daß er noch zu verwenden war. Für Euch war das bestimmt eine schöne Abwechslung, als Ihr den Fisch als Sonderzuteilung erhieltet. Man ist ja um alles so froh. Geräucherte Flundern sind bestimmt nicht zu verachten, und ich bin darum nicht verwundert, wenn sich die Kinder darüber hergestürzt haben. Das macht sich schon wahrnehmbar, wenn Du noch von Frau Nußbaumer die Zuteilung erhalten hast. Auf diese Weise habt Ihr doch wieder einmal Euren Appetit auf Fisch etwas stillen können. Nachdem Du nun als Pate für die kleine Ursula angegeben worden bist, so geht es doch nicht umhin, daß Du ihr ein Geschenk machen mußt. Ich weiß nun nicht, ob es Dir möglich ist, etwas zu kaufen. Das stößt ja auf ziemliche Schwierigkeiten in der gegenwärtigen Zeit. Ich dachte, daß es dann vielleicht am besten ist, wenn Du ihr ein Geldgeschenk auf das Sparbuch legst. Was Du nun für angemessen hältst, weiß ich zwar nicht. Ich dachte aber unter 20,-RM nicht. Hast Du aber etwas anderes vor oder glaubst Du, daß es zu wenig sei, dann gib mir davon Nachricht, dann werde ich Dir umgehend Entwort erteilen. Wie es mir scheint, ist jetzt der Name Ursula an der Reihe. Wie ich hier in Kameraden kreisen höre, ist der verschiedenen Kindern in letzter Zeit gegeben worden. Auf Sieg frieds langen Brief bin ich noch nicht eingegangen. Ich werde es ja bald nachholen. Wie und wo er untergebracht ist, hat er mir ausführlich geschrieben, und auch aus Briefen an Deinen Vater habe ich ja gesehen, was los ist. Zur Geburt des Kindes hatte ich in der letzten Woche geschrieben. Mir lag es ziemlich auf der Seele, aber ich kam bestimmt nicht eher dazu. Ich glaube aber nicht, daß er in nächster Zeit nach dem Osten kommen wird, so wie er es selbst befürchtet. Ich glaube, diese Dinge etwas weiter zu übersehen. Ich wünsche es ihm aber auch nicht, denn es ist keine Freude hier auf die Dauer zu leben. Ich muß zwar einschränken, daß es hier in Kiew immer noch geht und sich aushalten läßt. Auf dem Land hat man ja keine Abwechslung. Doch auch diese Verhältnisse habe ich ja zur Genüge kennen gelernt. Sei Du mit den Kindern recht herzlich und vielmals gegrüßt und geküßt und bleibt mir alle gesund. Dein Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen