Mittwoch, 24. August 2016

Brief 168 Ernst 23./26.8.1941


Meine liebe Annie !                                                                                                23.8.41                                

Ich Danke Dir vielmals für Deinen Brief vom vergangenen Sonntag.  Du hast nun schon die Schulsachen für die Kinder wieder hergerichtet. Ja, jetzt muß nun auch unser Junger daran glauben und sich auf den Schulweg machen. Ich hoffe, daß er sich schon hineinfinden wird. Man muß ihn aber wahrscheinlich ab und zu etwas aufmuntern. Hoffentlich kommt er zu einem Lehrer, der es versteht, ihn richtig anzupacken, denn dann glaube ich, daß er auch richtig lernt. Ich habe hier noch einige kleine Tafeln Schokolade, die kannst Du ihm ja mit zum Schulanfang geben. Ich sende sie heute mit ab. Ich weiß zwar nicht, ob sie noch rechtzeitig ankommen. Gerade habe ich die Schokolade nochmals angesehen, es ist aber bittere, die wollen unsere Kinder ja nicht essen. Ich glaube, ich lasse es dann für heute sein mit dem wegschicken. Es sind nur kleine Tafeln. Ich will zusehen, daß ich vielleicht für Dich noch einmal andere bekomme. 
Ja, das mit dem Wetter bei uns ist hier auch so eine Sache. Seit einiger Zeit ist es fast herbstlich und man kann sich schon fast warm anziehen.  Denn das kann man bei dieser Witterung schon vertragen. Wegen des Zuckers mache ich mir auch schon immer Gedanken, aber ich muß hier noch einige Schwierigkeiten, die da bestehen, beiseite räumen. Fest steht jedenfalls, daß ich welchen bekomme, und daß ich Dir diesen zukommen lasse. Heute habe ich mir noch einen weiteren Schlafanzug gekauft und für die nächste Zeit noch einen zurücklegen lassen. Ich denke daß ich dann damit auskommen werde. Arbeitsmäßig geht alles im gleichen Tempo weiter. Schreiben kann man darüber nicht viel, das kann man sich besser erzählen.  In den letzten Tagen bin ich ziemlich müde. Die Anspannung war auch entsprechend. Das gibt sich aber bald wieder, wenn man ein paar ruhige Tage einschiebt, soweit sich das vertreten läßt.  Morgen ist jedenfalls Sonntag und ich hoffe, daß ich da ein wenig ausspannen kann.  Du entschuldigst mich, wenn ich schon aufhöre mit Schreiben, aber ich bin jetzt so stark in Anspruch genommen, daß es mir zu einem größeren Schreiben nicht mehr reicht.  Dir und den Kindern sendet viele herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst.

Meine liebe Annie !                                                                                                                 26.8.41

Ein Kamerad ist nun seit 14 Tagen in Urlaub und wir haben hier einen Betrieb, der teilweise sehr stark über das normale Maß hinausgeht. Morgen kommt ja dieser Kamerad wieder zurück und ich hoffe, daß eine Erleichterung dann wieder eintritt. Gestern hatten wir Nachricht erhalten, daß wieder ein neuer Streik für heute in Aussicht genommen sei. Wir hatten nun gestern schon unsere Vorbereitungen getroffen, um ja auf alles gerüstet zu sein. Der Streik ist nun nicht eingetroffen, was wir in keiner Weise bedauern, doch haben wir gestern deswegen auch wieder bis 11 Uhr gearbeitet. Am Vormittag hat man dann den üblichen Verkehr und die Lauferei, die manchmal nicht so stark sein sollte, damit man seine Sachen hier alle erledigen könnte. Umbringen lasse ich mich deshalb aber nicht und aus der Ruhe bringt mich auch nicht mein Chef.  Post erhielt ich gestern nicht von Dir. Das trifft aber manchmal so zusammen, daß dann 2 Briefe miteinander ankommen, es sei denn, daß Du einmal nicht zum Schreiben gekommen bist, was ja auch der Fall sein kann.
Gestern habe ich zum ersten Mal Melonen gegessen. Das ist alles nicht so einfach, wenn man das Zeug noch nicht kennt. Wenn man aber richtig Zucker dran macht, schmeckt es gar nicht so übel. Ich habe mir in den letzten Tagen überhaupt einmal mehr Obst gekauft. Es ist nur so teuer.  Das Pfund Pflaumen 40 Pfennig, ein Pfund Pfirsich 50 bis 60 Pfennig. Birnen ebenfalls 50 Pfennig. Man bekommt kaum etwas unter diesem Preis. Wenn es billiger ist, kann man es nicht essen.
Dann ist es also schade um das Geld.  Heute habe ich erstens einmal nicht mehr auf Lager und zweitens keine Zeit zum weiteren Schreiben. Ich grüße und küsse Dich herzlich.  Richte unseren Kindern viele Grüße und Küsse von mir aus Dein Ernst


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