Freitag, 29. Juni 2018

Brief 438 vom 28.06.1943


Mein liebstes Mädel !                                                                           28.6.43 
    
 

Den Eingang Deiner Briefe vom 17. und 18. muß ich Dir gleich vorweg bestätigen. Aber dann möchte ich erst noch auf den Inhalt Deiner anderen Briefe eingehen, die doch so lange ausgeblieben waren. Da hat mich vor allem gefreut, daß Du gleich mir der Ansicht warst, daß Du dem Kind etwas aufs Sparbuch gelegt hast.  Das macht mir immer Spaß, wenn ich die Übereinstimmung zwischen uns feststelle. Auch über die Höhe sind wir uns ja einig, denn mein Vorschlag ging ja gleich falls in dieser Richtung. Mit dem Kaufen ist das jetzt so eine Sache, denn die Punkte sind immerhin so knapp bemessen, daß es gerade so reicht. Ich denke, daß sie das auch einsehen werden und das genau so schätzen. Über die beiderseitige Anwesenheit von Deinem Vater und Alice war ich auch etwas verwundert. Das kann schon sein, daß es am Anfang etwas steif  zugegangen ist. In irgendeiner Form wird das schon einmal seinen Niederschlag finden. Doch das sind wohl Dinge, um die wir uns keine sorge machen brauchen. Wenn Familienklatsch gemacht werden muß, dann sollen sie ihn machen, wir werden immer versuchen, uns nicht hineinziehen zu lassen. Deine Anregung wegen des Mehls nehme ich gern entgegen. Ich weiß, daß Du es auf alle Fälle gut verwenden kannst und das ist die Hauptsache. Ich bin sowieso scharf auf solche Sachen. Aber vorerst habe ich für Euch wieder einmal Öl besorgt, weil das immer einen Hauptfaktor in der Ernährung darstellt. Ich wäre erst froh, wenn ich es schon bei Dir daheim hätte. Vorerst sitzt Du ja noch auf dem Trockenen. Ich nehme das zwar nur an, ich glaube aber, daß es an dem ist. Außerdem habe ich etwas geräucherten Speck in Aussicht. Den wirst Du wohl auch nicht ablehnen. Man muß zusehen, auch die Ernährung immer etwas ausreichender zu gestalten. Jetzt bei der Verringerung der Fleischration ist das sogar nicht ganz ohne Bedeutung. Aber ich werde das Mehl und den Zucker nicht aus dem Auf lassen, sobald sich das etwas auftut, werde ich schon zufassen. Daß Du dich mit Deiner Anregung nicht antreiben willst, das weiß ich ganz gut, denn das entspricht ja nicht Deinem Wesenszuge. Ich habe überhaupt wieder Verschiedenes zu verschicken. Dein Vater hat mich schon wieder wegen Rauchwaren angehauen. Gar zu viel bekommt er nicht. Aber etwas habe ich schon für ihn. An Siegfried will ich auch einmal einige Zigaret ten senden. Wenn man anderen einmal eine Freude machen kann, dann soll man es ja tun. Mir macht es jedenfalls Spaß und ich glaube, daß sie sich auch darüber freuen. Nur aus nutzen lasse ich mich nicht gern. Ich sage das nun nicht im Zusammenhang mit Deinem Vater , weil er jetzt öfter davon schreibt, denn ich habe von ihm ja auch Gefäl ligkeiten verlangt. Ganz abgesehen davon, daß ich von Siegfried in dieser Richtung über haupt keine Anfrage erhalten habe. Ich nehme auch nicht an, daß Dein Vater in der Übersendung von Tabakwaren eine Dauereinrichtung sieht. Ich habe hier Kameraden, den ich zum Teil zu danken in irgendeiner Form verpflichtet bin. Was kann man ihnen schon geben als Zigaretten. Das ist nun einmal das große Klagen der Soldaten und eben vor allem der starken Raucher. Für Vater will ich ja auch noch etwas schicken, wenn er wird ein Päckchen Tabak  oder eine Zigarre auch nicht ablehnen. Wenn man als Nicht raucher bekannt ist, so wird man von den verschiedensten Richtungen angehalten.  Das ist nun einmal so, und ich versuche allen soweit als möglich gerecht zu werden, weil ich es nicht gern abschlage. Daß Jörg nun nach und nach sich teilweise mit und ohne Schwimmgurt ins Tiefe wagt, ist sehr schön, und ich freue mich jedes mal, wenn ich von seinen Fortschritten lesen kann, die er in der Schwimmkunst erreicht.  Wie ich mit Bedauern immer wieder feststellen muß, hast Du mit ihm Deine Mühe, daß er ins Turnen gehen soll. Es ist durchaus richtig, daß Du ihn nicht dazu zwingst, denn es liegt mir nichts daran, den Kindern etwas aufzuzwingen, an dem sie keine Lust haben. Es ist aber so, daß er dann später schwer daran tut, wenn er dann dies machen muß und dann nicht mitkommt. Ich denke nur daran, daß er in der HJ zu irgend welchen Dingen heran gezogen wird, und dann soll er nicht darunter leiden müssen, daß er im Hintertreffen steht. Wenn es dann soweit ist, dann hat er überhaupt keine Lust. Es ist mir nicht einerlei, daß ich nicht in diesem Fall daheim bin, um meinen Einfluss auf ihn ausüben zu können. Es ist zuviel für Dich neben Deinen täglichen Aufgaben, diesen Jungen so zu leiten, wie es notwendig wäre. Ich bitte dies aber nicht dahin aufzufassen, daß ich etwa unzufrieden mit Deinen Maßnahmen wäre. Aber der Junge hat einen zu eigensinnigen Kopf. Strenge wäre da wohl manchmal am Platz, aber bei Deiner nicht gerade festen  Konstitution ist das zuviel, sich stündlich mit ihm auseinander zu setzen. Lasse darum den Dingen den jetzigen Lauf. Es wird sich noch etwas mit der Zeit ergeben. Bleibt mir gesund und lieb. Laßt Euch fest küssen und nehmt viele Grüße entgegen von Deinem Ernst.

Montag, 25. Juni 2018

Brief 437 vom 25./26.6.1943


Mein liebster Schatz !                                                                      25.6.43 
           
Jetzt scheint die Post wieder regelmäßig zu kommen, denn ich erhielt gestern von Dir den Brief vom 15.6., für den ich mich herzlich bedanke. Daß die Kinder diesmal keine Pfingstferien bekommen, fand ich verwunderlich, denn sie haben doch keinen Ausfall an Unterrichtsstunden sein längerer Zeit gehabt. Ich kann mir nicht denken, warum man das wieder für notwendig gehalten hat. Die Kinder hätten doch sicher auch lieber einige Tage ausgespannt. Mein Angebot über die Hergabe meines Badeanzugs und der Badehose bist Du also wieder einer Sorge enthoben, wenn Du für unsere Beiden etwas in nächster Zeit nötig hast. Ich glaube, daß diese Sachen sich ganz gut verwenden lassen. Es ist ja alles gute Wolle, so daß sie schon ihre Freude daran haben können. Wenn Ihr jetzt so reichlich vom Bade Gebrauch macht, dann müßt Ihr ja schon etwas haben. Daß Du für das Bild von Kurt und von mir einen Rahmen besorgen willst, das ist ganz in Ordnung, denn wie ich schon aus Deiner Mitteilung ersehe, liegen diese Dinge bei ihm erst ewig rum und dann werden sie mit der Zeit verkramt. Das sind nun einmal seine Gewohnheiten, die wir nicht mehr herausbringen. Daher ist es zweckmäßig, wenn Du es gleich selbst in die Hände nimmst. Für die Übersendung des Rundbriefes Deines Vaters danke ich Dir . Es ist sehr aufmerksam gewesen, doch wie Du schon aus meinen früheren Briefen gesehen hast, ist er nun doch, zwar verspätet, eingetroffen. Antwort hat er ja inzwischen schon erhalten. Was nun den Besuch anbelangt, so glaube ich schon, daß Du Dir nichts gefallen lassen wirst, vor allem, wenn es Euch persönlich angeht. Du bist ja auch nicht auf den Mund gefallen und weißt Dich Deiner Haut zu wehren. Lieber wäre es mir ja schon in Deinem Interesse, daß es nicht erst nötig wäre. Ich habe ja schon an Siegfried nun auch geant wortet und dabei auch zu diesem Punkt Stellung genommen. Diese Frau versteht es eben besser, sich in dieser Richtung mehr in den Vordergrund zu stellen und weiß aus ihrer Tätigkeit etwas zu machen. Ich selbst lege also großen Wert darauf, daß Du Dich während dieser Tage nicht kaputt machst, denn Du hast Ruhe so notwendig wie nur etwas. Diese Frau geht dann wieder nach hause und hat dann den lieben langen Tag weiter nichts zu sorgen, als für ihren Mann. Du dagegen hast andere und größere Aufgaben und dafür mußt Du Dich schonen. Das halte ich Dir immer wieder vor Augen. Daß Du nun nach meiner Schilderung selbst zu der Überzeugung gekommen bist, daß es nicht notwendig sei, mit mir zu schimpfen, das freut mich sehr. Es wäre wirklich zwecklos, denn unsere Versorgung ist ausreichend und ich kann nicht sagen, daß ich  hier Hunger leiden muß. Es ist klar, daß es nicht jeden Tag nur Dinge gibt, die einem schmecken. Ab er bis jetzt war es immer so, daß man es essen konnte und daß man auch satt wurde. Verfressen war ich ja noch nie, so daß ich wirklich keine Schwierigkeiten in dieser Beziehung hatte. Wie ich aber lese, hast Du bald Grund, wegen etwas anderem zu schimpfen. Daß Dir die Päckchenmarken so knapp geworden sind, konnte ich mir nicht denken. Ich habe aber wieder zwei bekommen, die sende ich Dir mit, damit Dein „Groll“ nicht erst zum Ausbruch kommt. Habe ich das nicht fein getroffen? Ja, etwas Glück muß man auch haben. Daß Ihr die Pfingsttage so nett verlebt habt, hat mich sehr gefreut. Auf  der Mainau war es sicherlich schön. Gerade um diese Jahreszeit blühen so wunderbar die Rosen. Daß Ihr nach Hagnau gehen solltet, das wollte ich Euch auch schon raten. Aber wie ich sehe, geht es auch ganz ohne meine Vorschläge. Das ist ganz richtig, wenn Ihr Euch nicht durch den Regen habt aufhalten lassen. Daß  Ihr unterwegs eingekehrt seid, das hat mich gefreut, und ich glaube auch, daß es den Kindern gefallen hat. _ Es ist ganz in Ordnung, wenn Ihr Euch durch den Besuch des Zirkus wieder einmal eine Abwechslung verschafft habt.  Daß Vater sich auch einmal sowas ansieht, das wundert mich, wenn ich seine sonstige Sparsamkeit betrachte. Ich kann zwar annehmen, daß dies in jenem Fall die Firma getragen hat. Ihm schadet es jedenfalls nichts, wenn er sich einmal etwas ansieht. Er kommt ja doch nicht aus dem Bau heraus. An Siegfried habe ich gestern auch geschrieben. Es war langsam an der Zeit. Ich bin es nicht gewohnt, so lange eine Antwort anstehen zu lassen. Die Durchschläge habe ich Dir heute beigelegt. Seinen Brief ebenfalls. Wahr scheinlich wird er schon auf meine Antwort gewartet haben. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und bin mit vielen Küssen Dein Ernst. 

