Freitag, 5. August 2016

Brief 166 vom 18./19.8.1941


Mein liebes Mädel!                                                                                   18.8.41     

Ich erhielt gestern Deine beiden Schreiben vom 13. und 14.8 sowie die Bestätigung der Stadt Konstanz, daß die Beamtengeschichte nun langsam doch ins Rollen kommt. Ich hatte schon fast geglaubt, daß alles wieder eingeschlafen sei, aber inzwischen ist ja die schriftliche Bestätigung eingegangen. Ich werde zwar noch so lange warten müssen, bis ich hier die Urkunde ausgehändigt bekomme, aber nachdem die Ernennung mit Rückwirkung auf den 25.4.  erfolgt ist, bekomme ich ja meinen Anspruch, den ich dann an die Dienststelle habe, auch nachgezahlt. Hier wird es auch noch eine Weile dauern, bis das durch den ganzen Apparat durchgelaufen ist. Es geht mir ja hierbei nichts verloren. Der Stern, der dann noch dazu kommt, ist ja mehr oder weniger eine äußere Erscheinung.  Ich werde die Sachen sofort erledigen, sobald die Unterlagen, die Du mir zusenden willst, umgehend zurücksenden.
Bevor ich auf Deinen Brief eingehe, will ich Dir noch von einer Geschichte hier berichten. Manche Leute denken, daß das hier so einfach wäre zu arbeiten und zu leben. Da ist heute ein Fall vorgekommen, wo von kommunistischer Seite fünfzig Kilo Sprengstoff gestohlen worden sind, die zu Sabotageaktionen verwendet werden. Jetzt müssen wir uns mit dem Kommunistenpack hier wieder herumschlagen. Daß das Zeug verwendet wird, beweist, daß immer wieder Anschläge passieren. Wir machen uns zwar nichts daraus, doch darf man das nicht ganz auf die leichte Schulter nehmen und sich von dieser Bande einschüchtern lassen. Wir werden wahrscheinlich einen Teil festnehmen und für eine Weile festsetzen. Die Bande wird erst wieder frech, seit wir mit den Russen im Krieg stehen, denn vorher haben sie sich ziemlich ruhig verhalten. Doch darüber kann ich Dir ja dann besser mündlich berichten. 
Deine Eindrücke von der Reise und die Eindrücke bei Deiner Ankunft in der Wohnung habe ich gelesen. Mit Vater ist es also noch nicht so wie es sein muß. Das kann ich mir denken, vor allem wenn man sich vorstellt, daß er es hat so lange anstehen lassen. Wegen der Büsinggesellschaft ärgere Dich doch nicht so herum. Mache kurzen Prozeß und wende Dich an die Hausverwaltung und sage, daß das auf keinen Fall geht, daß Leute, die bisher immer für Ordnung im Haus gesorgt haben, gewissermaßen hinausgeekelt werden von solchem Pack. Wenn das nicht genügt, werde ich selbst schreiben. Das geht jedenfalls auf keinen Fall so weiter. Daß im Garten manches nicht so mitgekommen ist, läßt sich ja nicht vermeiden und das muß man in Kauf nehmen.  Der Mann von der Stadtverwaltung heißt Mettenberger. Den habe ich auch nicht vergessen, als er seinerzeit auf dem Standesamt war.  Über die Formalitäten bin ich mir ja nun im Klaren. Wesentlich ist nur noch, daß mein Vorgesetzter weiß, wie der Wortlaut der Formel heißt. Sieh doch bitte einmal in den großen Heften nach, die ich von Karlsruhe mitgebracht habe. Das eine Heft Beamtenrecht. Da steht dann unter der Spalte Begründung der Beamteneigenschaft unter anderem auch der Wortlaut der Formel. Die schreibe doch bitte mit ab und lasse sie mir zugehen, damit ich hier nicht in Verlegenheit komme. Es kann zwar sein, daß die das in Lille vornehmen. Das wird sich ja dann zeigen. Mit dem Gehalt geht es ja dann schon. Die angekündigte Summe reicht vollkommen aus für mich und ich habe sonst keine Wünsche weiter mehr.  Für diesmal sende ich Dir viele herzliche Grüße und Küsse, ebenso den Kindern. An Vater habe ich ja ein Handschreiben geschickt.  Ob es zu seinem Geburtstag noch ankommt, weiß ich nicht. Grüße ihn bitte auch noch von mir. Dir nochmals recht herzliche Grüße und Küsse  Dein Ernst.