Mein liebster Schatz !                                                                         26.6.43 
  
Nun kann ich aber wieder einmal schon zufrieden sein, denn ich erhalte jetzt Deine Briefe schön pünktlich. Die verloren geglaubten Briefe sind auch angekommen. Es sind die Briefe vom 3. und 4.6. und Dein Schreiben vom 16.6. Über alle habe ich mich sehr gefreut und ich danke Dir dafür bestens. Das kann ich mir denken, daß Ihr es gespürt habt und daß Ihr am folgenden Tag müde gewesen seid, als ihr Euren ausgiebigen Spaziergang nach Hagnau beendet hattet. Ihr seid es nicht mehr so gewöhnt.  Das macht sich dann gleich bemerkbar. Aber es wird Euch nichts weiter geschadet haben. Ich las das auch aus Deinen Zeilen, daß es Dir wiewohl als auch den Kindern gefal len hat. Ich habe mich ja hier immerhin an längere und anstrengende Spaziergänge gewöhnt, denn die vielen Buckel, die man hier laufen muß, wenn man irgendwo hin geht, das ist nicht so ohne, vor allem jetzt in dieser Jahreszeit und bei dieser Wärme. Aber Bewegung muß man sich machen, sonst wird man ja ganz faul und das ist bestimmt von übel. Wenn man baden geht, dann ist man froh, wenn man den Bunker glücklich wieder erreicht hat, denn es ist doch ein ganz netter Höhenunterschied vom Strand aus bis zu unserer Hütte zu überwinden. Wenn ich mich dann noch so rich tig ausgeschwommen habe, dann kann ich immerhin sagen, ich habe mich bewegt. Wie Du schreibst, ist der Kurtel in Erholungsurlaub. Was macht er denn. Geht es ihm wieder besser, daß er jetzt beim Militär bleibt oder wird er doch entlassen? Paula wird ihn ja genug bedauern, denn das kann sie ja, soweit es sich um ihre eigenen Angelegenheiten handelt. Das sieht unserem Stromer ähnlich. Wenn Du ihm den Auftrag gegeben hättest, er soll Roßbollen sammeln, dann hätte er sich wohl etwas dagegen gewehrt. so aber,  wenn er mit dem anderen Jungen geht, dann erbietet er sich von selbst. Dir kann es ja nur recht sein. Wenn Du diese an die Tomaten legst, so ist das dafür nicht von Schade, denn die können nicht genug Stickstoff bekommen. Aber auch zur Verarbeitung des Misthaufens ist es bestimmt nicht schlecht. _ Unsere Helga kann einem schon etwas leid tun. Ich für mein Teil würde ja selbst gern in Urlaub kommen, aber hier muß ich mich nach höheren Gesetzen richten. Ich weiß aber, daß nicht nur Helga auf mich Wert legt, denn Du bist ja auch noch da und es tut mir selbst weh, wenn ich Dir in dieser Hinsicht einen so wenig günstigen Bescheid geben kann. Am liebsten wäre es mir, ich könnte Euch einmal überraschen. Aber dafür sind nach meiner Übersicht gegenwärtig keine Aussichten vorhanden. Es freut mich, wenn ich von Dir immer wieder höre, daß Du Spaß an den gesandten Büchern hast. Daß Dir das Buch „Segelfahrt ins Wunderland“ gefällt, ist ja nur recht. Da fehlen noch einige Bücher von Günther Walschow  .  Das Buch „Der Flieger von Tsingtau“ und „Silbervogel in den Kordilleren“, das kann man sich später einmal zulegen, wenn man will. Ich habe hier wieder ein nettes Buch, das ich jetzt mit an Dich abschicken werde. Es ist von dem bekannten Weltreisenden Colin Ross. Es ist interessant zu lesen, und ich denke, daß Du auch Gefallen daran finden wirst. Weitere Bücher, die ich mir auch noch ansehen bzw.  lesen werde, habe ich auch hier. Das Buch, was ich schon immer einmal haben wollte und das Du auch kennst, denn Du hast mir früher davon erzählt, ist „Der abenteu erliche Simplizissimus“ Ich lese jetzt gerade darin. Ich glaube, daß es auch Dir wieder Freude machen wird. Außerdem habe ich zwei gute Bände von Sven Hedin da. Daraus kannst Du ersehen, daß ich nicht geschlafen habe und versuche, unsere Bücherei zu bereichern. Ich weiß nicht, ob man sich sonst diese Sachen gleich wieder kauft, wenn man daheim ist. Meist scheut man doch die größeren Kosten. Ehe ich aber das Geld sonst unnütz ausgeben, da verwerte ich es lieber so. Daß Dein Vater mir auch noch ver schiedene Bücher sandte, weißt Du ja aus seinen eigenen Schreiben und auch aus meiner Bestätigung. Ich habe hier einen richtigen Bücherstapel liegen. Ich muß jetzt direkt Leseabende einsetzen, damit ich durchkomme. Ohne daß ich sie gelesen habe, will ich sie nicht immer nach hause schicken. Ich kann es ja auch mit der Zeit einrichten, daß ich das eine oder andere Buch lese. Man muß auch einmal was für seinen Geist tun und für das Wissen. Doch jetzt Schluß für heute. Ich will damit nicht sagen, daß ich nun wieder das Maß voll habe, weil der Bogen auch alle ist, aber ich muß ja später auch noch etwas zum Schreiben haben. Bleibt mir recht schön gesund. Grüße und küsse die Kinder herzlich von mir und nimm Du ebensolche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Brief 436 vom 23./24.6.1943


Mein liebster Schatz !                                                                     23.6.43   
     
 

Auch gestern erhielt ich keine Post. Ich möchte schon sagen, das ist nicht mehr schön, wie schlecht jetzt die Postbeförderung ist. Aber alles Schimpfen und Zetern wäre ja zwecklos und helfen kann man sich nichts daheim. Man steht also vollkommen hilflos gegenüber und muß abwarten. Es wird sich schon wieder einrenken. Nachdem ich Deine letzten Briefe nochmals durchgelesen habe, stelle ich fest, daß verschiedene Einzelheiten zu beantworten sind, auf die ich gern eingehen will. Deine Mitteilung, daß es mit unserer Helga nach Deinem Besuch in der Schule jetzt besser geht, freut mich ungemein, denn wenn man den Erfolg in solch auffallender Weise sieht, und wenn man weiß. daß man dem Kind damit über eine Klippe hinweggeholfen hat, dann ist man doch selbst ganz zufrieden. Es wäre ja zu schade, wenn sie sich auf diese Weise die Lust  am In-die-Schule-Gehen verderben wurde, und man steht dann als Erwachsener dabei und tut nichts für deren Abwendung. Außerdem hat man doch dem Kind die Freude daran wieder zurückgegeben. Ich kann mir vorstellen, daß sie mit einem gewissen Gefühl des Bangens in den Unterricht gegangen ist. Sie wird sich mit der Zeit auch so festigen, daß ihr das keine großen Schwierigkeiten bereitet. Es ist nun einmal so mit dem Lernen. Es geht nicht alle Tage gleich gut, und von Zeit zu Zeit tritt einmal ein kleiner Stillstand ein. Wenn ein Mensch aber normal ist, dann kann es das Versäumte bald nachholen. Was Dich persönlich und Deine Gesundheit anbelangt, so mußt Du Dich mit Geduld wappnen. Es ist eine langwierige Angelegenheit, und sie wird sich nicht von heute auf morgen beheben lassen. Es handelt sich ja nicht allein darum, daß Du die Tabletten nimmst, sondern daß Du Ruhe und eine richtige Ernährung dazu hast. Die beiden letzten Faktoren fehlen ja fast ganz und sie sind nicht ganz ohne Bedeu tung. Wenn Du dann schreibst, daß Du Dich darüber ärgerst, daß Du Dich über Dich selbst ärgerst, weil Du Dich wegen der Größe des Gartens der Arbeit nicht immer ge wachsen fühlst, so liegt doch für Dich wirklich keine Veranlassung dazu vor. Denn ich weiß es ja von mir selbst, daß es keine Kleinigkeit ist, und daß man sich sehr dahinter klemmen muß, wenn man ihn immer in Ordnung haben will. Daß Du dann auch nicht sehr zum Ausruhen kommst, ist mir ganz erklärlich. Ich kann nur immer wieder meine mahnende Stimme erheben und dich daran erinnern, daß du Dich nicht mit der vielen Arbeit übernimmst. Ich bin darum froh, wenn ich lese, daß Du die Kinder ab und zu mit einspannst. Sie können Dir ja manches abnehmen. Wenn es nur eine Zeit ist, in der Du Dich nicht so bücken brauchst. Die Erdbeeren werden auch sicherlich ge schmeckt haben. Wenn die Ernte vorbei ist, schreibe mir bitte einmal, wie viel Du wieder geerntet hast. Das interessiert mich immer. Man kann sich dann ungefähr einen Be griff vom Nutzen der Arbeit machen. Vater wird sich sicherlich auch darüber gefreut haben, als Du ihm einige abgabst. Mit den Rosen hast Du auch Deine Freude, wie ich lese. Das macht Dir dann selbst immer wieder Spaß. Schneide nur die Seitentriebe, die von unten herkommen und sich vom Stamm abzweigen, ab. Es geht ihm sonst zuviel Kraft verloren. Daß Du lieber Stachelbeeren und Johannisbeeren einkochen willst, das ist nun unter den Zuckerzuteilungsverhältnissen verständlich. Ich frage mich nur immer wieder, wie ich hier an Zucker herankommen kann. Es ist aber so gut wie ausge schlossen. Ich kann Dir berichten, daß wir ab und zu mit den Gartenerzeugnissen in Berührung kommen. Radieschen und Salat haben wir schon verschiedentlich bekommen.  Aber auch Erdbeeren hat es zweimal gegeben. Man freut sich auf alle Fälle darüber, das ist ja klar. Gerade jetzt erhalte ich Deine lieben Briefe vom 12. und die zwei vom 13.6., für die ich Dir herzlich danke. Ich habe sie zwar bereits gelesen, aber ich beantworte sie Dir morgen mit, da keine eiligen Dinge zu erledigen sind. Ich habe mich sehr darüber gefreut, wieder Nachricht von Dir zu erhalten, weil sie ziemlich lange ausgeblieben war. Ich mache mir immer einige Gedanken, ob Ihr auch gesund seid. Ich finde das ja bestätigt und daß meine Sorge unnütz war. Bleibt weiterhin schön gesund und laßt Euch recht herzlich grüßen und vielmals küssen von Deinem Ernst.

Meine liebe Annie!                                                                              24.6.43
         
Heiß sind jetzt die Tage und im Zimmer ist es schon nicht mehr schön. Eine unerträgliche Schwüle herrscht und man freut sich schon auf den Abend, der dann etwas Erfrischung bringt. Soweit ich hier wegkomme, gehe ich an den Strand zum Baden. Das ist sehr  angenehm und wohltuend für den Körper. Das Wasser ist zwar durch die langanhaltende Sonne auch schon ziemlich warm geworden, aber angenehme ist es doch. Der Betrieb ist groß und erinnert ungefähr an die Bilder von Berlin-Wannsee.  Der Strand ist ja sehr ausgedehnt, so daß man sich nicht unbedingt mitten in die Menschenmenge pflanzen braucht. Der Sand ist wirklich sehr schön und es sehen die mei sten Menschen darauf, daß alles sauber bleibt. Dadurch, daß Baden vielfach als Dienst angesetzt ist, kommen ich auch öfter hinüber, und ich muß sagen, es ist wirklich eine Erholung. Der Weg ist ja nicht kurz, und wenn man nach hause geht, muß man erst das steile Ufer erklettern. Hinterher ist man redlich müde, und man kann gerade wieder mit Waschen anfangen, so ist man durchgeschwitzt. Meine braune Farbe konnte ich auf diese Weise beibehalten. Wenn wir noch eine Weile hier bleiben sollten, dann werde ich diese schöne Gelegenheit noch ausnutzen, denn die Sonne und die Luft wirken doch wohltuend auf den Körper. Gestern Nachmittag erhielt ich von Dir noch den Brief com 14.  dessen Eingang ich Dir hiermit bestätigen und Dir dafür danken will. Ich muß aber erst noch die anderen Briefe der Reihe nach beantworten, die ich gestern erhielt. Wie ich feststellen kann, macht Euch das Baden auch viel Spaß und unseren Beiden scheinen auch ihre Freude daran zu haben. Daß Helga nun mit dem Kopfsprung anfängt und keine Angst hat, zu üben, das freut mich sehr. Am Anfang kann es schon passieren, daß man den Schwung noch  nicht so heraus hat. Mit der Zeit wird es aber schon wer den. Aber auch Jörg findet jetzt wohl mehr Gefallen am Baden wie vorher. Daß er „Ränzle“ macht, das ist mir nicht ganz geläufig. Man merkt doch, daß man schon Jahre weg ist, und daß sich solche Begriffe verwischen. Ich vermute zwar, daß es auch Kopfsprung ist, aber ich kann mich zwar auch täuschen. Sie sollen sich aber nur mit dem Wasser vertraut machen, das ist nicht ohne Bedeutung. Ich verlange ja nicht, daß sie nun Meisterschwimmer werden, aber sie sollen sich darin bewegen können. Es ist doch heute so, daß es fast keinen jungen Menschen mehr gibt, der nicht schwimmen kann. Der Prozentsatz ist heute ja viel kleiner als in früheren Jahren. Lasse sie es nur weiter so machen. Ich glaube auch, daß Du es dankbar empfindest, wenn Du Dein eigenes Gemüse und Dein eigenes Obst hast. Erstens sind die Zuteilungen nicht so groß, wie Du sie Dir aus dem Garten beschaffen kannst. Dann ist doch alles viel fri scher und zuletzt mußt Du Dich nicht darum anstellen und mußt nicht froh sein, daß Du überhaupt etwas bekommst. Die Arbeit, die Du mit dem Garten hast, ist zwar auch keine Spielerei, aber man sieht doch auf diese Weise, daß es sich verlohnt, daß man sie leistet. Wie ich gelesen habe, seid Ihr meinem Vorschlage entsprechend wenigstens aus dem Haus gegangen. Ihr würdet wohl auch ohne mein Hinweis aus dem Haus gegangen sein, aber immerhin freue ich mich, daß Ihr Euch freigemacht habt. Es ist ja schon ab und zu einmal notwendig, daß man aus dem Bau kommt, sonst versauert man ja. Ihr könnt es Euch ja leisten, denn geldlich sind wir doch jetzt so gestellt, daß uns das keine Sorge weiter bereitet. Daß es mit den Marken nicht so einfach ist, wenn man auswärts essen will, das kann ich verstehen, und ich hatte dies nur angeregt, daß Du nicht etwa wegen des Geldes Bedenken haben brauchst. Für Dich wäre es dann auch ganz günstig gewesen, wenn Du einmal nicht kochen mußt.  Aber wie ich sehe , sind die Tage auch bei Euch ganz nett verlaufen, und das freut mich sehr. Daß Du für Euch aus dem seinerzeit mitgebrachten Stoff aus Frank reich für Euch jetzt zwei Röcke hast machen können, hat mir sehr gefallen, und ich bin froh, daß Ihr Euch wieder etwas schaffen konntet, was sonst in der gegenwärtigen Zeit nicht  möglich gewesen wäre. Ich kann mir denken, daß sie ganz nett  geworden sind. Ich  würde Euch beide gern damit sehen. Ich werde auf Deinen Wunsch  selbstverständlich  nicht an Nannie schreiben. Dein Einwand, daß es dort oben unsi cherer wäre, ist wohl nicht ganz berechtigt, aber ich verstehe vollkommen, daß Dir Helga jetzt schon eine Hilfe ist. Zwar mußt Du ja damit rechnen, daß sie in diesem Sommer zur Landhilfe hingezogen wird. Es war ja con mir nur eine Anfrage, zu der ich Deine Meinung hören wollte. Ich hatte ja nicht die Absicht, darauf hinzuwirken, daß Helga nun dorthin fahren muß. Daß Taupitz es nun doch geschafft hat und nach Konstanz gekommen ist, das wundert mich. Er ist ja früher viel herumgekommen. Aber seine Arbeit hat ihn ja sehr aufgehalten und der Mangel an Geld wohl auch. Nannie wird ja froh sein, einige Tage Ruhe zu haben. _ Dich grüße ich herzlich und bin mit vielen Küssen für Dich und die Kinder Dein Ernst.

Brief 435 vom 21./22.6.1943


Mein liebstes Mädel!                                                                       21.6.43  
             
 

Seit wir nicht mehr bei der früheren Feldposteinheit angeschlos sen sind, ist es aus mit der ordentlichen Postversorgung. Seit Tagen bekomme ich schon wieder keine Post und die anderen Briefe, die zwischendurch fehlen, sind auch noch nicht angekommen. Ich hoffe nicht, daß es in umgekehrter Richtung genau so geht, was mir aufrichtig leid tun würde. Aber im großen und ganzen habe ich leider keinen Einfluss  darauf, und ich muß diesen Dingen ihren Lauf lassen. Sollte die Änderung, die hier beabsichtigt ist, eintreten, dann wird sich dieser Zustand auch ändern. Ich bin aber zu vorsichtig geworden, um mich irgendwelchen Illusionen hinzugeben. Ich kann mich eben nur noch mit Tatsachen abfinden, die aber zur Zeit noch nicht handgreif lich sind. Daß ich Dir kürzlich in einem meiner Briefe schrieb, ich hätte Dir „befo hlen“, das ist Dir wohl etwas aufgestoßen? Ich glaube aber, daß es nicht allzu tief gegangen ist, daß ich mich in „Deine Belange“ eingemischt habe, denn ich lese, daß Du selbst empfindest, daß es Dir zum Besten gereicht, daß Du meinen „Anordnungen“ folgst. Denke aber nur nicht, daß ich mich etwa durch Deine Anpöbelung eingeschüch tert oder in die Enge gedrängt fühle. Im Gegenteil, ich merke, daß Deine Verselb ständigung noch nicht soweit fortgeschritten ist, daß Du nicht mehr auf ein Wort von mir hörst. Aber Du weißt ja selbst, wie schwer ich zu fuchsen bin. Daß mich persön liche Anwürfe aus der Fassung bringen können, das ist ja eine klare Angelegenheit, aber andere Dinge müssen schon schwieriger gelagert sein, als daß sie mich über haupt erschüttern können. Es tut mir direkt im Innersten weh, wenn ich so daran denke, daß Dein Schmunzeln, das ich leider nicht sehen konnte, direkt so nutzlos verpufft ist. Du wirst nun sagen, ist das ein alter grober Sack, aber Du weißt ja, daß es nicht böse gemeint ist. Da nun unser Junge, nach Deiner Schilderung, auch so etwas an sich hat, der andere Leute  immer ein bisschen hänselt, das ist mir nicht erklärlich. Nicht erklärlich deshalb, weil ich mir nicht vorstellen kann, von wem er das geerbt hat. Bei uns in der Familie hat doch keiner solche Neigungen. Es freut mich, daß er sich von den gleichaltrigen Jungens nichts gefallen läßt, und daß er einmal reinhaut, wenn es ihm zu bunt wird. Das muß ich schon sagen, das gefällt mir an ihm. Er soll ein richtiger Junge sein und vor allem nicht zimperlich. Du weißt ja, daß ich das nicht leiden kann. Mit meinem weißen Halstuch versuche ich jetzt hier Eindruck zu schin den. Ich bin doch jetzt ganz schön braungebrannt, und wenn ich dann das weiße Tuch um den Hals lege, dann gibt es einen netten Kontrast. Du wirst denken, der alte Esel fängt nun doch noch langsam an, eitel zu werden. Ganz so schlecht, wie das aussieht, ist es nun zwar nicht, aber schließlich muß ich es doch verwenden, wenn Du es mir gesandt hast. Wenn Du einmal etwas anderes hast, dann schickst Du mir eben davon. Es ist nicht unbedingt erforderlich, daß Du einen der Dir aus Frankreich gesandten Schals zerschneidest. Ja, Deine Pfingstgrüße sind etwas spät gekommen.  Ich weiß zwar nicht, ob meine noch rechtzeitig Dich erreichten. Immerhin entschuldigst Du Dich, daß es kein so wichtiges Fest sei, dann will ich das einmal glauben. Ja, ich bin nun einmal so ein böser Kerl und kann meine Randbemerkungen nicht unterlas sen. Du kannst es mir ja bei Gelegenheit wieder entgelten lassen. Du bist mir die Richtige, wenn Du die Meinung hast, daß es putzig sei, wenn Du so „brav“ auf Deinen Mann hörst, wenn er Dir etwas befiehlt. Das muß ich noch ans Ende meines Briefes setzen, weil ich schon anfänglich davon sprechen mußte, und damit Du es nicht vergißt. Denn die anderen Dinge, die dazwischen liegen, könnten Dich ja schon wieder abge lenkt haben und mein ganzer Erziehungserfolg wäre dann zum Teufel. _ Lasse mich nun bitte zum Schluß übergehen, sonst bringe ich noch verschiedene dieser Grobheiten an. Darum ist es gut, daß dieser Briefbogen zuende ist. Du kannst doch in diesem Fall direkt von Glück reden, daß es so ist. Bist Du etwa anderer Meinung? Bleibt mir alle schön gesund und laßt Euch alle recht herzlich grüßen und vielmals küssen.  Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                             22.6.43  
           