Liebste Annie !                                                               19.8.41

Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief mit den Unterlagen.  Soweit Du für die entsprechenden Daten keine bestätigten Unterlagen besitzt, kannst Du ja sagen, daß diese nachgebracht werden.  Ich muß schon sagen, daß Du mit dieser Geschichte viel Arbeit hast. Es ist aber leider nicht möglich, daß man das anders machen kann. Das Leumundszeugnis von der Polizei mußt Du ja noch bezahlen. Du hast also Ausgaben damit. Wegen der Daten für meine Großmutter mußt Du einmal den Ehepass heraussuchen, den Kurt von Paula bei uns hat liegen lassen. Ich glaube, daß darin eine Beglaubigung des Standesamtes dabeisteht.  Ich glaube gern, daß nun viel Arbeit auf Dich wartet. Aber es macht ja nichts aus, wenn Du verschiedenes  liegen läßt und nach und nach erledigst.  Ich habe Dir schon in meinen anderen Briefen geschrieben, daß Du Dir nicht gleich wieder zuviel vornehmen sollst. Ich hoffe, daß Du inzwischen mein großes Paket mit den Schuhen erhalten hast.  Unten drin liegen noch Abschriften von Flugblättern, die Du vielleicht mit aufheben kannst. Von Kurt hast Du also auch wieder Nachricht bekommen. Dann ist anzunehmen, daß er mir auch in nächster Zeit wieder antworten wird. Mit der Amaryllis hast Du aber jetzt schon Freude gehabt, man kann es direkt aus Deinem Schreiben herauslesen. Wegen des Zuckers wollte ich Dir noch schreiben. Hat denn Vater jetzt keinen da, daß er Dir solange welchen borgen kann. Du kannst Dich darauf verlasen, daß ich hier welchen besorge. Dann kannst Du ihn ja wieder zurückgeben. Wenn Du sonst irgendwie Obst sterilisieren willst, dann läßt sich manches auch ohne Zucker machen. Dann kann man ja später beim Verbrauch den Zucker dran tun. Du wirst es ja selbst wissen und ich werde Dir da nicht viele gute Ratschläge geben brauchen. Wenn ich diesmal auf Urlaub komme, werde ich zwar nicht viel mitbringen können, weil es auch nicht mehr viel zu kaufen gibt.  Vielleicht finde ich aber noch einige Kleinigkeiten. 
Gestern wurde hier im Kino „Der liebe Augustin“ gespielt. Es ist nur schade, daß diese Filme hier so abgespielt sind und dann ganze Stücke aus dem Film fehlen. Da reißt der Streifen und dann werden die Streifen wieder zusammengeklebt ohne das fehlende Stück zu ersetzen. Wenn man so ein Stück nicht schon einmal gesehen hat, dann ist es schwer, sich darin zu Recht zu finden. 
Gestern schrieb ich Dir von einem Sabotagefall, der hier passiert ist.  Es ist nicht der erste. Heute sind schon wieder zwei weitere gemeldet worden. Sie sind zwar anderer Art, aber lassen doch die Urheber und den Zweck erkennen. Wir haben einen Teil festgenommen. Jetzt müssen wir abwarten, wie sich die Geschichte anläßt. Bis jetzt war es bei uns ja ruhig, dagegen in der Gegend von Dr. Thomas geht das schon eine ganze Zeit so. Man gewöhnt sich an alles und wird auch auf irgendeine Art damit fertig.  Viele herzliche Grüße und Küsse sende ich heute Dir und den Kindern. Ich hoffe, daß Ihr gesund seid. Wegen des Urlaubs will ich zusehen, daß ich gegen den 5. September dort eintreffen kann.  Wahrscheinlich wird es nicht viel eher sein. Nochmals sendet Dir herzliche Grüße und viele Küsse Dein Ernst.

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