Ich hoffe, diesen Brief dem gestrigen, den ich zurückgehalten habe, einem Kameraden mitgeben zu können. Da es nach meinem Gefühl mit der Beförderung doch nicht so klappt, wie es wünschenswert wäre, ist eine solche Verbindung doch immerhin günstig. Post für mich ist seit dem 18. keine wieder eingegangen. Viel leicht klappt es heute. Ich habe gestern für Dich eine kleine Kiste mit Eiern fertig gemacht. Sie trägt die Nummer 16. Ich werde in diesen Tage wieder soviel zusammenhaben, daß es zu zwei Päckchen langen wird. Die kommen dann auch gleich an Dich auf den Weg. Hoffentlich kommen sie alle ganz in Deine Hände. Wenn Du sie bald verwendest, denke ich, daß sie noch verwertbar sind. Daß sich Jörg beim Einmachen nützlich macht, das ist ganz in Ordnung. Ein Mann muß eine Hausfrau nicht vertreten, aber immerhin soll er einen Einblick in die tägliche Arbeit der Hausfrau haben. Dann schadet es nichts, wenn er schon als Kind das eine oder andere mithilft, damit er sieht, daß es im Haushalt allerhand zu tun gibt. Zudem ist es ja auch eine Erleichterung für Dich, wenn Du Dich mit zwar nicht schwieriger Arbeit abgeben mußt, die aber doch ihre Zeit in Anspruch nähme. Das ist wirklich Vaters Einstellung. Sie ist typisch für ihn. Wenn er eine Weisheit anbringen kann, dann macht er es. Mir macht die Ausbildung unserer Kinder keine Sorge. Das kann ich Dir ehrlich versichern, weil ich das Gefühl habe und der  Ansicht bin, daß wir es schaffen werden. Bis jetzt hat es immer geklappt, und vor allem auch gestimmt, was ich durchsetzen wollte. Das eine braucht wohl etwas mehr Zeit und das andere geht reibungslos. Das tut aber nichts zur Sache. Aber sieh Dir doch einmal an, das war doch damals sicherlich für ihn möglich, uns etwas mehr in dieser Beziehung zukommen zu lassen. Er hat aber sein Geld gespart, und es war sein ganzer Stolz, daß er soviel zusammengebracht hatte. Er konnte nicht wissen, daß eine Inflation ihm alles zerstört. Aber ich sage mir so, warum soll ich mir schätze ansammeln, von denen ich nicht weiß, kann ich sie einmal so verwerten, wie ich es gern wünschte. Darum gebe ich unseren Kindern zunächst erst einmal die Möglichkeit, etwas zu lernen. Schließlich ist man doch auch aus den Schlägen, die uns die letzte Nachkriegszeit gegeben hat, etwas gewitzter geworden. Daß wir nun Angst vor der Zukunft hätten, das war noch nie unsere Art. Ich denke eben immer wieder daran zurück, wie wir angefangen hatten. Es war ein Nichts und die Aussicht auf eine Betätigung und ein Vorwärtskommen war auch einem Nichts gleich. Aber wir habe es gewagt. Ich werde darum nie kleinmütig werden, solange ich mich gesund fühle. Das ist noch der Fall, und deshalb mache ich mir auch keine Sorge und sage womöglich, daß mir Kinder zu kostspielig sind. Es ist die höchste Aufgabe einer Familie, Kinder zu haben, Daß Du den Willen zu einem weiteren Kind hast, das kann ich wohl verstehen und nachfühlen, und ich werde nie so töricht sein, ihn Dir zu nehmen oder zu zerstören. Du weißt, daß wir uns auch in dieser Beziehung immer einig waren, und daß es da keine Punkte gibt, die noch ungeklärt sind. Ich weiß, daß ich Vater nicht von seiner Meinung abbringen kann. Ich kann ihn in dieser Beziehung immer nur wieder so kennzeichnen, wenn ich die Worte anführe, als ich ihm erklärte, daß ich beab sichtige, Dich zu heiraten und er mir darauf antwortete: „Da hast Du aber einen schönen Bock geschossen.“ Ich kann und werde das wohl nicht vergessen. Du kennst mich ja, daß ich umso härter werde, je mehr man mir in meinen Dingen Widerstand entgegensetzt.  Ich habe Dich geheiratet, wir haben unsere Kinder, und jedes mal, wenn ich dann Vater sehe, muß ich sehen, daß er mir zwar nicht nach außen hin, aber durch sein Wesen immer wieder recht geben muuß, was ich getan habe. Er hat die Kinder sehr gern und Dich hat er zwar erst nach später Erkenntnis schätzen gelernt. Das genügt mir und bestätigt mir, die Richtigkeit meiner Handlung. Ich weiß, daß Du mir wieder in meiner Meinung zustimmen wirst, oder bist Du anderer Ansicht? Lasse mich mein Schreiben bitte abschließen und bleibt mir alle gesund. Grüße Vater von mir herzlich und seid Ihr, meine Lieben alle, recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von Deinem Ernst.

Brief 434 vom 18./19.6.1943





Mein liebes, bestes Mädel !                                                             18.6.43 
        
 

Recht vielen Dank für Deine lieben Briefe vom 7., 9. und 10.6.,  die ich heute erhielt  und über die ich mich sehr gefreut habe. Von Frau Frick erhielt  ich ebenfalls einen  Brief und von Deinem Vater ein größeres Päckchen mit Büchern und  ein gesondertes  Päckchen , das vom Elternverein kommt mit Zahnputzpulver. Es ist  alles sehr nett  und es hat mir auch alles viel Freude gemacht, Bei den gesandten  Büchern befinden  sich einige Abenteuerromane dabei, für die ich ja nicht viel  übrig habe. Du kennst  ja meine Einstellung in dieser Beziehung, aber die anderen Sachen  sind nach meiner  Durchsicht anscheinend ganz in Ordnung. Von Dir kamen noch die  Zeitungssendungen  alle an, so daß ich regelrecht eingedeckt worden bin. Habe noch mals für alles vielen  herzlichen Dank. Auf Deine Zeilen will ich gleich eingehen,  aber vorher habe ich  Dir noch etwas mitzuteilen, was zwar mit Vorbehalt aufzunehmen  ist, was Dich aber  trotzdem interessieren wird. Mit unserem weiteren Einsatz kommt  es allem Anschein  nach so, daß wir hier aus dem Osten herausgezogen werden. Wie ich  die Dinge übersehe,  wird wohl in acht bis vierzehn Tagen hier alles erledigt sein und  wir werden nach  Deutschland rollen. Ich schrieb ja schon kürzlich von den vielen  Mutmaßungen, die  sich hier über alles ergeben haben. Meist hieß es, daß wir als  Verwaltungsabteilung  hier bleiben würden. Ich habe daher mit Absicht nicht weiter davon geschrieben, weil ich erst abwarten wollte, was sich am wahrscheinlichen ergibt.  Wie ich die Dinge jetzt übersehe, ist auch für uns der Fall ziemlich glatt. Wenn die weiteren Erzählungen zutreffen, dann geht es vielleicht nach Wien. Das wäre ja nicht allzu weit von uns. Ich teile dir dies aber alles nur unter großen Vorbehalten mit und weiß nicht einmal, ob es richtig ist, wenn ich Dir damit Hoffnung mache, die dann nicht eintreffen. Wie dem auch sei, ich will nur, daß Du unterrichtet bist und auch weißt, was mit mir vorgeht. Sollte ich noch genaueres erfahren oder Änderungen eintreten, dann erhältst Du wieder von mir Bescheid. Mit unserem Jungen habe ich mich schon vor einigen Tagen befassen müssen. Dein heutiges Schreiben gibt mir wieder Veranlassung, mit ihm, zwar im Wege für Dich, ein Hühnchen zu rupfen. Es ist ja eine Angelegenheit, die noch nicht spruchreif ist, aber immerhin muß man jetzt schon auf ihn Einfluss nehmen. Es handelt sich um seine Neigung. Vor längerer Zeit sagte er schon, daß er zum Handwerker und zum Basteln mehr Lust habe, als eine Höhere Schule zu besuchen. Ich habe volles Verständnis für seine Ansicht und seinem Hang etwas Handwerkliches zu leisten. Ich will das, soweit ich das verantworten kann, respektieren. Es ist aber doch so. Wenn unser Junge regelrecht ein Handwerker werden würde, dann müsste man ihm später soviel mitgeben können, daß er in der Lage wäre, sich selbstständig zu machen. Daß das nicht möglich ist, ist ganz klar. Da nun ein Junge sich durch Erheiratung in diese Lage versetzen muß, das ist für ihn von Anfang eine Bindung, und die man nicht in Erwägung ziehen kann. Also geben wir ihm die Möglichkeit,  soviel zu lernen, daß er sich eine eigene Existenz schaffen kann und lassen ihn eine Schule besuchen, die ihm ein Hochschulstudium offen lassen. Er ist nicht dumm und kann das auch schaffen. Wie ich schon einmal schrieb wegen der Gärtnerei, so muß man erst abwarten, was ihn stärker treibt. Sollte sein handwerk liches Interesse überwiegen, dann kann er einmal Ingenieur werden oder sich sonst wie dann betätigen. Es gibt ja dann soviel Möglichkeiten. Aber das soll er sich ganz und gar aus dem Kopf schlagen, daß ich meine Zustimmung dazu gebe, daß er hier kneifen kann aus gewissen Bequemlichkeitsgründen. Ich hätte es in vieler Hinsicht viel leichter gehabt, wenn ich von zuhause aus ausbildungsmäßig etwas mehr mitbekommen hätte. Ich werde mich zwar auch durchzu setzen wissen, aber trotz der Härte, die ich dadurch mitbekommen habe, wären viele Dinge leichter gewesen. Sprich bei Gelegenheit mit ihm darüber. Ganz abgesehen davon, hat ja das Ding noch Weile. Aber immerhin will ich Dir meine Ansicht darüber nicht vorenthalten. Wir leben schließlich im Kriege, und man weiß ja nie, was einem das Schick sal noch vorbehalten hat. das braucht man nicht gleich tragisch zu nehmen, aber wir wollen doch sachlich bleiben und die Dinge sehen, wie sie sind. Nimm Du mit den Kindern recht viele und herzliche Grüße entgegen und sei Du selbst oft geküßt von Deinem Ernst.
Vergessen habe ich, daß ich heute 18 Eier in zwei Päckchen an Dich abge sandt habe. Hoffentlich kommen sie ordentlich in Deine Hände. Vielleicht hebst Du die Kistchen auf, da man sie wieder verwenden kann. Die Päckchen haben die Nummern 14 und 15. Guten Appetit! 

Mein lieber Schatz !                                                                          19.6.43 
    
 

Heute schreibe ich schon etwas eher, so daß ich noch nicht vom  evtl. Posteingang  berichte. Gestern bin ich ja im wesentlichen auf den Ausspruch  von unsrem Jungen  wegen seines späteren Lebens eingegangen. Ich will ihm bestimmt  keine Zwänge auferlegen,  aber ich habe die Meinung, daß man schon etwas hinterher sein  muß. Die Verantwortung  ist nicht klein, und ich glaube, daß wir das nicht auf die leich te Schulter nehmen  könne. Später wird er schon mehr Verständnis dafür haben, falls  er es jetzt noch  nicht aufbringen kann. Daß er nicht viel liest, das ist nicht  weiter schlimm. Auffallend  ist nur, daß er damit so ziemlich aus der Reihe fällt, aber wie  gesagt, das macht  nichts. Wenn ich so Deine Briefe lese, dann muß ich mich immer  wieder wundern,  wie Du Dich in die Gartenarbeit hineingefunden hast. Ganz selbst verständlich schreibst  Du davon, daß Du Kraut gesetzt hast, und daß Du ein weiteres Beet  fertiggemacht  hast. In alles hast Du dich doch durch viel Fleiß und Aufmerksam keit und mit viel Liebe in all diese Dinge hineingelebt. Man könnte sich da nicht denken, daß Du das so ganz ohne Anleitung gemacht hast, und ich freue mich jedes mal, wenn Du von Deiner Tätigkeit und Deinen Maßnahmen berichtest. In diesem Zusammenhang will ich Dir nochmals, wie schon früher, meinen Dank aussprechen für all Deine Mühe, die Du Dir gemacht hast bisher. Es ist ja auch nur zu verständlich, daß Dir dann wenig Gelegenheit bleibt, Dich noch um die ganze Näherei in dem Maß zu kümmern, wie Du es vielleicht gern haben willst. Komisch ist es schon, daß die frühen Kartof feln kleiner aussehen wie die eigenen. Wenn Ihr etwas knapp seid, so ist das doch vorwiegend auf die Verlagerung der Ernährung vom Mehl und Brot auf die Kartoffel zurückzuführen.  Schade ist auch, daß die Frau Leimenstoll ihren Anspruch nicht geltend gemacht hat. Es wäre auch für Dich bei dieser eingetretenen Knappheit eine Hilfe gewesen, aber es ist ja so, daß man dann nach der Blüte schon bald welche holen kann. Du machst ja dann doch nicht so viel heraus auf einmal. Aber du kannst Dir dann wenigstens helfen. Deine Ansicht über meine Sendungen ist vollkommen unrichtig. Ich spare mir bestimmt  nichts ab. Es hat doch bestimmt keinen Wert, wenn ich schon satt bin, noch mehr zu essen. Da hieltest Du doch auch nicht für richtig. Schimpfen ist also wirklich nicht nötig, denn ich habe mein volles Auskommen. Auch mit Keks werden wir jetzt gegenwärtig immer bedacht. Uns geht es auf keinen Fall schlecht, und Hunger müssen wir in keiner Weise leiden. Wenn wir ins Reich zurückkommen sollten, dann werden wir wohl kaum eine solche Verpflegung erhalten. Aber trotz allem freut es mich immer wieder, wenn ich Euch daheim eine kleine Freude bereiten kann, denn so wie wir hier versorgt werden, könnt Ihr bei Euren Zuteilungen nicht leben. Ich müßte mir zudem jedes mal Vorwürfe machen , wenn ich mich hier überfressen würde, und ich müßte dabei denken, Ihr lebt so knapp. Alles in allem, wir lassen es so. Die Sache mit der Bausparkasse haben wir ja nun nochmals besprochen. Ich denke, daß Du mit mir einig gehst und daß alles ziemlich klar ist. Wenn nicht, dann ist es doch so, daß die Leute erst einen Zwischenbescheid erhalten haben. Wir können dann immer wieder auf die Angelegenheit zurückkommen. _ Welche Bilder Du meinst, die von Kurt jetzt noch mal gemacht werden, weiß ich ja nicht genau. Du wirst aber schon das richtige genom men haben. Mit einer langen Wartezeit muß man jetzt schon rechnen. Erst hieß es ja einmal, daß es überhaupt keine Bilder mehr geben würde. Aber jetzt hat man eine Ausnahme gemacht und die Bestimmungen immerhin etwas gelockert, so daß in erster Linie Soldatenbilder bevorzugt werden. Ich habe sogar das Empfinden, daß es in Konstanz nicht immer so streng genommen wurde. Lasse mich wieder schließen und sei Du recht herzlich geküßt. Viele liebe Grüße füge ich hinzu und bin immer Dein Ernst. 

Brief 433 vom 16./17.6.1943


Mein liebes Mädel !                                                                          16.6.43  
        
Aber heute habe ich wieder einen Brief von Dir erhalten. Wie es scheint, sind verschiedene  Briefe wo hängen geblieben. Denn der letzte, den ich erhielt, datiert vom 1.6. und Dein heutiger Brief ist vom 6.6. Ich höre aber auch von den anderen Kameraden, daß sie schon lange auf Post warten. Dann wird wohl meine Vermutung zutreffen, daß die Post an einer Stelle hängegeblieben ist. Wie dem auch sei, ich bin froh, daß ich wieder Nachricht von Dir erhalten habe. Und vor allem, daß ich sehe, daß Ihr gesund seid. Du berichtest mir in Deinem Brief von einem Kinobesuch. Ich finde es ganz in der Ordnung, daß Du Dir dadurch etwas Abwechslung verschaffst. Ich hatte mir auch verschiedene Filme jetzt angesehen und jedes mal bin ich halb verärgert wieder nach hause gegangen. Heute war ich im Film „Diesel“. Ich weiß nun nicht, bin ich jetzt nur so kritisch veranlagt oder ist es tatsächlich so, daß die gegenwärtigen Filme nicht soviel wert sind. Mir hat es jedenfalls nicht gefallen, und ich hatte mehr erwartet. Daß man das Lebensschicksal eines solchen großen Erfinders so lax behandelt, das will mir nicht in den Kopf. Alles geht so bruchstückhaft und hat recht wenig Verbindung miteinander. Ich war eben nicht zufrieden mit dem, was geboten wurde. Nach Deinem Bericht geht es nun im Garten schön vorwärts. Das macht ja viel Freude, wenn man seine Bemühungen so belohnt sieht. Hier herrscht auch richtiges Wachs wetter. Die Luft ist schwül wie in einem Treibhaus. Ich habe noch nie so viel geschwitzt wie in diesem Jahr. Ich glaube, das mit Fug und Recht behaupten zu können. Früh stehe ich auf, da nehme ich es sowieso recht gründlich mit der Wascherei. Aber bald wird es einem zu warm und man möchte sich gern abkühlen. Nach dem Mittagessen ist es mir erst recht heiß. Geht man hier ein Stück spazieren, dann schwitzt man recht bald, weil man hier kaum eine kurze Strecke laufen kann, ohne daß man einen Buckel steigen muß. Wenn Du dabei berücksichtigst, daß ich meine schöne dicke Rüstung anhabe, dann brauche ich wohl keine Worte mehr darüber verlieren. Da fällt mir im Zusammenhang mit unserem Jungen und dem Brief über die Ausübung der Neigung unserer beiden Lauser etwas ein, auf das ich hier noch einmal etwas eingehen möchte. Wie ich immer wieder lesen muß, hat unser Jörg keine große Freude am Turnen, und nur auf Befehl läßt er sich dazu herbei. Ich will erst einmal erwähnen, daß ich von ihm nicht mehr verlange, was ich nicht selbst zu tun gewillt bin. Seit einiger Zeit beteilige ich mich hier am Frühsport und springe hier mit einem Stubenkameraden jeden Morgen hinüber ins Stadion. Erst machen wir einen Lauf. Dann haben wir uns Zutritt zur Turnhalle verschafft. Erst mit Gewalt und später mit Genehmigung. Ich kann Dir nur berichten, daß ich die erste Zeit restlos fertig war, wenn ich wieder zur ückkam. Ich kann aber in diesem Zusammenhang verraten, daß ich es heute erst richtig merke, was es heißt, daß man von früher her nicht richtig dazu angehalten wurde, zum Turnen zu gehen. Ich weiß, daß ich genügend Kräfte habe, und daß ich nicht unge schickt bin. Aber die Beherrschung des Körpers verlangt eben doch einige Übung. Mein Kamerad brachte von seinem letzten Einsatz ein Gewicht mit, das stellte er mir gleich bei meiner Ankunft vor. Es ist ein russisches und wiegt 64 Pfund. Ich habe es gestemmt und jetzt, nach einiger Übung, geht es sogar ganz gut. Ich will damit nur sagen, daß man mit etwas Willen, Energie und etwas Selbstzucht schon etwas erreichen kann. Ich stelle dies vor allem hier dar, um zu zeigen, daß ich als alter Vater heute noch mit Dingen anfange, die für einen Jungen in diesem Alter eine Leich tigkeit sind, wenn er sich nur einmal damit befasst. Ich kann aber nochmals wiederholen, daß es mir lieber gewesen wäre, wenn ich in dieser Hinsicht etwas strenger drange nommen worden wäre. , denn dann fiele mir manches leichter. Ich muß eben dafür die Zähne mehr zusammenbeißen,  dann geht es auch. _ Lasse mich bitte wieder schließen und bleibt gesund und lieb. Nehmt mir alle zusammen recht viele Grüße entgegen und seid  recht herzlich geküßt  von Deinem Ernst. 

Liebster Schatz !                                                                              17.6.43 
        
Vorhin habe ich Deinen Brief vom 8.6., der erst als Luftpost brief abgehen sollte, aber Du vergaßest, die Marke aufzukleben. Von hier aus, das will ich gleich erwähnen, bekomme ich keine Marken mehr, weil wir in einem Gebiet liegen, das dafür nicht mehr zuständig ist. Dies hängt mit den Dingen zusammen, die ich Dir schon schrieb wegen der Änderung über den Postverkehr, die bei und hier eingetreten ist. Aber nun will ich doch erst auf die Dinge gleich eingehen, die Dich beklemmen und die ich auch klären will, soweit das notwendig ist. Nachdem ich Dir vor Monaten meine Ansicht über die Übernahme des Bausparvertrags mitgeteilt hatte, waren mir die Dinge , die Du ausführlich und treffend schilderst, vollkommen klar. Ich habe über diese Dinge reiflich nachgedacht Es waren nicht allein die Gründe der Pietät gegenüber Kurt und seinem Bestreben, sich ein eigenes Haus zu schaffen, wenn er eine Familie gründen würde. Es handelt sich schließlich darum, daß der einmal eingezahlte Betrag gehal ten wird, um die Anwartschaft auf eine spätere Zuteilung zu erhalten. Man hätte sich ja das Geld ebenso wieder zurückzahlen lassen können, um dann in ruhigeren Jahren damit anzufangen. Die Zeit, die nun verstrichen ist, verläuft ja nicht nutzlos. Wenn wir dabei auch daran denken müssen, daß unsere Kinder, wenn sie die Höhere Schule besuchen, uns erhöhte Kosten verursachen, die uns in anderem Fall nicht erwachsen würden, so ist dies vielleicht die vordringlichere Aufgabe für uns, daß die Kinder ihre Ordnung haben. Daß wir dies schaffen, darüber herrschen bei mir keine Zweifel. Ich stimme auch vollkommen mit Dir in der Ansicht überein, daß man in der Kleidung nicht sehr nachstehen darf, um dem Kinde von Anfang an nicht gleich Schwierigkeiten in dieser Form zu bereiten. Was die Erhöhung meines Einkommens anbelangt, das ja schließlich die Grundlage für diese Pläne bildet, so hoffe ich doch, daß es mir möglich sein wird, in dieser Richtung doch noch eine Steigerung zu erreichen. Wahrscheinlich werden keine Lehrgänge mehr abgehalten. Die eine Möglichkeit, die mir noch offen zu stehen scheint, habe ich noch nicht ausgenutzt, doch werde ich sie demnächst in Angriff nehmen.  Ich gebe den Kampf gegen die Stadt in dieser Hinsicht noch nicht auf und werde das Letzte versuchen, um etwas zu erreichen. Daß Dein Wirtschaftsgeld selbst bei spar samster Lebensweise keine Gelegenheit zu großen Sprüngen Anlass gibt, sehe ich ganz klar an den wenigen angegebenen Zahlen. Ich glaube aber trotz allem, zwar kann ich unter den gegenwärtigen Umständen keine präzisen Unterlagen geben, denn man weiß ja noch nicht, was sich noch alles ereignet. Wie sich aber auch alles entwickeln mag, eines erscheint nach meiner Ansicht kein Problem weiter zu sein, daß wir die Bauspar kasse, sofern sie uns zu sehr belasten sollte, von uns immer noch zu dem Zeitpunkt abgestoßen werden kann, wenn wir es nicht mehr schaffen sollten. Wir würden, zwar unter Abzug von Verwaltungskosten, aber auch, soviel ich unterrichtet bin, unter Hinzurechnung der aufgelaufenen Zinsen, unser Geld wieder kündigen können. Diese Lösung wäre zwar das letzte, aber es ist doch nicht so, daß wir uns dann mit einem solchen Vertrag den Hals zuschnüren lassen. Daß Vater sein Ersparnisgeld dazu gibt, ist nicht erforderlich, denn wenn wir das uns schon einmal vornehmen, dann machen wir das auch ganz. Aber das ist nicht nötig, daß Du ihm das in dieser Form sagst. Im übrigen bist Du  ja selbst so geschickt, als daß ich Dich erst auf diese Dinge aufmerksam machen muß. Daß Du nochmals darum geschrieben hast, ist ganz gar in Ordnung, und ich habe bestimmt keine Veranlassung, Dir da vielleicht etwas krumm zu nehmen. Das geht also richtig und in Ordnung. Ich habe mich heute also ausschließlich mit diesen Dingen befasst, aber das war eben notwendig. Lasse Dich mit den Kinder vielmals grüßen und herzlich küssen. Richte auch herzliche Grüße an Vater aus. Du selbst nimm aber noch viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Brief 432 vom 14./15.6.1943


Mein liebstes Mädel !                                                                        14.6.43 
             
 

Den Pfingstsonntag hätte ich überstanden. Das Wetter war sehr schön, so daß ich mich schon am Vormittag aufgemacht habe, um an den Strand zu kommen. Es war großer Betrieb, das lässt sich ja denken, obwohl sich der Strand bald einen km hinzieht. Es war doch alles schwarz vor Menschen. Da man nur mit Booten zum anderen Ufer gelangen kann, denn die Brücken befinden sich zu weit unterhalb des Badeplatzes, so waren die Boote überfüllt und die Kette der Menschen riss nicht ab; als ich zur Übersetzstelle kam, war gerade ein Boot umgekippt. Du weißt ja, wie das ist: alles will mitfahren und jeder denkt, er kommt zu spät. Dann springt alles in das  freie Boot. Durch die einseitige oder übermäßige Belastung fängt dann das Boot an zu kippen und aus ist der Traum. Du kannst Dir vorstellen, daß das ein schönes Bild war. Wie die Frauen alle in ihren tropfenden Kleidern dastanden. die sahen aus wie gebadete Katzen. Essen hatte ich mir etwas mitgenommen, so daß ich bald bis zuletzt dort  verbleiben konnte. Diesmal bin ich nicht durchgeschwommen, denn zweimal habe ich es probiert und gesehen, daß man es gut schaffen kann. Gern würde ich einmal eine lange Strecke mit dem Strom schwimmen, aber dazu sollte man ein Boot haben, solange man den Strom nicht kennt. Dagegen zu schwimmen ist kein Vergnü gen, und auf die Dauer sehr langweilig. Ich habe mich sehr schön gesonnt und habe auch wieder einige Farbe, die ich inzwischen verloren hatte, darauf bekommen. Ich habe vielfach daran gedacht, was Ihr wohl die Feiertage über angestellt habt. Seid Ihr nun meinem Rat gefolgt und habt Ihr Euch über die Feiertage nach auswärts bege ben? Ich glaube von Dir den Einwand zu hören, daß über Pfingsten zuviel Betrieb sei.  Trotz allem hoffe ich aber, daß Ihr nicht versauert seid. Wichtiger ist ja dabei, daß das Wetter Euch auch die Gelegenheit gegeben hat. Ich werde ja von Euch darüber hören. Mit der Post geht es jetzt etwas schmal zu. Ob wieder irgendwelche Transport schwierigkeiten bestehen. Es liegt wohl auch daran, daß wir jetzt nicht mehr der Feldpost angeschlossen sind wie früher. Sämtliche Briefe werden über die Dienstpost geleitet.  Ob die Unregelmäßigkeit nun darauf zurückzuführen ist, kann ich noch nicht sagen. Die Feldposteinheit, die vorher bei uns im Hause untergebracht war, ist hier herausgezogen worden und kam nach Deutschland. Es gibt eben überall Veränderungen. Nur bei uns steht alles noch offen. Ob wir nun hier wegkommen oder bleiben wir hier, das ist noch nicht geklärt. Zu den letzten Gerüchten kommen immer neue hinzu, und jede neue Parole wirkt sensationeller wie die andere. Am besten ist, man lässt sich wie bisher davon nicht beeindrucken. Es wird ja auch nun langsam Zeit, daß sich wieder etwas auftut, denn jetzt hängen wir schon 4 Monate herum und haben nichts zu tun. Das ist ja am Anfang ganz interessant, aber auf die Dauer ist es nicht schön. Man kann sich wohl an das Nichtstun mit der Zeit gewöhnen, aber es ist einem nicht wohl dabei. Unser Chef benimmt sich dabei noch so komisch und teilt einem die unsinnigsten Arbeiten zu, weil er nicht sehen kann, daß man sich mit etwas anderem beschäftigt als mit dem Dienst. Man bekommt fast den Eindruck, als macht er einem einen Vorwurf daraus, daß keine Arbeit da ist. Dabei sind wir doch bestimmt nicht schuld daran. Aber schließlich bekommt man da auch einen kalten Rücken und macht sich nichts daraus.  Wenn er sich nicht hindurchfindet, dann ist es schließlich seine Schuld. Wir müssen ja auch damit fertig werden. Hier war ich auch wieder einmal im Kino. Es wurde gespielt „Fra uen sind keine Engel“. Ich kann nur sagen, man muß sich wundern, was man den Menschen zumutet, die solchen Quatsch für das teure Geld ansehen. Man geht direkt unbefriedigt wieder nach hause, um nicht gleich zu sagen, man ist verärgert. Aber etwas muß man sich schließlich ablenken. Ich will nur noch kurz erwähnen, daß ich gestern einmal nicht geschrieben habe. Ich habe mir also einmal Feiertag gemacht. Ich hoffe, Du bist mir deshalb nicht böse. Bleibe Du mit den Kindern schön gesund. Euch Drei grüße und küsse ich vielmals und bin in Liebe Dein Ernst.


Liebstes Mädel !                                                                               15.6.43 
              
Auch heute erhielt ich keine Post von Dir. Da macht man sich doch Sorgen, weil man nicht weiß, wie es zuhause geht und weil ich doch gewohnt bin, regelmäßig Post von Dir zu erhalten. Ich hoffe, daß nichts ernstliches vorliegt und warte nun auf morgen, ob ich dann wohl etwas von Dir erhalten werde. Ich habe Deinen letzten Brief nochmals durchgelesen, und ich muß feststellen, daß man sich freuen kann, wenn man liest, wie sich unsere Helga schon aller Sachen annehmen kann. Es ist mir schon eine wesentliche Beruhigung, wenn ich weiß, daß sie schon einspringen kann, wenn es Dir einmal nicht  so gehen sollte, wie Du es gern selbst wünschst. Ich glaube, daß sich Jörg auch mit nützlich machen wird, wenn er weiß, daß Du nicht ganz auf Deck bist. Ich kann ihr immer nur wieder mein Lob aussprechen für die gute Erfüllung ihrer Aufgabe. Ich meine, man muß doch berücksichtigen, daß sie noch ein Kind ist, und daß sie noch nicht alles kennt, aber ich habe immer den Eindruck, als gibt sie sich viel Mühe, etwas zu lernen und sich in eine solche Aufgabe hineinzuleben. _ Zu allen Buben haben Leimenstolls noch einen bekommen. Ob das wohl der Wunsch der Frau war. Ich glaube, daß das nicht der Fall ist. Aber es nutzt ja alles nichts, denn das Kind kann nichts dafür, und da muß man sich hineinschicken. Helga wird wohl ihren Spaß daran haben, wenn sie das Kind ausfahren kann, denn sie ist doch so ein Kindernarr. Das ist für sie ja einmal etwas anderes, als ihre Puppen. Es ist recht, wenn Du die von mir gesandten Bonbons aushebst, um sie den Kindern als Belohnung für irgendeine Tätigkeit zu geben. Sie sehen doch, daß man dann ihre Mithilfe anerkennt. Sie können zwar nicht jedes mal etwas bekommen, aber von Fall zu Fall hast Du dann doch immer eine Kleinigkeit bereit. Das macht ihnen dann sicherlich auch Freude. Ich hätte Dir gern mehr von dem Speck gesandt, aber das waren nun einmal nur die Zuteilungen. Ich hoffe, daß er so angekommen ist, daß er noch zu verwenden  war. Für Euch  war das bestimmt eine schöne Abwechslung, als Ihr den Fisch als  Sonderzuteilung  erhieltet. Man ist ja um alles so froh. Geräucherte Flundern sind bestimmt nicht zu verachten, und ich bin darum nicht verwundert, wenn sich die Kinder darüber hergestürzt haben. Das macht sich schon wahrnehmbar, wenn Du noch von Frau Nußbaumer die Zuteilung erhalten hast. Auf diese Weise habt Ihr doch wieder einmal Euren Appetit auf Fisch etwas stillen können. Nachdem Du nun als Pate für die kleine Ursula angegeben worden bist, so geht es doch nicht umhin, daß Du ihr ein Geschenk machen mußt. Ich weiß nun nicht, ob es Dir möglich ist, etwas zu kaufen.  Das stößt ja auf ziemliche Schwierigkeiten in der gegenwärtigen Zeit. Ich dachte, daß es dann vielleicht am besten ist, wenn Du ihr ein Geldgeschenk auf das Sparbuch legst. Was Du nun für angemessen hältst, weiß ich zwar nicht. Ich dachte aber unter 20,-RM nicht. Hast Du aber etwas anderes vor oder glaubst Du, daß es zu wenig sei, dann gib mir davon Nachricht, dann werde ich Dir umgehend Entwort erteilen. Wie es mir scheint, ist jetzt der Name Ursula an der Reihe. Wie ich hier in Kameraden kreisen höre, ist der verschiedenen Kindern in letzter Zeit gegeben worden. Auf Sieg frieds langen Brief bin ich noch nicht eingegangen. Ich werde es ja bald nachholen. Wie und wo er untergebracht ist, hat er mir ausführlich geschrieben, und auch aus Briefen an Deinen Vater habe ich ja gesehen, was los ist. Zur Geburt des Kindes hatte ich in der letzten Woche geschrieben. Mir lag es ziemlich auf der Seele, aber ich kam bestimmt nicht eher dazu. Ich glaube aber nicht, daß er in nächster Zeit nach dem Osten kommen wird, so wie er es selbst befürchtet. Ich glaube, diese Dinge etwas weiter zu übersehen. Ich wünsche es ihm aber auch nicht, denn es ist keine Freude hier auf die Dauer zu leben. Ich muß zwar einschränken, daß es hier in Kiew immer noch geht und sich aushalten läßt. Auf dem Land hat man ja keine Abwechslung. Doch auch diese Verhältnisse habe ich ja zur Genüge kennen gelernt.  Sei Du mit den Kindern recht herzlich und vielmals gegrüßt und geküßt und bleibt mir alle gesund. Dein Ernst.

Mittwoch, 13. Juni 2018

Brief 431 vom 11./12.06.1943


Mein liebster Schatz !                                                                         11.6.43    
        
 

Bei Deinem Streuselkuchen wäre ich ganz gern dabei gewesen. Daß man das normalerweise in der gegenwärtigen Zeit nicht machen kann, ist ja klar. Ich kann mir auch vorstellen, daß es Dich eine kleine Überwindung gekostet hat, Dich zu diesem Entschluss durchzuringen. Daß Du aber nicht verschwendest, das ist mir bewusst, und weil man jetzt von solchen Ausnahmen zehrt, dann ist das nicht gerade schwerwiegend, wenn Ihr Euch diesen Genuss bereitet habt. Dafür müßt Ihr eben wieder einmal eine Weile warten, bis ihr Euch dieses erlauben könnt. Einmal soll man schon etwas besonde res haben. Wie aus Deinem Schreiben zu entnehmen ist, hat er ja allgemeinen Anklang gefunden. Auch ich werde wohl Gelegenheit haben, wieder einmal an einem solchen Genuss teilzunehmen. Ich für meinen Teil will dabei zusehen, daß Deine Butter- oder Fettreserven nicht gar zu sehr angegriffen werden. _  Günstig ist es für Dich, daß die Kinder jetzt schon allein zum Baden gehen können, denn es ist doch schon etwas wert, wenn man sich sagen kann, sie sind den Dingen soweit gewachsen, daß ihnen unter normalen Umständen nicht zustoßen kann. Und daß sie vorsichtig sind, das glaube ich wohl annehmen zu dürfen. Aber sage einmal, das läßt sich doch machen, wenn Ihr mit dem Omnibus bis Staad fahrt, dann ist es doch nicht so weit zum Laufen.  Überlege Dir das einmal. Praktischer wäre es allerdings, wenn Ihr alle Räder hättet, dann könntet Ihr zusammen hinausfahren. Ich denke aber, daß das schon eine ziemliche Er leichterung bedeutet, wenn Ihr bis dorthin fahren könnt. Zudem habt Ihr dann ganz schön Zeit für Euch. Das war für die Kinder wohl ärgerlich, daß Ingrid hat auf sich warten lassen. Vielleicht wird sie aber nichts dafr gekonnt haben. Du hast sie aber durch begießen vom Fenster aus entschädigt. Das hat ihnen sicherlich auch Freude gemacht. Da fällt mir gerade ein, daß Ihr schon bis zum Tannenhof ein schönes Stück Weges gespart habt, wenn Ihr bis dorthin fahren wollt. Das mußt Du aber selbst genau wissen, was Ihr machen könnt und wollt. Ich kann in diesen Fällen ja nur raten, denn die Ausführung von Entschlüssen liegt ja ganz und gar in Deinen Händen, weil Du Dich immer nach den jeweiligen Umständen richten musst. Das Geld spielt doch keine entscheidende Rolle und diese Kosten sind ja auch nicht so groß, daß man sie scheuen müßte. Ich denke gerade jetzt daran. Ich halte es für günstig, wenn unsere beiden Stromer sich einmal ans Radfahren lernen machen würden. Es ist ja nicht nötig, daß sie nun jeden kleinen Weg mit dem Rad zurücklegen müssen, aber es kann ihnen nichts schaden. Ich bin der Ansicht, daß ihnen ein späteres Lernen die Sache schwieriger macht. Besser wäre  es zwar, ich könnte mich mit dahinterklemmen. Das soll von mir nur eine Anregung sein, die nun nicht gleich durchgeführt werden muß. Wie die Sportwettkämpfe im Stadion verlaufen sind, hast Du mir noch nicht mitgeteilt. Die würden mich interessieren, wie unser Mädel dabei abgeschnitten hat. Was Helgas Wunsch anbelangt, ein Instrument zu erlernen, so habe ich ja schon bereits meine Zustimmung in meinem Wunsch dazu gegeben. Vielleicht bekommst Du irgendwie eine Blockflöte oder eine Harmonika. Da sie sich beim Mundharmonikaspielen schon ganz anstellig gezeigt hat, glaube ich, daß sie schon etwas Geschick dazu hat. Mit unserem Jungen mache ich mir so meine Gedanken. Ich glaube, daß er bei einiger Anleitung zum Malen und Zeichnen schon etwas Talent entwickeln würde. Ich habe auch grundsätzlich nichts dagegen.  Aber der Junge muß einen Ausgleich haben. Ich kann ihn nicht nur allein seinen Neigungen leben lassen, denn er braucht etwas Härte. Die kann er in diesen Jahren nur durch Turnen oder etwas Sport erwerben. Versuche doch einmal, ihm das Turnen in Verbindung mit dem Zeichenunterricht schmackhaft zu machen. Daß er jetzt ein Instru ment erlernen soll, ist nicht ganz so wichtig. Ich will nur, daß er etwas erfüllt bekommt, was er schon gerne tut, damit er sieht, daß wir Verständnis für seine Wünsche haben. Wir wollen da elastisch genug sein, denn verweichlichen soll er uns ja nicht. Es dreht sich schließlich nicht um uns, denn er hat ja das Leben vor sich und soll doch von uns so viel wie möglich mitbekommen. Wir wollen uns auch nicht eines Tages sagen lassen, daß wir dies oder jenes versäumt hätten. Welche Entwicklung er nun endg ültig nehmen wird, das stellt sich ja erst in einigen Jahren heraus, denn seine eigentlichen Stärken kenne ich noch zu wenig. Ich hoffe, daß ich Dir mit meiner Darstellung die Dinge etwas klarer gemacht habe, und daß Du in der Lage bist, unseren beiden Stromern damit auch weiter zu helfen. Nimm Du mein liebes Mädel viele herzli che Grüße und Küsse entgegen und sei versichert, es denkt an Euch Drei immer Dein Ernst. 

Mein liebes, gutes Mädel !                                                                     12.6.43
        


Heute haben wir nun Pfingstsamstag und ich muß so an die Zeit in  Friedensjahren  denken. Was hat man da alles für Vorbereitungen getroffen, um  über die Feiertage  ins Freie zu kommen. Seit Ausbruch des Krieges sind wir nie an  diesem Feiertag beieinander  gewesen. Wir gaben aber die Hoffnung nicht auf, daß uns dieses  Glück wieder einmal  beschieden wird. Aber legen wir diese Gedanken beiseite und  hoffen weiterhin auf eine  Besserung der Lage zu unseren Gunsten. Gestern traf mit reich licher Verspätung  der letzte Rundbrief Deines Vaters bei mir ein. Ich war etwas in  Schreibstimmung  und habe ihn darum gleich beantwortet. Es ist etwas reichlicher ausgefallen, als ich mir vorgenommen hatte. Ich hoffe darum, daß er damit zufrieden sein wird. Was sein Schreiben an Dich anbelangt, so wundere ich mich ja nicht, wel chen Ton er anwendet um seiner Lotte die herrliche Gegend zu zeigen und sich an ihrer Freude zu erfreuen. Was zwar die Anfrage wegen des Kochens anbelangt, so muß ich nochmals auf meinem Standpunkt bestehen bleiben. Es geht nicht, daß Du nun die Kochfrau machst, damit die Frau Lotte spazieren gehen kann. Ich kann das nicht dulden, daß Du Deine Freizeit und vor allem Deine Gesundheit noch stärker beanspruchst. Ich warte nur Deine Antwort ab auf meinen letzten Hinweis. Wenn er selbst etwas auf Deine Antwort schreibt, was mir nicht paßt, dann werde ich ihm ganz unverblümt schreiben, was ich als Mann die Pflicht habe. Du wirst verstehen, daß ich eine Verantwortung habe, die ich nicht übersehen darf. Gefreut hat mich die Fürsorge von Helga für Dich. Daß sie sich  schon mit der Zubereitung des Essens als so geschickt erweist.  Das ist für mich in mancher Hinsicht eine Beruhigung, denn wenn es einmal notwen dig wäre, dann kann sie Dir doch zur Hand gehen. Ich muß ihr mein aufrichtiges Lob aussprechen. Wenn sie schon Strümpfe stopfen erlernt hat, dann kann sie mich einmal besuchen und sich ab und zu darüber hermachen. Ich selbst habe es zwar noch nicht machen brauchen, aber hier haben die Leute ihre eigene Methode. Noch interessanter war es zwar auf dem Land. Ich kann Euch nur sagen, daß Ihr diesen gegenüber noch weit im Nachteil seid. Man macht es hier viel geschickter. Stopfen ist gar nicht notwendig, man schneidet einfach die Löcher heraus und schon ist der Strumpf wieder ganz.  Ich glaube mich entsinnen zu können, einen Strumpf mit Hacken gesehen zu haben, die sind gleich herausgeschnitten. Das sieht sehr vorteilhaft aus und kann nicht mehr kaputtgehen. Ja, das staunst Du. Ich hatte aber doch einige Bedenken, meine Strümpfe dort in Arbeit zu geben. Die Leute haben dafür kein Verständnis. Mit mühe und Not können sie höchstens ein Stück darüber nähen oder das ganze Loch zusammennähen. Das klingt unglaublich, aber es ist so. Die Angelegenheit mit dem Bett hat also auch ihre Erledigung gefunden. Aber mein Trick ist mir gelungen und Du bist darauf hereingefal len. Mehr wollte ich ja auch nicht. Du wirst sagen, das ist doch ein schadenfroher Kerl. Ist halb so schlimm. Was macht denn das „Leistungsabzeichen“ von unserem Jungen? Hat er es denn nun erworben? Es schadet nichts, wenn sich die Jungen mit solchen Dingen beschäftigen. Ich finde es ganz nett, wenn sich die Jungen gegenseitig kamerad schaftlich helfen. Das hat alles für unseren Jörg auch den Rahmen der Freiwillig keit, darum ist er sicher auch ganz gerne dabei. Freude macht es mir vor allem, weil sie sich etwas mit Sport beschäftigen. Das Laufen und Weitspringen soll er nur fest mitma chen. Gegen diese Dinge habe ich nichts dagegen, denn sie sind noch rein kindlich und solange sie sich in diesem Rahmen beschäftigen, ist er keinen anderen Gefahren ausgesetzt. Der andere Speck und der Zucker ist also auch eingetroffen. Dann sind alle Päckchen, die ich vom Land geschickt hatte in Deinen Besitz gelangt. Ich weiß, daß Du für alles Verwendung hast und daß alles seinem Zweck zugeführt wird. Es ist mir immer eine Genugtuung, Euch diese kleinen Freuden zu bereiten. Bleibt mir, meine Lieben, alle gesund und verlebt die Pfingsttage froh und gesund, wie ich es Euch bereits gewünscht habe. In Gedanken bin ich bei euch. In Liebe mit vielen Grüßen und Küssen bin ich Dein Ernst.

Brief 430 vom 09./10.06.1943


Meine liebste Annie !                                                                            9.6.43      
  
 

Zuerst vielen Dank für Deine beiden Briefe vom 28. und 30.5., die mir gestern zugingen. Meine Post vom Land trifft also nach und nach bei Dir ein. Das freut mich. Du mußt zwar immer etwas länger warten, aber ich hatte Dir ja geschrie ben, daß es unzweckmäßig wäre, wenn ich jeden Tag meinen Brief abgesandt hätte. Sie wäre doch zur gleichen Zeit in Deinen Besitz gekommen. Jetzt ist es ja wieder anders, und ich hoffe, daß Dich nun wieder laufend meine Briefe erreichen. Die Verpackung der Eier hat mir diesmal einige Schwierigkeiten gemacht, weil ich kein geeignetes Packmaterial da hatte. Ich habe sie aber heute an Dich abgesandt. Glücklicherweise hatte ich noch zwei Kartons von Dir, die habe ich dazu verwendet. Ich will hoffen, daß sie alle gesund in Deine Hände kommen. Die Päckchen tragen die Nummern 12 und 13. Für die nächsten Eier habe ich wahrscheinlich wieder Kisten, so daß es etwas einfacher ist. Man muß sich immer erst die Sachen besorgen, aber das ist ja nicht so schlimm. In den letzten Tagen war ich ziemlich mit Dienst in Anspruch genommen, so daß ich nicht einmal dazu gekommen bin, an Siegfried zu schreiben. Ich will aber versuchen, es heute noch nachzuholen. Seit ich vom Land zurück bin, war ich dienstlich ziemlich in Anspruch genommen. Wahrscheinlich wird sich das nun bald ganz geben, denn über unserem Einsatz liegt noch tiefes Dunkel, obwohl die verschiedensten Parolen herumgehen. Danach werden wir vom Mittelmeer bis nach Norwegen eingesetzt. Das sind ja weiter keine Entfernungen. Aber nicht nur die vertikale sondern auch die horizontale Richtung erfreut sich großer Beliebtheit. Vom Atlantik bis zum Osten ist kein Ort sicher, an dem wir verwendet werden sollen. Ich mache mir vorerst keine Gedanken, denn ich muß mich schließlich doch mit dem abfinden, was sich ergibt. Deine Frage, ob mir es nicht langweilig wirkt, wenn du mir von Eurem Tagesgeschehen erzählst kann ich nur dahingehend beantworten, daß ich mich immer freue, wenn ich lese, was Ihr den Tag über angestellt habt. Du kannst mir aber auch einmal speziell von den Kindern schreiben, was sie erzählt habe, wie Du das schon oft getan hast. Nein, mache nur so weiter und es ist bestimmt nicht am Platz, daß Du jetzt etwa Deinen Stil und Deine Art  änderst. Gefreut hat mich Deine Nachricht, daß wieder zwei Päckchen eingegangen sind. Es ist täglich immer eine kleine Sorge: Mit Schokolade von hier hatte ich ja noch kein großes Glück. Umso mehr hat es mich deshalb gefreut, daß diese eine Sendung richtig eingetroffen ist. Daß die Kinder Abnehmer für die gefüllte sind, das konnte ich mir denken, denn von der anderen waren sie von je nicht groß einge nommen. Es hat mich gefreut, Euch damit eine kleine Abwechslung zu bieten, und ich lese, daß alles bei Euch auch vollen Anklang gefunden hat. Die Tabakwaren verwende dann so, wie Du es mit mitgeteilt hast. _ Was macht Ihr denn nur für Sachen. Wenn man nicht daheim ist und auf Euch obachtgibt, dann klappt es nicht. Das kann man wieder einmal ganz klar ersehen. Früher, wo ich daheim war, hat bei uns doch die Erde nie gewackelt. Jetzt fangt Ihr nun mit solchen Mätzchen an. Ist das notwendig? Ich glaube wohl nicht, daß Ihr Euch aber innerhalb so kurzer Zeit gleich zwei Erdbeben leistet, das ist doch zuviel. Wichtig ist nur, daß kein Schaden dabei entstanden ist. Aber das ist bei uns dort unten für Deutschland ein Gebiet, was darunter zu leiden hat. Vor allem  in der Gegend des Untersees und dann das ganze Gebiet hinunter bis nach Heidelberg. Voreilige Leute werden und wieder Gelegenheit haben, dies als bestimmtes Vorzeichen zu werten. Mich würde es jedenfalls nicht wundern. Ich grüße Euch, meine Lieben, alle recht herzlich und bin mit vielen Küssen an Dich und die Kinder Dein Ernst.

Mein liebstes Mädel !                                                                          10.6.43    
       


An Post erhielt ich gestern Deinen Brief vom 31.5. und eine Karte von der Taufe der kleinen Ursula. Ich muß schon sagen, daß ich etwas erstaunt war, nachdem ich von der Einstellung Siegfrieds zu den kirchlichen Dingen glaubte, anderer Meinung sein zu müssen. Überhaupt hat die Karte, so kurz wie sie ist, sehr interessante Punkte. Da waren also alle beieinander. Dein Vater und Alice, seine Frau und die Frau Kühn, sogar der Herr Pfarrer hat unterschrieben. Ich muß nur feststel len, daß wir ganz schlechte Christen im Laufe der Jahre geworden sind. Was da für bewegende Gründe vorliegen weiß ich ja nicht, und ich werde von mir aus nichts dazu schrei ben. Ich will da keine Kritik üben, denn wenn wir tatsächlich noch einmal in diese Lage kommen sollten, dann könnten wir nicht viel anders handeln. Den christlichen Schliff zu verabreichen müssten wir zwar in diesem Fall den Pfarrern überlassen, weil wir von uns aus keinen so großen Wert darauf legen. Es steht zwar ziemlich eindeutig bei uns fest, daß wir keine Heiden sind. Aber es ist ja genau so klar, daß wir keine Kirchenchristen sind, wie sie sich die Pfarrer gern wünschen. Lassen wir das, denn wir sind uns ja darüber einig, wie wir in dieser Beziehung mit unseren Kindern vorgehen wollen, und wir glauben auch zu wissen, was ihnen zuträglich ist. Denn unserer Verantwor tung, sie in diesen jungen Jahren zu leiten, sind wir uns wohl bewusst. Später gehen sie doch ihre eigenen Wege, die wir dann nicht mehr in diesem Maße beeinflussen können.   Ich wünschte  nur, daß ich ihnen auch dann immer noch so viel geben könnte, um  ihnen den richtigen  Weg zu weisen. Meist ist es ja so, daß die Kinder sich selbst  durchbeißen müssen,  um zu den Erkenntnissen zu gelangen, die wir ihnen durch Erfah rung wohl mitteilen  könnten, die sie aber ihm Moment nicht als solche erkennen,  sondern dies als Schulmeisterei  betrachten. Darum ist mein Wunsch, ihnen in diesen Jahren später  immer soviel Freund  zu sein, daß ich für ihre Belange genau so ein Verständnis habe,  wie sie auch erfahren  müssen, da es im Leben nicht immer so geht, wie man sich das  immer erst so gern  vorstellt. Ihnen hierbei Helfer zu sein, ist wohl eine der  schwierigsten Aufgaben, die  einem Erziehungsberechtigten auferlegt wird. Das sind zwar Dinge,  die jetzt noch nicht  spruchreif sind, aber wenn ich die anderen Jahre jetzt zurück blicke, dann sind diese  so schnell vergangen, so daß man sich jetzt schon bald langsam  damit beschäftigen  muß. Ich bin heute auf ganz anderes Sachen gekommen, als ich erst  eigentlich beabsichtigt  hatte. Aber es ist kein schade, wenn man sich einmal darüber  unterhält. Was Du  nun in dem einen Brief schreibst, daß es angenehmer sei, in der  Sporthose herumzulaufen  als in dieser dicken Kluft, das ist wohl wahr. Ich habe das jetzt  besonders wieder  gespürt, denn bei uns herrscht jetzt eine Hitze wie in den Hunds tagen. Jeden Tag  bin ich ein paar mal durchgeschwitzt. Das ist schon nicht mehr schön. Wenn ich dann etwas freie Zeit habe, dann greife ich gern auf die Sporthose zurück, denn das ist schon wesentlich angenehmer. Die Speisezubereitung würde auch bei Dir weniger Anklang finden. Das kann ich mir vorstellen. Aber für saure Gurken wärst Du zu haben. Das wäre ja auch zu ertragen. Mit den Sonnenblumenkernen ist das so eine eigene Sache. Diese werden doch etwas geröstet, und dann schmecken sie wie andere Nüsse. Es  ist zwar eine mühevolle Arbeit, aber immerhin, wenn man wie dort keine Beschäftigung hat, dann kann man diese Betätigung sogar als unterhaltsam und angenehm empfinden, vor allem, wenn man nichts anderes hat. Das Spucken der Schalen macht ja den meisten Spaß. Aber das ist nicht so einfach wie das aussieht. Ich bekenne ehrlich, daß ich mich noch zu den Laien zähle und noch kein Spezialist geworden bin. Was nun Deinen Durchmarsch anbelangt, so sehe ich schon, daß ich Dir für solche Fälle einige Opiumtabletten beschaffen muß. Aber auch Kohletabletten , die in jeder Apotheke erhältlich sind, helfen dagegen. Ich schreibe Dir das nur, damit Du Dir einmal helfen kannst, wenn Du jetzt wieder in diese Verlegenheit kommen würdest. Wie ich habe lesen können, hast Du so den richtigen Geschmack wegbekommen, wie einem dabei zumute ist. Das kann einem schon ziemlich anhängen. Ich hoffe aber fest, daß es Dir inzwischen wieder gut geht. Mit vielen herzlichen Grüßen und Küssen für Dich und die Kinder und auch Vater bin ich immer Dein Ernst.